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Asylrecht

Deutschland ist eines der wenigen Länder, in dem das Recht auf Asyl in der Verfassung festgeschrieben ist (Art. 16a GG Das Recht auf Asyl im Grundgesetz). Es ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländern zusteht. Allerdings wurde es mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 stark eingeschränkt. Ein Überblick zur aktuellen Rechtslage:

Asylrechtsreformen 2014-2019

Stand: May. 2022

In den letzten Jahren wurde das deutsche Asylrecht umfassend reformiert. Viele Gesetze sind verschärft worden – etwa um abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. Andere Reformen sollen die Integration von Flüchtlingen beschleunigen.

Die wichtigsten Reformen im Überblick:

⇒ August 2019: Das Abschiebungs-System wird verschärft, die Asylbewerberleistungen angepasst.

Das zweite Gesetz zur "besseren Umsetzung der Ausreisepflicht" sieht folgende Gesetzesänderungen vor:

  • Alle Asylsuchenden müssen künftig bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahme-Einrichtungen bleiben – längstens allerdings 18 Monate. Abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend kooperieren, können sogar länger als 18 Monate in den Einrichtungen bleiben.QuelleZweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, Artikel 3, Nr. 6
  • Ausländerbehörden sollen künftig die Möglichkeit haben, Ausreisepflichtige ohne richterliche Anordnung festzunehmen – etwa wenn sie annehmen, dass die Person untertauchen will.QuelleZweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, Artikel 1, Nr. 2
  • Menschen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden, erhalten keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Maximal für zwei Wochen soll es eine "Überbrückungsleistung" geben – allerdings nur einmal innerhalb von zwei Jahren.QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10047, Artikel 5
  • Geduldete, deren Identität nicht geklärt ist oder denen vorgeworfen wird, bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend mitzuwirken, erhalten künftig eine eingeschränkte Duldung („Duldung light“). Das bedeutet: Sie dürfen ihren Wohnort nicht frei wählen, bekommen weniger Sozialleistungen und dürfen nicht arbeiten.QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10047, Artikel 1, Nr. 33
  • Ausreisepflichtige, die einen Botschafts-Termin zur Feststellung ihrer Identität nicht wahrnehmen, können für 14 Tage in Haft genommen werden ("Mitwirkungshaft").QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10047, Artikel 1, Nr. 21 e
  • Ausreisepflichtige sollen künftig bis zu zehn Tage in "Ausreisegewahrsam" genommen werden können – unabhängig davon, ob eine Fluchtgefahr besteht.QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10047, Artikel 1, Nr. 23
  • Ausreisepflichtige sollen bis 2022 auch in normalen Gefängnissen untergebracht werden können, allerdings getrennt von Strafgefangenen.QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10047, Artikel 1, Nr. 22
  • Sogenannte Gefährder können in Sicherungshaft genommen werden – auch wenn ihre Abschiebung nicht unmittelbar bevorsteht.QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10047, Artikel 1, Nr. 21 c
  • Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die Informationen über eine geplante Abschiebung weitergeben, machen sich strafbar.QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10047, Artikel 1, Nr. 30

⇒ August 2016: Das Integrationsgesetz tritt in Kraft.

  • Asylbewerber können zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet werden. Gleichzeitig werden die Integrationskurse stark ausgebaut.
  • Geduldete erhalten einen Aufenthaltsstatus für die gesamte Dauer der Berufsausbildung – plus sechs Monate zur Jobsuche, wenn sie nach Abschluss der Ausbildung nicht übernommen werden.
  • Die „Vorrangprüfung“ entfällt in den meisten Regionen.
  • Anerkannte Flüchtlinge dürfen für drei Jahre ihren Wohnort nicht frei wählen ("Wohnsitzauflage").
  • Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte erst nach fünf (statt  nach drei) Jahren und auch nur, wenn sie "gut integriert" sind.Weitere InformationenBundesregierung, Artikel: Integrationsgesetz setzt auf Fördern und Fordern, 8.8.2016

⇒ Juli 2017: Durch das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" werden strengere Regeln für "Geduldete" und sogenannte Gefährder eingeführt.

  • Ausreisepflichtige, von denen eine „Gefahr für Leib und Leben Dritter“ ausgeht, sollen in Abschiebehaft genommen werden können. Zudem können sie strenger überwacht werden (etwa mittels elektronischer Fußfesseln).
  • Geduldete, die über ihre Identität oder Herkunft täuschen beziehungsweise nicht ausreichend bei der Beschaffung von Reisedokumenten mitwirken, sollen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Außerdem sollen sie ohne Ankündigung abgeschoben werden können – selbst wenn sie bereits seit mehr als einem Jahr in Deutschland leben.
  • Die Bundesländer sollen Asylsuchende "ohne Bleibeperspektive" bis zu zwei Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen unterbringen können. Derzeit geht das für maximal sechs Monate.
  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll Handys und andere Datenträger von Geflüchteten  überprüfen dürfen, um Informationen über ihre Identität und Herkunft zu gewinnen.

⇒ März 2016: Im Zuge der Debatte um die Kölner Silvesternacht wird das Ausweisungsrecht verschärft: Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr für eine Gewalttat und bei Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung können Asylbewerber ausgewiesen werden.Weitere InformationenBundesregierung, Artikel: Straffällige Ausländer leichter ausweisen, 17.3.2016

⇒ März 2016: Durch das sogenannte Asylpaket II wird das Asylrecht erneut verschärft.

  • Über Asylverfahren von Bewerbern aus "sicheren Herkunftsstaaten" und von Menschen, die über ihre Identität täuschen, wird im Eilverfahren entschieden.
  • Ein Großteil der Verfahren soll künftig in sogenannten Ankunftszentren bearbeitet werden.
  • Solange Asylbewerber in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, dürfen sie den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen.
  • Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein Abzuschiebender reisefähig ist. Nur bei "lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen" können Abschiebungen verschoben werden. Dafür ist eine ärztliche Bescheinigung notwendig. Psychische Erkrankungen wie etwa die post-traumatische Belastungsstörungen werden nicht mehr als Abschiebungshindernis berücksichtigt.
  • Subsidiär Schutzberechtigte dürfen bis März 2018 keine Angehörigen nach Deutschland nachziehen lassen.Weitere InformationenBundesregierung, Artikel: Kürzere Verfahren, weniger Familiennachzug, 17.03.2016

⇒ Oktober 2015: Das sogenannte Asylpaket I wird verabschiedet.

