Beratung
Rassismus
Das Verständnis von Rassismus ist in Deutschland stark an den Nationalsozialismus gekoppelt. Doch Rassismus ist kein Synonym für Rechtsextremismus. Vor allem die Diskussion über "Racial Profiling", islamfeindliche Straftaten oder die Forderungen rechtspopulistischer Parteien haben die Frage aufgeworfen, was Rassismus im 21. Jahrhundert bedeutet.
Was ist Rassismus?
Rassismus liegt vor, wenn Menschen aufgrund tatsächlicher oder vermeintlicher Merkmale (z.B. Hautfarbe, Herkunft, Religion) als homogene Gruppen konstruiert, negativ bewertet und ausgegrenzt werden. In der Regel wird zwischen zwei Formen von Rassismus unterschieden:
- Der "klassische" Rassismus behauptet eine Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen aufgrund der oben genannten Merkmale.
- Der sogenannte Neorassismus oder Kulturrassismus dagegen argumentiert mit kulturellen Zuschreibungen wie etwa "die Muslime" oder "die Roma", die mit ihren Werten und Traditionen nicht "zu uns passen".
Lesenswert:
– Die "Bundeszentrale für politische Bildung" zeichnet in einem Dossier die Geschichte des Rassismus-Begriffs nach und gibt einen Überblick über verschiedene Definitionen.
– Informationen zum Thema bietet auch die Website "Belltower News".
Was ist struktureller Rassismus?
Beim strukturellen Rassismus geht es nicht um eine Interaktion zwischen zwei Menschen, sondern um rassistische Strukturen und Entscheidungsabläufe. Es handelt sich also um Routinen, die so ausgestaltet sind, dass überdurchschnittlich und regelmäßig Schwarze Menschen und PoC benachteiligt werden.Quelle
Da struktureller Rassismus in Routinen und Abläufen angelegt ist, ist die Benachteiligung – anders als bei einzelnen rassistischen Äußerungen – oft schwer zu erkennen. Die einzelne Person entscheidet sich nicht notwendigerweise bewusst dafür, eine Gruppe zu benachteiligen, sondern die Strukturen einer Institution – wie Schule oder Polizei – führen dazu. Fachleuten zufolge äußert sich struktureller Rassismus unter anderem in folgenden Bereichen:
Beispiel Schule
- Umgang mit Spracheniveaus: Viele schulische Routinen – wie etwa die Notenvergabe – sind nach Kindern ausgerichtet, die mit Deutsch als Erstsprache aufwachsen. Schüler*innen, deren Erstsprach nicht Deutsch ist, werden daher in allen Fächern – und nicht nur in Deutsch – schlechter bewertet als sie eigentlich sind. Oft erhalten sie nicht die notwendige Unterstützung, um gleichberechtigt am Unterricht teilzuhaben.
- Gymnasialempfehlung: Kinder, die erst im Kindergarten Deutsch lernen, brauchen Zeit, um sprachlich aufzuholen. Die haben sie nicht, da schon in der vierten Klasse selektiert wird. Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch nicht so weit mit der Sprache – und bekommen dann keine Gymnasialempfehlung. Die Folgen sind weitreichend: Schlechteres Abschlusszeugnis, niedrigerer Bildungsabschluss, geringere Erwerbsmöglichkeiten.
- Schulbücher: Schulbücher gehen oft von einer homogenen weiß-christlich-deutschen Schüler*innenschaft aus. Dort werden zum Beispiel Aufgaben gestellt, in denen sich die Schüler*innen mit dem Islam als fremder, problematischer Religion beschäftigen sollen. Muslimische Schüler*innen und Schüler werden dadurch ausgegrenzt.Quelle
Beispiel Polizei
Die Polizei darf Menschen nicht anlasslos wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale kontrollieren. Dieses sogenannte Racial Profiling ist in Deutschland verboten. Dennoch gehört für viele Schwarze Menschen in Deutschland Racial Profiling zum Alltag: Eine Studie der EU-Grundrechteagentur im Jahr 2017 zeigte, dass 14 Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland in den vorangegangenen fünf Jahren Racial Profiling erlebt haben. Expert*innen zufolge ist das nicht nur auf Vorurteile einzelner Beamt*innen zurückzuführen. Wahrscheinlich begünstigen auch Strukturen in der Polizei das Racial Profiling. Unter anderem deshalb sprechen sich derzeit viele Wissenschaftler*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Betroffene für eine Studie zu Racial Profiling aus.Quelle
Wie verbreitet ist Rassismus in der Gesellschaft?
