Islam und Muslime
Die Geschichte des Islam in Deutschland reicht über ein Jahrhundert zurück. Die meisten der heute bestehenden Moscheegemeinden und Dachverbände entstanden aber ab den 1970er Jahren. Damals kamen im Zuge der Anwerbung von "Gastarbeitern" Muslime aus der Türkei, Ex-Jugoslawien und dem Maghreb nach Deutschland. Seit den 1980er Jahren und in jüngster Zeit sind Geflüchtete aus Ländern wie Libanon, dem Iran, Afghanistan oder Syrien hinzugekommen. Anders als oft wahrgenommen sind jedoch nicht alle Menschen, die aus diesen Ländern kommen, (gläubige) Muslime.
Wie viele Muslime leben in Deutschland?
Die genaue Zahl der Muslim*innen lässt sich nur schwer bestimmen, da in Deutschland die Religionszugehörigkeit der Einwohner*innen nur in Ausnahmefällen erfasst wird. Eine Hochrechnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für 2019 kommt auf 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von 6,4 bis 6,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung von 83,17 Millionen Menschen.Quelle
2015 lebten der Hochrechnung zufolge zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Ihr Anteil ist somit in den letzten Jahren gestiegen. Hinzugekommen sind vor allem Personen aus arabischsprachigen Ländern, darunter viele Geflüchtete.Quelle
Der Studie zufolge leben 96,5 Prozent der Muslim*innen in Deutschland in den alten Bundesländern. Gerade die Menschen, die selbst oder deren Vorfahren durch Anwerbeabkommen nach Deutschland gekommen sind, leben meist in Westdeutschland. Die meisten Muslim*innen in Ostdeutschland sind nach Deutschland Geflüchtete.Quelle
In Umfragen schätzen viele Menschen die Zahl und den Bevölkerungsanteil der Muslim*innen an ihren Gesellschaften oft weitaus höher ein, als er tatsächlich ist. In Deutschland und Frankreich wird der Anteil der Muslim*innen an der Gesamtbevölkerung des eigenen Landes im Durchschnitt vier Mal höher eingeschätzt, als er in Wirklichkeit ist. In Polen und Ungarn wird der tatsächliche Anteil sogar um ein 70-faches überschätzt.Quelle
Wie aussagekräftig sind die Zahlen des BAMF?
Die Berechnung des BAMF stützt sich auf Ergebnisse der Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland"(MLD-Studie) von 2020, sowie auf den Mikrozensus von 2019:
- In der MLD-Studie wurden rund 5.000 Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern, sowie ca. 11.000 Haushaltsangehörige indirekt nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt.
- Dann wurde der Anteil derer, die sich als Muslim*innen bezeichnen, auf alle eingewanderten Menschen aus dem jeweiligen Land hochgerechnet. Grundlage dafür sind die Daten des Mikrozensus 2019.
- Für die Daten einiger Länder wurde auf das Ausländerzentralregister zurückgegriffen, welche daher Ungenauigkeiten aufweisen könnten. Die Studienautor*innen gehen aber nur von einer "minimalen Verzerrung" aus, da es sich um kleine Zahlen handele.
- Muslim*innen ohne Migrationshintergrund (z.B. Konvertit*innen) oder mit anderem Migrationshintergrund kommen in der Rechnung nicht vor.
Die Wissenschaftler*innen haben die Methode der Selbstbefragung gewählt, weil sie davon ausgehen, dass nicht alle Einwander*innen und ihre Nachkommen aus einem muslimisch geprägten Land auch tatsächlich selbst Muslim*innen sind. Beispielsweise bezeichnet sich nur die Hälfte der Menschen mit iranischem Migrationshintergrund als muslimisch. Über die Schwächen der statistischen Erfassung hat die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus 2013 eine Expertise für den MEDIENDIENST verfasst.Quelle
Konfessionen in Deutschland
Über 55 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gehören einer christlichen Kirche an (rund 45,7 Millionen Menschen). Circa 45 Prozent der Deutschen gehört anderen Konfessionen an oder ist konfessionslos. Bei einem Vergleich (siehe Grafik) muss jedoch beachtet werden, dass die Zahl der Mitglieder von Kirchen und Gemeinden mit der geschätzten Gesamtzahl von Muslim*innen in Deutschland ins Verhältnis gesetzt wird.Quelle
Wie viele Muslime leben in Europa?
In Europa leben laut Pew Research Center rund 25,77 Millionen Muslim*innen. Damit machen Menschen muslimischen Glaubens rund 4,9 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.Quelle
Im europäischen Vergleich steht Deutschland in absoluten Zahlen an zweiter Stelle. Hier leben 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim*innen (laut BAMF 2021) beziehungsweise 4,95 Millionen (laut Pew Research Center 2017). Nur in Frankreich leben laut Pew Research Center mit rund 5,7 Millionen mehr Muslim*innen als in Deutschland.Quelle
Was den prozentualen Anteil von Muslim*innen an der Bevölkerung betrifft, liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. Musliminnen und Muslime haben hier einen Bevölkerungsanteil von 6,3 bis 6,7 Prozent laut BAMF 2021 beziehungsweise 6,1 Prozent laut Pew Research Center 2017. Andere west- und nordeuropäische Einwanderungsländer wie Frankreich, Schweden, Belgien, die Niederlande und Österreich weisen einen höheren Anteil von Muslim*innen an der Gesamtbevölkerung auf als Deutschland.Quelle
Den größten Anteil von Muslim*innen an der Bevölkerung weisen traditionell muslimisch geprägte europäische Länder auf:
- Kosovo (über 90 Prozent laut Pew)
- Albanien (über 80 Prozent laut Pew, rund 59 Prozent laut Zensus 2011)
- Bosnien und Herzegowina (rund 51 Prozent laut Zensus 2013, 45 Prozent laut Pew)Quelle
Gefolgt werden sie von Ländern, die aus historischen Gründen große muslimische Minderheiten aufweisen:
- Mazedonien (39,3 Prozent laut Pew)
- Zypern (rund 25 Prozent laut Pew für die gesamte Insel)
- Montenegro (18,7 Prozent laut Pew)
- Bulgarien (10 Prozent laut Zensus 2011 bis 14 Prozent laut Pew)Quelle
Steigt die Zahl der Muslime in Deutschland?
