Aus- und Einwanderung
Anders als oft wahrgenommen ist Deutschland ein traditionelles Einwanderungsland. Im Deutschen Reich, in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland hat es immer Migranten gegeben. Allerdings sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg mehr Menschen ein- als ausgewandert. Zieht man von den Zugewanderten die Zahl der Ausgewanderten ab, erhält man folgende Wanderungsbilanz:
Zuwanderung und Abwanderung
Zahlen für 2023: Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2023 rund 1,93 Millionen Zuzüge und 1,27 Millionen Fortzüge nach und aus Deutschland (2022: 2,67 Millionen Zuzüge und 1,20 Millionen Fortzüge). Nach dem Höchstwert im Jahr 2022 – als viele Ukrainer*innen nach Deutschland kamen – hat sich die Nettozuwanderung (Zuzüge abzüglich Fortzüge) 2023 mehr als halbiert und liegt nun bei 662.964 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr war die Nettozuwanderung 2023 somit um knapp 55 Prozent niedriger, bleibt aber dennoch auf einem hohen Niveau. Übertroffen wurde sie neben 2022 nur in den Jahren 2015 und 1992.Quelle
Zahlen für 2022: Laut Statistischem Bundesamt sind 2022 rund 2,67 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert, rund 2,48 Millionen von ihnen hatten einen ausländischen Pass. Etwa 1,2 Million Menschen sind abgewandert. Damit lag die "Nettozuwanderung" bei rund 1,46 Millionen Personen – viermal so hoch wie 2021. Dies ist der höchste Wert seit Beginn der Datenanalyse des Statistischen Bundesamtes. Hauptgrund ist die Fluchtmigration aus der Ukraine.Quelle
Zahlen für 2021: 2021 sind 1,3 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert, davon rund 1,1 Millionen Ausländer*innen. Die "Nettozuwanderung" lag bei rund 329.200 Personen.Quelle
Unklar ist, bei wie vielen der Zugezogenen es sich wirklich um "Zuwanderer" handelt – die also nur vorübergehend nach Deutschland kommen – und bei wie vielen um "Einwanderer", die dauerhaft bleiben. Dasselbe gilt für die Fortzüge: Auch hier weiß man nicht, ob es sich um eine temporäre oder eine bleibende Auswanderung handelt.
Weniger Zuzüge aus dem Ausland
Im Jahr 2023 kamen insgesamt rund 30 Prozent weniger Menschen aus dem Ausland nach Deutschland. Das zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes. Dafür gab es 5 Prozent mehr Fortzüge von Ausländer*innen als noch 2022.Quelle
Leichter Rückgang bei Abwanderung deutscher Staatsbürger*innen
2023 zogen laut Statistischem Bundesamt rund 74.000 deutsche Staatsbürger*innen aus Deutschland fort. Im jahr 2022 waren es etwa 83.000 Personen. Damit gibt es einen leichten Rückgang beim Wanderungsverlust deutscher Staatsbürger*innen. Insgesamt ist jedoch seit 2005 eine Nettoabwanderung festzustellen.Quelle
Woher kommen die Zuwanderer nach Deutschland?
Woher sind die Zugewanderten zugezogen?
Die Mehrheit der Zugewanderten zog 2022 aus einem anderen europäischen Land nach Deutschland (rund 79 Prozent). Mehr als eine Million von ihnen kamen aus der Ukraine. Etwa ein Viertel der Zugewanderten kamen aus einem Staat der Europäischen Union.
Aus Asien zogen etwa 13 Prozent zu (insbesondere aus Syrien, Afghanistan und Indien), aus Afrika etwa 2,7 Prozent und rund 2,3 Prozent aus Amerika. Die Angaben beziehen sich auf die Herkunftsländer, nicht auf die Staatsangehörigkeit der Menschen, die zugezogen sind.Quelle
Welche Staatsangehörigkeit haben sie?
Die meisten Zugewanderte hatten 2022 die Staatsangehörigkeit eines europäischen Landes – mehr als eine Million von ihnen waren Ukrainer*innen. Am häufigsten hatten Zugewanderte die ukrainische, die rumänische, die polnische oder die türkische Staatsbürgerschaft – deutsche Staatsbürger nicht berücksichtigt. Die Übersicht:
Welche Migrationsabkommen gibt es?
