Kita
Rund 40 Prozent der Kinder unter fünf Jahren hat einen Migrationshintergrund. Sie besuchen aber seltener eine Kita als Kinder ohne Einwanderungsgeschichte. Dabei wünschen sich Eltern mit Migrationshintergrund sich fast genauso oft wie andere Eltern, dass ihre Kinder in einer Kita betreut werden. Unter anderem fehlt es aber an guten Angeboten.
Wie viele Kinder in der Kita haben einen Migrationshintergrund?
2023 hatten rund 2,1 Millionen Kinder unter sechs Jahren einen "Migrationshintergrund". Das entspricht etwa 43 Prozent aller Kinder unter 6 Jahren in Deutschland. Der Anteil der Kinder aus Einwandererfamilien nimmt zu: 2011 waren es noch rund 33 Prozent.Quelle
Im März 2022 besuchten 22 Prozent der unter Dreijährigen mit Migrationshintergrund eine Kita. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund traf das auf 43 Prozent zu.Quelle
Bei den Drei- bis Sechsjährigen nahmen 78 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund einen Kita-Betreuungsplatz in Anspruch. Nach Hochrechnung des Mikrozensus traf das auf 100 Prozent der Kinder ohne Migrationshintergrund zu.Quelle
Immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund in der Kita
Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund an allen Kita-Kindern ist in den vergangenen Jahren gestiegen: Machten Kinder mit Migrationshintergrund 2007 rund 23 Prozent aller Kita-Kinder aus, waren es 2020 fast 29,2 Prozent. Bis 2022 ist die Zahl auf etwa 29,5 Prozent, gestiegen.Quelle
Regionale Unterschiede bei Anteilen und Verteilung
Deutschlandweit und insbesondere zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern gibt es Unterschiede beim Anteil von Kinder mit Migrationshintergrund: Bremen hat deutschlandweit den höchsten Anteil: Rund 67 Prozent aller unter 6-Jährigen haben einen Migrationshintergrund. Mecklenburg-Vorpommern hat mit fast 18,5 Prozent den niedrigsten Anteil. Es folgen die weiteren ostdeutschen Bundesländer Brandenburg (21,3 Prozent), Sachsen (20 Prozent), Sachsen-Anhalt (24,2 Prozent) und Thüringen (22 Prozent). Bei den übrigen Bundesländer hat den niedrigsten Anteil Schleswig-Holstein (35 Prozent), den höchsten Berlin (57 Prozent), gefolgt von Hessen (54 Prozent).Quelle
Laut dem Bildungsbericht war auch die Verteilung der Kinder mit Einwanderungsgeschichte an Kitas im Jahr 2022 deutschlandweit unterschiedlich. In den ostdeutschen Flächenländern war der Anteil mit 10 Prozent vergleichsweise niedrig. Der höchste Anteil war in Bremen (43 Prozent), Berlin (37 Prozent) und Hessen (35 Prozent). Der niedrigste in Mecklenburg-Vorpommern (acht Prozent).Quelle
Seit dem 1. August 2013 besteht für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer öffentlich geförderten Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege. Das gilt unabhängig davon, ob die Eltern berufstätig sind oder nicht.
Wieso gehen Kinder mit Migrationshintergrund seltener in eine Kita?
Ob Kinder in einer Kita betreut werden, hängt weniger mit der Herkunft der Eltern zusammen als mit ihrem Bildungsstand. Das zeigt eine Untersuchung des SVR-Forschungsbereichs:
- Bei allen anderen Eltern hängt die Betreuungsquote vor allem mit der Schulbildung zusammen: Je höher der Bildungsabschluss, desto eher entscheiden sich die Eltern für eine Betreuung in der Kita.
- Nur Eltern, die selbst eingewandert sind, lassen ihre Kleinkinder besonders häufig zuhause. Das liegt daran, dass sie wenig Erfahrung mit dem deutschen Bildungssystem haben oder andere Erwartungen an die Betreuung und den Eintrittszeitpunkt in die Kita. Weitere Hürden sind fehlende mehrsprachige Angebote oder die Entfernung der Kitas.Quelle
Eltern mit Migrationshintergrund wünschen sich fast genauso oft wie andere Eltern, dass ihre Kinder in einer Kita betreut werden. Aber es fehlt an guten Angeboten. Das zeigt eine Studie des DIW Berlin. Um das zu ändern, müssten den Autor*innen der Studie zufolge nicht nur mehr Kita-Plätze verfügbar sein. Auch die Anmeldung müsste leichter werden, die Kosten für die Betreuung sinken und mehr mehrsprachige Erzieher*innen in den Kitas arbeiten.Quelle
Dass der Bedarf nach einem Kitaplatz bei Familien mit und ohne Migrationshintergrund etwa gleich hoch ist, zeigte 2021 auch eine Studie für Berlin. Es gebe mehrere Gründe, warum Kinder mit Migrationshintergrund dennoch seltener eine Kita besuchen: Eltern mit Migrationshintergrund sind deutlich seltener erfolgreich bei Kita-eigenen Vergabeverfahren. Außerdem fehlen in manchen Stadtteilen deutlich mehr Kitaplätze. Das treffe wohl besonders "bildungsferne" Familien, so die Studie.Quelle
Wie viele Flüchtlingskinder gehen in die Kita?
