Arbeitsmarkt
Ob eingewandert oder nicht – einen Beruf und eine Arbeit zu haben, ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen an der Gesellschaft. Hier sind allerdings deutliche Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu erkennen.
Wie viel Ausländer arbeiten in Deutschland?
Der Anteil ausländischer Beschäftigter steigt seit Jahren: 2021 lag er bei 13,4 Prozent. Das sind doppelt so viele wie noch 2010. Zum Vergleich: In der Bevölkerung lag der Anteil ausländischer Menschen 2020 bei 12,6 Prozent. Es arbeiteten 2021 insgesamt 4,5 Millionen ausländische Beschäftigte in Deutschland (von insgesamt 33,8 Millionen Beschäftigten).Quelle
Die meisten ausländischen Beschäftigten in Deutschland haben eine türkische Staatsbürgerschaft, gefolgt von den Beschäftigten aus Polen. Besonders stark stieg in den letzten Jahren die Zahl der Beschäftigten aus Rumänien und Bulgarien. Und die Nicht-EU-Staaten werden immer wichtiger, seit die Zuwanderung aus der EU zurückgeht.
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Staatsbürgerschaft, 2021
Quelle: Bundesagentur für Arbeit / Migrationsmonitor
Was sind die Gründe?
Ein Grund ist der demographische Wandel: Jedes Jahr gehen mehr Beschäftigte in den Ruhestand als neue nachkommen. Je größer die Engpässe in verschiedenen Branchen werden, desto wichtiger wird Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften. Einschätzungen von Expert*innen finden Sie hier in einem ausführlichen Artikel.Quelle
Aktuelle Zahlen zu ausländischen Beschäftigten in verschiedenen Branchen finden sich bei der Bundesagentur für Arbeit im Migrationsmonitor, der monatlich aktualisiert wird.
Wie viele Flüchtlinge haben Arbeit?
Derzeit haben 625.300 Menschen aus Asylherkunftsländern eine Beschäftigung (Stand: Juni 2023), die meisten von ihnen in sozialversicherungspflichtigen Stellen (536.500). Die Zahl der Geflüchteten in Arbeit ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen: Im Vergleich zu Ende 2014 – bevor viele Geflüchtete nach Deutschland kamen – gibt es mehr als siebeneinhalbmal so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus Asylherkunftsländern (Ende 2014: 70.000).Quelle
Wie schnell finden Geflüchtete Arbeit?
Mit längerer Aufenthaltsdauer steigt der Anteil der Geflüchteten, die einen Job gefunden haben. Mit Ausnahme eines Einschnitts während der "ersten Welle" der Corona-Pandemie setzt sich ein grundsätzlich positiver Trend der letzten Jahre fort. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat diesen Zusammenhang für Menschen untersucht, die unter anderem in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland kamen. Die Ergebnisse (2023):
- 54 Prozent der Personen, die vor sechs Jahren kamen, hat einen Arbeitsplatz, davon zwei Drittel in Vollzeit
- 70 Prozent üben eine qualifizierte Tätigkeit aus. Dennoch sind viele unterhalb des Ausbildungsniveaus beschäftigt, das sie vor ihrer Ankunft in Deutschland hatten, und zwar 41 Prozent der Personen, die seit sechs Jahren in Deutschland sind. Zwölf Prozent haben inzwischen eine höhere Ausbildung und eine dem entsprechende Stelle gefunden.Quelle
Kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland haben noch die wenigsten Geflüchteten Arbeit – denn sie unterliegen einerseits einem Arbeitsverbot, andererseits haben sie noch keine Sprachkenntnisse. Im ersten Jahr haben nur sieben Prozent von ihnen eine Stelle, nach sechs Jahren sind es 54 Prozent, nach sieben Jahren 62 Prozent.Quelle
Zwischen den Geschlechtern zeigt sich allerdings ein deutlicher Unterschied: So hatten sechs Jahre nach Zuzug 67 Prozent der Männer eine Arbeit gefunden, aber nur 23 Prozent der Frauen. Nach acht Jahren waren 39 Prozent der Frauen in Arbeit.Quelle
Menschen mit Migrationshintergrund in Arbeit
Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund unter den Beschäftigten. Inzwischen sind es 10,5 Millionen Erwerbstätige. Zum einen weil ihre Gesamtzahl in der Bevölkerung zunimmt. Außerdem finden sie immer besser Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.Quelle
Die überwiegende Mehrheit der Menschen mit "Migrationshintergrund" geht einer bezahlten Tätigkeit nach. Das zeigen die Erwerbstätigenquoten für 2021 aus dem Mikrozensus:
- 67,2 Prozent bei Menschen mit Migrationshintergrund
- 64,7 Prozent bei ausländischen Staatsbürger*innen (zum Vergleich: Gesamtbevölkerung: 75,6 Prozent / Deutsche ohne Migrationshintergrund: 78,9 Prozent).Quelle
Einen weiteren Hinweis gibt die Beschäftigungsquote von ausländischen Staatsangehörigen, sie liegt nicht für Menschen mit Migrationshintergrund vor. Die Quote zeigt, wie viele Personen sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt sind und lag Anfang 2022 bei ausländischen Staatsbürger*innen niedriger als beim Durchschnitt der Gesamtbevölkerung:
- Beschäftigte insgesamt: 68,3 Prozent
- Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft: 53,7 Prozent, .Quelle
Woran liegt das? Ein Grund: Viele ausländische Staatsbürger*innen arbeiten als Selbstständige oder mithelfende Familienangehörige. Damit sind sie zwar erwerbstätig, tauchen aber nicht als Beschäftigte in der Beschäftigungsstatistik auf (siehe unten).