Aktuell schließt die Bundesregierung eine Reihe von Migrationsabkommen mit anderen Ländern ab. Das Ziel: Es soll mehr Abschiebungen in die Länder geben, gleichzeitig sollen mehr Arbeits– und Fachkräfte kommen. Ein Überblick (Stand September 2024):
- Das erste der "neuen Migrationsabkommen" hat Deutschland 2022 mit Indien abgeschlossen, im Dezember 2023 folgte Georgien und im September 2024 Kenia und Usbekistan.
- Anfang 2024 wurden eine Vereinbarung mit Marokko getroffen. Mit Kirgisistan und Kolumbien wurden bereits Absichtserklärungen unterzeichnet, auf die demnächst ein Abkommen folgen soll.
- Auch mit Moldau, den Philippinen und Ghana hat die Bundesregierung Gespräche aufgenommen.Quelle
- Es gibt weitere Vereinbarungen zur Gewinnung von Fachkräften – zum Beispiel die "Pflegekräfte-Vereinbarungen" ("Triple-Win") mit derzeit sieben Ländern. Auch schloss das Bundesarbeitsministerium zuletzt eine Absichtserklärungen mit Vietnam ab, die Arbeitsmigration fördern sollen. Ein geplantes Programm mit Brasilien wurde Ende 2023 ausgesetzt, unter anderem da die Pflegekräfte in Brasilien selbst benötigt werden.Quelle
In diesem Punkt geht es um Migrationsabkommen, die Deutschland direkt mit anderen Ländern abschließt. Mehr zu EU–Abkommen unten.
Seit den 1990er Jahren hat Deutschland rund 30 Abkommen abgeschlossen, die sich vor allem auf die Rückübernahme von Staatsbürger*innen fokussierten. Rund die Hälfte davon wurde mit anderen EU-Staaten abgeschlossen.
Laut Medien will die Bundesagentur für Arbeit in Zukunft vor allem in 13 Ländern um Arbeitskräfte werben: Brasilien, Mexiko, Kolumbien und Ecuador, Marokko, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Indien, Indonesien, Usbekistan und die Philippinen sowie Ghana.Quelle
Im Interview mit dem MEDIENDIENST sagt Migrationsforscher Marcus Engler: Viele Arbeitskräfte würden durch die einzelnen Abkommen vermutlich nicht kommen, auch die Abschiebungen könnten nicht so leicht erhöht werden. Damit wirklich mehr Menschen kämen, müssten Vorhaben wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz richtig umgesetzt werden – ganz ohne Abkommen: Aktuell seien die Ausländerbehörden stark überlastet und auch die Erteilung von Visa dauere oft sehr lange.
Reguläre Migration aus Partnerländern überwiegt
Die Zahl der Personen aus der Partnerländern, die 2022 hier ein nationales Visum – also etwa für eine Arbeit, ein Studium oder Familienzusammenführung – bekommen haben, ist für die meisten Länder viel höher als die Zahl der Asylantragstellenden. Ausnahmen sind Georgien und Moldau.
Vergleicht man die Jahre 2018 und 2022, haben sich die Einwanderungszahlen aus den acht Ländern insgesamt erhöht; die Zahl der nationalen Visa ist dabei stärker gewachsen als die Zahl der Asylanträge.
Gemessen am Gesamtanteil der Asylanträge 2023 machte der Anteil der Anträge von Staatsbürger*innen, die aus Indien, Kolumbien, Kenia, Marokko, Georgien, Moldau, Usbekistan und Kirgisistan kamen, insgesamt lediglich 5,9 Prozent aus.
