Fußball
Die wichtigsten Zahlen, Fakten und Studien zu Integration und Rassismus im Fußball.
Wie viele Fußball-Nationalspieler haben einen Migrationshintergrund?
Spieler mit Migrationsgeschichte in der Nationalelf – darüber wird immer noch oft gestritten. Eine MEDIENDIENST-Recherche zeigt jetzt: Der Anteil von Spielern mit Migrationshintergrund ist in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. Bei der EM 2024 in Deutschland sind es 35 Prozent (9 von 27 Spielern). Bei der WM 2010 waren es fast 50 Prozent (11 von 23 Spielern, 48 Prozent). Der Anteil liegt deutlich über dem Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung (2023: 29,7 Prozent).Quelle
Zur Recherche
Der MEDIENDIENST hat die Spieler-Aufstellungen der Nationalelf bis 2010 zurückverfolgt. Aus den Kadern entstand eine Liste mit etwa 150 Spielernamen. Der MEDIENDIENST hat die Liste nach öffentlich zugänglichen Informationen ausgewertet, die auf einen Migrationshintergrund hindeuten können. Zusätzlich wurden die Hinweise mit Biografien auf Websiten, Reden, Interview-Aussagen und Medienberichten abgeglichen oder über direkte Anfragen bei Spieler-Managern und Stiftungen überprüft.
TV-Dokus und Podcast zum Thema
> Podcast Einwanderungsland - Gespräch mit Shary Reeves über Fußball und Rassismus
> "Schwarze Adler" (2022) - Doku über die Erfahrungen afrodeutscher Spieler im Fußball
> "Einigkeit und Recht und Vielfalt"(2024) - WDR-Doku zur Nationalelf, Vielfalt und Rassismus
Wie viele Ausländer spielen in der Bundesliga?
Rund die Hälfte der Spieler in der Fußball-Bundesliga der Männer hat eine ausländische Staatsbürgerschaft. Den höchsten Anteil, mit fast 80 Prozent, hat Stand 2024 der Meister Bayer Leverkusen. Zahlen zum Migrationshintergrund liegen nicht vor. Seit rund 20 Jahren liegt der "Ausländeranteil" in der Bundesliga bei etwa 50 Prozent. Häufig handelt es sich um Spieler, die als Fußballprofis aus dem Ausland unter Vertrag genommen werden.Quelle
Vielfalt abseits von der Staatsbürgerschaft
2021 waren rund ein Drittel der Profis in der 1. und 2. Bundesliga Schwarze Personen (21 Prozent ) oder People of Colour (10 Prozent), so eine Zählung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Rund die Hälfte von ihnen waren deutsche Staatsbürger.Quelle
Bis 2007 gab es "Limits" für ausländische Spieler
Bis in die Nullerjahre waren ausländische Spieler noch eher die Ausnahme. Bis 2006 war die Zahl der ausländischen Spieler in Mannschaften der Bundesliga begrenzt. Zuerst durften höchstens zwei, ab 1992 drei Spieler mit ausländischer Staatsbürgerschaft pro Mannschaft spielen. Nach dem "Bosman-Urteil" 1995 wurden zuerst die Begrenzungen für EU-Spieler aufgehoben. Einschränkungen gab es weiterhin für Nicht-EU-Spieler: Ihre Zahl in den Vereinen wurde weiter reduziert, 2006 sollten maximal drei von ihnen dabei sein. Ab der Saison 2006/2007 wurden alle Regelungen aufgehoben, aus Sorge um die "Wettbewerbsfähigkeit" deutscher Mannschaften.Quelle
Bis heute gibt es Regeln, die der Nachwuchsförderung im Land dienen sollen: Aktuell müssen in jedem Verein der 1. und 2. Bundesliga mindestens zwölf deutsche Lizenzspieler unter Vertrag stehen. Laut der, auch international gültigen, "Local-Player-Regelung" müssen außerdem mindestens acht in Deutschland ausgebildete Spieler unter Vertrag stehen.Quelle
Bei den Frauen deutlich weniger ausländische Profis
In der Bundesliga der Frauen spielen deutlich weniger Profi-Spielerinnen mit ausländischer Staatsbürgerschaft als bei den Männern. Der Anteil eingesetzter "internationaler Spielerinnen" liegt in den vergangenen Jahren laut Auskunft des DFB bei rund 30 Prozent. In der Saison 2022/2023 waren es 85 Spielerinnen von 293.Quelle
