Diskriminierung
In Deutschland gibt es keine einheitliche Erfassung von Diskriminierungsfällen – eine umfassende Statistik fehlt. Wir wissen daher wenig über das Ausmaß von Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft oder rassistischer Zuschreibungen. Dennoch lassen einige Untersuchungen Aussagen darüber zu.
Was besagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?
Nicht alles, was Menschen als diskriminierend empfinden, ist auch eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Gesetz gilt seit 2006 und nennt in §1 sechs „Gründe“, aus denen niemand „benachteiligt“ werden darf:
- Alter
- Behinderung
- ethnische Herkunft, Hautfarbe und "Rasse"
- Geschlecht
- Religion oder Weltanschauung
- sexuelle Identität
Das AGG gilt im Arbeitsleben und bei sogenannten Alltagsgeschäften. Es regelt das Verhältnis der Bürger*innen untereinander und nicht – wie oft fälschlich angenommen wird – zwischen Staat und Bürger*innen (hier gilt das Grundgesetz).
Anders ist es beim Berliner Antidiskriminierungsgesetz, das im Juni 2020 beschlossen wurde: Es geht über das AGG hinaus und ermöglicht es, auch gegen staatliche Diskriminierung vorzugehen – also beispielsweise gegen rassistische Polizeikontrollen. Berlin ist das erste Bundesland, das ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet hat.Quelle
Forderungen nach einer Reform des AGG
Das Gesetz steht seit Jahren in der Kritik: Es sei nicht wirksam und der Geltungsbereich zu klein. Unter anderem müssten die Möglichkeiten verbessert werden, gegen Diskriminierung vorzugehen, fordern Verbände.
- Im Koalitionsvertrag einigten sich die Regierungsparteien 2021 darauf, das AGG zu evaluieren und unter anderem den Anwendungsbereich auszuweiten. Eine Reform ist voraussichtlich für 2023 geplant.
- Antidiskriminierungsverbände legten Anfang 2023 ein Papier (hier zur Zusammenfassung) mit Reformvorschlägen vor. Sie fordern unter anderem, den Anwendungsbereich des Gesetzes auf Diskriminierung durch Behörden auszuweiten, ein Verbandsklagerecht einzuführen und weitere Kategorien von Diskriminierung zu berücksichtigen, u.a. auf Grund des sozialen Satus, der Staatsangehörigkeit oder der Sprache.
- 2019 veröffentlichte die ADS eine Expertise zum Gesetz. Darin empfehlen die Autor*innen unter anderem, das Merkmal "ethnische Herkunft" im AGG zu konkretisieren – also beispielsweise Benachteiligungen wegen der Sprache oder der Staatsangehörigkeit in den Schutzbereich mit einzubeziehen.
- 2016 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Evaluation vorgelegt. Darin plädieren Wissenschaftler*innen für eine Reform des Gesetzes. Unter anderem fordern sie, die Frist zu verlängern, in der Betroffene von Diskriminierung Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung geltend machen können.
Was machen Antidiskriminierungsstellen?
In Deutschland gibt es sechs staatliche Antidiskriminierungsstellen: die "Antidiskriminierungsstelle des Bundes" sowie die Antidiskriminierungsstellen der Bundesländer Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Sie sind unter anderem dafür zuständig, über die Inhalte des AGG zu informieren und Beratungsangebote zu vermitteln. Eine bundesweite Liste von Beratungsstellen für Betroffene von Diskriminierung finden Sie hier.
Landesantidiskriminierungsgesetze
2020 verabschiedete Berlin als erstes Bundesland ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Ziel des Gesetzes ist es, Personen vor Diskriminierung durch Behörden zu schützen: Etwa vor Racial Profiling durch Polizist*innen, vor Diskriminierung durch Schulbehörden oder das Jugendamt. Zwar gibt es auf Bundesebene das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das gilt aber nur für das Arbeitsleben und sogenannte Alltagsgeschäfte wie einen Restaurantbesuch oder den Abschluss einer Versicherung.Quelle
Mit dem Berliner LADG:
- steht Betroffenen Schadenersatz zu.
- müssen Betroffene nicht selbst klagen, sondern Verbände können das für sie übernehmen (Verbandsklagerecht).
- gilt eine Beweislasterleichterung: Die betroffene Person muss vor Gericht glaubhaft machen – und nicht vollständig beweisen –, dass sie Diskriminierung erlebt hat. Wenn das gelingt, muss die andere Seite beweisen, dass sie nicht diskriminiert hat. Auch im AGG ist das so geregelt. Es handelt sich nicht um eine Beweislastumkehr.
- wurde eine Ombudsstelle eingerichtet: Sie berät Betroffene, vermittelt in Streitfällen und kann Gutachten einholen. Die Behörden müssen der Stelle Auskunft geben.
- verpflichtet sich Berlin zur "Wertschätzung von Vielfalt" in der Verwaltung.
Zivilgesellschaftliche Organisationen lobten das LADG. Vehementer Protest kam von Polizeigewerkschaften, sie warnten vor Klagewellen. Die ersten Erfahrungen aus Berlin zeigen: die Klageflut bleibt aus: Der Ombudsstelle sind vier Gerichtsverfahren bekannt, in denen zuvor eine Beschwerde bei ihr eingereicht wurden, so die Stelle auf Anfrage des MEDIENDIENSTES. Zwei betreffen rassistische Diskriminierung, eine durch die Polizei und eine durch die Berliner Verkehrsbetriebe (Stand August 2023). Die Polizeiarbeit wurde durch das LADG nicht beeinträchtigt, so der Pressesprecher der Berliner Polizei 2021 auf einem Pressegespräch des MEDIENDIENSTES.