Einer Hochrechnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge lebten 2019 rund 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Das entspräche einem Anteil von 6,4 bis 6,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Eine andere Schätzung hatte das Pew Research Center veröffentlicht: 2016 lebten demzufolge 4,95 Millionen Muslime in Deutschland. Das entspräche einem Bevölkerungsanteil von 6,1 Prozent.Quelle
In einer Studie aus dem Jahr 2017 hat das Pew Research Center errechnet, dass sich die Zahl der Muslim*innen in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf 6 bis 8,5 Millionen erhöhen könnte. Gründe dafür seien eine weitere Einwanderung und eine – im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen – etwas höhere Geburtenrate. Der Anteil der Muslim*innen an der deutschen Bevölkerung würde dann 8,7 bis 10,8 Prozent betragen. Expertinnen und Experten aus Deutschland halten diese Prognosen für realistisch. Das Pew Research Center geht auch davon aus, dass die Zahl der Muslim*innen in Europa in den kommenden Jahren zunehmen wird.Quelle
Muslime in Deutschland nach Herkunft
Eine Schätzung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zeigt, dass die Zusammensetzung der Muslime in Deutschland vielfältiger geworden ist:
- Demnach hatten Ende 2019 rund 2,5 Millionen und damit weniger als die Hälfte (45,1 Prozent) der Muslim*innen in Deutschland ihre Wurzeln in der Türkei (Zum Vergleich: 2011 lag ihr Anteil noch bei 67,5 Prozent, 2015 bei 50,6 Prozent).
- Muslim*innen aus dem Nahen Osten stellen mit knapp 1.050.000 Personen mittlerweile die zweitgrößte Herkunftsgruppe (19,2 Prozent).
- An dritter Stelle folgen rund 1.046.000 Muslim*innen aus südosteuropäischen Herkunftsländern (19,2 Prozent).Quelle
Wie viele Sunniten, Schiiten, Alewiten gibt es in Deutschland?
Für die repräsentative Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland" (2021) wurden Muslim*innen auch danach gefragt, welcher islamischen Glaubensrichtung sie sich zurechnen. Demnach bezeichnen sich fast drei Viertel als sunnitische Muslim*innen. Rund 10 Prozent der Muslim*innen in Deutschland rechnen sich den Aleviten zu, rund 4 Prozent den Schiiten.Quelle
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppierungen sind mal mehr, mal weniger deutlich. Gruppen können sich beispielsweise überschneiden. So kann man einer Sufigemeinschaft angehören, die zugleich sunnitisch oder schiitisch ist.
Wie viele muslimische Frauen tragen ein Kopftuch?
Das Kopftuch ist in öffentlichen Debatten in Deutschland zu einem Symbol für den Islam geworden. Dabei trägt es nur eine Minderheit aller muslimischen Frauen in Deutschland, wie Studien zeigen:
- 30 Prozent der muslimischen Frauen in Deutschland tragen ein Kopftuch, eine überwiegende Mehrheit von 70 Prozent trägt kein Kopftuch. Zu diesem Ergebnis kam die Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland", die 2021 veröffentlicht wurde.Quelle
- Unter den befragten Musliminnen über 16 Jahren gaben in einer vertiefenden Umfrage 62 Prozent an, nie ein Kopftuch zu tragen. 34 Prozent gaben an, immer ein Kopftuch zu tragen. Vier Prozent antworteten, sie trügen es "manchmal" oder "meistens".Quelle
- Bei türkeistämmigen muslimischen Frauen tragen laut einer repräsentative Befragung der Universität Münster 2016 rund 31 Prozent ein Kopftuch.Quelle
Wovon hängt ab, ob sich Frauen für ein Kopftuch entscheiden?