Weitere Bemühungen, um Fachkräfte zu werben, sind die "Zentren für Migration und Entwicklung", wo sich sich Interessierte über Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland informieren können. Die gibt es in Nigeria, Ägypten, Ghana, Indonesien, Irak, Jordanien, Marokko, Nigeria, Pakistan und Tunesien, ein weiteres öffnet voraussichtlich in Indonesien im Sommer 2024. In weiteren Ländern – Albanien, Serbien, Kosovo, Gambia und Senegal – gibt es solche Zentren, sie werden aber langsam zurückgefahren.Quelle
Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlicht regelmäßig eine Liste von rund 50 Staaten, aus denen keine Pflegekräfte angeworben werden sollten. So soll ein "Care Drain" verhindert werden, also eine zu starke Abwanderung aus Ländern, die bereits selbst einen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen haben. Deutschland verzichtet auf die Anwerbung aus solchen Ländern und untersagt das auch für private Anbieter. Quelle
Bürokratische Hürden verhindern Fachkräftemigration
Wie stehen die Partnerländer zu den Abkommen? Der MEDIENDIENST hat im März 2024 dazu mit Fachleuten gesprochen, die in und zu den Ländern arbeiten. Es könnten mehr Fachkräfte kommen, derzeit seien die bürokratischen Hürden aber noch sehr hoch. Neben Deutschland gebe es viele weitere Länder, mit denen Abkommen abgeschlossen werden.
In vielen Ländern seien die Abkommen mit Deutschland eine Möglichkeit, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Für andere stelle sich die Frage, ob Auswanderung von qualifizierten Personen gefördert und im Gegenzug mehr Menschen zurückgenommen werden sollten. Es gebe auch einen Widerspruch: Einerseits brauche Deutschland dringend Migrant*innen, andererseits versuche es andere Länder dazu zu bringen, Migration zu verhindern und Migrant*innen zurückzunehmen. Zu den Statements.
Abkommen auf EU-Ebene
Auf EU-Ebene wurden seit 2007 eine Reihe von Abkommen abgeschlossen. Eine Übersicht gibt es hier. Fachleuten zufolge waren diese aber weitgehend wirkungslos. Sie fokussierten sich auf irreguläre Migration und ließen die Interessen der Herkunftsstaaten unberücksichtigt. Jüngst hat die EU mit Tunesien und Ägypten Abkommen geschlossen, beide Länder sollen Migrant*innen an der Flucht nach Europa hindern. Forscher*innen zufolge wird das Menschen nicht an der Migration hindern, sondern eher auf gefährlichere Routen treiben.
Einwanderer aus der EU: Wer kommt nach Deutschland?
2023 sind rund 466.500 EU-Bürger*innen zugewandert. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der zugewanderten EU-Staatsangehörigen um 3,1 Prozent. Die meisten EU-Einwanderer*innen kamen 2023 aus Rumänien (rund 152.300), Polen (79.000) und Bulgarien (51.700). Im gleichen Zeitraum sind rund 349.700 EU-Bürger*innen abgewandert – darunter rund 114.900 Rumän*innen, 58.600 Pol*innen und 41.300 Bulgar*innen. Die drei Länder machen mit mehr als 60 Prozent den Großteil der Zu- und Fortzüge von EU-Staatsangehörigen aus.Quelle
EU-Bürger*innen in Deutschland
Zum Stichtag 31. Dezember 2023 lebten laut Ausländerzentralregister (AZR) rund 5,1 Millionen Staatsangehörige anderer EU-Staaten in Deutschland. Das sind rund 49.000 Personen mehr als Ende 2022.Quelle
Einwander*innen aus EU-Staaten und deren Kinder stellen einen großen Teil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund hierzulande: Von den rund 24,9 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die Ende 2023 in Deutschland lebten, hatten rund 7,6 Millionen Bezüge zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.Quelle
Von den Menschen mit EU-Migrationshintergrund haben die meisten Bezüge zu:
- Polen: Rund 2,2 Millionen Menschen. Nach Menschen mit familiären Bezügen zur Türkei (rund 1,3 Millionen) bilden sie die zweitgrößte Gruppe unter den Menschen mit Migrationshintergrund.
- Rumänien: 1,1 Million
- Italien: 876.000
- Griechenland: 432.000
- Kroatien: 400.000
- Bulgarien: 376.000
- Österreich: 341.000
- Spanien: 233.000
- Frankreich: 222.000
- Niederlande: 218.000
- Portugal: 166.000Quelle
Wie hat sich die Zuwanderung verändert?