Erwerbstätigkeit und Beschäftigung - was ist der Unterschied?
Um die Integration in den Arbeitsmarkt zu messen, gibt es zwei wichtige Statistiken: die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit und die Erwerbstätigenstatistik des Statistischen Bundesamtes. Sie werden unterschiedlich erhoben. Je nach Sachverhalt muss man sich für eine Statistik entscheiden.
Beschäftigungsstatistik: Die Bundesagentur für Arbeit zählt, wer sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt ist und von den Arbeitgeber*innen gemeldet wird. Selbständige werden hier zum Beispiel nicht erfasst. Die Beschäftigungsstatistik wird monatlich aktualisiert, bietet allerdings nur Zahlen zu deutschen und ausländischen Beschäftigten, nicht zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund.
Erwerbstätigenstatistik: Das Statistische Bundesamt erhebt in der Befragung zum Mikrozensus Erwerbstätige, unabhängig davon, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten. Schon ab einer Stunde bezahlter Tätigkeit pro Woche zählt eine Person als erwerbstätig. Auch Selbstständige werden gezählt sowie Beamte oder Auszubildende. Die Erwerbstätigenstatistik wird einmal pro Jahr aktualisiert und bietet Zahlen zu deutschen und ausländischen Staatsbürger*innen sowie der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Quelle
Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund sind arbeitslos?
Eindeutige Statistiken zur Arbeitslosigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund gibt es nicht, da sie nicht gesondert in der Arbeitslosenstatistik erfasst werden. Es gibt aber Hinweise darauf, dass sie häufiger arbeitslos sind.
Das zeigt etwa die Hochrechnung des Mikrozensus, einer repräsentativen jährlichen Haushaltsbefragung. Dort geben Menschen mit Migrationshintergrund etwa doppelt so oft an, erwerbslos zu sein wie Deutsche ohne Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass sie keiner bezahlten Arbeit nachgehen – unabhängig davon, ob sie bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitslos gemeldet sind oder nicht. 2021 lagen die Erwerbslosenquoten dem Mikrozensus zufolge:
- bei Deutschen ohne Migrationshintergrund bei 2,6 Prozent (rund 840.000 Erwerbslose)
- bei Deutschen mit Migrationshintergrund bei 6,2 Prozent (rund 693.000 Erwerbslose)
- und bei Ausländer*innen bei 7,6 Prozent (rund 435.000 Erwerbslose).Quelle
Hinweise bieten außerdem die Arbeitslosenquoten. Für die Arbeitslosenquoten wird gezählt, wer bei der Bundesagentur für Arbeit als "arbeitslos" gemeldet ist. Menschen mit Migrationshintergrund werden in der Arbeitslosenstatistik nicht getrennt erfasst. Erfasst werden aber ausländische Staatsbürger*innen in Deutschland (sie machen etwa die Hälfte aller Menschen mit Migrationshintergrund aus). Im Januar 2022 lagen die Arbeitslosenquoten:
- bei der Bevölkerung insgesamt bei 6,3 Prozent
- bei der Bevölkerung mit ausländischer Staatsbürgerschaft bei 13,1 Prozent.Quelle
Auch in anderen OECD-Ländern sind Eingewanderte häufiger arbeitslos. Im internationalen Durchschnitt lag im Jahr 2018 die Arbeitslosenquote von Menschen, die nicht im Land geboren waren, um 2,4 Prozentpunkte höher als bei Einheimischen. Allerdings ist dieser Unterschied in den letzten Jahren kleiner geworden.Quelle
Höheres Armutsrisiko