- Persönlicher Glaube: Wichtigster Faktor, sich für das Kopftuch zu entscheiden, ist laut der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" von 2021 der persönliche Glaube. 88,6 Prozent der Frauen, die ein Kopftuch tragen, betrachteten dies als ihre religiöse Pflicht. Erwartungen von anderen wurden nur selten als Motiv genannt (4,4 bis 4,6 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich. Von den stark gläubigen Musliminnen tragen rund 61 Prozent immer ein Kopftuch, rund 6 Prozent meistens oder manchmal. Rund ein Drittel der stark Gläubigen trägt nie ein Kopftuch in der Öffentlichkeit.Quelle
- Alter und Migrationsgeschichte: Ältere Frauen tragen häufiger ein Kopftuch als jüngere Frauen und im Ausland geborene muslimische Frauen häufiger als muslimische Frauen, die in Deutschland geboren sind.Quelle
- Herkunftsland: Muslimische Frauen, die selbst oder deren Eltern aus Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie der Türkei stammen, tragen häufiger ein Kopftuch als Frauen, die familiäre Bezüge nach Südosteuropa haben.Quelle
- Konfession: Rund jede dritte sunnitische und schiitische Frau trägt ein Kopftuch. Bei der Minderheit der Ahmadiyya sind es über die Hälfte (58,9 Prozent). Im Alevitentum ist es eher unüblich ein Kopftuch zu tragen, lediglich rund fünf Prozent der befragten Alevitinnen gaben an, ein Kopftuch zu tragen.Quelle
Die Studie zeigt auch, warum sich Frauen gegen ein Kopftuch entscheiden: 77 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie das Kopftuch nicht als relevant für das Ausüben ihres Glaubens erachten. Als weitere Gründe haben Frauen, die manchmal oder nie ein Kopftuch tragen, die Angst vor Benachteiligung in der Schule, der Ausbildung oder am Arbeitsplatz genannt (35 Prozent). Befürchtungen vor Belästigung und Beschimpfungen wurden von 13 Prozent der Frauen als Grund gegen ein Kopftuch angegeben.Quelle
Neben dem Kopftuch oder Hijab gibt es andere Schleier und Gewänder im Islam: Die Burka ist ein weites Gewand, das Gesicht und Körper vollständig bedeckt. Zum Sehen gibt es ein feinmaschiges Gitter. Sie ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. Der arabische Niqab ist ein Gesichtsschleier, der mit einem langen Gewand und einem Kopftuch kombiniert wird. Er lässt einen kleinen Seeschlitz frei. Burkas und Niqabs werden häufig in Diskussionen um Verschleierungsverbote in Deutschland genannt. Der Tschador ist ein schwarzer bodenlanger Umhang, der vor allem im Iran getragen wird. Er umhüllt Kopf und Körper, das Gesicht ist frei. Der Chimar ist ein Schleier bis zur Taille, der in verschiedenen Farben getragen wird.Quelle
Bevölkerungsumfragen zum Kopftuch
Studien zeigen, dass viele Menschen in Deutschland das Kopftuch unterschiedlich beurteilen, je nachdem, um welchen Lebens- und Arbeitsbereich es geht.
Sollen muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen?
- In einer 2018 veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) lehnte eine Mehrheit der Befragten ein Kopftuch bei Lehrerinnen ab. Eine klare Mehrheit von 58 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund äußerte sich ablehnend, aber auch Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Befragte aus EU-Staaten waren mehrheitlich dagegen. Nur türkeistämmige Befragte und Einwanderinnen und Einwanderer aus anderen Nicht-EU-Staaten zeigten sich mehrheitlich dafür aufgeschlossen.Quelle
- Zu einem ähnlichen Ergebnis kam 2016 eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS): 57 Prozent der Befragten sprachen sich gegen das Kopftuch bei Lehrerinnen aus. Die Ablehnung galt auch anderen religiösen Symbolen: 56 Prozent waren dagegen, dass Lehrer im Priestergewand unterrichten.Quelle
- In der 2015 veröffentlichten Studie "Deutschland postmigrantisch II" des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) zeigten sich Unterschiede zwischen den Generationen: Während 71 Prozent der 16- bis 25-Jährigen dafür waren, dass Lehrerinnen im Unterricht ein Kopftuch tragen dürfen, teilte von den älteren Befragten nur knapp jeder Zweite (48 Prozent) diese Haltung.Quelle
Sollen muslimische Schülerinnen ein Kopftuch tragen dürfen?
- In einer repräsentativen Untersuchung des DeZIM-Instituts aus dem Jahr 2019 lehnten knapp 63 Prozent der Befragten ein Kopftuchverbot von Schülerinnen in der Schule ab. Rund 37 Prozent sprachen sich "voll" oder "eher" für ein Verbot aus. Frauen lehnen laut der Studie häufiger als Männer ein Kopftuchverbot ab, Jugendliche häufiger als Erwachsene.Quelle
Sollten Mitarbeiterinnen in Behörden ein Kopftuch tragen dürfen?
- Im SVR-Integrationsbarometer von 2018 sprach sich eine knappe Mehrheit der Befragten dafür aus, muslimischen Mitarbeiterinnen in Behörden das Tragen eines Kopftuchs zu gestatten. Unter türkeistämmigen Männern und Frauen waren sogar drei Viertel dafür. Nur Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler waren mehrheitlich dagegen.Quelle
Wie wird das Tragen eines Kopftuchs in anderen Lebensbereichen beurteilt?
Dieser Frage ging eine Studie im Auftrag des baden-württembergischen Integrationsministeriums nach, die 2015 veröffentlicht wurde. 62 Prozent der Befragten äußerten demnach, es sei ihnen grundsätzlich "egal", ob muslimische Frauen in Deutschland Kopftücher tragen. Nur sechs Prozent fanden es "gut". Rund ein Drittel (31 Prozent) fand es "nicht gut".
- Bei Ärztinnen fanden es 22 Prozent der Befragten "nicht gut" und 78 Prozent unproblematisch.
- bei Erzieherinnen fanden es 37 Prozent "nicht gut".
- bei Abgeordneten fanden es 46 Prozent "nicht gut".
- Nachrichtensprecherinnen mit Kopftuch fanden die Hälfte "nicht gut" und nur fünf Prozent "gut". 45 Prozent war es "egal".Quelle
Kopftuchverbote
Im Staatsdienst:
Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen für unzulässig erklärt, weil es dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit widerspreche. Alle Bundesländer bis auf Berlin lassen das Kopftuch für Lehrerinnen seither grundsätzlich zu. Nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens seien Einschränkungen erlaubt, urteilten die Richter*innen in Karlsruhe.Quelle
In mehreren Bundesländern unterrichten heute vereinzelt Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen.Quelle
In Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern gab es nie ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen und andere Beamtinnen. Andere Bundesländer haben seit 2015 ihre bis dahin geltenden Verbote für Lehrerinnen und andere Staatsbeamtinnen geändert oder legen bestehende Gesetze nun verfassungskonform aus.