  • Asylbewerber sollen bis zu sechs Monate in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen – anstatt wie früher drei Monate. Antragsteller aus "sicheren Herkunftsstaaten" bleiben dort bis zum Ende ihres Verfahrens.
  • In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Asylbewerber nur Sachleistungen bekommen.
  • Asylbewerber mit "guter BleibeperspektiveEs ist gesetzlich nicht geregelt, wann ein Asylbewerber eine "gute Bleibeperspektive" hat. In der Praxis fallen unter diese Kategorie diejenigen Asylbewerber, die aus Ländern mit einer Schutzquote von über 50 Prozent kommen." dürfen an Integrationskursen teilnehmen.
  • Albanien, Kosovo und Montenegro werden in die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" aufgenommen.
  • Der Bund zahlt den Ländern einen Teil der Unterbringungs- und Versorgungskosten für Asylbewerber: 670 Euro Monatspauschale pro Person.Weitere InformationenBundesregierung, Artikel: Effektive Verfahren, frühe Integration, 26.10.2015

⇒ August 2015: Mit dem „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ bekommen "gut integrierte" Langzeit-Geduldete die Möglichkeit, eine AufenthaltserlaubnisEine Aufenthaltserlaubnis bekommen Geflüchtete, sobald ihr Asylantrag Erfolg hatte. Im Gegensatz zur Niederlassungserlaubnis wird sie nur befristet und für bestimmte Zwecke erteilt, etwa für eine Ausbildung, eine Arbeit oder aus familiären Gründen. Bei Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen gilt sie drei Jahre, bei subsidiär Schutzberechtigten nur ein Jahr. Quelle: BMI und BAMF zu beantragen. Gleichzeitig nennt das Gesetz sechs "konkrete AnhaltspunkteAufenthG §2, Absatz 14", um abgelehnte Asylbewerber in Abschiebehaft nehmen zu können: Dazu zählen der Versuch, sich der Abschiebung zu entziehen sowie die Bezahlung von "erheblichen Geldbeträgen" für die illegale Einreise.Weitere InformationenBundesinnenministerium, Pressemitteilung: Ge­setz zur Neu­be­stim­mung des Blei­be­rechts und der Auf­ent­halts­be­en­di­gung tritt in Kraft, 31.07.2015

⇒ November 2014: Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden zu "sicheren Herkunftsstaaten" erklärt.Weitere InformationenBundesinnenministerium, Pressemitteilung: Gesetz zu sicheren Herkunftsstaaten tritt in Kraft, 6.11.2014

⇒ November 2014: Das Asylbewerberleistungsgesetz wird reformiert. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts werden die Grundleistungen angehoben und an das Hartz-IV-Niveau angepasst. Asylbewerber dürfen künftig schon nach drei Monaten einen Job suchen – zuvor waren es neun Monate. Weitere InformationenBundesregierung, Artikel: Höhere Leistungen für Asylbewerber, 28.11.2014

 

Mit dem Gesetz zur "Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes" sollen die Bedarfssätze an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst werden. Das Gesetz sieht jedoch auch Kürzungen vor – etwa für alleinstehende Erwachsene, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Zudem sollen bestimmte Leistungen "zwingend" als Sachleistung erbracht werden.QuelleDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/10052

Die Kritik: Viele Asylrechtsreformen stießen auf Kritik, sowohl von Menschenrechtsorganisationen als auch von Wissenschaftlern. So stellten die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL und das Deutsche Institut für Menschenrechte die vermeintliche Sicherheit der "sicheren" Herkunftsstaaten wiederholt in Frage. Kritik äußerte im September 2015 auch der Rat für Migration (RfM). "Der aktuelle Plan der Bundesregierung zur Reform des Asylrechts setzt eine Politik fort, die in erster Linie auf Abschottung basiert", sagt Werner Schiffauer, Ethnologe und RfM-Vorsitzender mit Blick auf das Asylpaket I. Auch das Asylpaket II wurde von Juristen und Migrationswissenschaftlern kritisiert – wie auch das Integrationsgesetz und das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht". Das sogenannte "Migrationspaket" von 2019 wurde von Expertinnen und Experten sowie Nichtregierungs-Organisationen wegen tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken abgelehnt.

Kann Deutschland Asylsuchende an den Grenzen zurückweisen?

Stand: May. 2025

Nach aktueller Rechtslage dürfen Asylsuchende nicht an der Grenze zurückgewiesen werden. Das ergibt sich aus dem nationalen§15 IV AufenthG, europäischenArt. 4 RL 2011/95/EU und internationalenArt. 33 GFK, Art. 3 EMRK Flüchtlingsrecht. Dennoch werden aktuell Asylsuchende an den Grenzen zurückgewiesen. 

Zurückweisungen aufgrund der Weisung vom Bundesinnenministerium vom Mai 2025

Am 7. Mai hat das Bundesinnenministerium eine Weisung erlassen, nach der Schutzsuchenden die Einreise in die Bundesrepublik durch die Landesgrenzen verwehrt werden kann – ausgenommen sind nur "erkennbar vulnerable" Personen wie etwa schwangere Frauen, unbegleitete Kinder und Kranke. Bei allen Einreisenden ohne gültige Reisedokumente nimmt die Bundespolizei Personaldaten und Fingerabdrücke ab, führt eine kurze Anhörung und erlässt eine ZurückweisungsverfügungAngaben der Gewerkschaft der Polizei GdP bei einem Pressegespräch des Mediendienstes. Die Personen werden dann festgehalten bis sie den Grenzbehörden der Nachbarstaaten übergeben werden können. Zum Stand 15. Mai 2025 wurden nur wenige Dutzend Schutzsuchende zurückgewiesen. Etliche Nachbarstaaten Deutschlands haben sich gegen die verstärkten Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen geäußertPolen verweigert Übernahme von Asylbewerbern aus Deutschland (Spiegel Online, 14.5.2025 LINK), Österreich: "Werden niemanden zurücknehmen": Österreich kritisiert geplante Zurückweisungen (Focus, 2.5.2025) LINK, Schweiz: Schweiz hält Zurückweisung von Asylbewerbern für rechtswidrig (Handelsblatt 8.5.2025 LINK) Luxemburg: Luxemburg will keine Asylbewerber aus Deutschland aufnehmen (Luxemburger Wort 12.5.2025 LINK).

Sind die Zurückweisungen rechtmäßig?

Das Bundesinnenministerium beruft sich in seiner Weisung auf das deutsche Asylgesetz (AsylG §18, Abs. 2). Demnach kann Asylsuchenden die Einreise verweigert werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein anderer EU-Staat für sie zuständig ist. Allerdings: Das nationale Asylgesetz ist dem europäischen sowie internationalen Recht untergeordnetEUR-Lex, Vorrang des Eu-Rechts LINK, s. auch Artikel 23 GG LINK.