Vielfalt in Bundesligaklubs und Fußballverbänden
Während auf dem Fußballplatz viele Menschen mit Migrationsgeschichte spielen, sind sie in den Strukturen der Bundesligaclubs deutlich seltener anzutreffen, wie eine Studie von 2021 zeigt. Nur 4 Prozent, oder 15 von 400 Führungskräften – also Trainerstäbe, Vorstände, Manager*innen oder Scouts – in der 1. und 2. Bundesliga waren Schwarze Menschen (6) oder People of Colour (9). Mehr als 96 Prozent waren weiße Personen, so eine Zählung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).Quelle
Vielfalt im DFB
Im Breitensport ist gesellschaftliche Vielfalt deutlich sichtbar: Laut eigenen Angaben hatten im Deutschen Fußball-Bund (DFB) im Jahr 2016 mehr als 19 Prozent der Mitglieder Migrationshintergrund. Das entspricht rund 1,3 Millionen Mitglieder mit Migrationshintergrund in 26.000 Fußballvereinen. Zum Vergleich: Im gesamten organisierten Sport waren es 10 Prozent im Jahr 2022, laut einer Umfrage unter Vereinsmitgliedern von 2022.Quelle
In der DFB-Führungsebene sieht es allerdings anders aus: Unter den 372 Mitgliedern der höchsten DFB-Gremien hatten im Jahr 2020 nur rund 4 Prozent einen Migrationshintergrund (oder 13 Personen) und nur 14 Prozent waren Frauen, so eine Analyse von Sportwissenschaftler*innen. Zum Vergleich: In der Bevölkerung hatten 2020 rund 27 Prozent einen Migrationshintergrund.Quelle
Wie viele Schiedsrichter haben Migrationshintergrund?
Rund 12 Prozent von 3.400 befragten Fußball-Schiedsrichter*innen gaben in einer Befragung von 2021 an, einen Migrationshintergrund zu haben. Das ist deutlich seltener als in der Gesamtbevölkerung (2021: 27 Prozent). Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatte 7.400 Schieds- und Kampfrichter*innen befragt – von der Kreisebene bis hin zum internationalen Niveau. Im Fußball nahmen 3.400 Schiedsrichter teil, davon waren 95 Prozent Männer. Zum Vergleich: Über alle Sportarten hinweg hatten 8 Prozent aller Schiedsrichter einen Migrationshintergrund. Mit großen Unterschieden je nach Sportart: Rund 40 Prozent beim Taekwondo und nur zwei Prozent beim Segeln.Quelle
Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund spielen in Fußballvereinen?
In Fußballvereinen spielen verhältnismäßig viele Menschen mit Migrationshintergrund. Laut eigenen Angaben hat im Deutschen Fußball-Bund (DFB) fast jedes fünfte Mitglied, oder 19 Prozent, einen Migrationshintergrund (Stand 2016). Das waren 1,3 Millionen Mitglieder mit Migrationshintergrund in 26.000 Fußballvereinen. Zum Vergleich: Im gesamten organisierten Sport waren es 10 Prozent im Jahr 2022, laut einer Umfrage unter Vereinsmitgliedern. Der Freiwilligensurvey spricht von 13,5 Prozent Sportvereinsmitgliedern mit Migrationshintergrund.Quelle
Das bestätigt auch der "Sportentwicklungsbericht" der Bundesregierung. Demnach seien Fußballvereine häufig unter den Sportvereinen, in denen besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund Sport treiben (mehr als ein Viertel der Mitglieder). Also seien Fußballvereine "besonders geeignet", um Menschen mit Migrationshintergrund die Teilnahme in Sportvereinen zu ermöglichen. Das gilt neben Fußball vor allem für Basketball, Kampfsportarten und Schach.Quelle
Ein weiterer Hinweis auf die Integrations-Kraft des Fußball: Jugendliche mit Migrationshintergrund streben überdurchschnittlich oft eine Karriere im Fußball an. Ihr Anteil lag in einer Analyse von 2009 in den Leistungszentren zur Nachwuchsförderung der Deutschen Fußball-Liga etwa 20 Prozent über dem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung.Quelle
Wie viele migrantische Vereine gibt es im Fußball?