Nur das Bundesland Berlin hält an seinem strikten Kopftuch-Verbot fest. Dem 2005 erlassenen "Neutralitätsgesetz" zufolge dürfen Lehrkräfte keine "sichtbaren religiösen und weltanschaulichen Symbole" wie das Kopftuch tragen. Dieses Verbot gilt auch für Beamtinnen und Beamte in der Rechtspflege, dem Justizvollzug und der Polizei. Es gilt aber nicht für den Religions- und Ethikunterricht sowie für private Schulen und Berufsschulen. Im August 2020 wurde dieses Verbot vom Bundesarbeitsgericht als "unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff" bezeichnet, der Entschädigungsanspruch der kopftuchtragenden Lehrerin wurde bestätigt. In Zukunft müsse der Schulfrieden konkret gefährdet sein, um ein Kopftuchverbot an Schulen durchsetzen zu können. Ein pauschales Verbot sei nicht rechtens.Quelle
Im Februar 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Kopftuch für Rechtsreferendarinnen im Gerichtssaal rechtmäßig ist. Geklagt hatte eine muslimische Rechtsreferendarin, weil sie wegen ihres Kopftuches unter anderem nicht mit auf der Richterbank sitzen durfte. In den meisten Bundesländern dürfen Richterinnen, Staatsanwältinnen oder Referendarinnen bei ihren Amtshandlungen im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen.Quelle
Pläne, auch Kindern an öffentlichen Schulen das Tragen eines Kopftuchs zu verbieten, hat die nordrhein-westfälische Landesregierung 2018 ins Spiel gebracht, aber dann ad acta gelegt. Wie viele Mädchen in Nordrhein-Westfalen ein Kopftuch tragen, ist ihr nicht bekannt.Quelle
In der Privatwirtschaft:
Private Arbeitgeber, die ihren Angestellten verbieten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, verstoßen gegen das Allgemeine Antidiskriminierungsgesetz. Gleiches gilt, wenn sie Bewerberinnen einen Ausbildungsplatz oder eine Stelle verwehren, weil sie ein Kopftuch tragen. Ein Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz aus sachlichen Gründen – etwa, wenn die Arbeit mit Maschinen durch das Tragen eines Kopftuchs zu gefährlich ist – ist aber zulässig.
Arbeitgeber*innen dürfen außerdem das Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten, wenn sie zugleich das sichtbare Tragen jedes anderen politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbieten. Der Wunsch des Arbeitgebenden, Neutralität am Arbeitsplatz zu wahren und entsprechend von ihren Beschäftigten ein neutrales Auftreten einzufordern, kann das Verbot rechtfertigen. Das gilt aber nur für Tätigkeiten, die im weiteren Sinne für das Unternehmen repräsentativ sind. Das wurde in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2017 klargestellt und in einem erneuten Urteil 2021 bestätigt. Arbeitgeber*innen müssen die Entscheidung individuell gut begründen - ein pauschales Kopftuchverbot ist nicht möglich.Quelle
In kirchlichen Einrichtungen:
Für kirchliche Einrichtungen gelten erhebliche Ausnahmen vom übrigen Arbeitsrecht. Sie dürfen ihren Mitarbeiterinnen deshalb ebenfalls das Tragen eines Kopftuchs untersagen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt 2014 entschieden.Quelle
Die Deutsche Islam Konferenz
In der Deutschen Islam Konferenz (DIK) kamen erstmals staatliche Vertreter*innen mit verschiedenen islamischen Organisationen zusammen, um sich auf Bundesebene über eine gemeinsame Islampolitik zu verständigen. Das Gremium wurde 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen, um den Austausch zwischen dem deutschen Staat und Muslim*innen zu fördern. Die DIK fässt keine allgemein verbindlichen Beschlüsse, sondern spricht Empfehlungen aus und schlägt konkrete Maßnahmen vor. Sie tagte bisher in unterschiedlichen Formen und Besetzungen in vier Phasen – jeweils parallel zu den Legislaturperioden. Ob die DIK in der aktuellen Legislatur in ihrer bisherigen Form bestehen bleibt, sei noch unklar, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums Anfang Januar 2022.Quelle
Die letzte Phase startete im November 2018 mit einer öffentlichen Auftaktveranstaltung in Berlin. Auf muslimischer Seite waren zehn islamische Verbände sowie ausgewählte Einzelpersonen eingeladen. Anders als in den vorherigen Phasen gab es in der letzten Form der DIK keine festen Gremien und Mitgliedschaften mehr, wie Innnenminister Horst Seehofer vorab erklärte hatte. Dafür gab es anlassbezogene Veranstaltungen. Im Fokus standen dabei Fragen der Imam-Ausbildung sowie Förderprogramme für Moscheen.Quelle
Zum Start der letzten DIK-Phase hat die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus in einem Gastbeitrag für den MEDIENDIENST erklärt, was das Gremium in den vergangenen Jahren geleistet hat.
An der ersten Phase der DIK nahmen die fünf großen islamischen Dachverbände sowie zehn ausgewählte Einzelpersonen teil. Schwerpunktthemen waren unter anderem Religion und Verfassung und das Islambild in den Medien. In der zweiten Phase kam die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) als säkuläre Migrantenorganisation zur DIK hinzu. Im Zentrum standen die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Extremismusprävention. Während der dritten Phase waren zehn islamische Verbände an der DIK beteiligt. Die Themen islamische Seelsorge und Wohlfahrtspflege standen im Vordergrund.Quelle
Die Arbeitsgruppen der DIK haben im Laufe der Jahre mehrere Studien in Auftrag gegeben. Dazu gehören zum Beispiel die Untersuchungen „Muslimisches Leben in Deutschland“ (2021, 2009), "Lebenswelten junger Muslime" (2011) oder „Islamisches Gemeindeleben in Deutschland“ (2012), "Soziale Dienstleistungen in Moscheegemeinden" (2015) und "Altenpflege für Muslime" (2017). Weitere Dokumente der DIK finden Sie hier.