Mehrere repräsentative Umfragen weisen darauf hin, dass rassistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet sind:
- Laut einer repräsentativen Studie des Rassismus-Monitors des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) vom Mai 2022 sind rassistische Einstellungen weit verbreitet: Fast die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent) glaubt noch an die Existenz menschlicher "Rassen". Ein Drittel der Bevölkerung (33 Prozent) findet, dass einige Völker oder ethnische Gruppen "von Natur aus fleißiger" seien als andere. 90 Prozent der Bevölkerung sind der Ansicht, dass es in Deutschland Rassismus gibt, 61 Prozent, dass Rassismus Alltag in Deutschland ist. Mehr als ein Fünftel (22 Prozent) der Bevölkerung hat bereits selbst Rassismus erfahren. 58 Prozent aller Angehörigen von rassifizierten Gruppen berichtet von eigenen Rassismuserfahrungen. Fast die Hälfte der Bevölkerung (45 Prozent) hat schon einmal einen rassistischen Vorfall beobachtet. Ein Interview mit dem Leiter der Studie findet sich hier.Quelle
- Laut "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung 2022/2023 vertreten 16,2 Prozent der Bevölkerung rassistische Auffassungen – das heißt, sie werten Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft ab. Damit hat sich der Anteil der Menschen mit rassistischen Einstellungen seit der vorangegangenen Erhebung vor zwei Jahren mehr als verdreifacht (2021/22: rund 5 Prozent). Jede*r Vierte stimmte der Aussage zu: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen", weitere knapp 30 Prozent stimmten teilweise zu, ohne sich davon zu distanzieren.Quelle
- Die "Autoritarismus-Studie" der Universität Leipzig aus dem Jahr 2022 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Demnach stimmen 17 Prozent der Bevölkerung den folgenden Aussagen überwiegend oder voll zu: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen", "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken" und "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet".Quelle
Warum kommen die "Autoritarismus"-Studie und die "Mitte"-Studie zu unterschiedlichen Ergebnissen?
Es gibt mehrere Studien, die rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung untersuchen. Die beiden größten Studien sind die Mitte-Studie (Friedrich-Ebert-Stiftung und Universität Bielefeld) und die Autoritarismus-Studie (Heinrich-Böll-Stiftung und Universität Leipzig). Beide sind repräsentativ, werden jeweils etwa alle zwei Jahre durchgeführt und erscheinen abwechselnd. Obwohl sie teilweise exakt dieselben Fragestellungen haben, kommen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dies liegt an den unterschiedlichen Befragungsmethoden: Bei der Autoritarismus-Studie und der Studie zu rechtsextremen Einstellungen in Ostdeutschland kommen die Forschenden zu den Befragten nach Hause und übergeben ihnen einen Papierfragebogen. Die Befragten beantworten die Fragen schriftlich und können im Anschluss den Fragebogen in einem verschlossenen Briefumschlag zurückgeben. So erfahren die Forschenden nicht, welche Antworten die Befragten geben. Die Befragung der Mitte-Studie hingegen wird telefonisch durchgeführt: Hier müssen die Befragten den Forschenden direkt sagen, was sie denken. In den Telefoninterviews fällt die Zustimmung zu vielen Aussagen anders aus, da die Menschen ihre Ansichten einer fremden Person gegenüber am Telefon nicht so offen zugeben. Die Autor*innen der Mitte-Studie gehen zudem davon aus, dass rechtsextreme oder wissenschaftsfeindliche Personen seltener an derartigen Studien teilnehmen. Das führe dazu, dass die Mitte-Studie das Ausmaß rechtsextremer Einstellungen eher unterschätze.Quelle
Wie viele rassistische Straftaten gibt es?
2022 zählte das Bundesinnenministerium 10.038 "fremdenfeindliche" Straftaten. Das sind neun Prozent mehr Delikte als im Vorjahr und ein neuer Höchststand. Rund 84 Prozent der "fremdenfeindlichen" Straftaten 2022 waren politisch rechts motiviert (8.408 Delikte).Quelle
Die Bezeichnung "fremdenfeindlich" wird von Fachleuten kritisiert, da es sich bei Betroffenen von Rassismus nicht notwendigerweise um "Fremde" (etwa Ausländer*innen) handelt, sondern zum Beispiel um Schwarze Deutsche oder Deutsche mit Einwanderungsgeschichte. Der Begriff grenze aus, weil er vorgibt, dass die Personen, gegen die sich die feindliche Einstellung richtet, fremd und nicht Teil der deutschen Gesellschaft seien. Korrekter wäre der Begriff "rassistische" Straftaten. Das Bundesinnenministerium benutzt den Begriff der "rassistischen" Straftaten zwar auch. Darunter fallen aber nur ein Teil der "fremdenfeindlichen" Straftaten: nämlich solche, bei denen sich die Motivlage auf die zugeschriebene oder tatsächliche ethnische Zugehörigkeit und/oder Hautfarbe des Opfers bezieht.Quelle
Wie aussagekräftig sind behördliche Zahlen?
In einer Expertise für den MEDIENDIENST schreibt die Rechtsanwältin Kati Lang: Viele rassistische Straftaten tauchen in der Statistik des BMI nicht auf. Das liege unter anderem daran, dass viele Betroffene Vorfälle nicht anzeigen. Zudem seien Polizeibehörden nicht ausreichend für Rassismus sensibilisiert, um rassistische Straftaten als solche zu erkennen. Opferberatungsstellen erfassen daher deutlich mehr Delikte als die Behörden, so Lang.Quelle
Zahlen zu rassistischen Gewalttaten veröffentlicht auch der "Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt" (VBRG). Erfasst sind hier aber nur Taten in zehn Bundesländern. 2022 zählte der VBRG 1.088 rassistische Gewalttaten. Sie richteten sich überwiegend gegen Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung und Schwarze Deutsche.Quelle
Wie können Betroffene reagieren?
Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zeigt: Betroffene von Rassismus können sich oft nicht richtig zur Wehr setzen. Für die Studie wurden 2.528 Fälle rassistischer Diskriminierung ausgewertet. Nur knapp ein Viertel der Betroffenen hat die Diskriminierung bei einer Antidiskriminierungsstelle gemeldet, öffentlich auf die Diskriminierung aufmerksam gemacht oder Klage eingereicht. Als mögliche Ursachen nennen die Forscher*innen strukturellen Rassismus und die Angst der Betroffenen, als "Problemverursacher" zu gelten.Quelle
Angriffe gegen Flüchtlinge
Angriffe gegen Flüchtlinge
Im ersten Halbjahr 2023 gab es vorläufigen Angaben zufolge 704 Angriffe gegen Geflüchtete und 80 Angriffe auf Unterkünfte. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: Im ersten Halbjahr 2022 waren es 544 Angriffe auf Geflüchtete und 52 Angriffe auf ihre Unterkünfte.Quelle
Insgesamt gab es 2022 nach Angaben der Bundesregierung 1.420 politisch motivierte Angriffe auf Asylsuchende und Geflüchtete. Die meisten dieser Straftaten (83 Prozent) waren politisch rechts motiviert. Mit einem Zuwachs um 69 Prozent ist die Zahl der Straftaten gegen Asylunterkünfte (120) im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Auch die Zahl der Gewaltdelikte gegen Geflüchtete nahm zu, sie stieg um 22 Prozent auf 278.Quelle
Im Jahr 2021 gab es 1.254 solcher politisch motivierten Delikte, so die Angaben der Bundesregierung. Bei einem Großteil handelte es sich um Delikte gegen Geflüchtete außerhalb ihrer Unterkünfte (1.184). Bei allen Straftaten wurden insgesamt 165 Personen verletzt, unter ihnen befanden sich auch 10 Kinder. Die meisten dieser Straftaten (mehr als 90 Prozent) zählen die Behörden in den Bereich der politisch rechts motivierten Kriminalität (PMK-rechts).Quelle
Eine Langzeitauswertung der Amadeu Antonio Stiftung zeigt, dass Angriffe gegen Flüchtlinge nur unzureichend von den Behörden registriert werden. Das Problem werde dadurch verharmlost.Quelle
Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte
Eine Recherche des Südwestrundfunks und Bayerischen Rundfunks zeigt, dass Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte nur selten gerichtlich geahndet werden. Zwischen 2015 und 2018 hätten die Innenministerien der Bundesländer insgesamt 2.558 politisch motivierte Übergriffe auf Asylunterkünfte registriert, jedoch kam es in nur 206 Fällen zu Verurteilungen. Die Aufklärungsquote liege daher bei unter zehn Prozent.Quelle
Antimuslimischer Rassismus
Was ist antimuslimischer Rassismus?
"Antimuslimischer Rassismus" steht für die pauschale Abwertung und Diskriminierung von Menschen, die als Muslim*innen wahrgenommen werden. Verwandte und synonyme Begriffe sind "Muslimfeindlichkeit, "Islamfeindlichkeit" oder "Islamophobie".Quelle
Der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit hat 2023 in einem umfassenden Bericht antimuslimische Einstellungen in Deutschland und Diskriminierung in Bereichen wie Politik, Bildung, Kultur und Alltag analysiert.Quelle
Weitere Zahlen und Fakten zum Thema Antimuslimischer Rassismus bietet ein Informationspapier, das der MEDIENDIENST im März 2021 zusammengestellt hat.