In Deutschland gibt es 713 migrantische Fußballvereine, so eine Zählung des Magazins Kicker von 2021. Das sind 4,2 Prozent aller Fußballvereine. Darunter war nur ein Verein in Ostdeutschland außerhalb Berlins.
Karte der Fußballvereine mit migrantischen Namen, Kicker, 2021
Kritik am Begriff "Migrantenverein"
Oft werden die Vereine als "Migrantenverein" bezeichnet, der Begriff wird mitunter aus den Vereinen selbst kritisiert. Häufig kommt es zu Beschimpfungen oder die Vereine werden auf die Nationalitäten der Mitglieder reduziert. Problematisch ist der Begriff "Migrantenverein" auch, wenn der Verein sich nicht als solcher identifiziert, von außen aber so bezeichnet wird. Einige Vereine benennen sich nach dem Bezirk, der Stadt oder der Region, in welcher sie ihren Sitz haben. Manche wollen damit den Umgang mit Behörden und Ämtern vereinfachen oder die Suche nach Sponsor*innen.Quelle
Alle Sportarten: Insgesamt gibt es in Deutschland rund 91.000 Sportvereine mit knapp 27,3 Millionen Mitgliedern. Einen besonders hohen Anteil von Mitgliedern mit Migrationshintergrund haben etwa 6,5 Prozent aller Sportvereine, wie eine Erhebung von 2016 zeigte. Bei einem Prozent der Vereine ist der Anteil sogar über 75 Prozent. In den meisten Sportvereinen liegt ihr Anteil zwischen 1 und 10 Prozent (53 Prozent). Wiederum ein Viertel der Vereine hat keine Mitglieder mit Migrationshintergrund. Im Osten sind es deutlich mehr: Hier gibt etwa die Hälfte der Sportvereine an, keine Personen mit Migrationshintergrund in den eigenen Reihen zu haben.Quelle
Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund engagieren sich in Fußballvereinen?
Menschen mit Migrationshintergrund engagieren sich zwar seltener in Sportvereinen als der Rest der Bevölkerung, aber wenn, dann häufiger im Fußball. Rund 8,8 Prozent der Ehrenamtlichen in Fußballverbänden hatten im Jahr 2014 Migrationshintergrund, so Schätzungen auf Grundlage des Sportentwicklungsbericht. In anderen Vereinen lag ihr Anteil demnach bei 1,8 Prozent.Quelle
Das zeigt sich auch im Ehrenamt allgemein: Im Jahr 2019 engagierten sich 27 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund ehrenamtlich, im Vergleich zu 44 Prozent bei Befragten ohne Migrationshintergrund. Bei Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger in Deutschland leben, gleicht sich der Anteil des ehrenamtlichen Engagements immer mehr an.Quelle
Welche Projekte zur Integration gibt es im Fußball?
