Unterbringung und Versorgung
Wo kommen Schutzsuchende als erstes unter? Wer ist vor, während und nach der Asylantragstellung für ihre Versorgung zuständig? Die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden bietet immer wieder Stoff für kontroversen Diskussionen. In dieser Rubrik finden Sie Zahlen und Fakten zum Thema.
Wie werden Asylbewerber untergebracht?
In welchem Bundesland Asylsuchende ihren Antrag stellen und auf die Entscheidung warten müssen, wird nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel entschieden. Ein weiteres Kriterium für die Verteilung ist die Herkunft der Asylsuchenden, da nicht jede Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge jedes Herkunftsland bearbeitet.Quelle
Asylsuchende werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Dort müssen sie bis zum Ende ihres Asylverfahrens bleiben – längstens allerdings 18 Monate. Abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend kooperieren, können verpflichtet werden, länger als 18 Monate in den Einrichtungen zu bleiben.Quelle
In den Flächenländern werden Asylsuchende anschließend auf die Stadt- und Landkreise entsprechend der Bevölkerungszahl verteilt und kommen dort in einer Gemeinschaftunterkunft oder in einer Wohnung unter. Die Stadt- und Landkreise sind für die Unterbringung zuständig.
In der Kritik steht, dass es in Deutschland keine Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen gibt, die für alle Bundesländer gleichermaßen gelten. In den Aufnahmegesetzen einzelner Bundesländer ist lediglich von einem "menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen" (Baden-Württemberg) beziehungsweise einem "menschenwürdigen Aufenthalt ohne gesundheitliche Beeinträchtigung" (Hessen) die Rede.
Welche Leistungen bekommen Asylbewerber*innen?
Das Asylbewerberleistungsgesetz regelt die Leistungen, die Asylbewerber*innen zustehen. Auch abgelehnte Asylbewerber*innen können diese Leistungen beziehen, solange sie noch in Deutschland sind.
Solange sie in der Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, umfassen die Leistungen:
- den sogenannten "notwendigen Bedarf": Nahrung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflegeprodukte sowie Haushaltswaren
- Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt
- "Taschengeld" für den notwendigen persönlichen Bedarf, bei alleinstehenden Leistungsberechtigten sind das ungefähr 150 Euro.
Ein*e alleinstehende*r Asylbewerber*in erhält derzeit insgesamt 367 Euro im Monat. Hinzu kommen Sonderleistungen bei Krankheit oder Schwangerschaft. Die seit 2019 bestehende Regelung, dass alleinstehende erwachsene Asylsuchende in Sammelunterkünften 10 % weniger Geld erhalten, erklärte das Bundesverfassungsgericht im November 2022 für rechtswidrig.Quelle
Asylbewerber*innen, die sich ehrenmatlich engagieren, dürfen zudem Honorare bis 200 Euro erhalten.Quelle
Seit Inkrafttreten des Asylpakets I vom Oktober 2015 sollen die Bundesländer Geldleistungen weitgehend durch Sachleistungen ersetzen solange Asylbewerber*innen in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen.
Die Zahlen 2021
Zum Stichtag 31.12.2021 bezogen rund 398.600 Personen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Etwa 62 Prozent von ihnen sind noch im Asylverfahren. Rund 24,3 Prozent haben eine Duldung und etwa vier Prozent sind vollziehbar ausreisepflichtig. Weniger als ein Prozent haben bereits eine Aufenthaltserlaubnis.
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Leistungsempfänger*innen um 4,3 Prozent – das erste Mal, dass diese Zahl seit 2016 gestiegen ist.
Anerkannte Flüchtlinge erhalten gegebenenfalls andere Sozialleistungen wie etwa Arbeitslosengeld II. Auch die jährlichen Ausgaben für Asylbewerberleistungen sind 2021 leicht gestiegen: Insgesamt beliefen sie sich auf rund 4,3 Milliarden Euro, etwa 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr (s. Grafik).Quelle
Gesundheitsversorgung von Geflüchteten
Asylbewerber*innen erhalten für die Dauer ihres Verfahrens laut Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eine eingeschränkte medizinische Versorgung für:
- akut behandlungsbedürftige Erkrankungen,
- chronischen Erkrankungen wie Diabetes,
- Schwangerschaft und Geburt,
- die von den gesetzlichen Krankenkassen empfohlenen Vorsorgen und Impfungen sowie
- im Einzelfall Zahnersatz.Quelle
Bundesländer und Kommunen zuständig. organisieren die Gesundheitsversorgung von Asylbewerber*innen unterschiedlich. Häufig benötigen Asylbewerber*innen für einen Arztbesuch einen Behandlungsschein, den das Sozialamt ausstellt. Teils müssen sie für jeden Arztbesuch einen neuen Schein beantragen, manchmal erstellen die Sozialämter den Schein pauschal für drei Monate. Ausnahmen gelten bei Notfällen.Quelle
Mehrere Bundesländer und einzelne Kommunen sind dazu übergegangen, Asylbewerber*innen eine elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Das soll den Zugang zum medizinischen System verbessern und Verwaltungskosten reduzieren. Nach 18 Monaten steht Asylbewerber*innen nahezu dieselbe medizinische Versorgung zu wie gesetzlich Versicherten.Quelle
Zur gesundheitlichen Situation von Geflüchteten liegen wenige Daten vor. Aktuelle Erhebungen zeigen: Geflüchtete haben ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen und posttraumatische Belastungsstörungen. Traumatische Erfahrungen vor und während der Flucht oder auch das Leben in Gemeinschaftsunterkünften können sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken.Quelle
Was sind Wohnsitzauflage und Residenzpflicht?
Solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung leben, dürfen Asylbewerber nicht ohne Genehmigung den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde verlassen (sogenannte Residenzpflicht).
In einer solchen Einrichtung bleiben Asylbewerber sechs Wochen bis maximal sechs Monate, je nachdem, ob wie viele Plätze verfügbar sind. Danach werden sie in der Regel in eine Anschlussunterbringung vermittelt. Damit endet die Residenzpflicht. Selbst wenn das nicht geschieht, sind sie nach sechs Monaten von der Residenzpflicht befreit. Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten gilt die Residenzpflicht bis zum Ende des Asylverfahrens.Quelle
Für anerkannte Flüchtlinge gilt nach dem Integrationsgesetz eine Wohnsitzauflage: Sie müssen bis zu drei Jahre lang in dem Bundesland wohnen bleiben, in dem ihr Asylverfahren durchgeführt wurde, sofern sie nicht einen Job oder Ausbildungsplatz nachweisen können. Darüber hinaus kann ihnen innerhalb eines Bundeslands ein Wohnort zugewiesen werden (Wohnsitzzuweisung) oder der Zuzug in einen bestimmten Wohnort untersagt werden (Zuzugssperre). Nur sieben Bundesländer haben die Wohnsitzauflage durchgesetzt (Stand: Januar 2020). Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist umstritten. Experten des SVR-Forschungsbereichs fordern zum Beispiel, dass die Bundesländer bei der Verteilung stärker als bislang auf die Situation am Arbeits-, Ausbildungs- und Wohnungsmarkt vor Ort achten sollten.
Frauen in Flüchtlingsunterkünften
Mehr als 40 prozent aller Asylsuchenden sind Frauen und Mädchen. Viele von ihnen fliehen vor geschlechtsspezifischer Gewalt oder erleben Übergriffe während der Flucht.
Auch in deutschen Unterkünften kommt es zu Übergriffen. Statistiken hierzu gibt es nicht. Erfahrungsberichte von Sozialarbeiterinnen und Befragungen zeigen jedoch, dass Frauen häufig Gewalt erfahren. Im August 2016 veröffentlichte der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments (FEMM) eine Fallstudie zur Unterbringung von Frauen in München. Eine der wenigen bundesweiten Studien, die vorliegen, ist von 2004 und nicht repräsentativ. Beide Studien zeigen deutliche Tendenzen:
- Demnach gab eine große Mehrheit von knapp 80 Prozent der geflüchteten Frauen an, in Deutschland psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein,
- jede zweite sprach von körperlicher Gewalt
- und jede vierte berichtete von sexueller Gewalt. Die Täter waren demnach Beziehungspartner, fremde Personen, Mitbewohner sowie Personal in Unterkünften.Quelle
Eine repräsentative Befragung geflüchteter Frauen der Berliner Charité von März 2017 zeigt: 26 Prozent fühlen sich in den Unterkünften aufgrund von Sprache oder Religion diskriminiert. 21 Prozent erleben die Atmosphäre der Unterkunft als problematisch, dazu zählen sowohl Lärmbelastung als auch Gewalterfahrungen vor Ort. Ebenfalls 21 Prozent beschreiben ein respektloses Klima.Quelle
2016 haben das Bundesfamilienministerium und UNICEF Mindeststandards für ein Schutzkonzept in Flüchtlingsunterkünften herausgegeben. Im Juni 2017 wurden sie überarbeitet und sind hier abrufbar. Vor allem "besonders schutzbedürftige" Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftunterkünften sollen davon profitieren. Zu ihnen zählen unter anderem Schwangere und alleinerziehende Mütter mit minderjährigen Kindern sowie Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Verpflichtend ist die Einführung eines Schutzkonzepts für Heimbetreiber jedoch nicht. Ein Gesetzentwurf, der die Verpflichtung umsetzen würde, liegt vor, aber ist noch nicht im Bundesrat beschlossen worden (Stand: Juli 2017).
Seit 2016 gibt es in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen Unterkünfte, die speziell für alleinreisende und alleinerziehende Frauen eingerichtet sind.
Geschlechtsspezifische Verfolgung bedeutet laut UNHCR, dass das Geschlecht die Art der Verfolgung beeinflusst, etwa sexuelle Gewalt wie zum Beispiel Vergewaltigung, Zwangsheirat, Zwangssterilisation. Auch kann das Geschlecht den Grund für die Verfolgung darstellen, etwa bei Genitalverstümmelung, Gewalt in der Familie, Bestrafung wegen Ehebruchs oder Homosexualität oder Frauenhandel. Seit dem Zuwanderungsgesetz 2005 kann sie in Deutschland als Grund geltend gemacht werden, um Asyl zu erlangen. Rechtlich fällt geschlechtsspezifische Verfolgung unter die Kategorie "Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Laut Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge haben im Jahr 2016 rund 18.800 Personen Flüchtlingsschutz aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung erhalten. Zum Vergleich: 2015 waren es rund 1.300 Menschen.
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