Zahlen: Beschwerden mit Bezug zum LADG
2023 gingen bei der Berliner Verwaltung 813 und bei der Ombudsstelle 392 Beschwerden mit Bezug zum LADG ein (insgesamt 1.205). Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Beschwerden um 40 Prozent an. Rund ein Drittel der Beschwerden bezog sich auf rassistische Diskriminierung, gefolgt von Behinderung, Geschlecht und sozialer Status. Insgesamt erhielt die Ombudsstelle 883 Beschwerden, einige bezogen sich auf das AGG oder waren sonstige Beschwerden.Quelle
Eine Anfrage des MEDIENDIENSTES bei der Ombudsstelle zeigt: Die Beschwerden zwischen Mitte 2022 und Mitte 2023 bezogen sich vor allem auf Bezirksämter und das Bildungswesen sowie Anstalten des öffentlichen Rechts wie die Verkehrsbetriebe. 16 Beschwerden betrafen die Polizei, ein Drittel bezog sich auf rassistische Diskriminierung, gefolgt durch die Diskriminierung wegen Behinderung/chronischer Erkrankung sowie Geschlecht.Quelle
Wie sieht es in anderen Bundesländern aus?
Die Regierung in Baden-Württemberg brachte im Dezember 2023 ein LADG auf den Weg, das "Gleichbehandlungsgesetz Baden-Württemberg" (zum Entwurf). Aktuell gibt es Medienberichten zufolge jedoch Unstimmigkeiten in der Koalition um das Gesetz (Stand Oktober 2024). Eine Umfrage des MEDIENDIENST unter den zuständigen Ministerien im August 2023 ergab: Weitere Bundesländer könnten nachziehen. Fünf Landesregierungen haben im Koalitionsvertrag vereinbart, ein LADG einzuführen: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, NRW und Bremen.
Sachsen, Brandenburg und Hessen haben ein Gutachten durchgeführt: Sachsen hat im Anschluss Abstand von der Einführung eines LADG genommen. In Hessen wurde 2023 das Gutachten veröffentlicht. Die neue Landesregierung in Hessen hat sich im Koalitionsvertrag Ende 2023 erneut darauf geeinigt, zu prüfen, ob es Gesetzeslücken gibt.
Keine LADGs planen Bayern, das Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Manche Länder verweisen darauf, dass der Diskriminierungsschutz ausreichend durch das Grundgesetz sowie die Landesverfassung gedeckt sei.
Gibt es Schutzlücken?
Der Berliner Senat setzt nach eigenen Angaben mit dem LAGD eine europarechtliche Vorgabe um und schließt eine Gesetzeslücke. Andere Bundesländer sehen hingegen keine Lücke. Bayern und Sachsen-Anhalt verweisen beispielsweise darauf, dass das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz ausreichend sei.
Laut Fachleuten bestehen Schutzlücken zu EU-Vorgaben im Bildungsbereich: Die Antirassismusrichtlinie der EU sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten rassistische Diskriminierung bekämpfen müssen – unter anderem im Arbeitsleben und in der Bildung. Das Arbeitsleben ist durch das AGG abgedeckt, das Bildungssystem aber nicht. Ein weiteres Defizit zu EU-Vorgaben bestehe in der Beweislasterleichterung. Betroffene müssen demnach allein bestimmte Indizien glaubhaft machen, dass die Diskriminierung vorliegt. Gelingt das, muss die andere Seite das Gegenteil belegen, nämlich das keine Diskriminierung gegeben ist.Quelle
Wichtige Quellen
>> Gesetzestext des Berliner LADG, LINK
>> Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung: "Materialien rund um das LADG; LINK
>> Antirassismusrichtlinie der EU, LINK
>> MEDIENDIENST (2021): "Ziehen andere Länder beim LADG nach?", LINK
>> MEDIENDIENST (2021): "LADG hat Polizeiarbeit in keiner Weise behindert", LINK
Wie oft erleben Menschen mit Migrationshintergrund Diskriminierung?
Menschen mit Migrationshintergrund können aus unterschiedlichen Gründen Diskriminierung erfahren. In einer Befragung des Nationalen Rassismus- und Diskriminierungsmonitors 2023 gaben Deutsche mit Migrationshintergrund als besonders häufigen Grund für Diskriminierung an, dass sie nicht als deutsch wahrgenommen werden. Weitere häufig genannte Gründe waren: Diskriminierung aufgrund ihrer Deutschkenntnisse, des Namens, des Alters, der Religion und der Hautfarbe.Quelle
In der Befragung berichten viele Deutsche mit Migrationshintergrund von regelmäßiger Diskriminierung:
In einer repräsentativen Studie der Bertelsmann Stiftung 2023 gaben 35 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund an, in den letzten 12 Monaten rassistische Diskriminierung erlebt zu haben, 28 Prozent wegen ihrer Religion oder Weltanschauung. Zudem berichten Befragte mit Migrationshintergrund deutlich häufiger von Diskriminierung wegen ihres Bildungsabschlusses als Personen ohne Migrationshintergrund.Quelle
Das Konzept Migrationshintergrund wird oft für die Untersuchung von Benachteiligung herangezogen, ist dafür aber nur bedingt geeignet ist. Etwa wenn es um rassistische Diskriminierung geht: Denn es gibt viele Personen, die Rassismus erfahren, aber keinen Migrationshintergrund haben, darunter Schwarze Menschen oder Sinti*zze und Rom*nja. Hier geht es zu unseren Dossiers Anti-Schwarzer Rassismus, Anti-Asiatischer Rassismus, anti-muslimischer Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus und Antislawischer Rassismus.