Antimuslimische Straftaten
Im ersten Halbjahr 2023 registrierten die Behörden Medienberichten zufolge 258 Straftaten gegen Muslim*innen oder Moscheen (Stand: 30. Juni 2023). Dazu zählen unter anderem Beleidigungen, Körperverletzung und Volksverhetzung. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen: Im ersten Halbjahr 2022 waren es 142 solcher Straftaten. Die Angaben sind vorläufig, es können Nachmeldungen folgen.Quelle
Im Jahr 2022 zählte das Bundesinnenministerium (BMI) bundesweit 610 islamfeindliche Straftaten, etwa 87 Prozent davon waren rechts motiviert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der islamfeindlichen Straftaten um rund 17 Prozent zurückgegangen: Im Jahr 2021 erfasste das BMI 732 Delikte. Beratungsstellen für Betroffene antimuslimischer Gewalt sehen darin keine Entwarnung. Anfeindungen gegen Muslim*innen seien weit verbreitet, die Fachleute gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.Quelle
Zu islamfeindlichen Straftaten gehören auch Angriffe auf Moscheen. Im Jahr 2022 erfasste das BMI 62 Straftaten gegen Moscheen. Dazu zählten hauptsächlich Sachbeschädigungen und Propagandadelikte. Etwa 58 Prozent der Delikte waren rechts motiviert. Die Zahl der Angriffe ist um rund 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen: 2021 waren es 54 Moscheeangriffe.Quelle
Nicht alle antimuslimischen Vorfälle werden angezeigt oder von den Behörden als islamfeindlich erkannt. Die Europäische Grundrechteagentur (FRA) stellte 2018 in einer Studie fest, dass nur 12 Prozent der Betroffenen muslimfeindliche Vorfälle und Straftaten melden.Quelle
Das Bündnis Claim stellte 2023 erstmals ein zivilgesellschaftliches Lagebild zu antimuslimischem Rassismus vor. Für 2022 erfasste Claim 898 strafbare und nicht strafbare antimuslimische Vorfälle. Dazu zählen Beleidigungen, Körperverletzungen oder Bedrohungen. Besonders betroffen sind muslimische Frauen.Quelle
Die Organisation FAIR International dokumentiert Angriffe auf Moscheen auf der Webseite #brandeilig – und kommt dabei teils zu deutlich höheren Zahlen als das Bundesinnenministerium. 2022 hat die Organisation rund 70 Übergriffe erfasst (2021: 63, 2020: 148). Der islamische Dachverband DITIB erfasste 2022 in einer eigenen Erhebung 35 Angriffe auf Moscheen (2021: 44, 2020: 111).Quelle
Warum gibt es unterschiedliche Zahlen zu Moscheeangriffen?
Behörden, DITIB und #brandeilig verwenden unterschiedliche Definitionen von "Moscheen" und "Angriffen". Die Behörden haben eine enge Definition von "Moscheen" und zählen nur Straftaten. DITIB zählt auch Angriffe auf Gebetsräume in öffentlichen Einrichtungen (z.B. Flughäfen, Krankenhäuser und Universitäten) sowie Fälle, die nicht strafrechtlich relevant sind. #brandeilig zählt auch Angriffe gegen Einrichtungen, die von den Täter*innen als islamisch wahrgenommen werden, als Moscheeangriffe.Quelle
Antimuslimische Einstellungen
Mehrere repräsentative Untersuchungen zeigen: Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber Muslim*innen und "dem Islam" sind weit verbreitet.
- Mehr als jede*r Dritte (37,9 Prozent) stimmt der Aussage zu, sich "durch die vielen Muslime [...] wie ein Fremder im eigenen Land" zu fühlen. Das geht aus der Leipziger Autoritarismus Studie 2022 hervor. Zudem gibt mehr als ein Viertel (28,5 Prozent) der Befragten an, dass Muslim*innen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte. In den ostdeutschen Bundesländern meinen das laut einer weiteren Studie der Universität Leipzig 2023 sogar 47,4 Prozent.Quelle
- Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten empfindet den Islam als bedrohlich. Das geht aus dem „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung 2019 hervor. 13 Prozent der Befragten wollen Muslim*innen die Zuwanderung untersagen (11 Prozent im Westen, 20 Prozent im Osten). 2017 waren es noch 20 Prozent. Damals gaben zudem mehr als 40 Prozent der Befragten an, sie hätten etwas dagegen, wenn ein Muslim oder eine Muslimin in die Familie einheiraten würde.Quelle
- Rund 37 Prozent der Bevölkerung lehnen eine*n muslimische*n Bürgermeister*in in ihrer Gemeinde ab. Das geht aus der ALLBUS-Studie des GESIS-Instituts 2022 hervor. In einer Umfrage der Evangelischen Kirche von 2018 gaben rund 45 Prozent der Befragten an, dass sie etwas gegen eine*n muslimische*n Bürgermeister*in in ihrer Gemeinde hättenQuelle
- Wer Muslim*innen persönlich kennt, neigt eher dazu, eine positive Meinung über sie zu haben. Das geht aus einer 2018 veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center aus den USA hervor. Die "Kontakthypothese", wonach persönliche Kontakte gegen Vorurteile helfen, wird auch durch weitere Studien gestützt.Quelle
Diskriminierungserfahrungen von Muslim*innen
Zwischen 2006 und 2022 haben sich 1.026 Personen an die Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, die sich wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit benachteiligt fühlten. 2022 und 2021 waren es jeweils rund 150 Personen (2022: 153, 2021: 154). Die meisten Betroffenen berichteten von Diskriminierungen im Bereich Arbeit. Darauf folgten Diskriminierungserfahrungen bei Dienstleistungen sowie im Bereich Bildung.Quelle