Direkte Zurückweisungen von Asylsuchenden an EU-Binnengrenzen werden insbesondere von zwei EU-Gesetzen ausgeschlossen:

  • Nach dem Schengener Grenzkodex (Artikel 23a) können Drittstaatsangehörige, die im Grenzgebiet ohne Aufenthaltsrecht aufgegriffen werden, zwar unmittelbar in den Staat überstellt werden, aus dem sie eingereist sind. Das gilt allerdings explizit nicht für Asylsuchende (Artikel 23a, Abs. 1).
  • Bei Asylsuchenden, die aus anderen EU-Staaten einreisen, muss außerdem eine Zuständigkeitsprüfung nach der "Dublin-III-VerfahrenVO 604/2013" stattfinden. In diesem Verfahren wird geprüft, ob Deutschland oder ein anderer EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist.

De facto agiert die Bundesregierung damit gegen geltendes EU-RechtSiehe Constantin Hruschka (Mai 2025), "Dobrindts Rechtsbruch" in Verfassungsblog (15.5.2025) LINK. Rechtmäßig kann dies nur im Fall einer Notlage (und wenn die Regelungen selbst keine Vorkehrungen für eine solche Notlage treffen) sein: Nach dem "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEUV) kann ein Mitgliedstaat Teile des EU-Rechts aussetzen (AEUV Artikel 72). Mitgliedstaaten, die sich bisher explizit auf Artikel 72 bezogen haben, mussten dies vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) begründen und die Lage nachweisen. Der EuGH hat allerdings in allen bislang entschiedenen Fällen das Berufen auf eine solchen Notlage für rechtswidrig erklärtSiehe unter anderem das Urteil gegen Ungarn 2020 Rn, 212 ff. insbesondere Rn. 221 LINK. Weitere Informationen in Thym, Daniel (2024): Nun also doch? Zurückweisungen von Asylbewerbern aufgrund einer „Notlage“, LINK.

Zurückweisung an den EU-Außengrenzen

Ohne vorher einen Staat der EU oder die Schweizam Dublin-Verfahren beteiligt betreten zu haben, können Drittstaatsangehörige die Außengrenzen Deutschlands nur über den Luft- oder Seeweg überqueren. Wenn sie Schutz in Deutschland suchen, gilt für sie das "Non-refoulment"-Prinzip – das heißt: Bevor sie in das Land, aus dem sie eingereist sind, zurückgewiesen bzw. zurückgeschoben werden, müssen deutsche Behörden prüfen, ob ihnen in diesem Land Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Das geht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 3) sowie aus der Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) hervor. Demnach hat jede asylsuchende Person in Deutschland auch Anspruch auf die individuelle Prüfung ihres Antrags. Ohne diese Prüfung darf sie nicht zurückgewiesen werden.QuelleZu den asylrechtlichen Vorgaben und Verfahren bei einem Asylgesuch siehe etwa Mediendienst Integration (2023): Kann Deutschland das individuelle Asylrecht aussetzen?, Link; Dana Schmalz (2018): Weshalb man Asylsuchende nicht an der Grenze abweisen kann, Link.

Gerichtsurteile über Zurückweisungen

Dass Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen rechtswidrig sind, haben zuletzt UrteileZum Urteil des EuGH (2023) hier, siehe auch Medienbericht zum Urteil hier; zum Urteil des EGMR (2024) siehe hier, siehe auch Medienbericht zum Urteil hier sowohl des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bestätigt.Quelle EuGH (2023): Urteil vom 23.09.2023, ECLI:EU:C:2023:689, Link; EGMR (2024): Urteil vom 15.10.2024, Link

Quellen

- Hruschka, Constantin (2025), Dobrindts Rechtsbruch LINK

- Korsch S., Umbart K. (2025), Mehr als grenzwertig – Zu den rechtlichen und politischen Folgen von Zurückweisungen von Asylsuchenden LINK

- Daniel Thym (2024), Nun also doch? Zurückweisungen von Asylbewerbern aufgrund einer "Notlage" LINK

- Daniel Thym (2023), Rechtsgutachten über die Anforderungen und Rechtsfolgen des Artikels 72 EU-Arbeitsweisevertrag für die ausnahmsweise Abweichung vom EU-Asylrecht LINK

- Daniel Thym (2018), Der Rechtsbruch-Mythos und wie man ihn widerlegt, Verfassungsblog Mai 2018 LINK

- Deutsches Institut für Menschenrechte (2018), Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze? – Eine menschen- und europarechtliche Bewertung, Juni 2018 LINK

- Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestags (2017), Einreiseverweigerung und Einreisegestattung nach § 18, 2017, Seite 6 LINK

- Dana Schmalz (2018): Weshalb man Asylsuchende nicht an der Grenze abweisen kann, Link  

Was sind Pushbacks?

Stand: May. 2022

Mit dem englischen Begriff "Pushbacks" werden rechtswidrige Zurückweisungen von Flüchtlingen bezeichnet – vor allem an den Außengrenzen der Europäischen Union.

Mehrere Mitgliedstaaten der EU führen an den Außengrenzen der EU solche "Pushbacks" durch. Entsprechende Berichte gibt es von den Grenzen zwischen Belarus und Polen, Belarus und Litauen sowie von der serbisch-ungarischen, bosnisch-kroatischen, nordmazedonische-griechischen, albanisch-griechischen, türkisch-griechischen Grenzen sowie auf hoher See vor den Küsten Griechenlands und Italiens.Quelle Karamanidou L. und Kasparek B. (2021) "Fundamental Rights, Accountability and Transparency in European Governance of Migration: The Case of the European Border and Coast Guard Agency FRONTEX

An vielen dieser Pushbacks sind laut InvestigativrecherchenSiehe unter anderem: Der Spiegel (2022), "Frontex in illegale Pushbacks von Hunderten Flüchtlingen involviert" (27.4.2022), Der Spiegel, "EU Border Officials Accused of Throwing Refugees into the Sea" (17.2.2022), Der Spiegel, "Torture Allegations Against Greek Border Guards" (2.2.2022) auch Einheiten der Grenzschutzagentur Frontex beteiligt, obwohl das laut der Frontex-VerordnungVerordnung (EG) Nr. 2019/1896, Einleitung, Punkt 103 verboten ist. Eine Untersuchungskommission des Europäischen Parlaments hat diese Vorwürfe untersucht, konnte jedoch keine abschließende Beweise für eine Beteiligung von Frontex an Pushbacks finden. Eine Übersicht über die Vorwürfe gegen Frontex und die darauffolgenden Untersuchungen finden sich in diesem MEDIENDIENST-Artikel.Quelle Der SPIEGEL (2022): "Frontex in illegale Pushbacks von Hunderten Flüchtlingen involviert", Europäisches Parlament (2021): Report on the fact-finding investigation on Frontex concerning alleged fundamental rights violations", MEDIENDIENS (2021): "Frontex: Schwere Vorwürfe, kaum Konsequenzen."

Sind Pushbacks illegal?

