Unterbringung und Versorgung
Wo kommen Schutzsuchende als erstes unter? Wer ist vor, während und nach der Asylantragstellung für ihre Versorgung zuständig? Die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden bietet immer wieder Stoff für kontroverse Diskussionen. In dieser Rubrik finden Sie Zahlen und Fakten zum Thema.
Wie werden Asylbewerber untergebracht?
In welchem Bundesland Asylsuchende ihren Antrag stellen und auf die Entscheidung warten müssen, wird nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel entschieden. Ein weiteres Kriterium für die Verteilung ist die Herkunft der Asylsuchenden, da nicht jede Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge jedes Herkunftsland bearbeitet.Quelle
Asylsuchende werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Dort müssen sie bis zum Ende ihres Asylverfahrens bleiben – längstens allerdings 18 Monate. Abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend kooperieren, können verpflichtet werden, länger als 18 Monate in den Einrichtungen zu bleiben.Quelle
In den Flächenländern werden Asylsuchende anschließend auf die Stadt- und Landkreise entsprechend der Bevölkerungszahl verteilt und kommen dort in einer Gemeinschaftunterkunft oder in einer Wohnung unter. Die Stadt- und Landkreise sind für die Unterbringung zuständig.
Eine vertiefte Analyse der Unterbringungssituation von Geflüchteten in den Kommunen haben Boris Kühn und Julian Schlicht für eine Expertise im Auftrag des MEDIENDIENSTES durchgeführt. Zur STUDIE >>>
In der Kritik steht, dass es in Deutschland keine Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen gibt, die für alle Bundesländer gleichermaßen gelten. In den Aufnahmegesetzen einzelner Bundesländer ist lediglich von einem "menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen" (Baden-Württemberg) beziehungsweise einem "menschenwürdigen Aufenthalt ohne gesundheitliche Beeinträchtigung" (Hessen) die Rede.
Mindeststandards für die Unterbringung von Geflüchteten in den Bundesländern (Stand: Juli 2023)
Baden-Württemberg
Das baden-württembergische Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) verordnet seit dem 1. Januar 2016 mindestens sieben Quadratmeter durchschnittliche Wohn- und Schlaffläche pro Person in den vorläufigen Unterbringungen der Landkreise. Außerdem soll aufgrund der Lage und Beschaffenheit der Unterkünfte eine Beteiligung der Bewohner*innen am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. „In besonderen Zugangssituationen“, so das Gesetz weiter, könne die oberste Aufnahmebehörde (das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg) von dieser Regelung abweichen41. Tatsächlich gilt seit dem Juni 2022 eine Mindestgröße von 4,5 Quadratmetern als ausreichend.
Bayern
Das Land Bayern hat keine bindenden Mindeststandards für Unterkünfte. Das Bayrische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gibt aber Leitlinien zur Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften und vergleichbaren dezentralen Unterkünften für Asylbewerber aus. Diese geben laut Präambel „den Rahmen vor für eine nach zeitgemäßen humanitären Maßstäben angemessene Unterbringung von Asylbewerbern“. Nach den Leitlinien soll die durchschnittliche Wohn- und Schlafraumfläche von sieben Quadratmetern pro vorgehaltenen Platz nicht unterschritten, und nicht mehr als vier Personen pro Raum untergebracht werden.
Berlin
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten in Berlin (LAF) hatte Mindeststandards in seinen Leistungs- und Qualitätsbeschreibungen geregelt. Noch 2021 wurde in einer mehrsprachigen Broschüre zu Rechten Pflichten und Ansprüchen von Bewohner*innen in LAF-Unterkünften unter anderem Mindestgröße von Zimmern benannt45. Die Größe für ein Ein-Bett-Zimmer beträgt neun Quadratmeter und steigt pro weiteres Bett im Zimmer um sechs Quadratmeter bis zu einer Größe von vier Betten und 27 Quadratmetern. In einem Raum sollen dabei nicht mehr als vier Personen leben. Bereits im Juli 2022 erklärte die damalige Sozialsenatorin Kipping jedoch, Qualitätsabstriche nicht ausschließen zu können. Im Frühjahr 2023 ist der Platz in Berliner Gemeinschaftsunterkünften so knapp geworden, dass Geflüchtete sogar im Schnitt vier Monate im Ukraine-Ankunftszentrum am Flughafen Tegel leben bleiben müssen, oder Menschen in Tempohomes genannten Wohncontainern unterkommen.
