Europäische Union
In der EU gibt es verschiedene Akteure, die die Einwanderungs- und Asylpolitik bestimmen. Dazu gehören vorwiegend das EU-Parlament und der Rat der EU. Diese Institutionen haben in den vergangenen zwanzig Jahren zunehmend Einfluss auf Einwanderungs- und Asylpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten geübt, während Integration und Wirtschaftsmigration weitestgehend in die Kompetenz der Staaten fallen.
Welche Freizügigkeit genießen Unionsbürger?
Das EU-Freizügigkeitsgesetz umfasst vier Freiheiten, die
- Reisefreiheit,
- Dienstleistungsfreiheit,
- Niederlassungsfreiheit und
- Arbeitnehmerfreizügigkeit.
EU-Bürger*innen können also innerhalb der Europäischen Union in ein anderes Land ziehen und dort Arbeit suchen. Unionsbürger*innen, die in einem anderen Mitgliedstaat leben, haben „die gleichen Rechte und Pflichten [...] wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“Rechtsgrundlage
Das betrifft auch den Anspruch auf Sozialleistungen für Arbeitnehmer*innen und Arbeitssuchende – wie etwa Hartz IV.Rechtliche Grundlage
Es gibt jedoch Einschränkungen: Der EU-Freizügigkeits-Richtlinie zufolge müssen EU-Bürger*innen, die in einem anderen EU-Staat leben, den eigenen Lebensunterhalt bestreiten können.
Welche Ansprüche auf Sozialleistungen haben EU-Bürger in Deutschland?
Zum 1. Januar 2017 hat der Gesetzgeber die Sozialleistungen, die EU-Bürger*innen in Deutschland zustehen, eingeschränkt.
Wer hat keinen Anspruch auf Sozialleistungen?
- Alle EU-Bürger*innen, die weniger als drei Monate in Deutschland waren und hier keine Arbeit ausgeübt haben.Rechtliche Grundlage
- EU-Bürger*innen, die "allein zum Zweck der Arbeitssuche" nach Deutschland eingewandert sind.Rechtliche Grundlage
Wer hat Anspruch auf Sozialleistungen?
- Wer in Deutschland arbeitet oder gearbeitet hat, gilt als "Arbeitnehmer" und hat wie deutsche Staatsbürger*innen Zugang zu Sozialleistungen.
- Für diejenigen, die länger als ein Jahr am Stück in Deutschland gearbeitet haben, ist dieser Anspruch uneingeschränkt.
- Wer weniger als ein Jahr gearbeitet hat, hat maximal sechs Monate Anspruch auf Sozialleistungen.Rechtliche Grundlage
- Wer keine Arbeit hat, hat erst nach fünf Jahren Aufenthalt Anspruch auf Sozialleistungen nach SGB II und SGB XII.Rechtliche Grundlage
Der Europäische Gerichtshof hat 2014 in einem Urteil festgestellt: Wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat weder arbeiten noch Arbeit suchen, können EU-Bürger*innen ihr Freizügigkeitsrecht verlieren.
Kindergeld
Nach geltendem EU-Recht sowie nach dem deutschen Einkommensteuergesetz können EU-Bürger*innen für Kinder im Ausland Kindergeld beantragen, sofern sie in Deutschland steuerpflichtig arbeiten. Das gilt auch für Saisonarbeiter*innen, die einkommensteuerpflichtig in Deutschland arbeiten.
Dass EU-Bürger*innen für ihre im Ausland lebenden Kinder in Deutschland Kindergeld beziehen können, sorgt immer wieder für Kontroversen. Ein Faktencheck des MEDIENDIENSTES zeigt jedoch, dass die Aufregung nicht angebracht ist.
Insgesamt zahlte Deutschland 2020 für rund 16,3 Millionen Kinder Kindergeld. Davon waren rund 1,8 Prozent (etwa 291.600) im Ausland lebende Kinder von EU-Staatsbürger*innen. Darunter waren etwa 130.000 Kinder polnischer Kindergeldberechtigter, gefolgt von Kindern rumänischer (rund 34.300) und tschechischer Staatsbürger*innen (rund 28.900).Quelle
Seit einigen Jahren steigt die Zahl der im Ausland lebenden Kinder von EU-Bürgern*innen, für die Deutschland Kindergeld zahlt. Das sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass heute mehr EU-Ausländer*innen in Deutschland lebten und arbeiteten als noch vor ein paar Jahren, erklärte der Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker vom „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (IAB) im Interview mit dem MEDIENDIENST.
Bereits 2017 hat das Bundesfinanzministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem die Höhe des in Deutschland ausgezahlten Kindergelds an den Lebensstandard des Landes angepasst werden soll, in dem das Kind tatsächlich lebt. So verfährt Österreich seit dem 1. Januar 2019. Die Europäische Kommission lehnte bisher jedoch sowohl das deutsche Gesetzvorhaben als auch das Vorgehen Österreichs ab. Denn EU-Bürger*innen könnten dadurch diskriminiert werden.