In einem Zeitstrahl haben wir zentrale Ereignisse und Themen von 15 Jahren DIK zusammengefasst:
Antimuslimischer Rassismus
"Antimuslimischer Rassismus" steht für die pauschale Abwertung und Diskriminierung von Menschen, die als Muslim*innen wahrgenommen werden. Verwandte und synonyme Begriffe sind "Muslimfeindlichkeit, "Islamfeindlichkeit" oder "Islamophobie".Quelle
Weitere Zahlen und Fakten zum Thema Antimuslimischer Rassismus bietet ein Informationspapier, das der MEDIENDIENST im März 2021 zusammengestellt hat.
Antimuslimische Einstellungen
Mehrere repräsentative Untersuchungen zeigen: Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber Muslim*innen und "dem Islam" sind weit verbreitet.
- Knapp die Hälfte (46,8 Prozent) der Menschen in Deutschland stimmt der Aussage zu, "durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land". Das ist ein Ergebnis der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2020. Mehr als ein Viertel (27,4 Prozent) der Befragten vertritt zudem die Meinung, man solle Muslim*innen die Zuwanderung untersagen. In Ostdeutschland sind es sogar rund 40 Prozent.Quelle
- Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten in Deutschland empfindet den Islam als bedrohlich. Das geht aus dem „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung 2019 hervor. 13 Prozent der Befragten wollen Muslim*innen die Zuwanderung untersagen (11 Prozent im Westen, 20 Prozent im Osten). 2017 waren es noch 20 Prozent. Damals gaben zudem mehr als 40 Prozent der Befragten an, sie hätten etwas dagegen, wenn ein Muslim oder eine Muslimin in die Familie einheiraten würde.Quelle
- Jede*r Zweite*r ist der Auffassung, der Islam passe nicht in die deutsche Gesellschaft. Das ergab eine Umfrage der Evangelischen Kirche im Jahr 2018. Rund 45 Prozent der Befragten erklärten, sie hätten etwas gegen eine*n muslimische*n Bürgermeister*in in ihrer Gemeinde.Quelle
- Wer Muslim*innen persönlich kennt, neigt eher dazu, eine positive Meinung über sie zu haben. Das geht aus einer 2018 veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center aus den USA hervor. Die "Kontakthypothese", wonach persönliche Kontakte gegen Vorurteile helfen, wird auch durch hiesige Studien gestützt.Quelle
Antimuslimische Straftaten
2021 registrierten die Behörden vorläufig 662 islamfeindliche Straftaten in Deutschland. Das seien deutlich weniger als im Jahr zuvor. Die Zahlen könnten sich allerdings noch erhöhen, da in den nächsten Wochen noch Nachmeldungen erwartet werden.Quelle
2020 erfasste das Bundesinnenministerium (BMI) bundesweit 1.026 islamfeindliche Straftaten. Das waren acht Prozent mehr als im Vorjahr. 2019 zählte das BMI 950 islamfeindliche Straftaten. In beiden Jahren waren etwa 90 Prozent der Delikte rechts motiviert.Quelle
Zu islamfeindlichen Straftaten gehören Angriffe auf Moscheen. 2020 zählte das BMI 103 Moscheeangriffe, darunter vor allem Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen. 2019 erfasste das BMI 107 Angriffe. Für eine bundesweit einheitliche Erfassung der Angriffe nutzen die Behörden seit 2019 einen Angriffszielkatalog. Davor haben Bund und Länder die Fallzahlen nicht untereinander abgeglichen, die Zahlen vor 2019 können deshalb unvollständig sein.Quelle
Nicht alle Straftaten werden angezeigt oder von den Behörden als islamfeindlich erkannt. Islamische Organisationen kamen in den vergangenen Jahren teils zu deutlich höheren Zahlen als das Bundesinnenministerium. Die Organisation FAIR International etwa dokumentiert Angriffe auf Moscheen auf der Webseite #brandeilig. 2019 hat die Organisation 141 Übergriffe erfasst. Für 2018 kommt sie auf 112 Übergriffe, darunter elf Brandanschläge. Der islamische Dachverband DITIB erfasste 2016 in einer eigenen Erhebung 115 Angriffe auf Moscheen.Quelle
Beratungsstellen für Betroffene
Es gibt kaum Beratungsstellen, die sich direkt an Betroffene von antimuslimischem Rassismus und Islamfeindlichkeit richten. Das geht aus einer 2021 veröffentlichten Kurzstudie der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit CLAIM hervor. Sie zeigt auch, dass die Hälfte der insgesamt 79 befragten Organisationen kein Verfahren hat, um antimuslimischen Rassismus zu erfassen. Zwar geben die meisten Stellen an, dass ihr Beratungsteam zum Themenfeld ausreichend qualifiziert sei. Die Studienautorinnen schätzen das als nicht ausreichend ein und fordern mehr auf antimuslimischen Rassismus spezialisierte Beratungs- und Personalstellen in den Bundesländern.Quelle
Moscheen in Deutschland
Wie viele Moscheen gibt es in Deutschland?
Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 gibt es etwa 2.350 islamische Gebetsräume und Moscheen in Deutschland. Andere Schätzungen gehen von bis zu 2.750 Moscheen und Gebetsräumen aus. Dabei werden manchmal nur Moscheen und Gebetsräume gezählt, in denen Freitagspredigten gehalten werden, und manchmal auch alevitische Gemeinden mitgezählt, die ihre Gottesdienste („Cem“) in als „Cem-Evi“ bezeichneten Gemeindehäusern abhalten.Quelle
Die meisten islamischen Gemeinden in Deutschland betreiben ihre Gebetsräume in ehemaligen Fabriken, Wohnhäusern und Ladengeschäften. Diese Einrichtungen werden häufig als Hinterhofmoscheen bezeichnet. Darüber hinaus sind in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten viele neue Moscheebauten entstanden, die mit Minarett oft schon von außen als solche erkennbar sind.Quelle
Der Stil vieler dieser Moscheebauten lehnt sich an Bautraditionen aus den Herkunftsländern der Gemeindemitglieder an. Daneben entstanden aber auch einige innovative Moscheebauten, die sich in einer modernen Architektur um möglichst große Transparenz und Offenheit bemühen – so zum Beispiel das 2005 eröffnete „Islamische Forum“ im bayrischen Ort Penzberg mit einer Glasfassade und einem kunstvoll aus Stahlplatten gefertigten Minarett oder die DITIB-Zentralmoschee in Köln, die hauptsächlich vom Kirchenarchitekten Paul Böhm entworfen wurde.
Andere Moscheen lehnen sich an ortsübliche Baustile an – etwa die Moschee im schleswig-holsteinischen Rendsburg, die aus gelbem und weißem Backstein besteht und damit Elemente norddeutscher Backsteinarchitektur aufnimmt. Zudem gibt es immer mehr "Öko-Moscheen", die Photovoltaik-Anlagen auf ihrem Dach montiert haben, um eigenen Strom zu erzeugen. In Norderstedt errichtet eine türkisch-islamische Gemeinde derzeit eine Moschee mit zwei 21 Meter hohen Minaretten, die als kleine Windkraftanlagen dienen sollen.Quelle
Finanzierung von Moscheen in Deutschland
Islamische Organisationen erklären in der Regel, dass sie sich primär durch Mitgliedsbeiträge und Spenden von Moscheebesuchern finanzieren. Hinzu kommen Einkünfte durch Vermietungen und Dienstleistungen oder Erlöse aus dem Verkauf in vereinseigenen Läden, die zur Moschee gehören. Große islamische Dachverbände wie die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) erzielen durch die Organisation von Pilgerreisen oder durch ihre Buch- und Zeitschriftenverlage zusätzliche Einnahmen. Islamische Organisationen sind mehrheitlich als gemeinnützige Vereine eingetragen und deshalb verpflichtet, ihre Buchhaltung regelmäßig vorzulegen.Quelle
Finanzierung aus dem Ausland
Die Frage, ob und wie viel Geld aus dem Ausland an deutsche Moscheegemeinden fließt, sorgt immer wieder für Diskussionen. Verlässliche Zahlen dazu gibt es aber nicht. Bekannt ist, dass einzelne Moscheebauten in Deutschland durch größere Spenden aus dem Ausland ermöglicht wurden. So wurde die für ihre moderne Architektur bekannte Moschee im bayrischen Penzberg vom Emir des Golfstaats Schardscha bezahlt. Manche Moscheevorstände werben im Ausland, etwa am arabischen Golf, um größere Summen, um laufende Ausgaben oder Großprojekte wie einen Moscheebau finanzieren zu können. Aus einmaligen Spenden lassen sich jedoch noch keine generellen Rückschlüsse auf eine Einflussnahme aus dem Ausland ziehen, sagen Fachleute.Quelle
Es gibt aber auch indirekte Formen der Finanzierung aus dem Ausland. So zahlt beispielsweise die türkische Religionsbehörde Diyanet die Gehälter der Imame, die in den fast 1.000 DITIB-Moscheen in Deutschland predigen. Nahezu alle Gemeinden des türkisch-islamischen Dachverbands DITIB sowie einiger anderer Verbände nehmen die Dienste dieser Imame, die aus der Türkei entsandt und bezahlt werden, in Anspruch.Quelle
Viele Moscheegemeinden greifen auf eine dieser Formen der Unterstützung aus dem Ausland zurück, um ihre Imame und Seelsorger oder ihre Moscheebauten und ihren Koranunterricht zu finanzieren. Viele soziale Aufgaben wie Jugend- und Seniorenarbeit, Beratungstätigkeit und Flüchtlingshilfe werden von ehrenamtlichen Helfern übernommen.Quelle
Anders als Kirchen oder jüdische Gemeinden, werden Moscheegemeinden dabei bisher nicht finanziell vom Staat unterstützt.Quelle
Was spricht gegen eine "Moschee-Steuer"?