2023 verzeichnete die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) 3.429 Beratungsanfragen wegen rassistischer Diskriminierung – das waren etwa 41 Prozent aller Anfragen. Im Vorjahr waren es noch 2.882 Fälle. Die Anfragen zu rassistischer Diskriminierung sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, seit 2019 haben sie sich verdreifacht.Quelle
Rassismus und Gesundheit
Wie viele Menschen erfahren Rassismus im Gesundheitswesen?
- In einer Befragung des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) 2023 berichten viele Menschen von regelmäßigen Rassismuserfahrungen im Gesundheitswesen.Quelle
- Im Afrozensus 2020 wurden Schwarze und afrodiasporische Menschen in Deutschland befragt. Sie berichten von Rassismus vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen. Zwei Drittel der Befragten, die in den letzten zwei Jahren Kontakt zum Gesundheitswesen oder der Pflege hatten, haben dort Diskriminierung erfahren. Wiederum 74,4 Prozent von ihnen gaben an, wegen der Hautfarbe diskriminiert worden zu sein.
- 2022 gingen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) 263 Anfragen zum Bereich Gesundheit und Pflege ein. Auf Anfrage des MEDIENDIENSTES teilte die ADS mit, dass sich etwa die Hälfte davon auf die Kategorie Behinderung bezogen und ein Drittel auf rassistische Gründe. Betroffene berichten häufig von rassistischer Diskriminierung während einer ärztlichen Behandlung. Sie mussten länger im Warteraum bleiben oder erhielten unangebrachte Fragen und wurden nicht oder falsch behandelt, einige berichten von schweren Behandlungsfehlern und körperlichen Angriffen.Quelle
Welche Folgen haben Rassismuserfahrungen im Gesundheitswesen?
Betroffene verlieren wegen Diskriminierungserfahrungen das Vertrauen in das Gesundheitswesen und suchen aus Angst, schlecht behandelt zu werden, keine Ärztin auf oder wechseln diese häufig ("doctor hopping"). Das kann dazu führen, dass Krankheiten verschleppt oder gar nicht behandelt werden.Quelle
Die NaDiRa-Studie zeigt: Mehr als jede Dritte Person aus den befragten Gruppen gab an, den Arzt gewechselt zu haben, da Beschwerden nicht ernst genommen wurden. Besonders hoch ist der Wert unter muslimischen und asiatischen Frauen. Auch kommt es zur Verschleppung oder Verzögerung einer Behandlung, besonders bei Frauen.Quelle
Die Werte liegen deutlich höher für Personen, die häufig Diskriminierung im Gesundheitswesen erfahren haben. Unter Schwarzen Frauen, die häufig Diskriminierung erlebt haben, geben 48 Prozent an, eine Behandlung verzögert oder vermieden zu haben.
Schwarze, muslimische und asiatisch (gelesene) Personen berichten im NaDiRa deutlich häufiger davon, die Suche nach einem Therapieplatz aufgegeben zu haben. Unter Schwarzen Personen sind es über 40 Prozent. Eine Rolle spielen Erfahrungen mit Therapeut*innen: Im Afrozensus sagen über 60 Prozent der Befragten, dass ihre Rassismuserfahrungen in der Therapie nicht ernst genommen werden.Quelle
Eine Rolle bei negativen Erfahrungen im Gesundheitswesen spielen Scheindiagnosen (wie der "Morbus Bosporus"): Patient*innen wird dabei ein unter- oder übertriebenes Schmerzempfinden zugeschrieben. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Krankheiten falsch therapiert oder erst gar nicht behandelt werden.Quelle
Frauen berichten häufiger von Diskriminierungserfahrungen
Schwarze, muslimische und asiatische Frauen berichten besonders häufig davon, eine Behandlung verzögert zu haben; muslimische Frauen besonders häufig von einem schlechteren Gesundheitszustand. Stereotype gegenüber Frauen – etwa, dass sie ihr Schmerzempfinden überbetonen – und rassistische Stereotype scheinen sich zu vermischen. Studien zeigten dass Frauen bei gleichen Symptomen andere Verschreibungen und Therapieempfehlungen bekommen; und, dass es zu spezifischen Symptomen bei Frauen weniger Forschung gibt (mehr zum "Gender-Health-Gap" hier).Quelle
Fehlende Sensibilisierung in der medizinischen Ausbildung
Auf der Suche nach den Gründen bleiben einige offene Fragen. Zu den Perspektiven und Einstellungen des Gesundheitspersonals gibt es kaum Erkenntnisse. Eine Rolle spielt die Ausbildung: Eine Analyse von Lehrmaterial zeigt, dass in der medizinischen Ausbildung oft nur anhand eines hellen Hauttyps gelehrt wird; abwertende Darstellungen gegenüber einigen Communities – wie ein vermeintlich erhöhter Alkohol- und Drogenkonsum – finden ebenso statt. Die Auseinandersetzung mit rassistischer Diskriminierung kommt in der Ausbildung nur unzureichend vor, so die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Scheindiagnosen wie der "Morbus Bosporus" oder "Morbus Mediterraneus" – die Betroffene eine übertriebene Schmerzbeschreibung unterstellen – kämen in Lehre und Praxis immer noch vor.Quelle
Hinzu kommen verschiedene Hürden:
- Sprachbarrieren: Die Sprache ist eine große Hürde in Arztpraxen und Krankenhäusern: Es fehlen mehrsprachige Informationsangebote, und Ärzt*innen und Patient*innen können sich oft schwer verständigen. Das kann beeinflussen, wie dringlich ein Fall wahrgenommen wird und zu Missverständnissen führen. Oft gibt es keine Sprachmittler*innen, und Patient*innen müssen die Kosten für eine Übersetzung selbst übernehmen. Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) fordert etwa ein Anrecht auf Dolmetscher.Quelle
- Auch bei der Terminvergabe scheint es Hürden zu geben: Ein Experiment mit Terminanfragen bei Praxen der Allgemeinmedizin zeigt: Personen mit nicht-deutschen Namen erhalten seltener eine positive Rückmeldung auf ihre Anfrage etwa bei Allgemeinmedizinerinnen oder Psychotherapeuten.Quelle
- Rechtliche Hürden erschweren, dass Personen überhaupt Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen: Geflüchtete haben zunächst nur eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem; besonders schwer ist es für Menschen ohne Papiere, Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die WHO fordert etwa, allen Migrant*innen unabhängig von Aufenthaltsstatus Zugang zum Gesundheitssystem zu geben.