Brandenburg
In Paragraf 5 Abs. 6 seiner Landesaufnahmegesetz-Erstattungsverordnung (LaufnGErstV) räumt das Land Brandenburg sich die Möglichkeit ein, die Erstattung von Unterbringungskosten der Kommunen zu kürzen, wenn diese bestimmte Mindestbedingungen für Gemeinschaftsunterkünfte nicht umsetzen. Die Mindeststandards sehen unter anderem vor, dass für jede Person mindestens sechs Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen sollen, wobei „nach Möglichkeit“ nicht mehr als vier Personen in einem Wohnraum untergebracht werden sollen. Um die Kommunen zu entlasten, plant das Land jedoch, zukünftig weniger Menschen auf die Kommunen zuzuweisen und Geflüchtete stattdessen länger in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen des Landes unterzubringen. Ab Juli 2023 könnten Geflüchtete in Brandenburg ohne sichere Bleibeperspektive 18 statt wie bisher sechs Monate in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung untergerbacht werden, „geprüft wird, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um auch die nach Bundesrecht möglichen in Einzelfällen 24 Monate ausschöpfen zu können“, sagte außerdem Innenminister Michael Stübgen Anfang Juni.
Bremen
Im Land Bremen existieren keine festgeschriebenen Standards für die Unterbringung von Geflüchteten. „Im Idealfall verfügt jede Wohneinheit über eigene Sanitäreinrichtungen“ so der Senat im Jahr 2015 in seiner Antwort auf eine große Anfrage der Fraktion Die Linke. Der Flüchtlingsrat Bremen beklagt, die Unterbringungssituation sei in Bremen „schon seit Jahren katastrophal schlecht“.
Hamburg
Die Hansestadt Hamburg hat keine bindenden Standards für die Qualität von Unterbringungen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung veröffentlich, regelt aber bestimmte Qualitätsansprüche in einer Leistungsvereinbarung mit der Anstalt öffentlichen Rechts f & w – Fördern und Wohnen. Danach stehen pro Person mindestens sieben Quadratmeter zur Verfügung. Soweit möglich werden Zimmer mit zwei Personen belegt. Dies geht aus der Antwort des Senats auf eine große Anfrage mehrerer Abgeordneten im Jahr 2009 hervor, welche der Senat im Jahr 2019 in seiner Antwort auf eine weitere Anfrage als weiterhin gültig bezeichnet hat. Auch in Hamburg waren die Plätze in Unterkünften jedoch im Zuge der Zuwanderung aus der Ukraine nicht ausreichend, sodass neu angekommene Geflüchtete in Notunterkünften unterkommen.
Hessen
Das Land Hessen legt keine verbindliche Mindeststandards fest. Das Aufnahmegesetz des Landes spricht von „Unterkünften, die einen menschenwürdigen Aufenthalt ohne gesundheitliche Beeinträchtigung gewährleisten“ (§3 Abs. 1). Im Jahr 2020 bemängelte der Hessische Flüchtlingsrat die hohe Zahl der Personen, die in großen Gemeinschaftsunterkünften untergerbacht sind.
Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern schreibt die Gemeinschaftsunterkunftsverordnung – GUVO M-V vom 6. Juli 2021 eine ganze Reihe von Ausstattungsmerkmalen für kommunale Unterbringungen vor. Ziel ist dabei, eine „menschenwürdige“ Unterbringung, in der „insbesondere Gesundheit und sittliches Empfinden der Bewohner […] nicht beeinträchtig werden [dürfen]“ (§2). Der Paragraf 3 Abs. 1 -2 regelt: „Pro Bewohner soll die Wohn- und Schlafraumfläche von sechs Quadratmetern nicht unterschritten werden. In einem Raum sollen nicht mehr als sechs Bewohner untergebracht werden“. Paragraf 9 der GUVO M-V räumt schließlich dem Landesamt für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern Entscheidungsfreiheit über Ausnahmen von den Mindestanforderungen nach der Verordnung ein.
