Beratung
Schwarze Menschen in Deutschland
Seit mehreren Jahrhunderten leben Schwarze Menschen in Deutschland. Wie viele leben hier? Was ist ihre Geschichte? Und vor welchen Herausforderungen stehen sie? Einen Überblick gibt diese Rubrik.
Wie viele Schwarze Menschen leben in Deutschland?
Wie viele Schwarze Menschen in Deutschland leben wird nicht statistisch erfasst. Anders als etwa in den USA, wo Ethnizitäten in Statistiken abgefragt werden (siehe unten).
Laut Mikrozensus 2023 leben 1,27 Million Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund in Deutschland. Der Wert ist jedoch nur eine grobe Annäherung an die Zahl der Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen: Sie leben teilweise in der sechsten Generation in Deutschland. Viele haben weder selbst noch deren Eltern eine afrikanische Staatsbürgerschaft, zum Beispiel Afroamerikaner*innen oder Schwarze Menschen aus Frankreich und kommen somit nicht in der Statistik vor.
Zudem kann es sein, dass nicht ausreichend Schwarze Menschen an den Befragungen teilnehmen, die sich an die gesamte Bevölkerung richten. Auf Grund dieser Verzerrungen geht der Verein EOTO davon aus, dass eine größere Anzahl Schwarzer Menschen in Deutschland lebt als aus dem Mikrozensus hervorgeht.Quelle
Der Afrozensus ist die erste umfassende Studie, die 2020 die Lebensrealitäten Schwarzer Menschen in Deutschland erfasst hat. Die Studie zeigt: Es handelt sich um eine Gruppe mit sehr unterschiedlichen Migrationsgeschichten. Die Befragten des Afrozensus sind in 144 verschiedenen Ländern geboren. 71 Prozent in Deutschland. Zudem sind Schwarze Menschen in Deutschland vergleichsweise jung. Die Teilnehmenden des Afrozensus sind zwischen 20 und 39 Jahre alt. Dies deckt sich auch mit Erhebungen des Mikrozensus.Quelle
Datenerfassung in anderen Ländern
Das United States Census Bureau führt Bevölkerungsbefragungen in den USA durch. In diesen wird nach "Race/Ethnicity" gefragt, die Personen als Selbstidentifikation angeben können. Auch in einigen anderen Ländern wird die Kategorie (auf unterschiedliche Weise) erfragt so zum Beispiel auch in Kanada und dem Vereinigten Königreich (England und Wales, Schottland und Nordirland).Quelle
Erfassung von Diskriminierungsbetroffenheit in statistischen Befragungen
Anders als in den USA wird Ethnizität in Deutschland nicht in Statistiken abgefragt und erfasst. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat Deutschland keine Informationen über die ethnische Herkunft seiner Bewohner*innen gesammelt. Im Mikrozensus wird lediglich nach Staatsbürgerschaften bzw. zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. unterschieden. Ein Nachteil: Die Daten sagen nichts über die Betroffenheit von rassistischer Diskriminierung aus. Personen aus Forschung und Antidiskriminierungsarbeit fordern, andere Daten zu erheben, sogenannte Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten. Auch die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) fordert die EU-Mitgliedsstaaten 2023 in ihrem Bericht „Being Black in the EU" dazu auf. Eine Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt, sich der Erfassung einer Diskriminierungsbetroffenheit anhand einer dreiteiligen Fragestellung anzunähern. Aktuell forscht das Netzwerk Antidiskriminierungsdaten (Equality Data) zum Thema. Das Statistische Bundesamt plant bisher nicht, Daten zu Diskriminierungserfahrungen abzufragen.Quelle
Welchen Migrationshintergrund haben Schwarze Menschen in Deutschland?
Laut Mikrozensus leben 1,27 Millionen Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund in Deutschland. Schwarze Menschen in Deutschland haben jedoch nicht zwingend einen afrikanischen Migrationshintergrund bzw. eine afrikanische Einwanderungsgeschichte. Sie leben teilweise mindestens in der sechsten Generation in Deutschland, haben etwa einen Elternteil mit einer US-amerikanischen, französischen oder brasilianischen Staatsbürgerschaft.Quelle
Eine Annährung gibt der Afrozensus 2020, der die Bezüge Schwarzer Menschen und ihrer Familien erfasste: Die Teilnehmenden des Afrozensus sind in 144 verschiedenen Ländern geboren. 71 Prozent davon in Deutschland. Die meisten, die nicht in Deutschland geboren wurden, stammen aus den USA (2,8 Prozent), Nigeria (2 Prozent) und Ghana (1,9 Prozent).Quelle
85 Prozent der Befragten besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Knapp drei Viertel (73,2 Prozent) haben einen Migrationshintergrund. Fast jede sechste Person (15,5 Prozent) ist entweder selbst geflüchtet oder kommt aus einer Familie mit Fluchtgeschichte.Quelle
Anti-Schwarzer Rassismus
Was ist Anti-Schwarzer Rassismus?