Pushbacks sind grundsätzlich illegal. Zwar dürfen EU-Mitgliedstaaten ausländische Staatsbürger*innen daran hindern, unerlaubt ihre Grenzen zu überschreitenZum Beispiel: im deutschen Aufenthaltsgesetzt heißt es (§15 AufenthG): "Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen". Es gelten aber Einschränkungen, die von verschiedenen europäischen und internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte festgelegt wurden:

  • Verbot der Kollektivausweisung: Gruppen von ausländischen Staatsbürger*innen dürfen nicht kollektiv abgeschoben beziehungsweise zurückgewiesen werden – unabhängig davon, ob sie Flüchtlinge sind oder nicht. Das bestimmt die Europäische Menschenrechtskonvention (IV. Zusatzprotokoll, Artikel 4).
  • Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung: Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder zurückgewiesen werden, in dem ihm oder ihr Folter oder unmenschliche Behandlung droht. Das hat der Europäische Gerichtshof für MenschenrechteSiehe hierzu Prof. Dr. Harald Dörig (2006), Der Abschiebungsschutz für Ausländer nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (ThürVBl 2006, 217) 1989 von Artikel 3 der EMRK (Verbot der Folter) abgeleitet.
  • "Non-refoulement"-Gebot: Wenn eine Person als Flüchtling in die Europäische Union kommt, dürfen die Mitgliedstaaten sie in keinen Staat zurückweisen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von "Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischen Überzeugung" bedroht sein würden. Das bestimmt die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33), die alle EU-Mitgliedstaaten unterschrieben haben. Das nennt man Prinzip der Nicht-Zurückweisung (non-refoulment).
  • Selbst dann, wenn Geflüchtete über ein Land einreisen, in denen ihnen keine direkte Verfolgung droht, dürfen sie dorthin nicht ohne weiteres ab- oder zurückgeschoben werden. Denn als sogenannte sichere Drittstaaten gelten nur solche, die das non-refoulment-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention einhalten (Richtlinie 2013/32/EU, Artikel 38).
  • Alle Personen, die in der Europäischen Union Asyl beantragen möchten, haben zudem das Recht auf eine individuelle Prüfung ihres Asylantrags. Das bedeutet, dass bevor eine schutzsuchende Person ab- oder zurückgeschoben wird, eine Behörde ihren Asylgeusch prüfen muss (Richtlinie 2011/95/EU, Artikel 4).

Ob Pushbacks in allen Situationen illegal sind, ist umstritten. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hat dazu bislang zwei Grundsatzurteile getroffen:

  • 2012 urteile der EGMR, dass der italienische Pushback von Bootsflüchtlingen aus Libyen illegal war. Die italienische Küstenwache hatte das Boot auf das Meer Richtung Libyen zurückgedrängt. Die Flüchtlinge seien auf dem offenem Meer dem Tode schutzlos ausgeliefert, was ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK und gegen das Verbot der Kollektivausweisung (siehe oben) darstelle.
  • 2020 urteile der EGMR hingegen im Falle eines spanischen Pushbacks an der Grenze Melilla/Marokko, dass die Zurückweisung von zwei Männern rechtens war. Der Grund: Sie hätten absichtlich mit einer größeren Personengruppe und gewaltvoll die Grenze überquert, statt an regulären Grenzübergängen ihr Asylgesuch zu stellen. Sie konnten sich daher nicht auf ihren Anspruch auf eine individuelle Prüfung des Asylantrags berufen.

Zwar erhielt das Urteil aus 2020 in der Rechtswissenschaft auch Zustimmung, viele Jurist*innensiehe u.a. Matthias Lehnert: Pushbacks sind illegal und zwar immer, LINK; Pressemitteilung des ECCHR (2022): Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte duldet Massen-Pushbacks nach Griechenland, LINK kritisierten das jüngere Urteil aber. Insbesondere, dass das Urteil die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort falsch wiedergebe: So sei es faktisch für die Kläger*innen an dem Grenzübergang zu Spanien nicht möglich gewesen, einen Asylantrag zu stellen. Außerdem betonen einige Rechtswissenschaftler*innen, dass die meisten Schutzsuchenden – nämlich Bootsflüchtlinge – gar nicht die Möglichkeit haben, an einem regulären Grenzübergang einen Asylantrag zu stellen. Für sie finde die Argumentation der EGMR-Urteile daher keine Anwendung.Quelle Thym, Daniel (2021): "Menschenrechtliche Grenzen für Pushbacks – und der weitergehende Schutz nach EU-Sekundärrecht"; Lehnert, Matthias (2021): "Pushbacks sind illegal - und zwar immer", Schmalz, Dana (2021): "Die andere Rechtsstaatlichkeitskrise"

Was ist das Flughafenverfahren?

Stand: Jan. 2025

Wenn Schutzsuchende über den Luftweg nach Deutschland einreisen, kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über ihren Asylantrag in einem Eilverfahren im Transitbereich des Flughafens entscheiden. Das geschieht, wenn

  • die einreisende Person aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt,
  • oder sie keine gültigen Reisedokumente hat.

Das Verfahren

Bei einreisenden Schutzsuchenden, die sich im Transitbereich eines Flughafens befinden, gilt die sogenannte Fiktion der NichteinreiseSiehe hierzu Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestags (2018), Zur Fiktion der Nichteinreise nach § 13 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz und zum Flughafenverfahren nach § 18a Asylgesetz LINK. Das heißt: Die Personen werden so behandelt, als wären sie noch nicht nach Deutschland beziehungsweise in die Europäische Union eingereist. Für sie gilt ein besonderes Asylverfahren (AslyG §18a). Dieses Prinzip ist rechtlich sehr umstrittenSiehe Dana Schmalz (2018) Die Fiktion der Nichteinreise ist ein Instrument der Entrechtung LINK.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2024), Flughafenverfahren LINK, Dana Schmalz (2018) Die Fiktion der Nichteinreise ist ein Instrument der Entrechtung LINK, Pro Asyl (2021), Abgelehnt im Niemandsland LINK

Das BAMF muss die Schutzsuchenden unverzüglich anhören und innerhalb von zwei Tagen über ihren Asylantrag entscheiden. Wenn der Antrag bewilligt wird, darf die Person einreisen. Wenn er abgelehnt wird, wird sie entweder zu ihrem Abflugort oder in ihr Herkunftsland zurückgewiesen. Asylbewerber*innen im Flughafenverfahren können gegen einen negativen Beschluss klagen und haben dabei (wie andere Antragstellende) Anspruch auf Rechtsberatung. Das zuständige Verwaltungsgericht muss dann innerhalb von 14 Tagen über die Klage urteilen.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2024), Flughafenverfahren LINK

Bis zur endgültigen Entscheidung müssen die Asylbewerber*innen im Transitbereich des Flughafens bleiben. Flughafenverfahren können deshalb nur an Flughäfen stattfinden, die Asylbewerber*innen unterbringen könnenDerzeit sind das die Flughäfen Berlin-Brandenburg, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg und München.. Das Flughafenverfahren dauert maximal 19 Tage. Wenn keine rechtskräftige Entscheidung innerhalb dieser Frist getroffen wird, kann die einreisende Person den Transitbereich verlassen.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2024), Flughafenverfahren LINK

Laut einem PraxisberichtPro Asyl (2021), Abgelehnt im Niemandsland LINK der Flüchtlingshilfsorganisation "Pro Asyl" können Beschlüsse in derartigen Grenzverfahren kaum Rücksicht auf den psychischen und physischen Zustand der Schutzsuchenden nehmen und führen oftmals zu mangelhaften Urteilen.