Im Fußball gibt es eine Vielzahl von Integrations-Initiativen. Im DFB sind rund 24.200 Vereine organisiert. Mehr als zwei Drittel der Fußballvereine gaben in einer Befragung von 2020 an, sich für die Integration von Migrant*innen zu engagieren (69 Prozent). Beispiele für Geflüchteten-Initiativen des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) finden sich hier. Beispiele für Integrations-Initiativen im Fußball, die von der Bundesregierung gefördert wurden, finden sich hier.Quelle
Auch im Breitensport gibt es zahlreiche Integrations-Initiativen: Laut Bundesregierung gibt es 91.000 Sportvereine mit mehr als 27,3 Millionen Mitgliedern. Drei Viertel der befragten Sportvereine sahen 2016 Integration von Migranten als wichtiges Thema an (72 Prozent). Die Bundesregierung fördert zum Beispiel seit 1989 das Bundesprogramm "Integration durch Sport". Darüber bieten mehr als 1.500 Vereine Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete an.Quelle
Diskriminierung & Rassismus
Rassistische und rechtsextreme Einstellungen bei Fußballfans
Die meisten Fußballfans vertreten keine rechten oder menschenfeindlichen Positionen. Viele Vereine setzen sich gegen Rassismus und für Integration ein: So gaben zum Beispiel mehr als zwei Drittel der Fußballvereine in einer Befragung von 2020 an, sich für die Integration von Migrant*innen zu engagieren (69 Prozent). Dennoch berichten besonders Schwarze Fußballspieler immer wieder von rassistischen Angriffen im Netz und im Stadion.Quelle
Rassistische Einstellungen etwas häufiger
Rassistische Einstellungen sind in Fußballvereinen etwas häufiger vorzufinden, wie eine Sonderauswertung der Mitte-Studie von 2023 zeigte. So stimmen 16 Prozent der befragten Fußballvereinsmitglieder der Aussage zu "Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt", weitere 17 Prozent stimmen hier teilweise zu. Zum Vergleich: Nur rund 4 Prozent der Befragten anderer Sportvereine stimmten dieser offen rassistischen Aussage zu. Quelle
Auch "positiv rassistische" Einstellungen sind unter Fußballvereins-Mitgliedern etwas mehr verbreitet. Rund die Hälfte stimmten eher oder ganz der Aussage zu: "Schwarze Menschen sind im Sport besonders talentiert." Unter Menschen, die nicht in Sportvereinen sind, bejahen das rund 40 Prozent. Quelle
Immer wieder sorgen Fan-Aktionen oder sogenannte "Choreos" im Stadion für Diskussionen. Eine Choreografie der Fans von Hansa Rostock Ende 2023 wurde zum Beispiel viel diskutiert, weil sie Anspielungen auf rassistische Pogrome in den Neunzigerjahren enthielt.Quelle
Rechtsextreme laut Polizei die Ausnahme
Das "Potenzial gewaltbereiter Personen" unter Fußballfans der ersten drei Bundesligen schätzen die Polizeibehörden auf mehr als 13.600 Personen. Davon gilt nur ein sehr kleiner Teil, 101 Personen oder 1,8 Prozent, als rechtsextrem.Quelle
Wie viele Straftaten gibt es bei Fußball-Spielen?
In mehr als 1.150 Spielen der ersten drei Ligen, des DFB-Pokals und internationalen Spielen gab es in der Saison 2022/2023 mehr als 6.500 Straftaten. Es wurden 333 Stadionverbote ausgesprochen. 107 Straftaten waren "im Kontext einer rechtspolitischen Gesinnung". Das sind etwas weniger als im Vorjahr (127). Dieses Niveau ist seit einigen Jahren nahezu unverändert.Quelle
Rassismus in Online-Kommentaren
Schwarze Spieler erhalten besonders häufig Hasskommentare im Netz. Bei der U-17-WM im Jahr 2023 gab es besonders viele rassistische Kommentare gegen einzelne Spieler in sozialen Netzwerken. Seitdem gehen die Fußballverbände auch verstärkt gegen rassistische Postings im Netz vor, zum Beispiel indem sie für Fußballprofis KI-Filtersoftware für deren Social-Media-Kanäle bereitstellt. Quelle
Rassistische Gewalttaten nach Spielen
Forschende zeigten einen Zusammenhang zwischen den Leistungen von Schwarzen Profispielern und dem Auftreten rassistisch motivierter Gewaltdelikte. Ein Beispiel: Nachdem drei Schwarze Spieler der englischen Auswahl ihre Elfmeter im Endspiel der Euro 2020 vergeben hatten, stieg in den darauffolgenden Wochen die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten in London um rund 30 Prozent.Quelle
Wie viele Fußballspiele werden wegen Rassismus abgebrochen?