Anti-Schwarzer Rassismus ist die Diskriminierung und Abwertung Schwarzer, afrikanischer oder afrodiasporischer Menschen oder Personen, die als Schwarz gelesen werden.
Die erste umfassende Studie zur Lebensrealität Schwarzer Menschen in Deutschland – den Afrozensus – veröffentlichte der Verein Each One Teach One (EOTO) Ende 2021. Im Afrozensus gaben rund 97 Prozent der Befragten an, in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erfahren zu haben: Am häufigsten in 'Öffentlichkeit und Freizeit' (93,2 Prozent), in 'Medien und Internet' (85,5 Prozent), 'Geschäften und Dienstleistungen' (85,1 Prozent) und im 'Arbeitsleben' (84,7 %).
Weitere Erkenntnisse:
- Racial Profiling: 56,7 Prozent der Befragten gab an, mindestens einmal im Leben ohne erkennbaren Grund von der Polizei kontrolliert worden zu sein.
- Bildung: 66,6 Prozent der Befragten berichtete von rassistischen Beleidigungen durch Mitschüler*innen oder Kommiliton*innen. Über die Hälfte (54 Prozent) erfuhr Beleidigungen durch Lehrpersonal
- Gesundheit: Rund zwei Drittel der Befragten (66,7 Prozent) gab an, dass Ärzt*innen ihre Beschwerden nicht ernst nehmen.
- Über 90 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen nicht geglaubt wird, wenn sie von Rassismuserfahrungen berichten. So ist auch zu erklären, weshalb 77,8 Prozent der Befragten rassistische Vorfälle, die ihnen in den letzten zwei Jahren widerfuhren, gar nicht erst offiziell gemeldet haben.Quelle
Die repräsentative Studie "Being Black in the EU" der EU-Grundrechteagentur 2023 erfasst Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Menschen in 13 EU-Staaten. Deutschland schneidet dabei am schlechtesten ab. Im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2018 hat sich die Situation für Schwarze Menschen in Deutschland verschlechtert. So gaben drei Viertel (76 Prozent) an, dass sie in den vorangegangenen fünf Jahren rassistisch diskriminiert wurden. Das ist ein Anstieg um 24 Prozentpunkte im Vergleich zu 2016. EU-weit liegt der Wert bei 45 Prozent. Weitere Ergebnisse für Deutschland:
- 54 Prozent der Schwarzen Menschen haben in den vorangegangenen fünf Jahren rassistische Übergriffe erlebt. Dazu zählen etwa Drohungen, Beleidigungen, beleidigende Gesten und Blicke.
- 9 Prozent berichten von rassistischen Gewalterfahrungen wie Tritten oder Schlägen.
- Die meisten Betroffenen melden rassistische Vorfälle nicht. Lediglich 9 Prozent aller Vorfälle wurden angezeigt oder gemeldet.
- 56 Prozent der Befragten berichten von rassistischer Diskriminierung bei der Jobsuche.