Wichtige Quellen
DeZIM/NaDiRA (2023): "Rassismus und seine Symptome" NaDiRa-Bericht, LINK
Kajikhina (2023): "Rassismus und Diskriminierung im Kontext gesundheitlicher Ungleichheit - ein narratives Review", LINK
Bartig et al. (2021): "Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen - Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung", LINK;
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt kann sich in verschiedenen Formen äußern:
- Zugang: Vermieter*innen oder Verkäufer*innen vermieten oder verkaufen nicht an bestimmte Personen und schließen sie somit von Wohngebieten aus.
- Preise: Bestimmte Gruppen müssen höhere Mieten oder Preise für Wohnraum zahlen.
- Segregation: Gruppen konzentrieren sich in bestimmten Vierteln aufgrund von Diskriminierung sowie anderen sozialen und wirtschaftlichen Faktoren. Der Wohnort hat einen erheblichen Einfluss etwa soziale Kontakte, Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten.Quelle
In einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2019 berichten Betroffene besonders häufig davon, dass sie keine Wohnung bekommen haben:Quelle
Eine Umfrage 2020 ergab, dass knapp die Hälfte der Befragten mit Migrationshintergrund sich bei der Wohnungssuche benachteiligt fühlen, im Vergleich zu nur etwa 18 Prozent der Personen ohne Migrationshintergrund. Unter den Personen mit Migrationshintergrund fühlen sich muslimische Personen im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften besonders häufig benachteiligt.Quelle
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2024) dokumentiert von 2021 bis 2023 insgesamt 1.168 Beschwerden wegen Diskriminierung im Bereich Miete und Wohnen. Davon bezogen sich 5,6 Prozent auf rassistische Diskriminierung.Quelle:
Eine Testing-Studie der Beratungsstelle gegen Alltagsrassismus 2022 zeigte einen hohen Grad an Diskriminierung von migrantisierten Personen bei einer Besichtigungsanfrage für eine 3-Zimmer-Wohnung. 50 Prozent der Anbieter*innen reagierten ausschließlich auf Anfragen deutscher Personen.Quelle
Weniger Wohnfläche, höhere Mietsteigerung
Der Mikrozensus 2022 zeigt: Haushalte mit Migrationshintergrund haben im Schnitt weniger Wohnfläche zur Verfügung und geben einen höheren Anteil ihres Einkommens für Miete aus (Mietbelastungsquote):Quelle
Der FRA-Bericht "Being Muslim in the EU" zeigt, dass 2022 EU-weit 40 Prozent der befragten Muslim*innen in überbelegten Wohnungen lebten, im Vergleich zu 17 Prozent in der allgemeinen Bevölkerung In Deutschland betrifft es 39 Prozent der Muslim*innen, besonders hoch ist der Wert unter befragten Muslim*innen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara (54 Prozent) und Syrien (53 Prozent); unter befragten Muslim*innen mit türkischem Hintergrund sind es 34 Prozent.Quelle
Das bestätigt ein Bericht der Integrationsbeauftragten des Bundes 2021:
- Von 2006 bis 2018 stieg die durchschnittliche Wohnfläche pro Person in allen Bevölkerungsgruppen. Jedoch hatten Personen mit Migrationshintergrund im Schnitt weiterhin eine kleinere Wohnfläche zur Verfügung als die Gesamtbevölkerung oder Personen ohne Migrationshintergrund.
- Von 2006 bis 2018 stiegen die Mieten pro Quadratmeter für alle Gruppen, aber die Steigerungen waren für Personen mit Migrationshintergrund größer. Das erhöhte die Unterschiede bei den Mietkosten.Quelle
Daten für Eurostat zeigen, dass ausländische Staatsbürger*innen deutlich häufiger in überbelegten Wohnungen wohnen (Überbelegungsquote):
- Die Überbelegungsquote bei Deutschen im Alter von 18 bis 54 Jahren lag 2023 bei 9,6 Prozent. In derselben Altersgruppe lebten Ausländer*innen deutlich häufiger in überbelegten Wohnungen, und zwar 34,2 Prozent.