Menschen mit Migrationshintergrund haben ein höheres Risiko, in Armut zu leben. Die Armutsgefährdungsquote lag im Jahr 2019:
- bei 27,8 Prozent bei Menschen mit Migrationshintergrund
- bei 11,7 Prozent bei Menschen ohne MigrationshintergrundQuelle
Auch wenn sie einer Beschäftigung nachgehen, sind sie stärker von Armut bedroht, als Beschäftigte ohne Migrationshintergrund. Und auch Abitur schützt nicht immer vor Armut: Menschen mit Migrationshintergrund und Abitur sind eher von Armut bedroht (20,4) als Menschen ohne Migrationshintergrund und Hauptschulabschluss (16,2).Quelle
Ein höheres Armutsrisiko haben Menschen zum Beispiel, weil sie noch nicht so lange in Deutschland leben, wenig Deutschkenntnisse haben oder aus "Gastarbeiterländern" oder von außerhalb der EU kommen. Ein weiterer möglicher Grund ist, dass sie Diskriminierung am Arbeitsmarkt erleben.Quelle
Wichtige Quellen:
> Aktuelle Arbeitslosenquoten von ausländischen Staatsbürger*innen und Geflüchteten finden Sie im Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
> Aktuelle Zahlen zu Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt finden Sie in unserer Rubrik "Wie viele Flüchtlinge haben Arbeit? Wie viele nicht?"
Selbstständige und Gründer mit Migrationshintergrund
Die Zahl der "Migrant*innen-Unternehmen" wächst. Prominente Beispiele sind das Biotechnologie-Unternehmen "Biontech" oder der Computerspiele-Entwickler "Crytek".
Im Jahr 2021 gab es 703.000 Selbstständige mit Migrationshintergrund in Deutschland – etwa 7 Prozent mehr als 2011 (660.000, Erläuterung). Innerhalb dieser zehn Jahre wuchs ihr Anteil von rund 15 auf 20 Prozent aller Selbstständigen. Die knappe Mehrheit von ihnen sind Alleinunternehmer*innen. Etwa 47 Prozent (332.000) sind selbst Arbeitgeber*innen mit weiteren Beschäftigten – und sorgten für zahlreiche Jobs: Verschiedenen Schätzungen zufolge stellen sie über zwei Millionen Arbeitsplätze.Quelle
Zahlen zum Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in den Vorständen großer Unternehmen gibt es in unserer Rubrik "Wie viele Führungskräfte haben Migrationshintergrund?"
Attraktiv für ausländische Gründer*innen
Deutschland ist attraktiv für Gründer*innen aus dem Ausland. Mehr als jedes fünfte Startup wird von Zugewanderten gegründet (22%), vor allem aus Osteuropa. Das ist das Ergebnis des "Migrant Founders Monitoring 2022", einer Umfrage unter rund 350 "migrantischen Unternehmensgründer*innen". Allerdings: Einige berichten auch von Problemen, Kapital für ihre Gründungen zu bekommen, zum Beispiel durch staatlichen Hilfen oder "Risiko-Kapitalgeber". Ein Drittel berichtet von Rassismuserfahrungen, zum Beispiel durch Behörden oder Banken.Quelle
Im Vergleich zur sonstigen Bevölkerung gründen Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich häufig Unternehmen. Im Jahr 2019 ging jede vierte Existenzgründung auf Menschen mit Migrationshintergrund zurück (26 Prozent). Durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sink dieser Anteil 2020 auf 21 Prozent. Quelle
Immer mehr Selbstständige mit Migrationshintergrund arbeiten im Bereich "öffentliche und private Dienstleistungen", zum Beispiel im Gesundheits- oder Erziehungsbereich (28 Prozent) und immer weniger in der Gastgewerbe oder im Handel (26 Prozent).Quelle
In welchen Berufen arbeiten viele Ausländer?