- 33 Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland wurden in den vorangegangenen fünf Jahren von der Polizei kontrolliert. Mehr als die Hälfte von ihnen (57 Prozent) empfanden die letzte Polizeikontrolle als diskriminierendes Racial Profiling.Quelle
Einstellungen gegenüber Schwarzen Menschen
Die repräsentative "Mitte"-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung erfasste 2022/23 Einstellungen gegenüber Schwarzen Menschen. Rund 12 Prozent der Befragten stimmten folgender Aussage zu: "Wenn sich Schwarze Menschen mehr anstrengen würden, würden sie es auch zu etwas bringen." Rund 17 Prozent stimmten der Aussage teilweise zu und distanzierten sich damit nicht eindeutig. Knapp neun Prozent sind der Ansicht, weiße Menschen seien "zu Recht führend in der Welt".Quelle
Studien und Berichten von Betroffenen zufolge äußert sich anti-Schwarzer Rassismus in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen, institutionell und strukturell, unter anderem im Berufsleben, in Kontakt mit Behörden und Ämtern sowie bei der Wohnungssuche.Quelle
Verschiedene Träger bundesweit bieten Beratung für Betroffene von anti-Schwarzem Rassismus an, darunter der Verein Each One Teach One (EOTO). Dessen Monitorinstelle erfasst auch Vorfälle von anti-Schwarzem Rassismus in Berlin, 2020 waren es 376. Darunter fallen Beleidigungen, Angriffe und strukturelle Benachteiligung.Quelle
Erfahrungen Schwarzer Menschen in der EU
Die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) hat im Jahr 2016 und 2022 eine Befragung der Menschen afrikanischer Herkunft in 13 EU-Ländern durchgeführt. Es zeigt sich, dass 2022 fast die Hälfte aller Befragten in ihrem Alltag Rassismus und Diskriminierung erleben – mehr als noch 2016.
- 45 Prozent gaben an, in den letzten fünf Jahren, rassistisch diskriminiert worden zu sein.
- 30 Prozent erlebten einen rassistisch motivierten Übergriff; fast niemand erstattete Anzeige.
- 58 Prozent der Befragten schätzen ihre letzte Polizeikontrolle als Racial Profiling ein.
- 34 Prozent fühlen sich bei der Arbeitssuche diskriminiert, 31 Prozent auch am Arbeitsplatz.
- 31 Prozent gaben an, bei der Wohnungssuche diskriminiert worden zu sein.Quelle
Schwarze Menschen in der EU haben häufiger befristete Arbeitsverträge, sind für ihre Tätigkeiten überqualifiziert und einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt. Jugendliche afrikanischer Herkunft sind im Vergleich zur vorherigen Befragung mehr Rassismus in der Schule ausgesetzt und verlassen dreimal häufiger die Schule als Jugendliche allgemein.Quelle
Die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) fordert im Zuge dieser Ergebnisse die EU-Mitgliedsstaaten unter anderem auf, die Antidiskriminierungsvorschriften konsequent durchzusetzen und wirksame Sanktionen zu verhängen. Es ist notwendig, Gleichstellungsdaten zu erheben, um die Situation beurteilen und überwachen zu können. Zudem sollen spezifische Strategien gegen Rassismus und Diskriminierung in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Wohnen und Gesundheit entwickelt werden.Quelle
2000 beschloss der Rat der Europäischen Union eine Antidiskriminierungsrichtline, die als Rahmen zur Bekämpfung rassistisch motivierter oder auf ethnischer Herkunft basierender Diskriminierung dienen soll. 2019 beschloss das Europäische Parlament eine Resolution zu Grundrechten von Menschen afrikanischer Herkunft in Europa, die Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen anerkennt und Mitgliedstaaten zur Entwicklung eigener Richtlinien in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen anhält.Quelle
Schwarze Menschen in Deutschland: Initiativen und Vereine
Die Schwarze Community in Deutschland ist seit Jahrzehnten organisiert. Bereits in den 1920er Jahren schlossen sich Schwarze Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen, Künstler*innen und Kolonialmigrant*innen zusammen, um für ihre Rechte einzutreten.
1985 gründete sich die Initiative Schwarzer Deutscher, die sich heute Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) nennt. Sie ist die älteste Selbstorganisation von und für Schwarze Menschen in Deutschland und versteht sich als Interessenvertretung. Als Grundstein für die jüngere Schwarze Bewegung steht das Buch „Farbe bekennen" aus dem Jahr 1986.Quelle
Mitte der 1980er Jahre gründete sich der Verein ADEFRA – Schwarze Frauen in Deutschland (ADEFRA = Kürzel für "Afrodeutsche Frauen"). Heute verstehen sie sich als Austauschraum von und für Schwarze Frauen.Quelle
Das Selbstverständnis der Schwarzen Community und Initiativen basiert nicht auf einer gemeinsamen Herkunft oder Religion, sondern einem gemeinsamen Selbstverständnis als Schwarze: Durch die Betroffenheit von Anti-Schwarzem Rassismus und geteilte Erfahrungen.
Initiativen und Vereine
- Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) e.V.
- Schwarze Frauen in Deutschland (ADEFRA) e.V.
- Each One Teach One (EOTO) e.V.
- Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde Deutschland (ZAGD) e.V.
- Kompetenznetzwerk Anti-Schwarzer Rassismus von und für People of African Descent (KomPAD)
- Interkulturelles Netzwerk in Berlin e.V. (JOLIBA)
Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland
Schwarze Menschen sind seit Jahrhunderten ein Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Seit wann genau, ist nicht bekannt, denn es gibt erhebliche Lücken in den historischen Aufzeichnungen. In jüngerer Zeit haben Aktivist*innen und Forscher*innen begonnen, ihre Geschichte sowie die Auswirkungen des europäischen Rassismus auf ihr Leben zu dokumentieren. Seit den 1990ern gibt es den Black History Month auch in Deutschland, um die Geschichte Schwarzer Menschen sichtbar zu machen.Quelle
Schwarze Menschen waren bereits im Mittelalter im deutschsprachigen Raum präsent, bisher ist aber wenig darüber bekannt. Gemälde aus der Zeit ab dem 12. Jahrhundert zeigen Schwarze Menschen in Deutschland. Am Hof Friedrichs II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von 1220 bis 1250, waren viele Schwarze Männer und Frauen tätig, nachdem sie als Sklav*innen gekauft oder als diplomatische Geschenke übergeben worden waren. Andere hatten militärische Positionen inne, waren Unterhaltungskünstler*innen oder Bedienstete.Quelle
Während der Frühen Neuzeit (ca. 16. bis 18. Jahrhundert) machten Schwarze Menschen unterschiedliche Erfahrungen im deutschsprachigen Raum: Sie galten zunehmend als „exotische" Statussymbole, wurden als Sklaven gekauft, Jugendliche unter europäischen Adeligen als Geschenke ausgetauscht. Einige arbeiteten als Pagen und Bedienstete an den Höfen und in Haushalten bürgerlicher Familien, andere erhielten eine musikalische Ausbildung und dienten als Militärmusiker. Obwohl es deutliche Hierarchien gab, bestanden dennoch Chancen zur Integration und sozialem Aufstieg.Quelle
Im 18. Jahrhundert wurden Afrikaner*innen gezielt an deutsche Fürstenhöfe gebracht, wo sie in beruflicher Hinsicht oder im Geiste der Aufklärung unterwiesen wurden. Andere waren in Häfen beschäftigt, arbeiteten als Künstler*innen oder in der Prostitution.Quelle
Eine bekannte historische Figur ist der Philosoph Anton Wilhelm Amo. Er ist einer der wenigen Schwarzen Menschen dieser Zeit, deren Leben vergleichsweise gut dokumentiert ist. Der Ghanaer wurde von der holländisch-indischen Gesellschaft, einem der größten Sklavenhandelsunternehmen, an den Herzog von Wolfenbüttel verschenkt. Er wurde zu einem der bedeutendsten Vertreter der Wolffschen Philosophie. Seine erste wissenschaftliche Arbeit verfasste er über die Rechte Schwarzer Menschen in Europa. Später lehrte er als Dozent in Halle, Wittenberg und Jena. Als sich die Rasseideologien zunehmen durchsetzten, kehrte er nach Ghana zurück. Dort wurde er erneut von Sklavenhändlern aufgegriffen und lebte bis zu seinem Tod im Fort San Sebastian.Quelle
Ende des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl Schwarzer Menschen aus nahezu allen Regionen Afrikas, der Karibik, Südamerika und den Vereinigten Staaten an, mehrere Tausend lebten im deutschen Kaiserreich. Regelmäßige Schiffsverbindungen in die neuen deutschen Kolonien begünstigten die Migration. Missionare, Beamte, Militärs und Geschäftsleute brachten Afrikaner*innen nach Europa – überwiegend junge Männer. Einige wurden gezwungen, andere entschieden sich selbst für die Reise. Auch wohlhabende Familien aus afrikanischen Gesellschaften schickten ihre Kinder zur Ausbildung nach Deutschland. Viele Schwarze Männer arbeiteten in deutschen Häfen, und auch Schwarze Künstler aus den USA traten in deutschen Städten auf. Einige arbeiteten am Hamburger Kolonialinstitut oder am Berliner Seminar für Orientalische Sprachen, und gaben zukünftigen Kolonist*innen Unterricht in afrikanischen Sprachen und Kulturen. Die meisten blieben nicht auf Dauer.Quelle