Welche Folgen hätte eine Kindergeldkürzung für EU-Bürger? Laut Expert*innen könnte das für einige einen Anreiz bieten, ihre Kinder nach Deutschland zu holen. Bei anderen könnte es den Anreiz verringern, überhaupt nach Deutschland zu kommen. Wie groß diese Effekte jeweils sind, können die Fachleute jedoch nur bedingt einschätzen.
Einwanderer aus der EU: Wer kommt nach Deutschland?
Im ersten Halbjahr 2021 sind etwa 213.000 EU-Bürger*innen nach Deutschland zugewandert. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der neuzugewanderten EU-Bürger*innen um 4,4 Prozent. Die meisten EU-Einwanderer*innen kamen aus Rumänien (77.469), Polen (37.093) und Bulgarien (26.245). Im gleichen Zeitraum sind knapp 143.619 EU-Bürger*innen ausgewandert – darunter etwa 46.533 Rumän*innen, 26.214 Pol*innen und 16.594 Bulgar*innen.Quelle
EU-Bürger*innen in Deutschland
Zum Stichtag 30. Juni 2021 lebten laut Ausländerzentralregister (AZR) knapp 5 Millionen Staatsangehörige anderer EU-Staaten in Deutschland. Das sind etwa 106.000 Personen mehr als im Juni 2020.Quelle
Einwander*innen aus EU-Staaten und deren Kinder stellen einen großen Teil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund hierzulande: Von den rund 22,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die Ende 2021 in Deutschland lebten, hatten rund 7,4 Millionen Bezüge zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.Quelle
Von den Menschen mit EU-Migrationshintergrund haben die meisten Bezüge zu:
- Polen: Rund 2,2 Millionen Menschen. Nach Menschen mit familiären Bezügen zur Türkei (rund 1,3 Millionen) bilden sie die zweitgrößte Gruppe unter den Menschen mit Migrationshintergrund.
- Rumänien: 1 Million
- Italien: 923.000
- Kroatien: 422.000
- Griechenland: 449.000
- Bulgarien: 306.000
- Österreich: 365.000
- Frankreich: 254.000
- Spanien: 235.000
- Niederlande: 224.000
- Portugal: 167.000Quelle
Wie viele Bürger aus anderen EU-Ländern arbeiten in Deutschland?
In Deutschland arbeiten rund 2,64 Millionen Staatsangehörige aus anderen EU-Ländern (Stand: Dezember 2021). Die Beschäftigungsquote liegt bei rund 60,3 Prozent. In der Gesamtbevölkerung sind es 68,9 Prozent. Arbeitslos waren im Dezember 2021 etwa 199.000 EU-Staatsbürger oder etwa 7 Prozent (Gesamtbevölkerung: 5,9 Prozent).
Das geht aus dem "Zuwanderungsmonitor" des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Gezählt werden hier alle, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, auch in Minijobs. Selbstständige sind dabei nicht berücksichtigt.Quelle
Leistungen nach SGB II ("Hartz IV") erhalten laut IAB 419.000 EU-Ausländer in Deutschland (Stand: Oktober 2021). Die sogenannte SGB-II-Hilfequote von Unionsbürger*innen lag im Oktober 2021 bei 9,5 Prozent (Gesamtbevölkerung: 8 Prozent). Darunter fallen auch sogenannte Aufstocker, die zwar arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie zusätzlich Hartz IV beantragt haben.
Reform des Schengen-Raums 2013
Das Abkommen von Schengen besagt, dass es beim Personenverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten keine Grenzkontrollen mehr gibt. Doch diese Bewegungsfreiheit könnte zwischen manchen Ländern zeitweise wieder aufgehoben werden.
Nach zwei Jahren Diskussion hat das Europäische Parlament im Juni 2013 eine Reform des Schengen-Systems beschlossen. Unter anderem wurde ein Notfallmechanismus eingeführt, der als "letzte Möglichkeit" eine Klausel für die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen vorsieht. Der Rat würde in einem solchen Fall eine Empfehlung geben, die Entscheidung über die Wiedereinführung einer temporären Binnen-Grenzkontrolle läge beim jeweiligen Mitgliedstaat. Gefordert wurde diese Klausel vor allem von der Bundesregierung.
Eine weitere Neuerung: Zum ersten Mal dürfen Inspektionsteams unangemeldet an den Binnengrenzen auftauchen, um zu prüfen, ob illegale Grenzkontrollen durchgeführt werden.
Alle Aspekte der Reform finden sich in einem Memo der Europäischen Kommission.
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