Muslim*innen sind häufig von Mehrfachdiskriminierungen betroffen. Das heißt, dass sie sowohl wegen ihrer Religion als auch etwa ihrer Herkunft, Hautfarbe oder ihres Geschlechts diskriminiert werden. Zahlen zur Diskriminierung von Muslim*innen findet man hauptsächlich in Studien zur Diskriminierung von Migrant*innen oder Menschen mit Migrationshintergrund, die auch die Religionszugehörigkeit erfassen.Quelle
- Besonders häufig erleben Muslim*innen Diskriminierung bei der Arbeitssuche. Laut einer Studie des WZB Berlin 2018 bekommen Muslim*innen deutlich weniger positive Rückmeldungen auf ihre Bewerbungen als andere Bewerber*innen. Eine Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) von 2016 zeigte, dass besonders Frauen mit einem türkisch klingenden Namen benachteiligt werden, die ein Kopftuch tragen. Auch andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.Quelle
- In einer Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) 2018 gab ein Drittel der Befragten an, Diskriminierung bei der Arbeitsplatzsuche erfahren zu haben, da sie sichtbare religiöse Symbole getragen haben. Ein Viertel erlebte Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft beziehungsweise der Migrationsgeschichte. Jede*r zehnte Befragte wandte sich nach einem Vorfall an die Polizei.Quelle
- Die zweite Generation muslimischer Zuwanderer*innen berichtet häufiger von Diskriminierung als die erste Generation: Während sich in der ersten Zuwanderungsgeneration 15 Prozent aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert fühlen, sind es in der Nachfolgegeneration 22 Prozent. Dies geht aus einer Studie der FRA von 2018 hervor. Unterschiede in der Wahrnehmung von Diskriminierung können laut einer Studie aus dem Jahr 2017 darauf zurückgeführt werden, dass die Angehörigen der zweiten Generation einen stärkeren Gleichheitsanspruch entwickelt haben und stärker für Diskriminierung sensibilisiert sind.Quelle
Beratungsstellen für Betroffene
Es gibt kaum Beratungsstellen, die sich direkt an Betroffene von antimuslimischem Rassismus und Islamfeindlichkeit richten. Das geht aus einer 2021 veröffentlichten Kurzstudie der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit CLAIM hervor. Sie zeigt auch, dass die Hälfte der insgesamt 79 befragten Organisationen kein Verfahren hat, um antimuslimischen Rassismus zu erfassen. Zwar geben die meisten Stellen an, dass ihr Beratungsteam zum Themenfeld ausreichend qualifiziert sei. Die Studienautorinnen schätzen das als nicht ausreichend ein und fordern mehr auf antimuslimischen Rassismus spezialisierte Beratungs- und Personalstellen in den Bundesländern.Quelle
Antimuslimische Stereotype in den Medien
Studien zeigen, dass die Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen oft stereotyp und negativ ist. "Der Islam" taucht häufig in Zusammenhang mit Terrorismus als Bedrohung auf. Muslim*innen werden oft als rückschrittlich, fremd oder bedrohlich dargestellt.
>> Zahlen und Fakten dazu finden Sie in unserer Rubrik "Der Islam" und Muslim*innen in den Medien.
Antiziganismus
Was ist Antiziganismus?
Antiziganismus ist ein spezifischer Rassismus gegen Menschen, die als Sinti*zze und Rom*nja wahrgenommen werden. Eine Befragung zu Antiziganismus unter den deutschen Sinti*zze und Rom*nja veröffentlichte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma 2006. Dabei gaben 76 Prozent der Befragten an, bei der Arbeit, von Nachbar*innen, in Gaststätten oder an anderen Plätzen schon häufiger diskriminiert worden zu sein.Quelle
Antiziganistische Vorfälle und Straftaten
Im Jahr 2022 zählten die Behörden bundesweit 145 antiziganistische Straftaten – das ist der höchste Stand seit Beginn der Erfassung. Darunter waren zwölf Gewaltdelikte. 2021 waren es 109 Straftaten. Antiziganistische Straftaten werden seit 2017 in der Statistik zur "Politisch Motivierten Kriminalität" erfasst.Quelle
Seit Juli 2022 erfasst die Melde- und Informationsstelle Antizigansimus (MIA) bundesweit antiziganistische Vorfälle und Straftaten. Für 2022 registrierte sie 621 antiziganistische Vorfälle. Unter den Vorfällen gab es einen Fall extremer Gewalt, 17 Angriffe, vier Sachbeschädigungen, 11 Bedrohungen, 343 antiziganistische Diskriminierungen – etwa auf dem Arbeitsmarkt – und 245 Fälle verbaler Angriffe.Quelle
Für Berlin erfasst die Dokumentationsstelle für Antiziganismus (DOSTA) des Vereins Amaro Foro seit 2014 antiziganistische Vorfälle. Für 2022 meldete DOSTA 225 Vorfälle – ein Anstieg um 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (147 Fälle). Seit 2014 verzeichnet die Dokumentationsstelle damit insgesamt 1.289 Anfeindungen, Angriffe oder rassistische Propaganda gegenüber Sinti*zze und Rom*nja in Berlin. Amaro Foro führt den Anstieg der Zahlen auf eine erhöhte Sensibilität für Antiziganismus zurück, geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Ein Drittel der 2022 gemeldeten Fälle fand im öffentlichen Raum wie dem Nahverkehr statt. Fast jeder vierte Fall ereignete sich in Leistungsbehörden wie etwa dem Jobcenter. Quelle
Studien: Antiziganistische Einstellungen und Erscheinungsformen
Aus mehreren Studien geht hervor, dass Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber Sinti*zze oder Rom*nja in der Gesellschaft weit verbreitet sind.