Zahlreiche Schwarze Männer, Frauen und Kinder wurden zur Unterhaltung eines weißen Publikums zur Ausstellung als „Exponate" in sogenannten Völkerschauen oder Menschen-Zoos nach Europa geholt. Dies war ein gutes Geschäft für Unternehmer wie den Hamburger Zoodirektor und Völkerschauausrichter Carl Hagenbeck. Zu der vom Staat geförderten Berliner Kolonialausstellung von 1896 wurden hunderte Menschen aus den Kolonien nach Deutschland gebracht.Quelle
Die Kolonialbehörden unterstützten zunächst vorübergehende, aber keine dauerhafte Einwanderung. Ab den 1890er Jahren führten sie Migrationsbeschränkungen ein, um zu verhindern, dass junge Afrikaner durch die Erfahrungen in Deutschland die koloniale Rassenhierarchie hinterfragen könnten. Dennoch kamen weiterhin viele Afrikaner bis zum Ersten Weltkrieg, einige ließen sich dauerhaft nieder und bildeten Schwarze Gemeinschaften.Quelle
Mit dem Ersten Weltkrieg endete die Mobilität. Einige Männer aus den Kolonien dienten im deutschen Militär und erhielten für ihre Verdienste im Krieg Auszeichnungen. Andere fanden Beschäftigung in Munitionsfabriken. In der Weimarer Republik nach 1918 hinterblieb eine kleine Schwarze Diaspora.Quelle
Im Rahmen des Versailler Vertrags verlor Deutschland seine Kolonien. Diese fielen hauptsächlich unter französisches und britisches Mandat. Vermutlich befanden sich noch mehrere hundert Schwarze Männer aus den Gebieten in Deutschland. Die Mandatsmächte verweigerten ihnen die Rückkehr nach Afrika. Auch ihre Anträge auf die deutsche Staatsbürgerschaft wurden meist abgelehnt, ihr rechtlicher Status war vergleichbar mit Staatenlosigkeit. Sie erhielten eine kleine finanzielle Unterstützung für arbeitslose Afrikaner.Quelle
Trotz dieser Hindernisse wurden die Männer in der Zwischenkriegszeit in Deutschland sesshaft. Sie heirateten und gründeten Familien. Bis 1933 wurden viele gemischte Ehen geschlossen, obwohl die deutschen Behörden dies zu verhindern versuchten. Ehefrauen und Kinder übernahmen die Staatenlosigkeit der Männer. Aus diesen Ehen sowie nicht-ehelichen Beziehungen ging eine neue Generation Schwarzer Menschen in Deutschland hervor. In Berlin und Hamburg entstanden erstmals Gemeinschaften.Quelle
Das Café Central in Berlin war einer der Treffpunkte Schwarzer Menschen. Auch Film-, Theater- und Zirkusdirektoren suchten dort Schwarze Darsteller*innen. In den späten 1920er Jahren hatten sie kaum andere Arbeitsmöglichkeiten, und so verdienten Schwarze Menschen ihren Lebensunterhalt oft mit der Darstellung stereotyper Rollen. Die Kulturszene ermöglichte den gegenseitigen Austausch und Begegnungen für Schwarze Menschen.Quelle
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und im Zuge ihres Rassekonzepts wurden Schwarze Menschen systematisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Familien wurden aus ihren Häusern vertrieben und verloren ihre Lebensgrundlage. Schwarze Kinder waren in der Schule erst verstärkt rassistischen Beleidigungen ausgesetzt und konnten dann keine Schulen mehr besuchen. Viele entschieden sich für die Flucht aus Deutschland. Die Nürnberger Gesetze von 1935, die die Eheschließung zwischen „Ariern" und Juden untersagten, wurden auch auf Schwarze Menschen angewendet. Die Nationalsozialisten drohten mit Sterilisation und Inhaftierung und versuchten so, Paare zu trennen und weitere Generationen Schwarzer Deutscher zu verhindern.Quelle
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verstärkte sich die Gewalt gegenüber Schwarzen Menschen und ihren weißen Partner*innen. Sie wurden zunehmend in Konzentrationslagern, Zwangsarbeitslagern und Sanatorien inhaftiert, zwangssterilisiert und/oder ermordet.Quelle
Viele überlebten die NS-Zeit nicht oder verließen Deutschland. Zurück blieb eine deutlich kleinere Schwarze Bevölkerung, sie lebte verstreut und war traumatisiert. In der öffentlichen und historischen Erinnerung bleiben die Erfahrungen der Schwarzen Gemeinschaft im Dritten Reich oft unbeachtet. Auch die gesamte Schwarze Vergangenheit ist weitestgehend unsichtbar in der allgemeinen deutschen Geschichtsschreibung.Quelle
Wie hängen Kolonialismus und Rassismus zusammen?