Flughafenverfahren im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem

Nach der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) plant die BundesregierungSiehe Bundesinnenministerium (2024), Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems LINK, dieses "Grenzverfahren" auch auf alle Schutzsuchenden auszuweiten, die

  • Falschangaben über ihre Identität machen,
  • aus Herkunftsstaaten kommen, für die eine durchschnittliche EU-weite "Schutzquote" von 20 Prozent oder weniger vorliegt.

Asylanträge von Personen, die aus "sicheren Drittstaaten" oder "sicheren Herkunftsstaaten" kommen, können als unzulässig abgelehnt werden. "Grenzverfahren" nach der neuen EU-Asylverfahrensrichtlinie können bis zu 12 Wochen dauern (VO 2024/1348, Artikel 51). Das Gesetzesvorhaben wurde von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert.QuelleEntwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems 6.11.2024 LINK

Die Zahlen

2024 hat die Bundespolizei rund 13.500 "unerlaubte Einreisen" über die Luftgrenze festgestellt – 2023 waren es etwa 14.000 Einreisen. Zwischen Januar und Oktober 2024 gab es 365 "Flughafenverfahren".QuelleBundespolizei auf Anfrage des MEDIENDIENSTES, Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Gruppe BT-Drs. 20/14272, Seite 26 LINK

Für Personen ohne reguläre Reisedokumente ist es sehr schwierig, über den Luftweg einzureisen, denn ohne ein Visum ist es in der Regel nicht möglich, ein Flugzeug zu besteigen. Nach EU-RechtRichtlinie 2001/51/EG LINK gilt in dem Fall die Fluggesellschaft als "Beförderungsunternehmen", das sich als solches strafbar macht und eine entsprechende Geldstrafe zahlen muss.

Was ist eine Duldung?

Stand: May. 2022

Duldung heißt: Ausreisepflichtige dürfen vorübergehend in Deutschland bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden können. Das liegt meist daran, dass sie keine Ausweisdokumente nachweisen können oder eine Krankheit haben, die im Herkunftsland nicht behandelt werden kann. Geduldete haben somit keinen gesicherten Aufenthalt, rein rechtlich können sie jederzeit abgeschoben werden.RechtsgrundlageAufenthG §60a

Die Duldung ist befristet. Die Dauer wird von der zuständigen Ausländerbehörde je nach Fall und Belastung der Behörde festgelegt. Nach dem Ablauf dieser Frist können Ausreisepflichtige eine weitere Duldung bekommen – dabei spricht man oft von "Kettenduldungen".

Geduldete erhalten Leistungen nach dem AsylbewerberleistungsgesetzAsylbLG §1, Absatz 4. Solche, für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, haben ab dem Tag nach dem Ausreisetermin keinen Anspruch mehr auf Leistungen. Geduldete, die selber ihre Abschiebung verhindern, können zudem mit LeistungskürzungenAsylbLG §1a Absatz 3 bestraft werden.

Aufenthaltserlaubnis für Langzeit-Geduldete

Seit 2015 können "Langzeit-Geduldete" eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Das betrifft zwei Gruppen:

  • Geduldete, die "nachhaltig integriertAufenthG §25b" sind. Nachhaltig integriert heißt: Sie leben schon länger in Deutschland und verdienen ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst. Bei Alleinstehenden müssen es mehr als acht Jahre sein, bei Familien mit minderjährigen Kindern mehr als sechs Jahre.
  • JugendlicheAufenthG §25a (14 bis 18 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 21), die vier Jahre in der Bundesrepublik gelebt oder hier einen Schul- oder Berufsabschluss erworben haben. Auch ihre Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner können dann ein Bleiberecht bekommen.

Abschiebungen im Rahmen der Dublin-Verordnung

Stand: Mar. 2025

Die Dublin-III-Verordnung regelt, welcher EU-Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Demnach ist in der Regel immer der erste Mitgliedstaat zuständig, über den die EU betreten wurde. Unter anderem soll so verhindert werden, dass eine Person mehrere Asylanträge in verschiedenen EU-Ländern stellt. Die Verordnung gilt für alle EU-Mitgliedstaaten, die Schweiz, Norwegen und Lichtenstein.QuelleVerordnung 604/2013 EU LINK

Wie funktioniert das Dublin-Verfahren?

Wenn Schutzsuchende einen Asylantrag in Deutschland stellen, prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zunächst, ob sie bereits in einem anderen Dublin-Staat registriert sind. Das kann durch ein persönliches Gespräch sowie durch einen Abgleich der Fingerabdrücke mittels der EURDOAC-Datenbank erfolgen. Wenn sich herausstellt, dass die antragstellende Person bereits in einem anderen Mitgliedstaat registriert wurde, schickt das Bundesamt ein sogenanntes Übernahmeersuchen an die zuständige Stelle des Erstaufnahme-Staates.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019) Prüfung des Dublin-Verfahrens LINK

Wenn der Mitgliedstaat der Übernahme zustimmt, wird das Asylverfahren in Deutschland eingestellt und der Antragsteller soll in den zuständigen Staat ausreisen oder abgeschoben werden. Dagegen kann der Antragsteller klagen. Die Überstellung muss innerhalb von (maximal) 18 MonatenVO 604/2013, Artikel 29 LINK ab Zustimmung des Mitgliedstaats erfolgen. Wenn der Antragstellende nach 18 Monaten noch nicht überstellt wurde, wird der Staat, in dem die asylsuchende Person sich aktuell aufhält, für den Asylantrag zuständig. Im Rahmen der Reform des "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" soll diese Frist auf drei JahreSiehe Asyl und Migrationsmanagement-Verordnung, Artikel 46 LINK verlängert werden.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019) Prüfung des Dublin-Verfahrens LINK

Schutzsuchende, für die nach der Dublin-III-Verordnung ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist und für die eine Abschiebung angeordnet wurde, sind ausgeschlossen von Asylbewerberleistungen, wenn eine Ausreise für sie "rechtlich und tatsächlich möglich" ist. Ihnen wird ein "Laissez-Passer" erteilt, das sie zur selbständigen Ausreise befugt.RechtsgrundlageGesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems, Artikel 4 LINK, Änderungsanträge zu Nummer 3, Buchstabe a, Seite 13

Was sind sichere Herkunftsländer?