Niedersachsen
Es gibt in Niedersachsen keine landesweiten bindende Mindeststandards für die Unterbringung von Geflüchteten. Die Stadt Hannover hat in einer Verwaltungsvorschrift Standards für verschiedene Unterbringungsformen geregelt. Es gilt eine Mindestgröße pro Person von 10 Quadratmetern mit Ausnahme von Notunterkünften, in denen eine Größe von sechs Quadratmetern ausreicht. Auch die Stadt Osnabrück regelt einige Standards in ihrem Konzept zur Wohnraumversorgung und Integration von Flüchtlingen und strebt beispielsweise eine maximale Anzahl von zwei Personen pro Wohn- und Schlafraum in Gemeinschaftsunterkünften an. Im Zuge der Zuwanderung von Geflüchteten aus der Ukraine eröffnete auch die Stadt Osnabrück Notunterkünfte.
Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen gibt es keine bindenden Mindeststandards für die Unterbringung von Geflüchteten. Die Stadt Köln hat im Juli 2017 Mindeststandards zur Flüchtlingsunterbringung beschlossen, in denen vor allem Betreuungsschlüssen und eine bessere Koordinierung ehrenamtlicher Unterstützer*innen vor Ort geregelt sind.
Rheinland-Pfalz
Das Land macht keine Vorschriften für Mindeststandards in der Unterbringung von Geflüchteten und argumentierte in der Vergangenheit damit, das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nicht einschränken zu wollen.
Saarland
Im Saarland existieren keine Vorgaben oder Empfehlungen zu Mindeststandards.
Sachsen
Das Land gibt einige Vorschriften und Empfehlungen in einer Verwaltungsvorschrift Unterbringung. Dazu gehört die soll-Empfehlung von mindestens sechs Quadratmeter Schlaf- und Wohnraum pro Person. Es sollen außerdem nicht mehr als fünf Personen pro Raum untergebracht werden.
Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt geben Leitlinien von 2013 Empfehlungen bezüglich der Lage und Größe von Gemeinschaftsunterkünften. Die empfohlene Mindestgröße beträgt darin sieben Quadratmeter pro Person. Jedoch wurden die Mindeststandards nach diesen Leitlinien sowohl 2015 und 2016 als auch ab 2022 ausgesetzt.
Schleswig-Holstein
In einem Erlass des Innenministeriums Schleswig-Holstein vom Februar 2014 sind Mindeststandards für Gemeinschaftsunterkünfte verbindlich geregelt. Danach stehen jeder Person sechs Quadratmeter für den persönlichen Gebrauch zu.
Thüringen
In Thüringen regelt die Verordnung über Mindestbedingungen von Gemeinschaftsunterkünften verbindliche Vorgaben. Darin ist eine Wohn- und Schlaffläche von mindestens sechs Quadratmetern pro Person geregelt. Außerdem sollen „in der Regel“ nicht mehr als vier Personen pro Zimmer untergebracht werden.
Schutzkonzepte
Einige Bundesländer oder Städte verfügen ergänzend oder anstelle von gesetzlichen
Mindeststandards über ein Schutzkonzept für ihre Unterkünfte. Grundlage bietet dabei zumeist die Bundesinitiative Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften aus dem Jahr 2016.
Welche Leistungen bekommen Asylbewerber*innen?