In der Leipziger Autoritarismus Studie von 2022 geben rund 40 Prozent der Befragten an, sie hätten Probleme damit, wenn sich Angehörige der Minderheit in ihrer Umgebung aufhielten. Außerdem teilen 44 Prozent der Befragten die Auffassung, dass Sinti*zze und Rom*nja zu Kriminalität neigen. Dabei gibt es zwischen Ost- und Westdeutschland signifikante Unterschiede: In Ostdeutschland stimmen rund 62 Prozent der letzten Aussage zu.Quelle
Die Unabhängige Kommission Antiziganismus (UAK) veröffentlichte 2021 einen umfassenden Bericht zu Geschichte, Ausprägung und Erscheinungsformen von Antiziganismus über verschiedenen gesellschaftliche Bereiche hinweg – unter anderem in Bildung, Berichterstattung und sozialen Medien. Thema des Berichts sind auch politische Maßnahmen gegen Antiziganismus.Quelle
Die einzige repräsentative Studie, die sich ausschließlich mit Einstellungen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja befasst, wurde 2014 von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlicht. Sie zeigt: Etwa jede*r dritte Deutsche will keine Sinti*zze oder Rom*nja als Nachbar*innen. Rund neun Prozent der Befragten zeigen ihnen gegenüber eine "starke" Abneigung, 16 Prozent eine "mittlere" Abneigung. Laut der Studie wird keine andere Minderheit so stark abgelehnt wie diese Gruppe.Quelle
Ähnliche Werte zeigt die "Mitte"-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2021. Demnach äußerten 29 Prozent der Bevölkerung Sinti*zze und Rom*nja gegenüber Antipathien. Außerdem stimmten 2021 gut 16 Prozent der Befragten abwertenden Aussagen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja zu, im Vergleich zu 23 Prozent aus der "Mitte"-Studie von 2019.Quelle
Antiziganismus in der Bildung
Einer Studie der Universität Duisburg-Essen 2022 zufolge diskriminierten angehende Lehrkräfte Kinder mit Sinti- oder Roma-Hintergrund bei Schulempfehlungen: Sie sprachen ihnen trotz gleicher Leistungen im Vergleich zu türkischstämmigen Kindern oder solchen ohne Migrationsgeschichte am häufigsten eine Hauptschulempfehlung aus.Quelle
Eine qualitative Studie zu beruflich erfolgreichen Frauen aus Roma- und Sinti-Familien zeigt: Alle Befragten haben in der Schule Diskriminierung erlebt.Quelle
Anti-Schwarzer Rassismus
Was ist anti-Schwarzer Rassismus?
Anti-Schwarzer Rassismus ist die Diskriminierung und Abwertung Schwarzer, afrikanischer oder afrodiasporischer Menschen oder Personen, die als Schwarz gelesen werden.
Die erste umfassende Studie zur Lebensrealität Schwarzer Menschen in Deutschland – den Afrozensus – veröffentlichte der Verein Each One Teach One (EOTO) Ende 2021. Im Afrozensus gaben rund 97 Prozent der Befragten an, in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erfahren zu haben: Am häufigsten in 'Öffentlichkeit und Freizeit' (93,2 Prozent), in 'Medien und Internet' (85,5 Prozent), 'Geschäften und Dienstleistungen' (85,1 Prozent) und im 'Arbeitsleben' (84,7 %).
Weitere Erkenntnisse:
- Racial Profiling: 56,7 Prozent der Befragten gab an, mindestens einmal im Leben ohne erkennbaren Grund von der Polizei kontrolliert worden zu sein.
- Diskriminierung in Bildung: 66,6 Prozent der Befragten berichtete von rassistischen Beleidigungen durch Mitschüler*innen oder Kommiliton*innen. Über die Hälfte (54 Prozent) erfuhr Beleidigungen durch Lehrpersonal
- Gesundheit: Rund zwei Drittel der Befragten (66,7 Prozent) gab an, dass Ärzt*innen ihre Beschwerden nicht ernst nehmen.
- Über 90 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen nicht geglaubt wird, wenn sie von Rassismuserfahrungen berichten. So ist auch zu erklären, weshalb 77,8 Prozent der Befragten rassistische Vorfälle, die ihnen in den letzten zwei Jahren widerfuhren, gar nicht erst offiziell gemeldet haben.Quelle
Die repräsentative Studie "Being Black in the EU" der EU-Grundrechteagentur 2018 erfasst Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Menschen in EU-Staaten. Darin gaben 48 Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland an, in den letzten fünf Jahren rassistische Anfeindungen erfahren zu haben. EU-weit waren es 30 Prozent. 9 Prozent der rassistischen Übergriffe in Deutschland wurden als Gewalterfahrungen behördlich gemeldet, wobei lediglich 15 Prozent aller rassistischen Vorfälle überhaupt gemeldet wurden. Weitere Ergebnisse:
- Sowohl bei der Wohnungssuche (33 Prozent) als auch im Berufsleben (31 Prozent) machte jede*r Dritte Schwarze in Deutschland Rassismuserfahrungen.