Stand: Apr. 2025

Der Begriff "sicherer Herkunftsstaat" ist im EU-Recht verankert: Die AsylverfahrensrichtlinieRichtlinie 2013/32/EU Artikel 36 und 37 bestimmt, dass Mitgliedstaaten einzelne Länder als "sicher" einstufen können, wenn dies von internationalen Informationsquellen wie dem UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) und dem Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) bestätigt wird. Mit einigen AusnahmenLettland, Litauen, Finnland, Polen, Portugal, Rumänien and Spanien führen EU-Mitgliedstaaten eine ListeEUAA (2024),Countries Applying the Concept of Safe Countries in the Asylum Procedure LINK von "sicheren Herkunftsstaaten". Anträge von Asylbewerber*innen aus diesen Staaten werden im Eilverfahren bearbeitet. Sie bekommen zudem eine reduzierte Rechtsbeihilfe und haben einen eingeschränkten Zugang zu Leistungen und zum Arbeitsmarkt.

In Deutschland ist das Prinzip der "sicheren Herkunftsstaaten" im GrundgesetzGG Artikel 16a Absatz 3 verankert und im AsylgesetzAsylG §29a und §29a Anlage II konkretisiert. Demnach soll die Bundesregierung unter anderem alle zwei Jahre die Sicherheitslage in den "sicheren Herkunftsstaaten" prüfen und die Liste gegebenenfalls anpassen.

Seit 2015 gelten neben dem Senegal, Ghana, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien auch der Kosovo, Albanien und Montenegro als "sichere Herkunftsstaaten". 2023 wurden auch die Republik Moldau und GeorgienDas Verwaltungsgericht Berlin zweifelt aufgrund der prekären Menschenrechtslage in den Gebieten Abchasien und Südossetien an, dass die Einstufung Georgiens als "sicheres" Herkunftsland mit dem Europarecht vereinbar ist. auf die Liste hinzugefügt. Ein Gesetz zur Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als "sicher" wurde 2016 vom Bundestag verabschiedet, bekam aber anschließend nicht die erforderliche Zustimmung des Bundesrats. Im Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 haben sich die zukünftigen Regierungsparteien darauf geeinigt, die Liste sicherer Herkunftsstaaten zu erweitern und zunächst Algerien, Marokko, Indien und Tunesien als sicher einzustufen. Am 16. April 2025 legte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine EU-weite Liste sicherer Herkunftsstaaten vor, Parlament und Länder müssen noch zustimmen. Auf der Liste stehen der Kosovo, Bangladesch, Kolumbien, Ägypten, Indien, Marokko und Tunesien.QuelleKoalitionsvertrag 2025 "Verantwortung für Deutschland", S. 93; Pressemitteilung der EU-Kommission vom 16.4.2025, LINK;

Aus "sicheren" Herkunftsstaaten kommen derzeit relativ wenige Asylbewerber*innen nach Deutschland.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht bei Asylanträgen aus sicheren Herkunftsstaaten im Regelfall davon aus, dass in diesen Staaten keine Gefahr der asylrelevanten Verfolgung für den Antragsteller droht. Wenn ein Asylbewerber aus einem solchen Staat kommt, wird der Antrag regelmäßig als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt.QuelleBAMF (2025): Sichere Herkunftsstaaten, LINK

Regeln für Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten"

  • Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" bleiben in der Regel bis zum Ende des Asylverfahrens in Aufnahmeeinrichtungen, solange über ihren Antrag noch nicht entschieden wurde.GrundlageAsylG §47, Absatz 1a
  • Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" dürfen während des Asylverfahrens keiner Arbeit nachgehen. Andere Asylbewerber können unter Umständen nach drei Monaten arbeiten.GrundlageAsylG §61, Absatz 2
  • Wurde ein Antrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt, hat ein Betroffener nur eine Woche Zeit, um Deutschland zu verlassen. Bei anderen abgelehnten Asylbewerbern beträgt die Ausreisefrist 30 Tage.GrundlageAsylG §36 Absatz 1
  • Wenn der Antragsteller gegen den Beschluss klagen will, hat er dafür nur eine Woche Zeit und nicht – wie bei anderen Asylbewerbern – zwei Wochen.GrundlageAsylG §36 Absatz

KRITIK
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisieren, dass mehrere Staaten auf der Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" für bestimmten Menschengruppen unsicher seien. Das gehe aus Gutachten und Stellungnahmen über die Lage in den einzelnen "sicheren Herkunftsstaaten" hervor.

Asylverfahren in Drittstaaten

Stand: May. 2025

Können Asylverfahren in Drittstaaten bearbeitet werden?

Etliche deutsche und europäische Politiker*innen plädieren dafür, Asylverfahren künftig in Drittstaaten zu bearbeiten. Das soll verhindern, dass Geflüchtete in die Europäische Union kommen, um einen Asylantrag zu stellen – und möglicherweise längerfristig bleiben.

2024 hat das Bundesinnenministerium von Sachverständigen prüfen lassen, ob Asylverfahren in Drittstaaten rechtlich und praktisch möglich sind. Ihr FazitBundesinnenministerium, Prüfung zu Asylverfahren in Drittstaaten LINK:

  • Asylverfahren in Drittstaaten erfordern umfangreiche Rechtsänderungen im nationalen sowie im EU-Recht.
  • Bei Überstellungen in Drittstaaten müssen Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Asylsuchende vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geschützt werden (non-refoulement, s. Box).RechtsgrundlageEU-AsylverfVO 2024/1349, Artikel 59 Abs. 1 c LINK
  • Schutzsuchende müssen die Möglichkeit haben, im Drittstaat ein Schutzgesuch zu stellen. Zudem müssen sie die Möglichkeit haben, Argumente gegen die Überstellung vorzubringen.RechtsgrundlageSiehe u.a. EGMR, Ilias und Ahmed gegen Ungarn (47287/15), Rn. 134 LINK sowie u.a. EGMR, Khlaifia u.a. gegen Italien, (16483/12) Rn. 237-242 LINK
  • Die Betroffenen Personen müssen im Drittstaat ein Bleiberecht sowie Zugang zu ausreichenden Existenzmitteln haben (wirksamer Schutz).RechtsgrundlageEU-AsylverfVO 2024/1349, Artikel 57 LINK
  • Die Überstellung eines Asylsuchenden in ein Land, zu dem sie oder er keinen Bezug hat, ist nach aktuellem EU-Recht nicht möglich.RechtsgrundlageEU-AsylverfVO 2024/1349, Artikel 59 Abs. 5 LINK
  • Nur eine kleine Anzahl von Drittstaaten käme für das Modell Frage.

