Arbeitsmarkt
Ob eingewandert oder nicht – einen Beruf und eine Arbeit zu haben, ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen an der Gesellschaft. Hier sind allerdings deutliche Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu erkennen.
Erwerbstätigkeit im Vergleich
Von den knapp 82,4 Millionen Einwohnern in Deutschland waren 2016 rund 43,1 Millionen "Erwerbspersonen", also Menschen, die für den Arbeitsmarkt in Betracht kommen. Dazu zählen Erwerbstätige und Arbeitslose.
Von diesen Erwerbspersonen hatten knapp 9 Millionen einen Migrationshintergrund, darunter rund 4,2 Millionen Ausländer. Will man die Integration in den Arbeitsmarkt vergleichen, sollte als Bezugsgruppe immer die Zahl der Erwerbspersonen der jeweiligen Gruppe genommen werden.
Trotz der verhältnismäßig hohen Arbeitslosigkeit unter Eingewanderten und ihren Nachkommen geht die überwiegende Mehrheit einer Arbeit nach: nämlich rund 93 Prozent der Erwerbspersonen mit Migrationshintergrund und rund 92 Prozent der ausländischen Erwerbsfähigen.Quelle
Erwerbslosigkeit im Vergleich
Auch wenn meist die Rede von "Arbeitslosen" ist, wird in der Fachwelt von "Erwerbslosen" gesprochen: das sind alle Arbeitslosen – unabhängig davon, ob sie bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitslos gemeldet sind oder nicht. Die Erwerbslosenquote lag 2016 in der gesamten Bevölkerung bei rund 4 Prozent. Betrachtet man die Zahlen genauer, fallen deutliche Unterschiede für einzelne Gruppen auf. So liegt der Anteil der Erwerbslosen
- bei Deutschen ohne Migrationshintergrund bei 3,4 Prozent (rund 1,15 Millionen Erwerbslose),
- bei Menschen mit Migrationshintergrund bei 6,9 Prozent (rund 626.000 Erwerbslose)
- und unter Ausländern bei 8,5 Prozent (rund 353.000 Erwerbslose).
Arbeitslosigkeit trifft also Menschen ohne deutschen Pass mehr als doppelt so oft wie Deutsche ohne Migrationshintergrund.Quelle
Auch in anderen industrialisierten Ländern, die zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehören, sind die Berufschancen für Menschen, die im Ausland geboren sind (foreign-born) geringer: Im Durchschnitt liegt deren Erwerbslosenquote 3,3 Prozentpunkte höher als bei Einheimischen.Quelle
Unterschiede in Ost und West
Nach wie vor ist der Anteil an "Ausländern" in Westdeutschland mit 12,1 Prozent deutlich größer als in Ostdeutschland (3,6 Prozent). Auch Menschen mit Migrationshintergrund sind in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) mit 6,4 Prozent deutlich unterdurchschnittlich vertreten.Quelle
Gleichzeitig weist eine Statistik von 2015 auf schlechtere Arbeitsmarktchancen für Migranten und ihre Nachkommen in Ostdeutschland hin: So betrug die Erwerbslosenquote bei Menschen mit Migrationshintergrund dort 2014 rund 16 Prozent, gegenüber 7,8 Prozent im Westen.Quelle
Selbstständige und Unternehmer mit Migrationshintergrund
Einwanderer schaffen zahlreiche Arbeitsplätze. Das belegen unter anderem die Zahlen zu Unternehmensgründungen. So wurde in den vergangenen Jahren laut KfW jede fünfte Firma von Migranten gegründet.
Die Selbstständigenquote liegt bei Personen mit und ohne Migrationshintergrund auf gleichem Niveau. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 755.000 Selbstständige aus Einwandererfamilien, die über zwei Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Dabei haben die Bereiche Gastronomie und Handel abgenommen, während wissensbezogene Dienstleistungen wie Forschung, Beratung, Management und Organisation erheblich gestiegen sind.Quelle
Die Zahl der Selbstständigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit ist viele Jahre deutlich gestiegen, ist allerdings seit Kurzem rückläufig:
Löhne im Vergleich
Ausländer verdienen deutlich weniger als Beschäftigte mit einem deutschen Pass. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Bildung und Berufsforschung (IAB), die die Löhne vollzeitbeschäftigter Männer von 2000 und 2008 miteinander verglichen hat. Beim Eintritt in den Arbeitsmarkt erreichen die ausländischen nur 64 Prozent des Durchschnittslohns der deutschen Arbeitnehmer. Acht Jahre später sind es immerhin 72 Prozent.