Bislang wurde noch kein Bundesliga-Spiel wegen Rassismus abgebrochen. In der Geschichte der Liga kam es seit 1963 zu acht Spielabbrüchen. Keiner davon aufgrund von Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen. Im europäischen Fußball gibt es immer wieder Spielunterbrechungen oder -abbrüche wegen rassistischer Vorfälle.Quelle
Im Profifußball wurde im Dezember 2021 erstmals ein Drittliga-Spiel abgebrochen, nachdem der Spieler Aaron Opoku von rassistischen Beleidigungen durch einen Fan berichtet hatte. Der Vorwurf ließ sich nach polizeilichen Ermittlungen jedoch nicht erhärten.Quelle
Spiele sollen erst abgebrochen werden, sobald alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden. Gründe für einen Abbruch können etwa Wetter, Flutlichtausfall, Verhalt von Zuschauern, massive Bedrohungen oder ein tätlicher Angriff gegen den/die Schiedsrichter*in sein. Einheitliche Daten zu Spielabbrüchen liegen nicht vor, auch Statistiken zum Fußball der Frauen fehlen.Quelle
Im Amateurfußball werden vergleichsweise häufig Vorfälle gemeldet: Insbesondere in den vergangenen zwei Saisons hat sich die Anzahl an Spielabbrüchen aufgrund von Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen erhöht, so Zahlen des DFB. In der Saison 2022/2023 gab es bei bei 1,5 Millionen Spielen:
• 961 Spielabbrüche wegen Gewalt oder Diskriminierung
• rund 2.700 Diskriminierungsvorfälle (2.679 Fälle, 0,2 Prozent) und
• rund 3.900 Gewaltvorfälle (3.907, 0,3 Prozent aller Spiele).Quelle
In den vergangenen Jahren hat der DFB in allen Bundesländern Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt und Diskriminierung eingerichtet. Erste Zahlen aus deren Arbeit legen nahe, dass die tatsächlichen Zahlen solcher Fälle höher liegen könnten. Im zweiten Halbjahr 2022 wurden allein in Nordrhein-Westfalen 543 Fälle gemeldet, davon 140 wegen Rassismus. Im ersten Halbjahr 2023 gab es bereits 850 Meldungen. Quelle
Wie häufig ist Rassismus in Sportkommentaren?
TV-Kommentare sind ein wichtiger Bestandteil von Fußballspielen. Dabei können – auch unbewusst – gesellschaftliche Klischees reproduziert werden. Es kommt es immer wieder zu Rassismus-Vorwürfen gegenüber TV-Kommentatoren. Eine Studie des dänischen Forschungsunternehmens RunRepeat in Zusammenarbeit mit der englischen Spielergewerkschaft PFA untersuchte 2021 erstmals den sogenannten Racial Bias ("rassistische Verzerrung") in Fußball TV-Kommentaren.