Mehr als jede dritte Reinigungskraft hat eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft. Auf Baustellen sind es ähnlich viele. Auch bei LKW-Transporten, Paketzustelldiensten oder in der Altenpflege – ohne Zuwanderung würde in vielen Branchen kaum noch etwas funktionieren.
Was sind die Gründe?
Ein Grund ist der demographische Wandel: Jedes Jahr gehen mehr Beschäftigte in den Ruhestand als neue nachkommen. Je größer die Engpässe in verschiedenen Branchen werden, desto wichtiger wird Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften. Daher wächst in der "Mitte" der Arbeitswelt der Anteil ausländischer Arbeitskräfte. Also in klassischen Mittelstandsberufen wie LKW-Fahrer, Bürokraft, Bauelektriker oder in der Altenpflege.Quelle
Ein weiterer Grund: Deutsche Schulabgänger*innen bevorzugten eher akademische Berufe anstatt der klassischen Ausbildungsberufe. "Hier tun sich Lücken auf, in die ausländische Arbeitskräfte vorstoßen." Damit federn sie heute schon die Engpässe ab, die sonst deutlich stärker spürbar wären, so die Einschätzungen von Expert*innen in einem ausführlichen Artikel.
In einigen Berufen sind ausländische Beschäftigte die Mehrheit
Besonders deutlich zeigt sich der Trend, wenn man einzelne Berufe anschaut. In einzelnen, sehr kleinen, Berufsgruppen machen sie inzwischen sogar die Mehrheit der Beschäftigten aus, zum Beispiel bei den Tänzer*innen und Köch*innen. Die Statistik zeigt auch Kurioses: Jeder fünfte der "Zauberer/innen und Illusionist/innen" kommt aus dem Ausland. Kaum ausländische Beschäftigte findet man hingegen in der Justiz, bei Notaren oder unter den Schornsteinfeger*innen.
Aktuelle Zahlen zu ausländischen Beschäftigten in verschiedenen Branchen finden sich bei der Bundesagentur für Arbeit im Migrationsmonitor, der monatlich aktualisiert wird.
Ausländer*innen in Leiharbeit
Ausländische Beschäftigte arbeiten deutlich häufiger in der Leiharbeit (6 Prozent) als deutsche Beschäftigte (2 Prozent). In der Leiharbeitsbranche stieg ihr Anteil in den letzten Jahren: Mehr als jede*r dritte Beschäftigte in der Leiharbeit hatte 2019 einen ausländischen Pass (37 Prozent). In den Jahren von 2000 bis 2012 lag ihr Anteil noch bei durchschnittlich 17,4 Prozent.Quelle
Der Anstieg ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass viele Geflüchtete, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, in der Branche arbeiten. Jede*r sechste Beschäftigte in Leiharbeit kommt inzwischen aus einem Asylherkunftsland. Unter Geflüchteten arbeiten deutlich mehr in der Leiharbeit (13 Prozent) als bei Beschäftigten insgesamt (2 Prozent). Für sie bietet Zeitarbeit offenbar einen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Gewerkschaften kritisieren, dass Leiharbeit oft keine Perspektive auf einen sicheren Job biete, und sie mit einem höheren Risiko verbunden ist, arbeitslos zu werden.Quelle
Wie groß ist der Fachkräftemangel?
Der Fachkräftemangel ist in den letzten Jahren zu einem der größten Probleme der deutschen Wirtschaft geworden. Hauptgrund ist der demographische Wandel in Deutschland: In den nächsten 15 Jahren wird die Generation der Babyboomer in den Ruhestand gehen. Unter dem Strich gehen mehr Menschen in Rente als neue einheimische Arbeitskräfte nachkommen. Hierdurch fehlen in vielen Bereichen Arbeitskräfte.
Bis zum Jahr 2026 werden laut einem Fachkräftemonitoring für das Bundesarbeitsministerium schätzungsweise 240.000 Stellen mehr neu zu besetzen sein, als Arbeitskräfte verfügbar sein werden. In diesem Szenario ist Zuwanderung schon eingerechnet. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hält langfristig eine Nettozuwanderung von mindestens 400.000 Personen im Jahr für notwendig. Weitere Strategien gegen den Fachkräftemangel sind, die Frauenerwerbstätigkeit weiter zu erhöhen und mehr Menschen zu qualifizieren.Quelle
In welchen Berufen fehlen Fachkräfte?