- 34 Prozent der Befragten gab an, in den letzten fünf Jahren von der Polizei kontrolliert worden zu sein, 41 Prozent empfanden die letzte Polizeikontrolle als Kontrollen als Racial Profiling.Quelle
Einstellungen gegenüber Schwarzen Menschen
Die "Mitte"-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung erfasste 2021 erstmals Einstellungen gegenüber Schwarzen Menschen. Darin stimmten 10,5 Prozent der Befragten der Aussage zu, Schwarze Menschen sollen dankbar sein, in Deutschland leben zu dürfen. Neun Prozent gab an, starke oder überwiegende Antipathie gegenüber Schwarzen Menschen zu haben.Quelle
Studien und Berichten von Betroffenen zufolge äußert sich anti-Schwarzer Rassismus in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen, institutionell und strukturell, unter anderem im Berufsleben, in Kontakt mit Behörden und Ämtern sowie bei der Wohnungssuche.Quelle
Verschiedene Träger bundesweit bieten Beratung für Betroffene von anti-Schwarzem Rassismus an, darunter der Verein Each One Teach One (EOTO). Dessen Monitorinstelle erfasst auch Vorfälle von anti-Schwarzem Rassismus in Berlin, 2020 waren es 376. Darunter fallen Beleidigungen, Angriffe und strukturelle Benachteiligung.Quelle
Anti-asiatischer Rassismus
Was ist anti-asiatischer Rassismus?
Als anti-asiatischen Rassismus bezeichnet man Vorurteile und rassistische Narrative gegenüber Menschen, denen eine asiatische Herkunft zugeschrieben wird. Meist geht es um Bezüge zu süd-, südost- und ostasiatischen Ländern.
Der Rassismus gegen asiatisch gelesene Menschen ist kein neues Phänomen und beruht auf Einstellungen und Erzählungen, die bis in die Kolonialzeit zurückreichen. Er kann dabei in verschiedene Richtungen gehen. Zum einen werden asiatisch gelesene Personen in Deutschland als „anders“ oder „gefährlich“ stigmatisiert. Beispielsweise wenn sie für die Verbreitung von Krankheiten verantwortlich gemacht werden. Zum anderen gibt es das Narrativ der „fleißigen Vorzeige-Migrant*innen“. Aufgrund dieses Stereotyps wird asiatisch gelesenen Menschen häufig abgesprochen, Rassismus zu erleben.
Bisher wurden anti-asiatische Einstellungen und Erfahrungen von Betroffenen kaum erforscht. In einer der wenigen Umfragen zum Thema gab eine große Mehrheit der befragten asiatisch gelesenen Personen an, dass „Asiat*innen“ in Deutschland Diskriminierung erfahren (73 Prozent). Von den befragten „nicht-asiatisch aussehenden“ Personen dachten das nur 42 Prozent.Quelle
Mehr Zahlen und Fakten zum Thema in unserem Factsheet
Anti-asiatischer Rassismus während der Corona-Pandemie
Seit Beginn der Corona Pandemie gibt es Hinweise auf mehr Fälle von anti-asiatischem Rassismus. So haben sich die Anfragen, die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wegen Diskriminierung eingegangen sind, im Vergleich zu 2019 nahezu verdoppelt (von rund 3.600 auf mehr als 6.000). Etwa jede vierte Anfrage 2020 bezog sich auf Diskriminierungen in Verbindung zum Coronavirus (1.500, Stand: Ende November 2020) – häufig gegen Menschen mit einer vermeintlich asiatischen Herkunft.Quelle
Das Forschungsprojekt „Soziale Kohäsion in Krisenzeiten – Die Corona-Pandemie und anti-asiatischer Rassismus in Deutschland“ hat eine – nicht repräsentative- Bevölkerungsbefragung unter 4.500 Personen zu dem Thema durchgeführt. Die Pandemie habe den Forscher*innen zufolge die bestehende Ablehnung gegenüber als asiatisch wahrgenommenen Menschen neu ans Tageslicht gebracht. Ein Ergebnis der Studie: 15,2 Prozent der Befragten machen asiatisch gelesenen Menschen für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich (Teilgruppe von 803 Befragten).
In dem Projekt wurden zudem 703 Personen mit asiatischem Migrationshintergrund befragt. Diese Betroffenenbefragung macht deutlich: 49 Prozent der Befragten haben während der Corona-Pandemie anti-asiatische Diskriminierung erlebt.
Die meisten Angriffe fanden im öffentlichen Raum statt, zum Beispiel auf der Straße (62 Prozent) oder im Öffentlichen Nahverkehr (61 Prozent). Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, stellen aber die Sicht von hunderten Betroffenen dar.Quelle
Selbstbezeichnung „Asiatische Deutsche“
Initiativen machen auf mehreren Plattformen auf antiasiatischen Rassismus aufmerksam und setzen sich gegen Diskriminierung und für Teilhabe ein. Die Selbstbezeichnung „Asiatische Deutsche“ entstand aufgrund der geteilten Erfahrung von Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland.
Hier geht es zu weiteren Informationen zu Rassismus und Antisemitismus in der Corona-Zeit
Racial Profiling / Rassismus bei der Polizei
Wie verbreitet sind rassistische Einstellungen in der Polizei?