- Noch höher ist die Überbelegungsquote für junge Menschen: Für das Alter von 16 bis 29 Jahren lag sie für Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit bei 14,5 Prozent. Im Vergleich dazu hatten Ausländer*innen eine Überbelegungsquote von 43,3 Prozent. 2022 waren es noch 39,5 Prozent.Quelle
Unzureichender Schutz vor Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Betroffene vor Diskriminierung unter anderem auf dem Wohnungsmarkt schützen. Verbände kritisieren, dass das Gesetz unzureichend sei: Betroffene Personen können oft keine angemessenen rechtlichen Schritte gegen Diskriminierung unternehmen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Vermieter*innen mit weniger als 50 Wohnungen weniger strengen Regeln unterliegen:Quelle
- Kritik gibt es an §19 (3) AG, der unterschiedliche Behandlung bei der Vermietung von Wohnraum ermöglicht, um "ausgeglichene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse" zu schaffen. Diese Bestimmung könne jedoch auch als Rechtfertigung für Diskriminierung dienen.Quelle
- Weiterhin lässt §19 (5) AGG Ungleichbehandlung in Ausnahmen zu. Vermieter*innen könnten etwa eine*n Mieter*in aufgrund eines "besonderen Nähe- oder Vertrauensverhältnisses" aussuchen, ohne klare Kriterien dafür festzulegen.Quelle
Dies ist besonders relevant, da kommunale oder landeseigene Wohnungsunternehmen lediglich knapp 12 Prozent der Wohnungen in Deutschland verwalten, während zwei Drittel aller Mietwohnungen von privaten Kleinvermietern vermietet werden.Quelle
Diskriminierung durch Algorithmen
Algorithmische Systeme können diskriminieren. Das zeigen zahlreiche Beispiele. Etwa von einer Gesichtserkennungssoftware bei einem Fotoautomaten im Amt, die Schwarze Personen nicht erkennt, oder der "Toeslagenaffaire", bei der der niederländische Staat wegen eines Algorithmus fälschlicherweise Beihilfen für Kinderbetreuung zurückforderte, vor allem von migrantischen Familien. Erkenntnisse zum Thema basieren vor allem auf einzelnen Beispielen – viele aus den USA – sowie wenigen Studien und Gutachten.Quelle
Wo kommen Algorithmen zum Einsatz?
Automatisierte Entscheidungssysteme werden in immer mehr Bereichen eingesetzt, etwa bei Bewerbungsverfahren, der Vergabe von Wohnungen, Versicherungen oder Krediten, personalisierter Werbung und Diagnosen in der Medizin. Auch bei Verfahren in Behörden, Grenzkontrollen, vorausschauender Polizeiarbeit und der Identifikation potentieller Straftäter*innen können sie zum Einsatz kommen.Quelle
Automatisierte Entscheidungssysteme basieren auf festen Algorithmen – also explizit programmierten Regeln – oder lernenden Algorithmen, die sich weiterentwickeln und aus vorgegebenen Daten lernen, häufig wird von Künstlicher Intelligenz gesprochen. Sie können Entscheidungen wie die Auswahl von Bewerber*innen unterstützen oder die Entscheidung können ganz an das System abgegeben werden.Quelle
Wie kommt es zur Diskriminierung?
Laut einem Rechtsgutachten 2023 im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben Algorithmen ein "erhebliches Diskriminierungspotential". Das hat mehrere Gründe: Daten können fehler- oder lückenhaft sein – etwa wenn Minderheiten nicht berücksichtigt werden – oder Daten werden nicht ausreichend getestet. Wenn Maschinen mit bereits diskriminierenden Daten lernen, kann sich die Diskriminierung verstärken. Auch kann es zu Diskriminierung kommen, weil Programmierer*innen oder Personen, die die Ergebnisse anwenden, nicht ausreichend sensibilisiert sind und etwa davon ausgehen, dass automatisierte Entscheidungen objektiver seien als die von Menschen.Quelle
Dem Rechtsgutachten zufolge ist es für Betroffene oft schwer oder nicht nachvollziehbar, ob und wie eine Diskriminierung stattgefunden hat. Oft sei nicht klar, wie die automatisierte Entscheidung zustande kam oder dass überhaupt ein Algorithmus eingesetzt wurde. Deswegen sei es schwer zu beweisen, dass eine Diskriminierung stattgefunden habe.Quelle
Rechtliche Regelungen
Es gibt Forderungen, Diskriminierung durch Algorithmen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu berücksichtigen und Möglichkeiten für Betroffene zu stärken, dagegen vorzugehen.Quelle
Auf EU-Ebene ist aktuell eine Verordnung in Planung, die den Einsatz Künstlicher Intelligenz regeln soll. Systeme sollen etwa nach deren Risiko für Grundrechte eingestuft werden, Anforderungen an die Datensätze oder Informationspflicht gegenüber Nutzer*innen sind vorgesehen. An der Verordnung gibt es viel Kritik, etwa wegen möglicher Massenüberwachung. Die Mitgliedsstaaten haben sich Anfang 2024 auf einen Text geeinigt, nun muss der EU-Rat und das Europäische Parlament zustimmen. Die Verordnung soll noch vor der Europawahl 2024 in Kraft treten.