Fachkräfte sind in den vergangenen Jahren in vielen Berufen und Regionen deutlich knapper geworden: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verzeichnete Ende 2022 Engpässe in 200 Berufsgruppen – das ist ein neuer Höchstwert (zum Vergleich: 2017 waren es 25 Berufsgruppen). Insgesamt fehlten damit Fachkräfte in jedem sechsten untersuchten Beruf. Ein Mangel an Fachkräften besteht vor allem in den Pflege- und Gesundheitsberufen, im Handwerk und in den Bauberufen. Darüber hinaus gibt es Engpässe im technischen Bereich, in Verkaufsberufen, im Gastronomieservice, sowie bei Berufskraftfahrer*innen im Güterverkehr.Quelle
Die Engpässe schlagen sich oft darin nieder, dass Stellen lange unbesetzt bleiben. Ein Beispiel: In der Pflege konnten 2022 offene Fachkräftestellen im Schnitt rund viereinhalb Monate (136 Tage) lang nicht besetzt werden. Außerdem gibt es in manchen Berufen starke regionale Unterschiede: Während 2022 Fachkräfte im Gartenbau in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern gesucht wurden, war die Situation in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt entspannter.Quelle
Ein Problem für Unternehmen
Auch die Unternehmen sehen Probleme: Laut einer Umfrage hatten 2022 mehr als die Hälfte aller befragten Unternehmen Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen (53 Prozent), besonders in der Baubranche und im Industriebereich – so der jüngste "Fachkräftereport" des Deutschen Industrie- und Handelskammertags von Januar 2023. Jedes dritte Unternehmen sieht Arbeitskräfte aus dem Ausland als mögliche Gegenstrategie (35 Prozent).Quelle
Nicht nur Fachkräfte fehlen
Häufig wird in der Debatte um Arbeitskräftezuwanderung von "Fachkräfteeinwanderung" gesprochen. Expert*innen weisen jedoch daraufhin, dass in vielen Wirtschaftsbereichen, beispielsweise im Dienstleistungsbereich, auch ungelernte Arbeitskräfte dringend gesucht werden. Oft wäre es also präziser, von "Arbeitskräftemangel" zu sprechen.
Wichtige Quellen
• Bundesagentur für Arbeit: Interaktives Datenportal mit Details zum Bedarf in einzelnen Branchen, Link
• Bundesagentur für Arbeit: Übersicht zu Fachkräfte-Engpässen in verschiedenen Berufen, Link
• Bundesagentur für Arbeit: Jährliche Fachkräfteengpassanalyse, Link
• DIHK-Arbeitsmarkt- und Konjunkturreport: Jährliche Umfrage bei Unternehmen, Link
• Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2022): Fachkräftemonitoring für das BMAS, Mittelfristprognose bis 2026, Link
Aufenthalt für Hochqualifizierte - Blaue Karte EU
Die Blaue Karte EU ist ein Aufenthaltstitel, der es Hochqualifizierten aus Nicht-EU-Staaten ("Drittstaaten") erlaubt, in einem EU-Staat zu arbeiten. Die Blaue Karte ist das europäische Pendant zur US-amerikanischen "Green Card". Wer einen Job in Aussicht hat, kann so für zunächst vier Jahre nach Deutschland kommen. Der Großteil der Blauen Karten der EU wird in Deutschland ausgestellt (2019: rund 80 Prozent).Quelle
2020 wurden in Deutschland rund 15.000 Blaue Karten ausgestellt und damit nur etwa halb so viele wie im Jahr zuvor, so die Zahlen des BAMF. Das dürfte vor allem an den Reisebeschränkungen während der Corona-Zeit liegen. Seit Einführung der Blauen Karte 2012 war deren Zahl kontinuierlich gestiegen.
Es werden auch die Menschen mitgezählt, die schon länger in Deutschland leben und vorher einen anderen Aufenthaltstitel hatten. Etwa die Hälfte aller Blauen Karten ging 2020 an Menschen, die neu ins Land kamen (rund 7.300 Blaue Karten, laut Ausländerzentralregister).Quelle
2020 gingen die meisten Blauen Karten an Staatsangehörige aus Indien (rund 1.700; 24 Prozent), der Türkei (600; 8 Prozent), dem Iran (500; 7 Prozent), der Russischen Föderation (500; 7 Prozent) sowie der Ukraine (350; 4,8 Prozent).Quelle
Voraussetzungen: Die Blaue Karte wird nur an Personen mit abgeschlossenem Hochschulstudium erteilt. Außerdem benötigen sie einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt. Derzeit liegt die Untergrenze bei einem Jahresgehalt von 56.400 Euro. Für Ärzt*innen, Ingenieur*innen, Architekt*innen, Mathematiker*innen oder IT-Fachkräfte und Naturwissenschaftler*innen liegt das Mindestgehalt bei rund 44.000 Euro, da in diesen Branchen besonders viele Stellen unbesetzt sind. Die Blaue Karte ist auf maximal vier Jahre befristet und kann unter bestimmten Voraussetzungen nach zwei bis drei Jahren in eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis münden.Quelle
Wer besitzt eine Blaue Karte EU?