Alleinstehende*r Asylbewerber*innen haben derzeit Anspruch auf insgesamt 410 Euro im Monat. Hinzu kommen Sonderleistungen bei Krankheit oder Schwangerschaft. Asylbewerber*innen, die sich ehrenmatlich engagieren, dürfen zudem Honorare bis 200 Euro erhalten.Quellen
Solange sie in Erstaufnahme-Einrichtungen wohnen, erhalten sie diesen Anspruch überwiegend als Sachleistungen. Danach, wenn sie in Gemeinschaftsunterkünften oder Mietwohnungen leben, erhalten sie überwiegend Geldleistungen. Geregelt wird das im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Auch abgelehnte Asylbewerber*innen können sie beziehen, solange sie noch in Deutschland sind.Quelle
Die seit 2019 bestehende Regelung, dass alleinstehende erwachsene Asylsuchende in Sammelunterkünften 10 Prozent weniger Geld erhalten, erklärte das Bundesverfassungsgericht im November 2022 für rechtswidrig.Quelle
Asylsuchende erhalten weniger als das Existenzminimum
Asylbewerber erhalten rund 18 Prozent weniger Sozialhilfe als Deutsche, bzw. anerkannte Geflüchtete und Flüchtlinge aus der Ukraine (410 EUR zu 502 EUR). Sobald sie als Geflüchtete anerkannt werden, erhalten sie das volle Bürgergeld. Dazu kommen bei einer Wohnung Hilfen für Miete und Heizung sowie eine eingeschränkte Krankenversorgung. Nach 18 Monaten haben Asylbewerber Anspruch auf sogenannte Analogleistungen, die weitgehend der Sozialhilfe gleichgestellt sind – vorausgesetzt, sie haben die Dauer des Aufenthalts nicht selbst "rechtsmissbräuchlich beeinflusst". Nach den Beschlüssen der Ministerpräsident*innenkonferenz vom 6. November 2023 sollen Asylbewerber*innen künftig für drei Jahre – und nicht mehr 18 Monate – die reduzierte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erwerben. Auch anerkannte Flüchtlinge und Geflüchtete aus der Ukraine sollen weniger Bürgergeld beziehen, wenn sie in Aufnahmeeinrichtungen der Länder wohnen.Quellen
Wann bekommen Geflüchtete Sach- oder Geldleistungen?
In den ersten Monaten nach Ankunft in Deutschland bekommen Geflüchtete hauptsächlich Sachleistungen: Essen, Kleidung, Hygieneprodukte und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung ("notwendiger Bedarf") erhalten sie direkt in den Erstaufnahme-Einrichtungen der Bundesländer. In den ersten Monaten haben diese Sachleistungen Vorrang vor Geld. An Bargeld erhalten sie meist nur ein "Taschengeld" von monatlich etwa 182 Euro für den "notwendigen persönlichen Bedarf". In manchen Bundesländern, wie in Bayern, erhalten sie auch ÖPNV-Tickets und Internet-Zugang als Sachleistungen und dafür weniger "Taschengeld" (105 Euro in "Anker"-Zentren).Quelle
Wenn Asylsuchende aus den Erstaufnahme-Einrichtungen ausziehen, erhalten sie für ihren "notwendigen Bedarf" vor allem Geldleistungen statt Sachleistungen. In einer Kommune angekommen, entscheidet die jeweilige Kommune selbst, wie Geflüchtete staatliche Leistungen erhalten. In einigen Bundesländern müssen sie monatlich ihr Geld in "Zahlstellen" der Sozialämter abholen, in anderen Bundesländern bekommen sie es überwiesen.
Manche Bundesländer setzen vor allem auf Geld-, andere stärker auf Sachleistungen. So zahlt Nordrhein-Westfalen rund drei Viertel der Grundleistungen als Geld aus. In Sachsen ist es umgekehrt: Dort werden mehr als drei Viertel der Grundleistungen als Sachleistungen ausgegeben (Quellen). Viele Kommunen sind in den letzten Jahren von Sachleistungen abgekommen, weil sie oft "riesige logistische Herausforderungen" und höhere Kosten für die Kommunen bedeuten.Quelle
Bezahlkarten für Geflüchtete
Bund und Länder planen, eine einheitliche Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen, so ein Beschluss im November 2023. Bisher gibt es in Deutschland noch kein funktionierendes Bezahlkarten-System für Geflüchtete, wie eine MEDIENDIENST-Umfrage im Oktober 2023 in den Ländern gezeigt hat. Ein Pilotversuch in Erding wurde 2020 wegen der Wirecard-Pleite eingestellt. Nur in Bayern, Hamburg und der Stadt Hannover gibt es aktuell konkrete Pläne für Bezahlkarten.