Der Anti-Schwarze Rassismus hat seinen Ursprung im Kolonialismus. Europäer*innen erklärten Schwarze Menschen als minderwertig, um die Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents sowie die Ausbeutung und Versklavung von Afrikaner*innen zu legitimieren.
Der Herrschaftsanspruch wurde von Wissenschaftler*innen gestützt: Zur Zeit der Aufklärung erfanden sie eine Klassifizierung der Menschen basierend auf phänotypischen Unterschieden (u.a. „Hautfarben" und „Rassen“). Es entstand eine Rassenideologie, die die systematische Entmenschlichung von Afrikaner*innen stützte: Sie konstruierte eine vermeintlich naturgegebene Überlegenheit der „weißen Rasse" gegenüber „anders" aussehenden Kolonisierten.Quelle
Der Anti-Schwarze Rassismus ist noch heute tief in den Gesellschaften verwurzelt und äußert sich in verschiedenen Formen der Diskriminierung gegenüber Schwarzen Menschen.Quelle
Begriffe: Schwarze Menschen, Afrodeutsche, People of Color (PoC)
Es kursieren zahlreiche Bezeichnungen für Schwarze Menschen. Sie sind historisch gewachsen und tragen deshalb häufig rassistische Konnotationen mit sich. Organisationen, die sich für die Bekämpfung von Rassismus einsetzen, empfehlen, auf Fremdbezeichnungen zu verzichten und stattdessen die Bezeichnungen der Schwarzen Community zu verwenden, die von ihr selbst gewählt sind.Quelle
Selbstbezeichnungen
Afrodeutsch
Afrodeutsch ist eine Selbstbezeichnung Schwarzer Deutscher und meint die Zugehörigkeit zur Schwarzen Community, und nicht zwingend eine afrikanische Einwanderungsgeschichte. Der Begriff ist inspiriert von dem Begriff afro-amerikanisch. Die Selbstbezeichnung entstand Ende der 1980er Jahre.Quelle
Schwarze Deutsche
Eine weitere Selbstbezeichnung ist Schwarze Deutsche. Der Begriff Schwarz wird in Deutschland sowie in anderen Teilen der Schwarzen/afrikanischen Diaspora verwendet. Er bezieht sich nicht auf die Hautfarbe, sondern auf eine gesellschaftliche und soziale Position sowie die Rassismuserfahrungen von Menschen.Quelle
People of Color (PoC)
Die Bezeichnung Person oder People of Colour (PoC) ist eine Selbstbezeichnung für Personen, die Rassismuserfahrungen machen. Sie schließt auch etwa asiatisch gelesene Menschen mit ein. Es gibt mehrere Erweiterungen: BPoC (Black and People of Color) und BIPoC (Black, Indigenous and People of Color).Quelle
Im Afrozensus 2020 gab ein Großteil der Befragten als bevorzugte Selbstbezeichnung – Mehrfachnennungen waren möglich – Schwarz (74,9 Prozent) an, darauf folgten afrodeutsch und Person of Color.Quelle
Fremdbezeichnungen
Es gibt zahlreiche Fremdbezeichnungen, die aus der Kolonialzeit stammen und dazu dienten, Schwarze Menschen zu homogenisieren und herabzuwürdigen.Quelle
Insbesondere das N-Wort gilt als kolonial-rassistische Fremdbezeichnung und beleidigend. Zahlreiche Initiativen setzen sich gegen die Verwendung ein, etwa entstand die Initiative N-Wort stoppen, nachdem ein Urteil des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern die Nutzung des N-Wortes in landtagspolitischen Debatten nicht per se als menschenverachtend einstufte.Quelle
Als erste Kommune in Deutschland beschloss der Rat der Stadt Köln 2020, das N-Wort zu ächten und in der Verwaltung zu meiden. Es folgten ähnliche Beschlüsse in weiteren Städten (zum Beispiel Kassel, München und Aachen) sowie Ächtungen des M-Worts (erstmals in Kassel).