Das Gutachten bestätigt das Ergebnis früherer EvaluationenEuropäische Kommission (2018), The Legal and Practical feasibility of Disembarkation Options LINK.

Das non-refoulement-Prinzip

Ein Staat, der die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 3) unterschrieben hat, darf keine schutzsuchende Person in ein anderes Land überstellen, ohne zu prüfen, ob ihr eine Gefahr für Leib und Leben droht. Das gilt auch für Überstellungen in "sichere" Drittstaaten, wenn es die Gefahr gibt, dass die Person von dort unrechtmäßig in ihr Herkunftsland abgeschoben wird (sogenannte Kettenabschiebung). Mehr dazu hier.

Welche Modelle gibt es? (bitte klicken)

1. Das Albanien-Modell

Im November 2023 haben die italienische und albanische Regierung ein KooperationsabkommenProtocollo tra il Governo della Repubblica italiana e il Consiglio dei Ministri della Repubblica di Albania per il rafforzamento della collaborazione in materia migratoria (2023) LINK im Bereich Migration unterzeichnet. Demzufolge sollten Geflüchtete aus "sicheren Herkunftsstaaten", die in internationalen Gewässern vor der italienischen Küste aufgegriffen werden, nach Albanien gebracht werden. Hier sollten sie im Aufnahmezentrum Shengjin ein Screening- und Registrierungsverfahren durchgehen. Im Anschluss hätten sie die Möglichkeit gehabt, einen Asylantrag zu stellen. Ausgenommen waren den Plänen zufolge Frauen, Kinder und besonders schutzbedürftige Personen.

Asylbewerber*innen, denen Schutz gewährt wird, sollten nach Ende des Asylverfahrens (oder nach maximal 18 Monaten) zurück nach Italien gebracht werden. Abgelehnte Asylbewerber*innen sollten in einer weiteren Eirichtung festgehalten und von dort abgeschoben beziehungsweise nach Italien gebracht werden – in der Zuständigkeit der italienischen Behörden. Die Aufnahmeeinrichtungen sollten bis zu 3.000 Personen aufnehmen können.QuelleSiehe Daniela Fassini, "Accordo Italia-Albania: ecco come funziona", in "Avvenire" (24.1.2024) LINK 

Kann das funktionieren?

Die Aufnahmeeinrichtung in Shengjin stand seit der Eröffnung im August 2024 fast durchgehend leer. Etwa 60 Personen (vor allem aus Bangladesh und Ägypten), die bei der Überfahrt im zentralen Mittelmeer aufgegriffen wurden, wurden von italienischen Schiffen nach Albanien überführt. Sie wurden allerdings nach kurzem Aufenthalt zurück nach Italien gebracht: Italienische Gerichte haben die Überstellungen suspendiert – wegen Unstimmigkeiten bei der Feststellung der "sicheren Herkunftsstaaten" Die Gerichte haben das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Inzwischen hat die italienische Regierung bestimmt, dass die Einrichtung ab April 2025 ausreisepflichtige Ausländer*innen aufnehmen wird, die abgeschoben werden sollen. Derartige "Return Hubs" sind auch von der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgesehen.QuelleConsiglio Italiano dei Rifugiati (2024) Protocollo Italia-Albania – Che cosa sta succedendo (27.11.2024) LINK, Associazione per gli Studi Giuridici sull'Immigrazione (2024) La nuova “lista dei paesi sicuri” e lo svuotamento del diritto di asilo LINK, Melting Pot Europa (2025), Albania, tutti liberi per la terza volta: riportate in Italia le 43 persone migranti LINK, ANSA (2025) Hearing begins at the EU Court on migrant centres in Albania LINK, Corriere della Sera (2025), "Decreto Albania in linea con l'Ue". Il "via libera" di Bruxelles a Roma (31.3.2025) LINK

Wer ist zuständig? In einer StellungnahmeUNHCR (2023), Transfer arrangements of asylum seekers and refugees must respect international refugee law, 7.11.2023 LINK hat der UNHCR betont, dass laut Genfer Flüchtlingskonvention der erste Staat, in dem Flüchtlinge ankommen, dafür sorgen muss, dass sie nicht in eine Gefahrsituation abgeschoben werden (Refoulement). Da Albanien die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat, können Flüchtlinge dorthin gebracht werden – aber nur, wenn sie nicht davor in italienischen Gewässern waren.

Werden Asylbewerber*innen inhaftiert? Im Abkommen steht, dass die italienischen Behörden dafür sorgen müssen, dass die Schutzsuchenden in den Aufnahmeerinrichtungen bleiben (Artikel 6). Eine Inhaftierung von Asylbewerber*innen ist jedoch laut EU-Asylrecht nur in besonderen FällenSiehe Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU, Artikel 8 LINK möglich.

Haben Asylbewerber*innen Zugang zu Rechtsberatung? Das EU-Recht sieht vor, dass alle Asylbewerber*innen Anspruch auf Rechtsbehelf und Rechtsberatung haben, wenn sie gegen einen Asylbescheid klagen möchten (Asylverfahrensrichtlinie, Artikel 39). Inwiefern sie dieses Recht in Albanien ausüben können, ist fraglich.

2. Das Transitstaat-Modell

Asylverfahren in sogenannten Transitstaaten finden schon seit mehreren Jahren mit Unterstützung des UN-Flüchtlingshilfswerks oder der Internationalen Organisation für Migration statt – etwa in Jordanien. Der UNHCR identifiziert besonders schutzbedürftige Personen vor Ort, die dann im Rahmen von "Resettlement"-Programmen etwa nach Europa, Australien oder Nordamerika verteilt werden.

Kann das funktionieren?

Ja. Das "Resettlement"-System funktioniert allerdings nur eingeschränkt: Gebraucht wurden 2021 mehr als 1,4 Millionen "Resettlement"-Plätze. Tatsächlich verteilt wurden nach UNHCR-Angaben etwa 63.000 Personen (jüngste Erfassung). Auch gibt es derzeit wenige Staaten, in denen derartige Verfahren möglich sind. So wurden zum Beispiel 2011 im tunesischen Flüchtlingslager ChouchaDourgnon et al. (2014) Refugees in and out North Africa: a study of the Choucha refugee camp in Tunisia LINK mehrere Zehntausend Geflüchtete aus dem Bürgerkireg in Libyen aufgenommen – mit dem Ziel, sie nach Europa, Australien und Nordamerika zu verteilen. Das Camp wurde nach nur zwei Jahren aufgrund zahlreicher Probleme in der Verwaltung geschlossenUNHCR (2013), UNHCR closes camp in south Tunisia, moves services to urban areas LINK

3. Das Ruanda-Modell

Im April 2022 unterzeichnete die britische Regierung ein AbkommenHouse of Commons (2022), The UK-Rwanda Migration and Economic Development Partnership LINK mit Ruanda. Dieses sah vor, dass Schutzsuchende, die irregulär Großbritannien erreichen, ins ostafrikanische Land überstellt werden, um dort ihren Asylantrag zu stellen. Im Fall eines positiven Bescheids sollten die Flüchtlinge in Ruanda bleiben. Bei negativem Bescheid sollten sie in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Nach Angaben der britischen Regierung hätte Ruanda zunächst rund 200 Schutzsuchende pro Jahr aufnehmen können.