Auch international gibt es nur wenige Beispiele zu Bezahlkarten-Systemen. In Frankreich erhalten Geflüchtete eine Debitkarte mit Guthaben, mit der sie in Geschäften bezahlen können. Geld-Abhebungen sind nicht möglich. In Großbritannien bekommen anerkannte Geflüchtete eine Debitkarte, die wöchentlich um rund 55 Euro pro Person aufgeladen wird. Abgelehnte Asylbewerber können damit nur bestimmte Dinge einkaufen.
Wie werden Asylbewerberleistungen berechnet?
Asylbewerber*innen erhalten ein "Bürgergeld mit Abzügen", also weniger als das Existenzminimum in Höhe des Bürgergelds. Zur Berechnung des Bürgergelds werden die monatlichen Durchschnitts-Ausgaben der ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung erhoben ("Statistik-Modell"). Davon werden im zweiten Schritt zahlreiche "nicht notwendige Waren" gestrichen ("Warenkorb-Prinzip"). So kommt man auf die sogenannten Regelbedarfe – also ein Existenz-Minimum, das mit dem Bürgergeld abgesichert werden soll. Zum Beispiel erhalten Bürgergeld-Empfänger*innen kein Geld für Alkohol, Tabak, Haustiere oder Blumen, für Hotel-Übernachtungen, Anwaltskosten oder für Grabpflege.Quelle
Bei Asylbewerber*innen werden noch weitere Beträge abgezogen – besonders für Strom, Hausrat, Möbel oder Computer. Die Begründung: Viele lebten in Unterkünften, wodurch einige Kosten der übrigen Bevölkerung wegfielen. Darüber hinaus erhalten sie kein Geld zum Beispiel für Musik- oder Sportkurse. Forscher kritisieren, dass nicht transparent sei, warum Beträge gekürzt würden. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat das in einer Entscheidung von 2012 grundlegend kritisiert.Quelle
Wenn alleinstehende Asylbewerber*innen in Gemeinschaftsunterkünften leben, bekommen sie häufig dieselben Leistungen wie Paare. Faktisch bedeutet das eine Kürzung um zehn Prozent. Viele Kommunen behalten diese Kürzung bei, obwohl sie 2022 für verfassungswidrig erklärt wurde.Quelle
Wie viele Personen beziehen Asylbewerberleistungen?
Die Ausgaben für Asylbewerberleistungen sind 2022 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen: Insgesamt beliefen sie sich auf rund 6,48 Milliarden Euro. Das sind etwa 52 Prozent mehr als 2021. Ein Grund für den Anstieg sind auch vorübergehend gezahlte Leistungen für Geflüchtete aus der Ukraine. Quelle
Zahlen zu Empfänger*innen von Aysbewerberleistungen liegen aus dem Jahr 2021 vor: Zum Stichtag 31.12.2021 bezogen rund 398.600 Personen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Etwa 62 Prozent von ihnen waren noch im Asylverfahren. Rund 24,3 Prozent hatten eine Duldung und etwa vier Prozent waren vollziehbar ausreisepflichtig. Weniger als ein Prozent hatten bereits eine Aufenthaltserlaubnis.