Inzwischen leben etwa 100.000 Menschen in Deutschland, die im Besitz einer Blauen Karte sind oder waren (Stand: Ende 2019). Etwa zwei Drittel davon sind aktuell im Besitz einer Blauen Karte. Ein Drittel von ihnen hatte vormals eine Blaue Karte und inzwischen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.Quelle
Die erste repräsentative BAMF-Befragung von Blaue-Karte-Inhaber*innen kam 2016 zu folgenden Ergebnissen:
- Zwei Drittel von ihnen sind in MINT-Berufen, etwa ein Fünftel als Ärzt*innen tätig.
- Zwei Drittel sind verheiratet oder leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (61 Prozent). Der überwiegende Teil der Ehepartner*innen lebt ebenfalls in Deutschland (90 Prozent). 37 Prozent haben ein oder mehrere Kinder.
- Ein Drittel von ihnen kann sich vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu leben (31,4 Prozent) und 39 Prozent wollen mindestens zehn Jahre bleiben.Quelle
Wichtige Quellen:
• Die "Nationale Kontaktstelle Blaue Karte" beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) veröffentlicht regelmäßig Zahlen zur Blauen Karte in einem Datenblatt (aktueller Stand: 2019).
• Eine aktuellere Übersicht bieten die BAMF-Publikation "Bundesamt in Zahlen" (aktueller Stand: 2020) oder das "Monitoring zur Bildungs- und Erwerbsmigration von Drittstaatsangehörigen" (Stand: 2020).
• Die EU-Statistikbehörde Eurostat sammelt EU-Zahlen zur Blauen Karte in einer Datenbank (Stand: Dezember 2021).
Anerkennung von ausländischen Abschlüssen
Im Jahr 2020 haben Bund und Länder 44.800 ausländische Berufsabschlüsse ganz oder teilweise anerkannt. Es wurden rund 42.000 Neuanträge auf Anerkennung bearbeitet. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. 2020 wurden weniger Anträge als im Vorjahr gestellt, Grund hierfür sind vor allem die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Insgesamt wurden 59.000 Anträge auf Anerkennung bearbeitet Zwei Drittel der Anerkennungen gab es in Gesundheitsberufen (29.900), vor allem für Pflegekräfte. Vergleichsweise wenige Anerkennungen gab es zum Beispiel bei Lehrerinnen und Lehrern (2.100).Quellen
Zum Hintergrund: Es gibt zahlreiche Berufe, in denen sich ausländische Arbeitskräfte unmittelbar bei Unternehmen bewerben können (zum Beispiel im Bereich KFZ-Mechatronik, im Einzelhandel oder als Tischlerin oder Tischler). Für einige Berufe benötigt man in Deutschland aber eine Zulassung (z.B. Ärztinnen und Ärzte oder Lehrkräfte). Für Zugewanderte heißt das, sie müssen zuerst ihre Abschlüsse anerkennen lassen, bevor sie in Deutschland in diesen Berufen arbeiten dürfen.
Für Berufe, die vom Bund geregelt werden, gibt es das Anerkennungsgesetz (z.B. Ärztinnen und Ärzte oder Pflegekräfte). Für Berufe, die auf Länderebene geregelt werden, gibt es für alle Bundesländer eigene Anerkennungsgesetze (z.B. bei Lehrkräften, bei Erzieherinnen und Erziehern oder in Ingenieurberufen). Die Regelungen weichen zum Teil stark voneinander ab. Die meisten Anerkennungen entfallen auf den Bund, etwa ein Fünftel auf die Bundesländer.Quellen
Wer lässt seine Abschlüsse anerkennen?