Die Lohnangleichung fällt jedoch je nach Herkunftsland sehr unterschiedlich aus. So können etwa Franzosen, die bereits beim Eintritt in den Arbeitsmarkt relativ viel verdienen, ihr Lohnniveau in den Folgejahren stärker steigern als Personen aus der Türkei, die überwiegend "am unteren Ende der Lohnverteilung starten". Einwanderer aus Industriestaaten wie Österreich, Großbritannien, den Niederlanden und USA hingegen verdienen oft von Anfang an mehr als den hiesigen Durchschnittslohn, da sie oft als Hochqualifizierte nach Deutschland kommen.
Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse
In vielen Bereichen werden ausländische Berufsqualifikationen nicht automatisch anerkannt und die Betroffenen können ihren Beruf nicht ausüben. Seit 2012 gibt es deswegen das "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen", kurz Anerkennungsgesetz. Mit dem Gesetz gibt es einen Anspruch auf Prüfung.
Zahlen 2015: Laut Statistischem Bundesamt wurden 2015 rund 22.400 Anträge auf Anerkennung bearbeitet, das sind 13 Prozent mehr als im Vorjahr. 16.700 Berufsabschlüsse wurden ganz oder teilweise anerkannt. Darunter sind auch Antragsteller, die noch eine Prüfung oder einen Lehrgang absolvieren müssen, um die volle Anerkennung zu erreichen. Etwa die Hälfte von ihnen hatte Abschlüsse aus europäischen Staaten, die meisten aus Rumänien, gefolgt von Polen und Bosnien. Fast drei Viertel der Antragsteller wollen als Ärzte oder Pflegepersonal in Deutschland arbeiten.Quelle
In unserer Rubrik "Flucht und Asyl" finden Sie Zahlen und Fakten zu Flüchtlingen, die ihre Berufsabschlüsse anerkennen lassen möchten.
Eine bundesweite Übersicht von Beratungsstellen, die Einwanderer bei der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse unterstützen, bietet das IQ Netzwerk "Integration durch Qualifizierung" auf seiner Website.
Das Anerkennungsgesetz betrifft nur Berufe im Zuständigkeitsbereich des Bundes. Es gibt jedoch zahlreiche Berufe, deren Gleichstellung und Anerkennung über Ländergesetze geregelt werden – dazu gehören etwa Lehrer, Erzieher, Ingenieure, Architekten, Sozialpädagogen und berufsfachschulische Abschlüsse. Alle 16 Bundesländer haben inzwischen eigene Anerkennungsgesetze eingeführt. Die Regelungen weichen jedoch zum Teil stark voneinander ab.
Blaue Karte EU: Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte
Die Blaue Karte EU trat am 1. August 2012 in Kraft und ist seither das Pendant zur US-amerikanischen "Green Card". Damit haben die EU-Länder erstmals einen gemeinsamen Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte aus Ländern eingeführt, die außerhalb der EU liegen. Am häufigsten wird der Titel in Deutschland genutzt: 87 Prozent aller Blauen Karten gingen an Drittstaatsangehörige in der Bundesrepublik.Quelle
Die sogenannte Blue Card wird nur an Personen mit abgeschlossenem Hochschulstudium erteilt, die einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt vorlegen können. Sie ist auf maximal vier Jahre befristet und kann unter bestimmten Voraussetzungen in eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis münden.
2015 hat Deutschland 6.800 Blaue Karten ausgestellt. Das ist ein Viertel mehr als 2014 (rund 5.400 Blaue Karten). Die meisten gingen an Staatsangehörige aus Indien (20 Prozent), gefolgt von Russland (11 Prozent), der Ukraine (neun Prozent), China (sieben Prozent) und den USA (fünf Prozent).Quelle
Die erste repräsentative BAMF-Befragung von Blue-Card-Inhabern kommt zu folgenden Ergebnissen: Im Dezember 2015 lebten insgesamt 28.000 Ausländer mit diesem Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik. Nicht alle sind neu eingewandert, ein großer Teil hielt sich bereits in Deutschland auf.Quelle
- 18.400 Inhaber einer Blauen Karte sind Berufsanfänger, von ihnen lebten 5.900 bereits in Deutschland und absolvierten hier ein Studium, eine Aus- oder Weiterbildung.
- 89 Prozent von ihnen sind entweder in MINT-Berufen oder als Ärzte tätig.
- 61 Prozent sind verheiratet. Der überwiegende Teil der Ehepartner lebt ebenfalls in Deutschland (90 Prozent). 37 Prozent haben ein Kind oder mehrere Kinder.