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Leistungsempfänger*innen um 4,3 Prozent – das erste Mal, dass diese Zahl seit 2016 gestiegen ist. Anerkannte Flüchtlinge erhalten gegebenenfalls andere Sozialleistungen wie etwa Arbeitslosengeld II.Quelle
Gesundheitsversorgung von Geflüchteten
Asylbewerber*innen erhalten für die Dauer ihres Verfahrens laut Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eine eingeschränkte medizinische Versorgung für:
- akut behandlungsbedürftige Erkrankungen,
- chronischen Erkrankungen wie Diabetes,
- Schwangerschaft und Geburt,
- die von den gesetzlichen Krankenkassen empfohlenen Vorsorgen und Impfungen sowie
- im Einzelfall Zahnersatz.Quellen
Die Gesundheitsversorgung von Asylbewerber*innen fällt in den Verantwortungsbereich der Bundesländer und Kommunen, die diese Aufgabe unterschiedlich organisieren. Häufig benötigen Asylbewerber*innen für einen Arztbesuch einen Behandlungsschein, den das Sozialamt ausstellt. Teils müssen sie für jeden Arztbesuch einen neuen Schein beantragen, manchmal erstellen die Sozialämter den Schein pauschal für drei Monate. Ausnahmen gelten bei Notfällen.Quellen
Mehrere Bundesländer und einzelne Kommunen sind dazu übergegangen, Asylbewerber*innen eine elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Das soll den Zugang zum medizinischen System verbessern und Verwaltungskosten reduzieren. Nach 18 Monaten steht Asylbewerber*innen nahezu dieselbe medizinische Versorgung zu wie gesetzlich Versicherten, so eine Übersicht des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen.Quelle
Zur gesundheitlichen Situation von Geflüchteten gibt es nur wenige Studien. Aktuelle Erhebungen zeigen: Traumatische Erfahrungen vor und während der Flucht oder das Leben in Gemeinschaftsunterkünften können sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken.Quelle
Es gibt Hinweise, dass Geflüchtete stärker von psychischen Erkrankungen betroffen sind: Rund 30 Prozent zeigten Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), rund 40 Prozent depressive Symptome. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher*innen nach der Auswertung von mehr als 30 Studien zum Thema. Bei einer Interpretation der Ergebnisse sei allerdings Vorsicht geboten: Die Zahlen hingen zum Beispiel stark davon ab, wann man welche Gruppe von Geflüchteten befrage.Quelle
Was sind Wohnsitzauflage und Residenzpflicht?
Solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung leben, dürfen Asylbewerber nicht ohne Genehmigung den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde verlassen (sogenannte Residenzpflicht).
In einer solchen Einrichtung bleiben Asylbewerber sechs Wochen bis maximal sechs Monate, je nachdem, ob wie viele Plätze verfügbar sind. Danach werden sie in der Regel in eine Anschlussunterbringung vermittelt. Damit endet die Residenzpflicht. Selbst wenn das nicht geschieht, sind sie nach sechs Monaten von der Residenzpflicht befreit. Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten gilt die Residenzpflicht bis zum Ende des Asylverfahrens.Quelle
Für anerkannte Flüchtlinge gilt nach dem Integrationsgesetz eine Wohnsitzauflage: Sie müssen bis zu drei Jahre lang in dem Bundesland wohnen bleiben, in dem ihr Asylverfahren durchgeführt wurde, sofern sie nicht einen Job oder Ausbildungsplatz nachweisen können. Darüber hinaus kann ihnen innerhalb eines Bundeslands ein Wohnort zugewiesen werden (Wohnsitzzuweisung) oder der Zuzug in einen bestimmten Wohnort untersagt werden (Zuzugssperre). Nur sieben Bundesländer haben die Wohnsitzauflage durchgesetzt (Stand: Januar 2020). Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist umstritten. Experten des SVR-Forschungsbereichs fordern zum Beispiel, dass die Bundesländer bei der Verteilung stärker als bislang auf die Situation am Arbeits-, Ausbildungs- und Wohnungsmarkt vor Ort achten sollten.
Frauen in Flüchtlingsunterkünften
Mehr als 40 prozent aller Asylsuchenden sind Frauen und Mädchen. Viele von ihnen fliehen vor geschlechtsspezifischer Gewalt oder erleben Übergriffe während der Flucht.