Die Personen, die im Jahr 2020 eine Anerkennung bekommen haben, kamen zu etwa je einem Drittel aus der EU, aus den übrigen europäischen Ländern sowie aus Ländern außerhalb Europas. Am häufigsten ließen Menschen aus Bosnien-Herzegowina ihre Abschlüsse anerkennen, gefolgt von Menschen aus Serbien und Syrien. Die meisten können künftig als Ärztinnen und Ärzte oder Pflegekräfte in Deutschland arbeiten.Quelle
In unserer Rubrik "Flucht und Asyl" finden Sie Zahlen und Fakten zu Flüchtlingen, die ihre Berufsabschlüsse anerkennen lassen möchten.
Eine bundesweite Übersicht von Beratungsstellen, die Einwanderer bei der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse unterstützen, bietet das IQ Netzwerk "Integration durch Qualifizierung".
Wie viel Geld schicken Migranten in ihre Herkunftsländer?
Insgesamt flossen im Jahr 2021 etwa 6 Milliarden Euro als Rücküberweisungen ("Remittances") ins Ausland. Ein Großteil ging an Angehörige in Europa (4,4 Milliarden). Besonders viel Geld geht in die Türkei, nach Polen, Italien und Rumänien. Das ist wenig überraschend, da aus diesen Ländern in der Vergangenheit die meisten Menschen zum Arbeiten nach Deutschland kamen. Besonders stark stiegen Rücküberweisungen in "Asylherkunftsländer", vor für Syrien, der Irak und Afghanistan. Diese Gelder dürften vor allem von Geflüchteten stammen, die sich inzwischen am Arbeitsmarkt integriert haben. Quelle
Die Zahlen zu Remittances sind Schätzungen. Die Überweisungen zu messen ist kompliziert, da sie als solche nicht in Zahlungsbilanzen auftauchen. Meist liegen sie unter der Grenze von 12.500 Euro und müssten deshalb nicht gemeldet werden, wie die Bundesbank schreibt.
Kaum Rückgänge während Corona
Der Einfluss der Corona-Pandemie auf die Rücküberweisungen war erstaunlich gering. Der Anstieg bei den Überweisungen setzte sich fort, wenn auch etwas verlangsamt. Auch weltweit sind die Werte der Rücküberweisungen im Jahr 2021 insgesamt stabil und vergleichbar mit denen vor Beginn der Pandemie. Dafür könnte es verschiedene Gründe geben: Migrant*innen schicken oft kurzfristig mehr Geld in ihr Heimatland, wenn es benötigt wird, etwa bei Naturkatastrophen oder anderen Krisen. Viele würden eher bei sich sparen, als Rücküberweisungen an die Familie einzustellen.
Gute und schlechte Folgen von Rücküberweisungen
Mit den Geldern finanzieren die Familien in den Herkunftsländern etwa Arztbesuche oder ermöglichen es Kindern, zur Schule zu gehen. Und sie reduzieren generell die Armut der Empfänger. In einigen Ländern , wie zum Beispiel Moldawien, gab es durch die höhere Nachfrage teilweise sehr schnelle Lohnsteigerungen.
Es gibt aber auch Nachteile: Rücküberweisungen können die Inflation verstärken, da die Wirtschaft mehr importiert und selbst weniger konkurrenzfähig ist. Und Haushalte, die keine Rücküberweisungen erhalten, leiden an der Preissteigerung.
Eine aktuelle Übersicht zum Forschungsstand zu "Rücküberweisungen" bietet die Bundeszentrale für politische Bildung, hier >>
Zahlen & Expert*innen-Einschätzungen haben wir in einem Artikel zusammengefasst, hier >>
News Zum Thema: Arbeitsmarkt
Arbeitskräfteeinwanderung "Ein Gesetz alleine reicht nicht"
Die Bundesregierung will einen Gesetzentwurf vorlegen, damit Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten leichter einwandern können. In einem Pressegespräch vom MEDIENDIENST warnen Expert*innen: Die Probleme liegen eher bei der Verwaltung.
Türkische Arbeitskräfte Flughafen-Einsatz soll "einmalig" bleiben
Am 6. November ist Schluss: Die erleichterte Einreise für Flughafen-Personal aus der Türkei soll nur für einen Sommer gelten.
Integration Kaum Flüchtlinge in DAX-Unternehmen
In den großen Unternehmen in Deutschland arbeiten immer noch kaum Geflüchtete. Das zeigt eine aktuelle MEDIENDIENST-Recherche. Ein Unternehmen bildet eine Ausnahme.