Kann das funktionieren?

Der britische "Supreme Court" hat das Abkommen im November 2023 für rechtswidrig erklärt, weil es gegen etliche internationale Abkommen verstößt – unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 3).

Darüber hinaus hat das Gericht Bedenken über den Schutz der Menschenrechte in Ruanda erhoben. Auch der UNHCR kritisierteUNHCR (2023) UNHCR Analysis of the Legality and Appropriateness of the Transfer of Asylum-Seekers under the UK-Rwanda arrangement, Juni 2023, Seite 4 ff LINK das Abkommen, weil Schutzsuchende dadurch nicht ausreichend vor der Gefahr eines "Refoulement" geschützt wären. Die britische und ruandische Regierungen haben im Dezember 2023 ein neues AbkommenUK-Gov (2023) UK-Rwanda treaty: provision of an asylum partnership (5.12.2023) LINK abgeschlossen. Im Januar 2024 hat das britische Unterhaus ein Gesetz gebilligt, nach dem Ruanda als sichrer Drittstaat eingestuft werden soll. Die Regierung von Premierminister Keir Starmer hat den Plan im Juli 2024 gestopptTagesschau (2025), Starmer stoppt Plan für Abschiebungen nach Ruanda (6.7.2024) LINK.

Sollten Mitgliedstaaten der Europäischen Union entscheiden, das Ruanda-Modell anzuwenden, gäbe es für sie eine weitere Hürde: Schutzsuchende können laut EU-RechtAsylverfahrensrichtlinie, Artikel 37 LINK nur dann in sichere Drittstaaten überstellt werden, wenn sie eine "Verbindung" zu diesen Staaten haben. Was genau "Verbindung" bedeutet, ist unklar: Für einige EU-Mitgliedstaaten reicht es, wenn eine Person durch das Land gereist ist. Der Europäische Gerichtshof hat diese Auslegung 2020 jedoch abgelehntRechtssache C‑564/18 LINK.

Kirchenasyl

Stand: Sep. 2024

Droht Flüchtlingen eine Abschiebung oder eine Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung, können sie unter Umständen im sogenannten "Kirchenasyl" unterkommen. Einige Kirchengemeinden in Deutschland nehmen vorübergehend Asylsuchende auf. Dadurch soll Zeit gewonnen werden, damit die Behörden das Asylverfahren erneut überprüfen können.

Anfang April 2024 gab es 594 "aktive Kirchenasyle", in denen 780 Personen lebten, darunter 131 Kinder, so die Statistik des Vereins "Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche". Von den 594 Fällen waren ein Großteil "Dublin-Fälle", nämlich 572.QuelleÖkumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (2024): "Kirchenasyle bundesweit" (Stand 04.04.2024), LINK; Bundesregierung (2024): Drucksache 20/9673, Seite 2, Link sowie die Zahlen für 2023: Drucksache 20/10869, Seite 21, Link

Seit 2016 erhebt auch die Bundesregierung Zahlen zum Kirchenasyl. Demnach gab es im Jahr 2023 mehr als 2.065 Fälle. Darunter waren 2.030 "Dublin-Fälle". Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Kirchenasyle wieder stark an und hat inzwischen das Niveau von 2016 erreicht.

1983 wurde das erste Kirchenasyl in Berlin gewährt und zehn Jahre später die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche gegründet.QuelleÖkumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (2022): "Aktuelle Kirchenasyle bundesweit" sowie Bundesregierung: Drucksache 20/10869, Seite 21 und Seite 22, Link

Nur selten Korrekturen an den Entscheidungen

In rund 767 Fällen führte Kirchenasyl 2022 dazu, dass die Frist zur Überstellung in andere EU-Staaten nicht eingehalten wurde. Ein Kirchenasyl führt zwar häufig zu einer erneuten Prüfung der Fälle, allerdings selten zu einer Änderung der Entscheidung. 2015 haben Kirchen und Behörden vereinbart, dass die Kirchen "aussagekräftige Dossiers" über jeden einzelnen Fall erstellen sollen. 2021 wurden 623 derartige Dossiers eingereicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüfte die Fälle erneut. Als Ergebnis änderte es aber nur selten seine Entscheidung: Nur in 9 Fällen wurde die Entscheidung zurückgenommen.QuelleBundesregierung auf Anfrage der AfD-Fraktion, Bundestags-Drucksache 20/932 (2022): Praktische Umsetzung der Dublin-III-Verordnung – Defizite und mögliche Korrekturen, Seite 10 sowie Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion, Bundestags-Drucksache 20/861, Seite 18

Von Juli 2023 bis Mai 2024 gab es mindestens sechs "angedrohte, versuchte oder vollzogene Räumungen" von Kirchenasylen durch die Polizei, so die "Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche", die sich für Kirchenasyle einsetzt. Laut Medienberichten ist das eine neue Entwicklung. Bis 2022 sei es "höchstens einmal pro Jahr" vorgekommen.QuellenBundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (2024): Pressemitteilung vom 13.Mai, Link; sowie Medienberichte von Mitte 2024 von Netzpolitik und Correctiv

Strafverfahren und Urteile

In der Vergangenheit gab es einige Strafverfahren gegen Geistliche, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt hatten. Der Vorwurf lautete: Beihilfe zum illegalen Aufenthalt (§ 95 AufenthG). Im Februar 2022 erging das erste Urteil eines Oberlandesgerichts (OLG Bayern) zu dieser Frage: Das Gericht sprach den Benediktiner-Bruder Abraham Sauer frei. Er hatte einem Palästinenser Kirchenasyl gewährt. Im Juli 2022 folgte ein nachgeordnetes Gericht in Bayern (Landgericht Würzburg) dieser Rechtsprechung und sprach die Ordensschwester Juliana Seelmann frei.Quelle BayObLG München, Urteil v. 25.02.2022 – 201 StRR 95/21, Süddeutsche (2022): "Mönch gewährt Kirchenasyl - Freispruch rechtskräftig", BR24 (2022): "Kirchenasyl: Ordensschwester im Berufungsprozess freigesprochen"

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