Die Verordnung wird oft als wegweisend bezeichnet, zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren jedoch, dass das Vorhaben zu viele Ausnahmen für den Einsatz riskanter KI vorsieht – etwa bei Strafverfolgungs- oder Migrationsbehörden. Kritik gibt es auch daran, dass der Einsatz von KI an den Außengrenzen nicht ausreichend in den bisherigen Entwürfen geregelt ist.
Wichtige Quellen
Algorithm Watch (2022): "Automatisierte Entscheidungssysteme und Diskriminierung", LINK
Spiecker und Towfigh (2023): "Automatisch benachteiligt", LINK
Heesen, Reinhardt, Schelenz (2021): "Diskriminierung durch Algorithmen vermeiden. Analysen und Instrumente für eine digitale demokratische Gesellschaft", LINK
Ortwath (2019): "Diskriminierungsrisiken durch Verwendung von Algorithmen", LINK
Diskriminierung im Bereich Bildung
Soziale Herkunft, Wohnort und der Bildungsstand der Eltern spielen in Deutschland eine entscheidende Rolle beim Bildungserfolg. Auch Diskriminierungserfahrungen – wie schlechtere Leistungsbewertung – können zu ungleichen Bildungschancen führen. Eine Übersicht zu Studien zum Thema.Quellen
Weitere Informationen zu Chancengleichheit im Bildungsbereich finden Sie "hier".
Diskriminierung an Kitas
Bisher gibt es wenig Forschung zu Diskriminierungserfahrungen an Kitas. Die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zeigen, dass bereits Kleinkinder rassistische Diskriminierung erfahren, zum Beispiel bei der Vergabe von Kita-Plätzen oder in der Betreuung.Quelle
Eine Studie zeigt, dass Kinder von Familien mit türkischem Namen seltener Rückmeldungen bei einer Bewerbung auf einen Kita-Platz erhalten.Quelle
Im Rahmen einer qualitativen Studie des DeZIM-Instituts an Berliner Kitas berichten Familien von fehlender Sensibilität und Strategien im Umgang mit Diversität, es gebe wenig diverse Kinderbücher oder Spielmaterialien. Wie Eltern damit umgehen, erläutert die Forscherin Seyran Bostancı im MEDIENDIENST-Interview.Quelle
Diskriminierung an Schulen
Umfassende empirische Studien zu rassistischer Diskriminierung an deutschen Schulen gibt es nicht. Einzelne Befunde zeigen, dass Schüler*innen verschiedene Diskriminierungserfahrungen machen:
- Laut Afrozensus 2020 erleben Schwarze und PoC-Schüler*innen regelmäßig Mobbing und rassistische Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe oder aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse.Quellen
- Diskriminierung zeigt sich auch in der Leistungsbewertung: Lehrkräfte unterschätzen häufig die Fähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund und sprechen seltener eine Gymnasialempfehlung aus.Quelle
- Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie von 2024: Schüler*innen mit Migrationshintergrund einer 9. Klasse erhielten in allen fünf untersuchten Fächern schlechtere Zeugnisnoten als ihre Mitschüler*innen ohne Zuwanderungsgeschichte, obwohl sie in objektiven Leistungstests gleiche Ergebnisse erzielt hatten. Quelle
- Muslimische Schüler*innen berichten von negativen Zuschreibungen, zum Beispiel weil sie ein Kopftuch tragen, aber auch wegen ihrer Namen.Quelle
- In einer Studie berichten jüdische Eltern und junge Erwachsene von Erfahrungen mit Antisemitismus an Schulen, darunter angedrohte körperlicher Gewalt, Beschimpfungen und antisemitischen Kommentaren. Sie schildern zudem die Überforderung der Lehrkräfte, angemessen mit antisemitischen Vorfällen umzugehen.Quelle
- Diskriminierung kann auch durch schulische Strukturen erfolgen: Lehrpläne und Schulbücher sind Studien zufolge wenig sensibel für Diversität und bilden Vielfalt nur unzureichend ab. 2023 forderte etwa ein Bündnis, Schulordnungen an Berliner Schulen wegen diskriminierender Vorgaben anzupassen, darunter die Pflicht, ausschließlich Deutsch auf dem Schulgelände zu sprechen oder ein pauschales Verbot der Religionsausübung.Quellen
Auch Lehrende berichten von Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen, auch im Kollegium. Laut Afrozensus führt das zur Isolation der betroffenen Lehrkräfte.Quelle
Hochschule
Diskriminierungserfahrungen machen auch Studierende an deutschen Hochschulen – etwa aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. In einer Befragung 2022 gaben 10 Prozent der befragten Studierenden an, mindestens einmal rassistische Diskriminierung an ihrer Universität erlebt zu haben.Quelle
In einer Befragung 2021 berichten 26 Prozent der Studierenden von Diskriminierung. Gleichzeitig beobachteten 46 Prozent der Befragten Diskriminierung von anderen Studierenden, zum Beispiel aufgrund ihres Migrationshintergrundes (24 Prozent), der religiösen Zugehörigkeit (14 Prozent) oder wegen der Sprache (24 Prozent).Quelle
Folgen: Stress, schlechtere Leistungen, Schulwechsel
Eine Metaanalyse mit 68 Studien zu mehreren Ländern, darunter vor allem die USA und auch Deutschland, zeigt die Folgen für Betroffene: Schüler*innen leiden unter anderem an chronischen Depressionen sowie Verhaltensauffälligkeiten und erbringen schlechtere schulische Leistungen, wenn sie Diskriminierung erfahren. Quelle
Zudem mindert sich ihr Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit. Stress und Angstzustände können zu schlechteren Leistungen bis hin zum Schulwechsel führen. Die Folgen erschweren letztlich einen erfolgreichen Schulabschluss oder die Aufnahme einer Lehre, wodurch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sinken.Quelle
Auch bei Studierenden wirkt sich erlebte Diskriminierung negativ auf die Studienzufriedenheit aus und führt häufig zu erhöhtem Stress.Quelle
Schutz vor Diskriminierung an Schulen
2023 erreichten die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) 553 Beratungsanfragen im Bereich Bildung, das sind etwa 7 Prozent aller Anfragen. Die ADS ist aber zuständig für Fälle des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) – und das enthält nicht den Schutz vor Diskriminierung in Bildungseinrichtungen. Aktuell fördert die ADS den Aufbau einer bundesweiten Fachstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen.Quelle
Bisher hat Berlin als einziges Bundesland ein Landesgesetz, das vor Diskriminierung in Bildungseinrichtungen schützt. Das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) gibt Betroffenen die Möglichkeit, gegen die Diskriminierung vorzugehen. In Berlin gibt es auch eine unabhängige Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS).