Auch in deutschen Unterkünften kommt es zu Übergriffen. Statistiken hierzu gibt es nicht. Erfahrungsberichte von Sozialarbeiterinnen und Befragungen zeigen jedoch, dass Frauen häufig Gewalt erfahren. Im August 2016 veröffentlichte der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments (FEMM) eine Fallstudie zur Unterbringung von Frauen in München. Eine der wenigen bundesweiten Studien, die vorliegen, ist von 2004 und nicht repräsentativ. Beide Studien zeigen deutliche Tendenzen:
- Demnach gab eine große Mehrheit von knapp 80 Prozent der geflüchteten Frauen an, in Deutschland psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein,
- jede zweite sprach von körperlicher Gewalt
- und jede vierte berichtete von sexueller Gewalt. Die Täter waren demnach Beziehungspartner, fremde Personen, Mitbewohner sowie Personal in Unterkünften.Quelle
Eine repräsentative Befragung geflüchteter Frauen der Berliner Charité von März 2017 zeigt: 26 Prozent fühlen sich in den Unterkünften aufgrund von Sprache oder Religion diskriminiert. 21 Prozent erleben die Atmosphäre der Unterkunft als problematisch, dazu zählen sowohl Lärmbelastung als auch Gewalterfahrungen vor Ort. Ebenfalls 21 Prozent beschreiben ein respektloses Klima.Quelle
2016 haben das Bundesfamilienministerium und UNICEF Mindeststandards für ein Schutzkonzept in Flüchtlingsunterkünften herausgegeben. Im Juni 2017 wurden sie überarbeitet und sind hier abrufbar. Vor allem "besonders schutzbedürftige" Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftunterkünften sollen davon profitieren. Zu ihnen zählen unter anderem Schwangere und alleinerziehende Mütter mit minderjährigen Kindern sowie Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Verpflichtend ist die Einführung eines Schutzkonzepts für Heimbetreiber jedoch nicht. Ein Gesetzentwurf, der die Verpflichtung umsetzen würde, liegt vor, aber ist noch nicht im Bundesrat beschlossen worden (Stand: Juli 2017).
Seit 2016 gibt es in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen Unterkünfte, die speziell für alleinreisende und alleinerziehende Frauen eingerichtet sind.
Geschlechtsspezifische Verfolgung bedeutet laut UNHCR, dass das Geschlecht die Art der Verfolgung beeinflusst, etwa sexuelle Gewalt wie zum Beispiel Vergewaltigung, Zwangsheirat, Zwangssterilisation. Auch kann das Geschlecht den Grund für die Verfolgung darstellen, etwa bei Genitalverstümmelung, Gewalt in der Familie, Bestrafung wegen Ehebruchs oder Homosexualität oder Frauenhandel. Seit dem Zuwanderungsgesetz 2005 kann sie in Deutschland als Grund geltend gemacht werden, um Asyl zu erlangen. Rechtlich fällt geschlechtsspezifische Verfolgung unter die Kategorie "Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Laut Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge haben im Jahr 2016 rund 18.800 Personen Flüchtlingsschutz aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung erhalten. Zum Vergleich: 2015 waren es rund 1.300 Menschen.
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EU-Asylpolitik Strenge Regeln für Asylverfahren in "Drittstaaten"
In den Debatten über Einschränkung der Fluchtmigration nach Europa wird immer öfter die Forderung laut, Asygesuche außerhalb der EU-Grenzen zu bearbeiten. Welche Modelle stehen zur Debatte – und ist das mit EU-Recht kompatibel?
How To Über Klimawandel und Migration berichten
Die Datenlage zum Thema Klimawandel und Migration ist komplex und lückenhaft. Das MEDIENDIENST How To ordnet aktuelle Prognosen, Zahlen, Daten und Studien ein und gibt Empfehlungen zur Berichterstattung.
Jordanien "Jede zehnte Person ist ein Flüchtling"
Jordanien gehört weltweit zu den Ländern, die am meisten Geflüchtete im Verhältnis zur Bevölkerung aufnehmen. Wegen des Nahost-Kriegs könnten noch mehr Kriegsflüchtlinge ins Land kommen. Der Soziologe Albert Scherr untersucht in der Hauptstadt Amman die Lebensbedingungen von Geflüchteten.