Geflüchtete Kinder haben ein Anrecht auf einen Kitaplatz. Eine Ausnahme machen viele Bundesländer bei Kindern, die in Erstaufnahmeeinrichtungen leben.
Kinder mit Fluchterfahrung seltener in Kitas
Laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe besuchen 79,2 Prozent der Kinder mit Fluchterfahrung eine Kindertageseinrichtung – das ist deutlich seltener als bei gleichaltrigen Kindern ohne Migrationshintergrund (97,9 Prozent) und bei Kindern mit Migrations- aber ohne Fluchthintergrund (94,2 Prozent). Ein häufiger Grund ist, dass sie in ihrer Region keinen Kita-Platz finden. Außerdem hängt die Platzvergabe oft davon ab, ob die Eltern berufstätig sind.Quelle
Der Großteil der befragten Eltern wünscht sich, dass ihre Kinder eine Kita besuchen: Sie erhoffen sich Kontakt zur deutschen Sprache (98,2 Prozent), zu anderen Kindern (97,6 Prozent) und zur deutschen Kultur (95,8 Prozent). Von den befragten Erzieher*innen stimmten 94,1 Prozent der Aussage zu, die "Integration von Kindern mit Fluchthintergrund gelingt in ihren Einrichtung insgesamt gut".Quelle
Aus der Ukraine geflüchtete Kinder unterrepräsentiert
Laut dem zweijährlich erscheinenden Bericht „Bildung in Deutschland 2024“ stammt seit Anfang 2022 ein besonders hoher Anteil geflüchteter Kinder aus der Ukraine, die oftmals mit ihren Müttern Deutschland erreichen. Im Vergleich sind diese Kinder in Kitas allerdings unterrepräsentiert. Nach etwa einem Jahr Aufenthalt in Deutschland besuchten zu Beginn des Jahres 2023 gerade mal 51 Prozent der geflüchteten Kindern aus der Ukraine unter 6 Jahren eine Kita (12 Prozent der unter 3-Jährigen, 63 Prozent der 3- bis 6-Jährigen).Quelle
Bis Mitte 2023 stieg der Anteil von aus der Ukraine geflüchteten Kindern in Kindertagesbetreuungen laut Bildungsbericht auf 62 Prozent an (26 Prozent der unter 3-Jährigen, 76 Prozent der 3- bis 6-Jährigen). Dennoch liege der Anteil von aus der Ukraine geflüchteten Kindern in Kitas weiterhin unter dem der gleichaltrigen Bevölkerung (unter 3-Jährige: 36 Prozent, 3- bis unter 6-Jährige: 91 Prozent) und bewege sich auf dem Niveau von Kindern mit Einwanderungsgeschichte (unter 3-Jährige: 22 Prozent, 3- bis unter 6-Jährige: 78 Prozent).Quelle
Kita-Nutzung hilft auch geflüchteten Müttern
Folgen seien Teilhabebarrieren, etwa was den Spracherwerb oder die Ausbildung angehe – das gelte auch für die Mütter der Kinder. Auswertungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Rahmen des Berichts „Bildung in Deutschland 2024“ zeigen, dass aus der Ukraine geflüchtete Mütter häufiger Angebote der medizinischen Versorgung, Hilfe bei der Arbeitssuche oder beim Deutschlernen wahrnehmen, wenn ihre Kinder in der Kita betreut werden.Quelle
Rassismus an Kitas, Schulen und Hochschulen
Soziale Herkunft, Wohnort und der Bildungsstand der Eltern spielen in Deutschland eine entscheidende Rolle beim Bildungserfolg. Auch Diskriminierungserfahrungen – wie schlechtere Leistungsbewertung – können zu ungleichen Bildungschancen führen. Eine Übersicht zu Studien zum Thema.Quellen
Weitere Informationen zu Chancengleichheit im Bildungsbereich finden Sie "hier".