Immer wieder wird die Idee einer „Moschee-Steuer" ins Gespräch gebracht. Auf muslimischer Seite stießen solche Vorschläge bislang aber eher auf Skepsis. Manche argumentieren, eine zentral erhobene Steuer widerspreche sowohl dem muslimischen Selbstverständnis als auch der gegenwärtigen Organisationsform des Islams in Deutschland. Moscheegemeinden, die sich vom Druck zentralistisch geführter Dachverbände lösen wollen, fürchten außerdem Gängelung und Missmanagement durch die Zentralen, sollten diese über die Verwendung einer solchen „Moscheesteuer“ verfügen. Aber auch die großen islamischen Organisationen zeigen bisher wenig Interesse an einer „Moschee-Steuer“. Das gilt selbst für die der Ahmadiyya-Gemeinde, die etwa in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist und damit beanspruchen könnte, dass der Staat für sie ihre Mitgliedsbeiträge über eine Steuer einzieht.Quelle
Imamausbildung in Deutschland
Die meisten Imame werden im Ausland ausgebildet
In Deutschland arbeiten schätzungsweise 2.000 bis zu 2.500 Imame. Einer Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge wurden rund 90 Prozent der Imame im Ausland ausgebildet. Die türkische Religionsbehörde Diyanet entsendet etwa Imame im Rotationssystem nach Deutschland.Quelle
Alle Informationen zur Imamausbildung finden Sie in unserem Factsheet: >>> zum Download
Das steht immer wieder in der Kritik. Fachleute befürchten, dass andere Staaten dadurch Einfluss auf deutsche Moscheegemeinden oder Verbände nehmen könnten. Zudem sei zu bedenken, dass einige Imame ausschließlich in ihrer Muttersprache predigen und nur schlecht mit deutschsprachigen Moscheebesucher*innen, insbesondere jüngeren Muslim*innen, kommunizieren können.Quelle
Welche Ausbildungsprogramme gibt es in Deutschland?
Mehrere islamische Dachverbände bilden in Deutschland eigenes religiöses Personal aus, unterrichtet wird größtenteils in anderen Sprachen. Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) etwa bietet ein vierjähriges Ausbildungsprogramm in Köln an, unterrichtet wird in arabischer und türkischer Sprache. Eine Übersicht zu den Ausbildungsangeboten der islamischen Gemeinden bietet die Deutsche Islam Konferenz (DIK) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).Quelle
Anfang 2020 eröffnete die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib) ein eigenes Kolleg zur Ausbildung von Imamen in Dahlem (Eifel). Absolvent*innen eines islamisch-theologischen Studiums können hier eine zweijährige, praktische Ausbildung machen, die sie auf die Gemeindearbeit vorbereitet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) begrüßte das Programm.Quelle
Im Juni 2021 startet die erste verbandsübergreifende, deutschsprachige Imamausbildung am "Islamkolleg Deutschland" in Osnabrück. Das Kolleg ist Teil eines Modellprojekts der Universität Osnabrück in Kooperation mit mehreren islamischen Organisationen. Neben Gemeindepädagogik und Seelsorge sollen hier auch Soziale Arbeit und Politische Bildung Teil der Ausbildung sein. Voraussetzung ist ein Bachelorabschluss in Islamischer Theologie oder einem verwandten Studienfach. In einer ersten Phase finanzieren das Land Niedersachsen sowie das Bundesinnenministerium das Projekt. Das sehen einige größere islamische Verbände, die nicht am Projekt beteiligt sind, kritisch. Sie befürchten, dass dort eine Art "Staatsislam" vermittelt wird.Quelle
Was macht ein Imam?
Imame leiten die Pflichtgebete und das Freitagsgebet in islamischen Gemeinden an. Weitere Aufgaben sind die praktische Gemeindearbeit wie Seelsorge oder religiöser Unterricht. Ein Imam ist kein geweihter Amtsträger wie etwa ein Priester. In kleineren Gemeinden übernehmen oft Freiwillige die Aufgaben. In größeren Gemeinden arbeitet meistens ein professioneller Imam, der eine Ausbildung absolviert hat und fest angestellt ist.
Wer kann Imam werden?
Welche Voraussetzung man als Imam braucht, bestimmen in Deutschland die Gemeinden, zum Beispiel ein abgeschlossenes Studium der islamischen Theologie und eine praktische Ausbildung. Die Ausbildung zum Imam ist aber nicht zwingend eine akademische, sie unterscheidet sich je nach Land und Ausbildungsprogramm.
Gibt es Imaminnen?
Frauen können als Imamin arbeiten, es gibt jedoch wenige praktizierende Imaminnen in Deutschland. Die Ditib etwa beschäftigt Imaminnen, sie predigen jedoch nicht und sind eher auf die Gemeindearbeit mit Frauen fokussiert. In einigen wenigen liberalen Gemeinden leiten auch Frauen die Gebete an, in Deutschland etwa Seyran Ateş. Es handelt sich aber um Ausnahmen.Quelle
Islam an Schulen und Universitäten
Islamischer Religionsunterricht in Deutschland
In neun Bundesländer gibt es an öffentlichen Schulen einen islamischen Religionsunterricht. Das geht aus einer Recherche des MEDIENDIENSTES hervor. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle:
- In Hessen und Niedersachsen wird ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetz Art. 7 Absatz 3 in Kooperation mit islamischen Verbänden angeboten. Die Lehrpläne werden dabei von den Religionsgemeinschaften und staatlichen Stellen gemeinsam entwickelt. In Hessen wird ab dem Schuljahr 2019/20 das Fach "Islamunterricht" in staatlicher Verantwortung ab der siebten Klasse erprobt. Im Schuljahr 2020/21 soll das Modellprojekt erweitert werden.Quelle
- In Berlin wird islamischer Religionsunterricht in alleiniger Verantwortung eines islamischen Landesverbands erteilt.
- Rheinland-Pfalz und das Saarland erproben islamischen Religionsunterricht in Modellprojekten. Islamische Verbände oder lokale Moscheegemeinden werden dabei auf unterschiedliche Weise einbezogen.