Diskriminierung am Arbeitsmarkt
Viele Menschen erfahren Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt – sie werden etwa seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen oder machen Rassismuserfahrungen am Arbeitsplatz. Das zeigen Befragungen von Betroffenen sowie Experimente, bei denen fiktive Bewerbungen verschickt werden.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zählte 2023 insgesamt 2.646 Beratungsanfragen wegen Diskriminierung am Arbeitsmarkt. Davon hatten 30 Prozent der Personen (798 Anfragen) rassistische Diskriminierung erlebt und rund sieben Prozent (172 Anfragen) Diskriminierung aufgrund ihrer Religion.Quelle
Aus Befragungsstudien geht hervor, dass sich viele Menschen mit Migrationshintergrund bei der Jobsuche benachteiligt fühlen – vor allem türkeistämmige Personen. Auch Muslim*innen und Schwarze Menschen berichten häufig von Diskriminierung im Arbeitsleben:
- In einer Studie der Bertelsmann Stiftung 2022 gaben 58 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund an, dass es für sie schwieriger sei, eine passende Arbeitsstelle zu finden als für die meisten anderen Menschen. Unter Befragten mit einem türkischen Migrationshintergrund und muslimischen Befragten waren es sogar jeweils 70 Prozent. Auch eine Befragung des BAMF 2023 stellte fest, dass sich Muslim*innen und türkeistämmigen Personen häufiger bei der Stellensuche benachteiligt fühlen.Quelle
- Laut einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur (FRA) 2024 erlebten mehr als die Hälfte (55 Prozent) der befragten Muslim*innen in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren Diskriminierung bei der Arbeitssuche. Laut einer Studie des DeZIM 2022 berichten Kopftuchtragende Musliminnen häufiger davon, eine Arbeitsstelle nicht bekommen zu haben als Musliminnen ohne Kopftuch und muslimische Männer. Zudem gab knapp die Hälfte (48 Prozent) der Musliminnen mit Kopftuch an, dass sie häufig auf Bewerbungen verzichten, weil sie erwarten, wegen ihrer Religion benachteiligt zu werden.Quelle
- Im SVR-Integrationsbarometer 2022 gaben mehr als zwei Drittel (68,6 Prozent) der befragten türkeistämmigen Personen an, dass Deutsche und Migrant*innen auf dem Arbeitsmarkt bei gleicher Qualifikation nicht die gleichen Chancen hätten. Dies war unter allen befragten Gruppen der höchste Anteil.Quelle
- Befragungen von Schwarzen Menschen zeigen, dass sie häufig Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt erfahren: In der repräsentativen Studie "Being Black in the EU" der EU-Grundrechteagentur 2023 gaben 58 Prozent an, dass sie in den letzten 5 Jahren bei der Arbeit rassistisch diskriminiert wurden, 56 Prozent berichteten von Diskriminierung bei der Jobsuche. Im Afrozensus 2020 gaben rund 81 Prozent der Befragten an, dass sie in den vergangenen zwei Jahren im Arbeitsleben aus rassistischen Gründen diskriminiert wurden.Quelle
- Auch Fachkräfte aus dem Ausland berichten von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt: Laut einer IAB-Befragung 2024 (Befragungszeitraum: 2022) hatten 21 Prozent der befragten Fachkräfte im Vorjahr am Arbeitsplatz Diskriminierung erfahren. 22 Prozent hatten Diskriminierung bei der Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche erlebt. In einer OECD-Befragung 2023 unter ausländischen Fachkräften gaben 28 Prozent der Befragten an, dass sie bei der Arbeit aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert werden. Rund die Hälfte (48 Prozent) stimmte der Aussage zu, dass Menschen aus dem Ausland es in Deutschland schwerer haben, einen Arbeitsplatz zu finden und beruflich erfolgreich zu sein als Deutsche.Quelle
Menschen mit Migrationshintergrund haben ein erhöhtes Armutsrisiko. Auch Rassismuserfahrungen spielen dabei eine Rolle. Mehr dazu finden Sie hier.