Diskriminierung an Kitas
Bisher gibt es wenig Forschung zu Diskriminierungserfahrungen an Kitas. Die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zeigen, dass bereits Kleinkinder rassistische Diskriminierung erfahren, zum Beispiel bei der Vergabe von Kita-Plätzen oder in der Betreuung.Quelle
Eine Studie zeigt, dass Kinder von Familien mit türkischem Namen seltener Rückmeldungen bei einer Bewerbung auf einen Kita-Platz erhalten.Quelle
Im Rahmen einer qualitativen Studie des DeZIM-Instituts an Berliner Kitas berichten Familien von fehlender Sensibilität und Strategien im Umgang mit Diversität, es gebe wenig diverse Kinderbücher oder Spielmaterialien. Wie Eltern damit umgehen, erläutert die Forscherin Seyran Bostancı im MEDIENDIENST-Interview.Quelle
Diskriminierung an Schulen
Umfassende empirische Studien zu rassistischer Diskriminierung an deutschen Schulen gibt es nicht. Einzelne Befunde zeigen, dass Schüler*innen verschiedene Diskriminierungserfahrungen machen:
- Laut Afrozensus 2020 erleben Schwarze und PoC-Schüler*innen regelmäßig Mobbing und rassistische Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe oder aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse.Quellen
- Diskriminierung zeigt sich auch in der Leistungsbewertung: Lehrkräfte unterschätzen häufig die Fähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund und sprechen seltener eine Gymnasialempfehlung aus.Quelle
- Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie von 2024: Schüler*innen mit Migrationshintergrund einer 9. Klasse erhielten in allen fünf untersuchten Fächern schlechtere Zeugnisnoten als ihre Mitschüler*innen ohne Zuwanderungsgeschichte, obwohl sie in objektiven Leistungstests gleiche Ergebnisse erzielt hatten. Quelle
- Eine weitere Studie von 2024 kommt zu anderen Ergebnissen: Lehrer benoteten Schüler mit Migrationshintergrund in den Fächern Deutsch und Mathematik besser als ihre Ergebnisse in anonym Tests tatsächlich waren. Die Autoren vermuten, dass Lehrkräfte die sozialen Nachteile der betroffenen Schüler durch eine bessere Benotung ausgleichen wollen.Quelle
- Muslimische Schüler*innen berichten von negativen Zuschreibungen, zum Beispiel weil sie ein Kopftuch tragen, aber auch wegen ihrer Namen.Quelle
- In einer Studie berichten jüdische Eltern und junge Erwachsene von Erfahrungen mit Antisemitismus an Schulen, darunter angedrohte körperlicher Gewalt, Beschimpfungen und antisemitischen Kommentaren. Sie schildern zudem die Überforderung der Lehrkräfte, angemessen mit antisemitischen Vorfällen umzugehen.Quelle
- Diskriminierung kann auch durch schulische Strukturen erfolgen: Lehrpläne und Schulbücher sind Studien zufolge wenig sensibel für Diversität und bilden Vielfalt nur unzureichend ab. 2023 forderte etwa ein Bündnis, Schulordnungen an Berliner Schulen wegen diskriminierender Vorgaben anzupassen, darunter die Pflicht, ausschließlich Deutsch auf dem Schulgelände zu sprechen oder ein pauschales Verbot der Religionsausübung.Quellen
Auch Lehrende berichten von Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen, auch im Kollegium. Laut Afrozensus führt das zur Isolation der betroffenen Lehrkräfte.Quelle
Hochschule
Diskriminierungserfahrungen machen auch Studierende an deutschen Hochschulen – etwa aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. In einer Befragung 2022 gaben 10 Prozent der befragten Studierenden an, mindestens einmal rassistische Diskriminierung an ihrer Universität erlebt zu haben.Quelle
In einer Befragung 2021 berichten 26 Prozent der Studierenden von Diskriminierung. Gleichzeitig beobachteten 46 Prozent der Befragten Diskriminierung von anderen Studierenden, zum Beispiel aufgrund ihres Migrationshintergrundes (24 Prozent), der religiösen Zugehörigkeit (14 Prozent) oder wegen der Sprache (24 Prozent).Quelle
Folgen: Stress, schlechtere Leistungen, Schulwechsel
Eine Metaanalyse mit 68 Studien zu mehreren Ländern, darunter vor allem die USA und auch Deutschland, zeigt die Folgen für Betroffene: Schüler*innen leiden unter anderem an chronischen Depressionen sowie Verhaltensauffälligkeiten und erbringen schlechtere schulische Leistungen, wenn sie Diskriminierung erfahren. Quelle
Zudem mindert sich ihr Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit. Stress und Angstzustände können zu schlechteren Leistungen bis hin zum Schulwechsel führen. Die Folgen erschweren letztlich einen erfolgreichen Schulabschluss oder die Aufnahme einer Lehre, wodurch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sinken.Quelle
Auch bei Studierenden wirkt sich erlebte Diskriminierung negativ auf die Studienzufriedenheit aus und führt häufig zu erhöhtem Stress.Quelle
Schutz vor Diskriminierung an Schulen
Zwischen 2021 und 2023 gingen 1.336 Beratungsanfragen zum Bereich Bildung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ein. Etwa die Hälfte davon (51 Prozent) bezog sich auf rassistische Diskriminierung. 2023 erreichten die ADS 553 Beratungsanfragen für den Bildungsbereich (etwa 7 Prozent aller Anfragen). Die ADS ist aber zuständig für Fälle des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) – und das enthält nicht den Schutz vor Diskriminierung in Bildungseinrichtungen. Aktuell fördert die ADS den Aufbau einer bundesweiten Fachstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen.Quelle
Bisher hat Berlin als einziges Bundesland ein Landesgesetz, das vor Diskriminierung in Bildungseinrichtungen schützt. Das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) gibt Betroffenen die Möglichkeit, gegen die Diskriminierung vorzugehen. In Berlin gibt es auch eine unabhängige Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS).
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