- Ein Drittel von ihnen kann sich vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu leben und 39 Prozent wollen mindestens zehn Jahre bleiben.Quelle
Ausländer in Leiharbeitsverhältnissen
Ausländer arbeiten in Deutschland überproportional häufig als Leiharbeiter: Ihr Anteil beträgt in der Leiharbeitsbranche 17,4 Prozent, während sie in allen anderen Sektoren 11,1 Prozent ausmachen. Zudem sind hier Männer und jüngere Arbeitnehmer überrepräsentiert. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) von 2014 hervor.
Die Untersuchung zeigt auch, dass ausländische Leiharbeiter im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen kürzer beschäftigt sind. 2012 blieben Deutsche im Durchschnitt 3,5 Monate beschäftigt, während Ausländer durchschnittlich drei Monate in Leiharbeitsverhältnissen waren.Quelle
Wie hoch ist der Fachkräftemangel?
Immer wieder wird Migration im Zusammenhang mit Fachkräftemangel diskutiert. Anlass gibt vor allem der demographische Wandel: Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt es bis 2025 in Deutschland rund 6,5 Millionen weniger Erwerbspersonen, womit auch weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen werden.
Zwar ist der Fachkräftemangel ein Dauerthema, genaue Zahlen über das Ausmaß gibt es jedoch wenige. Laut der "Fachkräfteengpassanalyse" der BA liege zurzeit kein flächendeckender Fachkräftemangel in Deutschland vor, allerdings gebe es Engpässe in bestimmten Branchen und Regionen. So fehlten etwa Fachkräfte in 19 Berufsgruppen, vor allem in technischen Branchen sowie im Bereich Gesundheit und Pflege. Eine interaktive Karte des Portals zur Fachkräfte-Offensive des Bundes zeigt, dass es derzeit vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an Fachkräften fehlt.
Laut BA würden in Zukunft auch nicht-akademische Fachkräfte benötigt. Wie viele Fachkräfte der deutschen Wirtschaft künftig fehlen, hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel strukturellen Änderungen am Arbeitsmarkt oder der Konjunktur. Dazu gibt es verschiedene Vorausberechnungen:
- Das "Erwerbspersonenpotenzial" (ohne Wanderung und bei unveränderten Erwerbsquoten) wird bis 2050 um 16,2 Millionen Arbeitskräfte deutlich sinken, erklären Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer Studie der Bertelsmann Stiftung von 2015. Mit anderen Worten: Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter würde um 36 Prozent schrumpfen. Das müsse dringend durch Zuwanderung aufgefangen werden, so die Wissenschaftler. Pro Jahr würden zwischen 276 000 und 491 000 Einwanderer aus Drittstaaten benötigt. Quelle
- Laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) von 2014 müssten pro Jahr 100.000 Personen mehr als bisher zuwandern, um die Engpässe längerfristig abmildern zu können, wie eine interaktive Grafik veranschaulicht.
- Ein Forschungsbericht der Europäischen Kommission und OECD von 2014 hat für die Europäische Union errechnet, dass die Zahl der Erwerbspersonen in den kommenden 30 Jahren um 6,5 Prozent sinken wird – das entspricht 21,7 Millionen Personen.
- Das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos AG sagte 2012 voraus, dass bis zum Jahr 2020 rund 1,7 Millionen qualifizierte Arbeitnehmer fehlen werden und bis 2035 sogar vier Millionen. Solche Rechnungen sind allerdings umstritten, die Prognosen seien wenig belastbar, erklärte unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW).
Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nennt im "Fortschrittsbericht zum Fachkräftekonzept" unter anderem Einwanderung und Integration in den Arbeitsmarkt als wesentliche Faktoren, um den Fachkräftebedarf zu sichern:
- Migranten und ihre Nachkommen können durch Weiter- und Ausbildung einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt finden.
- Zudem müssten qualifizierte Drittstaatenangehörige bei der Einreise und Arbeitssuche unterstützt werden, zum Beispiel durch die Internetplattform "Make it in Germany".
Einem Bericht der OECD zufolge nutzen deutsche Unternehmen bisher die Möglichkeit zu wenig, Fachkräfte aus Drittstaaten zu rekrutieren. Dabei zähle die deutsche Zuwanderungspolitik für Hochqualifizierte zu den offensten in den OECD-Ländern. Für Migranten mit nicht-akademischen Qualifikationen sei es dagegen oftmals schwierig, ihre Abschlüsse anerkennen zu lassen.Quelle