- In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird islamischer Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit islamischen Partnern angeboten. Nordrhein-Westfalen hat dafür im Mai 2021 eine ständige Kommission eingerichtet, in der sechs islamische Verbände vertreten sind. In Baden-Württemberg wurde 2019 unter dem Dach des Landes eine Stiftung gegründet.Quelle
- In Bayern und Schleswig-Holstein wird das Fach "Islamkunde" in staatlicher Verantwortung angeboten. Bayern hat das Fach seit 2009 als Modellprojekt erprobt. Ab dem Schuljahr 2021/2022 wird es als Wahlpflichtfach angeboten (Stand Juli 2021).Quelle
In sieben Bundesländern gibt es keinen islamischen Religionsunterricht.
- In Hamburg und Bremen wird ein konfessionsübergreifender Religionsunterricht angeboten, an dem Schüler*innen aller Glaubensrichtungen teilnehmen können. In Hamburg verantwortet die evangelische Nordkirche den "Religionsunterricht für alle". Künftig will ihn das Land interreligiös – mit gleichberechtigter Beteiligung verschiedener Religionsgemeinschaften – ausrichten. Bremen bietet das Fach "Religion" in staatlicher Verantwortung an.
- In den fünf östlichen Bundesländern Thüringen, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gibt es kein Angebot für muslimische Schüler*innen. Als Alternative zum christlichen Religionsunterricht stehen dort Fächer wie Ethik, Lebenskunde oder Philosophie zur Auswahl.
In acht Bundesländern wird ein alevitischer Religionsunterricht angeboten.
Wie viele Schüler*innen nehmen am islamischen Religionsunterricht teil?
Im Schuljahr 2019/20 nehmen bundesweit knapp 60.000 Schüler*innen an über 900 Schulen am islamischen Religionsunterricht teil. Im Schuljahr 2015/16 waren es nach einer Auswertung der Kultusministerkonferenz noch rund 42.000 Schüler*innen gewesen.
Die Nachfrage nach islamischem Religionsunterricht ist damit bei weitem nicht gedeckt: Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) kam bereits 2011 zu dem Ergebnis, dass etwa 580.000 Schüler*innen im Alter von 6 bis 18 Jahren einen islamischen und etwa 70.000 Schüler*innen einen alevitischen Religionsunterricht besuchen würden.Quelle
Weitere Zahlen und Fakten bietet ein Informationspapier, das der MEDIENDIENST im Mai 2020 zusammengestellt hat. Darin finden Sie Informationen zu den Kooperationen der Bundesländer beim islamischen Religionsunterricht, zur Zukunft der befristeten Modellprojekte und Zahlen zum Religionsunterricht insgesamt.
Islamische Theologie an Universitäten
Wo wird islamische Theologie gelehrt?
Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Islamkonferenz wurden mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ab 2011 fünf Standorte für islamische Theologie eingerichtet. Nach positiver Evaluierung durch das BMBF wurde beschlossen, das Projekt weiter zu finanzieren, es kamen zwei weitere Standorte hinzu.Quelle
Aktuell haben sich ca. 2.500 Studierende in Bachelor- und Master- sowie in Lehramts-Studiengängen eingeschrieben. An diesen Standorten werden unter anderem Lehrer*innen für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet, aber auch Sozialarbeiter*innen und Theolog*innen für die Arbeit in Moscheen und islamischen Organisationen.Quelle
Für die sieben Standorte an staatlichen Hochschulen und die „Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft“ stellt das Bundesforschungsministerium nach eigenen Angaben von 2011 bis 2024 insgesamt rund 52,5 Millionen Euro zur Verfügung.Quelle
Vernetzung
Zur Vernetzung von Wissenschaftler*innen wurde 2015 am Zentrum für islamische Theologie (ZIT) in Münster die "Deutsche Gesellschaft für islamisch-theologische Studien" (DEGITS) gegründet. Sie ist der erste akademische Fachverband für islamische Theologie in Deutschland. An der Goethe-Universität Frankfurt am Main wurde zudem seit 2017 mit Bundesmitteln und Hilfe der Stiftung Mercator eine "Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft" (AIWG) eingerichtet. Sie soll die Standorte der islamischen Theologie miteinander vernetzen, gemeinsame Forschungsprojekte fördern und den Transfer in die Gesellschaft verstärken.Quelle
Die meisten Zentren für Islamische Theologie arbeiten mit sogenannten konfessorischen Beiräten zusammen, in denen Vetreter islamischer Religionsgemeinschaften sitzen. Mit ihnen stimmen sie die Besetzung von Lehrstühlen oder die Erstellung von Studien- und Prüfungsordnungen ab. Die Besetzung dieser Beiräte war an mehreren Standorten umstritten.Quelle
News Zum Thema: Islam und Muslime
Deutsche Islam Konferenz Die wichtigsten Ereignisse und Themen
Noch ist unklar, ob die Deutsche Islam Konferenz (DIK) bestehen bleibt. Was hat sie in den letzten Jahren erreicht? Welche Themen standen im Vordergrund? Eine Zeitleiste des MEDIENDIENSTES zeigt zentrale Ereignisse seit Beginn der DIK.
Pressegespräch Werden Moscheen genug geschützt?
Moscheen sind immer wieder Ziel von Angriffen. Wie können sie besser geschützt werden? Polizeischutz vor den Moscheen schrecke mögliche Täter*innen ab, auch eine informierte Nachbarschaft könne Gemeinden vor Übergriffen schützen, sagen Fachleute auf einem Pressegespräch des MEDIENDIENSTES.
Nach Hanau Islam-Verbände fordern mehr Schutz für Moscheen
Drohbriefe, Schmierereien, Anschlagspläne: Moscheen sind immer wieder Ziel von Angriffen. Islamische Verbände fordern mehr staatlichen Schutz, unter anderem Polizeistreifen während der Freitagsgebete.