Lob in Bezug auf die Intelligenz und Arbeitsmoral war zu 63 Prozent an weiße Spieler gerichtet, Kritik zu 63 Prozent an Spieler of Colour und Schwarze Spielern. Die Kommentatoren brachten weiße Spieler eher mit Intelligenz und Arbeitsmoral in Verbindung.Quelle
Hingegen wurde bei Schwarzen Spielern und Spielern of Colour Kraft und Schnelligkeit kommentiert und gepriesen. Sie wurden eher auf ihre körperlichen und athletischen Fähigkeiten reduziert. Für "Geschwindigkeit" wurden sie zum Beispiel 53 Mal gelobt, im Vergleich zu 19 Mal bei weißen Spielern. Die Forscher gehen bei dieser groben Stichprobe von keinen fairen Kommentaren und einem Racial Bias aus.Quelle
Das könnte auch an mangelnder Vielfalt liegen: Nur 8 Prozent der Fußball-Kommentatoren in der Untersuchung waren nicht weiß. Zudem: Solche stereotype Vorstellungen sind auch in der übrigen Gesellschaft weit verbreitet. Laut Umfragen stimmen zum Beispiel rund die Hälfte der Befragten (40 Prozent) eher oder ganz der Aussage zu: "Schwarze Menschen sind im Sport besonders talentiert.".Quelle
Vorurteile auch in Computerspielen
Im Computerspiel "FIFA" werden vermeintliche Eigenschaften und Kompetenzen von realen Spielern ihren digitalen Versionen zugeschrieben, so eine Studie von 2022. So werden Schwarze Spieler bei den körperlichen Kompetenzen besser bewertet als weiße Spieler. Dies zeigt sich am deutlichsten in den Kompetenzen Sprungkraft (78 zu 71 Punkten), Sprintgeschwindigkeit (79 zu 71) und Stärke (77 zu 72). Während weiße Spieler besser bei technischen Fähigkeiten abschneiden, wie dem Passspiel, oder Freistößen (68 zu 65).Quelle
Was tun Fußballverbände gegen Rassismus?
Der Deutsche Fußball-Bund engagiert sich laut Satzung für die "Förderung von Integration" und er will die "Beseitigung von Diskriminierung". Dazu organisiert er seit Jahren mehrere Maßnahmen und Projekte, zum Beispiel die jährliche Verleihung des Julius-Hirsch-Preises, die Ernennung von Botschafter*innen gegen Rassismus, oder Monitoring von Diskriminierungs-Vorfällen im Amateurfußball.Quelle
Eine Maßnahme sind die Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt und Diskriminierung. Diese wurden in den vergangenen Jahren in allen 21 Landesverbänden eingerichtet. Erste Zahlen zeigen, dass es einen großen Bedarf gibt: Im ersten Halbjahr 2023 gab es bereits 850 Meldungen wegen Diskriminierung alleine bei der Meldestelle in Nordrhein-Westfalen.Quelle
Auch die Bundesregierung engagiert sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus im Fußball. Dazu fördert sie unter anderem Fanprojekte, zum Beispiel mit der Koordinierungsstelle Fanprojekte (Kos), und fördert Forschungsprojekte zum Thema.Quelle
Arbeit gegen Hass im Netz
Bei der U-17-WM im Jahr 2023 gab es besonders viele rassistische Kommentare gegen einzelne Spieler. Seitdem gehen die Fußballverbände verstärkt gegen rassistische Postings im Netz vor, zum Beispiel indem sie für Fußballprofis KI-Filtersoftware für deren Social-Media-Kanäle bereitstellt.Quelle
Wo gibt es strukturellen Rassismus im Fußball?
Der organisierte Fußball engagiert sich stark gegen Rassismus im Stadion und für die Integration von Migrant*innen in Vereinen (siehe oben). Dennoch legen Untersuchungen nahe, dass einzelne Strukturen und Abläufe im Fußball nicht-weiße Menschen benachteiligen ("struktureller Rassismus"). Zwei Bereiche machen das deutlich: Die Leitungsgremien der Fußballverbände und die Team-Aufstellungen von Spielern.
"Soziale Exklusivität" von DFB-Gremien
In der Nationalmannschaft spielen viele Profis mit Migrationshintergrund. Und in Fußballvereinen treiben deutlich mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte Sport als in andern Sportarten. Aber: Sie sind sehr selten vertreten in den Vorständen, Gremien und Kommissionen der Fußballvereine und -verbände. Hier zeige sich eine "soziale Exklusivität" von Fußball, so ein Forschungsbericht von 2020. Unter den 372 Mitgliedern der höchsten DFB-Gremien hatten im Jahr 2020 nur rund 4 Prozent einen Migrationshintergrund (oder 13 Personen). Zum Vergleich: In der Bevölkerung hatten 2020 rund 27 Prozent einen Migrationshintergrund.Quelle
Rassistische Zuschreibungen bei der Spieler-Aufstellung?