Auch Experimente, wie beispielsweise Korrespondenztests, zeigen, dass bestimmte Bewerber*innen von Unternehmen benachteiligt werden:
- Besonders stark von Diskriminierung betroffen sind Musliminnen, die ein Kopftuch tragen: Eine Studie mehrerer Forschungsinstitute 2023 zeigt, dass sie seltener positive Rückmeldungen auf Bewerbungen erhalten als Bewerberinnen anderer Gruppen. Das betrifft besonders Berufe mit viel Kundenkontakt. Aus einer Studie von 2016 geht hervor, dass Musliminnen mit türkischem Namen, die ein Kopftuch tragen, sich viermal so oft bewerben müssen, um für ähnlich viele Bewerbungsgespräche eingeladen zu werden wie Bewerberinnen mit deutschem Namen, die kein Kopftuch tragen.Quelle
- Laut einer Studie 2018 erhalten Menschen mit Migrationshintergrund deutlich seltener eine positive Rückmeldung auf ihre Bewerbungen als Menschen ohne Migrationshintergrund. Die Chancen variierten je nach Herkunftsland: Besonders schlechte Chancen hatten Menschen mit einem albanischen, marokkanischen oder äthiopischen Migrationshintergrund. Etwas bessere Chancen hatten Bewerber*innen mit Migrationshintergrund aus einem westeuropäischen Land sowie aus Japan oder China.Quelle
- Ausländische Bewerber*innen werden in höherqualifizierten Berufen stärker diskriminiert als in geringqualifizierten Berufen: Zu diesem Ergebnis kam 2019 eine Studie, in der Schweizer Hotelbetriebe fiktive Bewerbungen von Menschen unterschiedlicher Herkunft beurteilen sollten. Während die Betriebe Schweizer Staatsangehörige für die Arbeit an der Hotelrezeption deutlich bevorzugten, wurde bei Bewerber*innen für Reinigungsberufe kaum nach Herkunft unterschieden.Quelle
- Auch bei der Jobvermittlung kommt es zu rassistischer Diskriminierung. Das zeigt ein Experiment aus dem Jahr 2017, für das Wissenschaftler*innen fiktive E-Mails mit deutsch, türkisch und rumänisch klingenden Namen an Jobcenter verschickt haben. Die Behörden antworteten zwar auf alle Mails, schickten den Fragesteller*innen mit ausländischen Namen aber häufiger unzureichende und weniger detaillierte Informationen.Quelle
Welche Effekte hat Diskriminierung?
Welche Auswirkungen hat Diskriminierung für die Betroffenen?
Betroffene erleben Diskriminierung in verschiedenen Lebensbereichen, etwa dem Gesundheitssystem, dem Sozial- oder Arbeitsleben. Diskriminierungserfahrungen beeinflussen sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit direkt und wirken sich indirekt auf soziale Beziehungen, Bildungsmöglichkeiten, Arbeitsmöglichkeiten, die Gesundheit und die Wohnsituation aus.
Eine Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017) zeigt, dass Diskriminierung für die Betroffenen schwere und unterschiedliche Folgen hat:
Rassismus geht mit einem erhöhten Armutsrisiko einher, das zeigt ein Kurzbericht des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (2024):
Diskriminierung wirkt sich direkt auf die psychische Gesundheit aus
Eine Studie der Universität Mannheim konnte nachweisen, dass sich Diskriminierung unmittelbar und direkt auf die psychische Gesundheit auswirkt. Diese Studie zeigt, dass Diskriminierung sowohl lang- als auch kurzfristige Auswirkungen hat - etwa in erhöhter Wut und Feindseligkeit gegenüber anderen Personen.Quelle:
Der NaDiRa-Bericht des DeZIM aus dem Jahr 2023 bestätigt auch diese Folgen der Diskriminierung. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen und Angststörungen und depressiven Erkrankungen. Außerdem zeigen die Ergebnisse der Umfrage, dass Frauen stärker belastet sind als Männer. Das betrifft besonders Schwarze Frauen, gefolgt von muslimischen Frauen.Quelle:
Langfristige Folgen rassistischer Gewalt
Einem Bericht der Agentur der Europäische Union für Grundrechte (FRA) aus dem Jahr 2023 zufolge können rassistische Gewalterfahrungen das Sicherheitsgefühl, die Gesundheit und das Verhalten von Menschen beeinflussen.
News Zum Thema: Diskriminierung
Zahlen und Fakten Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Viele Menschen mit Migrationshintergrund berichten davon, dass sie Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erfahren. Studien zeigen: Sie haben im Schnitt weniger Wohnraum zur Verfügung und müssen einen größeren Anteil des Einkommens für die Miete ausgeben.
Zahlen und Fakten Diskriminierung durch Algorithmen
Gerade laufen Verhandlungen auf EU-Ebene für eine neue Verordnung, die den Einsatz Künstlicher Intelligenz regeln soll. Ein Thema: Diskriminierung durch Algorithmen. Die wichtigsten Informationen und Studien zum Thema haben wir in einem neuen Dossier zusammengefasst.
Antidiskriminierung Mehr Klarheit für Betroffene
Die Bundesregierung hat geplant, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu reformieren. Auch immer mehr Bundesländer planen Antidiskriminierungsgesetze. Auf beiden Ebenen stocken Vorhaben. Worum es geht und was geplant ist, steht in unserem Factsheet.