Flucht, Arbeit, Studium: Menschen migrieren aus verschiedenen Gründen nach Deutschland. Eine Übersicht:
Die Fluchtmigration ist nach einem vierjährigen Rückgang wieder gestiegen. 2022 kamen insbesondere viele Schutzsuchende aus der Ukraine nach Deutschland.Quelle
Familiennachzüge sind im Vergleich zum "COVID-Jahr" 2020 leicht gestiegen. 2021 wurden 81.705 entsprechende Aufenthaltstitel ausgestellt.Quelle
Die Zahl der Bildungsausländer*innen, die in Deutschland ein Studium aufnehmen, ist nach der "COVID-Pause" auch wieder gewachsen. 2021 erreichte sie 102.549 Personen.Quelle
Auch kommen mehr Menschen aus Nicht-EU-Staaten, um in Deutschland zu arbeiten. 2021 sind 40.421 Personen eingereist, die einen Aufenthaltstitel für eine Erwerbstätigkeit erhielten.Quelle
Hinweis: Rund 47 Prozent der Menschen, die 2021 nach Deutschland migrierten, wanderten aus einem Staat der Europäischen Union ein. Da sie dafür keine Gründe angeben müssen und auch keinen Aufenthaltstitel benötigen, werden ihre Beweggründe in vielen Bereichen, etwa bei der Aufnahme einer Arbeit, nicht systematisch erfasst.Quelle
Wie viele Visa werden für Deutschland erteilt?
Ein Visum benötigt, wer aus einem Nicht-EU-Staat kommt und nach Deutschland einreisen will. Rund 1,2 Millionen Visa hat Deutschland 2022 erteilt (1.265.100). Zu einem großen Teil sind das kurzfristige (Reise-) Visa (872.000) und zu einem kleineren Teil längerfristige Visa (393.100).Quelle
Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (2021: 592.400). Aber die Zahlen liegen immer noch deutlich unter den Vor-Corona-Jahren (2019: 2,3 Millionen Visa). Der Rückgang betrifft vor allem Visa für Kurzaufenthalte ("Schengen-Visa"), die Zahl der längerfristigen Visa ("Nationale Visa") ist weiter gestiegen, darunter die für Beschäftigung und Studium. Sie liegt inzwischen über dem Vor-Corona-Niveau (2022: 393.100, 2019: 325.000).
Besonders stark war der Rückgang für Visa aus China (minus 95 Prozent im Vergleich zu 2019) und für Visa aus Russland (minus 88 Prozent im Vergleich zu 2019). Die fünf wichtigsten Herkunftsländer (kurz- und längerfristige Visa zusammen) waren:
- Türkei (215.000 Visa; 2021: 103.500 Visa, 2020: 83.000 Visa; 2019: 251.000),
- Indien (99.000 Visa, 2021: 49.200),
- Kosovo (66.500 Visa, 2021: 34.700),
- Russland (43.500 Visa; 2021: 39.400 Visa, 2020: 77.000 Visa, 2019: 341.000),
- China (25.000 Visa; 2021: 18.300 Visa; 2020: 49.000 Visa, 2019: 435.000).
Die meisten Menschen, die längerfristig bleiben, zum Beispiel zum Arbeiten oder Studieren, kommen aus:
- Indien (49.500 Visa)
- Türkei (40.000 Visa)
- Russland (22.000 Visa)
Rund 212.000 Anträge wurden abgelehnt. Das entspricht einer Ablehnungsquote von etwa 16,7 Prozent (einige Anträge wurden von den Antragssteller*innen selbst zurückgezogen).Quelle
Wann kamen die meisten Einwanderer nach Deutschland?
Es lassen sich in der deutschen Einwanderungsgeschichte verschiedene Phasen und Haupt-Wanderungsmotive erkennen.
Die meisten Einwanderer*innen kamen
- mittels Anwerbeabkommen als sogenannte "Gastarbeiterinnen" und "Gastarbeiter" in die BRD (1955 bis 1973) und als "Vertragsarbeiter" in die DDR (bis 1990),
- durch den Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Ausländern (vor allem zwischen 1973 und 1985, aber auch bis heute),
- als Aussiedler und Spätaussiedler (vor allem zwischen 1987 und 1999),
- als Flüchtlinge (Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre und verstärkt wieder seit 2014),
- und als Bürger der Europäischen Union im Zuge der Freizügigkeit.
Der MEDIENDIENST hat in einem Artikel die wichtigsten Migrationsbewegungen seit dem 18. Jahrhundert dargestellt. Ein weiterer Artikel gibt eine Übersicht über Migration in die DDR.
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