Es gibt Hinweise darauf, dass Schwarze Spieler und People of Colour häufiger auf bestimmten Positionen im Profi-Fußball eingesetzt werden. In der englischen Forschung wird das als "racist stacking" beschrieben. Das haben Forscher*innen des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) anhand von Aufstellungslisten der 1. und 2. Bundesliga festgestellt. Bislang gibt es nur wenig Forschung zum Thema in Deutschland und es ist unklar, ob rassistische Zuschreibungen der Grund für das Phänomen sind.Quelle
- Schwarze Fußballprofis spielen oft als offensive Spieler auf den Außenbahnen. Dort ist ihr Anteil viel höher (37 Prozent) als im Durchschnitt aller Spielpositionen (rund 21 Prozent). Das ist eine Spielerposition, die besonders mit "Körperlichkeit, Aggressivität und Schnelligkeit" verbunden werde, so die Forscher*innen.
- Im Tor gibt es keinen Schwarzen Profi-Torwart in der ersten und zweiten Bundesliga.Quelle
Im englischsprachigen Raum ist das Phänomen zum Beispiel von der Besetzung des Quarterbacks im American Football bekannt. Über die Ursachen gibt es in der Wissenschaft noch keine Einigkeit. Der Sportwissenschaftler Ansgar Thiel von der Uni Tübingen sagt, es brauche noch weitere Forschungen, um auszuschließen, dass es sich bei den kleinen Fallzahlen etwa bei Torwarten um zufällige Phänomene handelt.Quellen
Wie stehen Fußballvereine und -verbände zu Rechtspopulismus?
Mit dem Erstarken des Rechtspopulismus in Deutschland diskutieren Fußballverbände, wie sie sich dazu positionieren. Zum Beispiel wird darüber gesprochen, ob Mitglieder ausgeschlossen werden können, die rechtspopulistische Positionen vertreten, die nicht mit den Werten im Sport vereinbar sind. Gleichzeitig fürchten sie um ihre Gemeinnützigkeit.Quelle
Einzelne Vereine, zum Beispiel Eintracht Frankfurt oder der SC Freiburg haben sich klar gegen die AfD positioniert. Große Sportverbände, wie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), haben sich in einem Positionspapier 2020 gegen Rechtspopulismus ausgesprochen. Die "parteipolitische Neutralität von Sportvereinen" sei durch so ein Vorgehen nicht bedroht, so ein Rechtsgutachten von 2021.Quelle
Positionen zu Rechtsextremismus: In Einzelfällen wurden Fußballvereine wegen rechtsextremer Vorfälle aus Fußballverbänden ausgeschlossen, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt. Ein ehemaliger NPD-Funktionär wurde wegen seiner "klar verfassungsfeindlichen Gesinnung" aus einem Sportverein ausgeschlossen; zu Recht, urteilte 2023 das Bundesverfassungsgericht.Quelle
Was tun Fangruppen gegen Rassismus und Antisemitismus?
Es gibt zahlreiche Fanprojekte, die die Themen Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus in den Fankurven in den letzten Jahren immer wieder zum Thema gemacht haben. Zum Beispiel mit Aktionen gegen Rassismus im Stadion oder Ausstellungen zu "Fußball im Nationalsozialismus". Es gibt auch eine Übersicht von 31 Fanprojekten gegen Rassismus mit Kontakten.Quelle
Die Kompetenzzentrum Fankulturen (KOS) bietet Beratung und Vernetzung zum Thema "Fanprojekte". Hier können antisemitische Vorfälle gemeldet werden und es gibt ein Siegel für Fanprojekte mit professioneller Sozialarbeit.Quelle