Die Frage ist bisher kaum erforscht. Ein Zwischenbericht des Projekts "MEGAVO" zu Einstellungen unter Polizist*innen mit rund 50.000 Teilnehmer*innen kommt zu dem Ergebnis, dass menschenfeindliche Eistellungen in der Polizei ähnlich verbreitet seien wie in der Bevölkerung, ein geschlossenes menschenfeindliches Weltbild hätten wenige Polizist*innen, so die Autor*innen. Abwertende Haltungen gegenüber Muslim*innen und Obdachlosen seien häufiger verbreitet. Der Aussage "Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land", stimmen rund 17 Prozent der Befragten zu, 21 Prozent teils/teils.
Rund 17 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu "Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten." 14 Prozent stimmen der Aussage zu, es gebe zu viele Ausländer*innen in Deutschland, 21 Prozent sind hier zwiegespalten.Quelle
Was ist Racial Profiling?
Von Racial Profiling spricht man, wenn die Polizei Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale kontrolliert, ohne dass es einen konkreten Anlass gibt. Es ist auch dann Racial Profiling, wenn das Aussehen einer von mehreren Anhaltspunkten für die Kontrolle ist.Quelle
Wie viele Fälle sind bekannt?
Eine repräsentative Studie aus dem Jahr 2017 zeigt: 14 Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland haben in den vorangegangenen fünf Jahren Racial Profiling erlebt.Quelle
Im Afrozensus - einer Befragung von rund 6000 Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen in Deutschland - aus dem Jahr 2020 gab mehr als die Hälfte der Befragten (56,7 Prozent) an, in ihrem Leben mindestens einmal ohne erkennbaren Grund von der Polizei kontrolliert worden zu sein. Quelle
In dem nicht repräsentativen Forschungsprojekt KviAPol der Ruhr-Universität Bochum wurden über 3.000 Personen befragt, die körperliche Gewalt durch die Polizei erfahren haben und diese als rechtswidrig einstufen. Die Erfahrungen von People of Color (PoC) mit der Polizei in Deutschland unterscheiden sich demnach erheblich von denen weißer Personen. Fast zwei Drittel der befragten PoC gaben an, sich in mutmaßlichen Gewaltsituationen von der Polizei diskriminiert gefühlt zu haben (62 Prozent). Bei Personen ohne Migrationshintergrund waren es halb so viele (31 Prozent). Rund die Hälfte der betroffenen PoC vermutet, dass die Polizei sie wegen ihrer (vermeintlichen) "ethnischen" oder kulturellen Zugehörigkeit diskriminierte (48 Prozent). Unter den Personen ohne Migrationshintergrund schätzen das nur drei Prozent so ein. Eine MEDIENDIENST-Expertise fasst die Ergebnisse zusammen. Quelle
Außerdem unterscheidet sich der Anlass des Polizeikontakts. Unter allen Befragten zusammengenommen fanden die meisten Kontakte bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen statt. People of Color kommen häufiger außerhalb von Großveranstaltungen mit der Polizei in Kontakt, am häufigsten wegen Personenkontrollen.
Eine Erklärung für das häufige diskriminierende Verhalten der Polizist*innen ist laut den Forscher*innen, dass das Handeln von Polizist*innen auf Erfahrungswissen basiere. Dieses Wissen kann Stereotype und Vorurteile beinhalten: Etwa, dass von bestimmten Personen eine größere Gefahr ausgehe oder eine Personengruppe häufiger Straftaten ausübe. Das könne wiederum dazu führen, dass sich Polizist*innen gegenüber der Gruppe anders verhalten und Situationen schneller eskalieren. Eine ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse hat der MEDIENDIENST in einem Artikel zusammengestellt.
Bei den behördlichen Beschwerdestellen kommen die Fälle kaum an: 2020 registrierte die Bundespolizei nur 55 Beschwerden.Quelle
Welche Folgen hat Racial Profiling für die Betroffenen?
Eine Studie aus der Schweiz zeigt: Betroffene von Racial Profiling können chronische Angst vor Kontrollen entwickeln und verlieren Vertrauen in die Polizei. Viele schämen sich oder fühlen sich bloßgestellt. Zudem berichten Betroffene, dass sie bestimmte Orte meiden oder sich zurückziehen. Eine Person gab an, sie habe ihren Beruf verloren, weil sie durch ein Polizeiverhör zu spät zur Arbeit gekommen sei. In Deutschland berichten Menschen von ähnlichen Erfahrungen.Quelle
Wie ist die Rechtslage?
Auf internationaler Ebene verbieten die Menschenrechtsabkommen der UN und des Europarats Racial Profiling. Auf nationaler Ebene verstoßen rassistische Polizeikontrollen gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen 2018 klargestellt. Der Grundgesetz-Artikel besagt, dass "niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt [...] werden [darf]." Zugleich gibt es jedoch Gesetze, die Racial Profiling begünstigen:Quelle
- Laut §22 Bundespolizeigesetz soll die Bundespolizei unerlaubte Einreisen verhindern. Dafür darf sie in Zügen, an Bahnhöfen und Flughäfen Personen kontrollieren und mitgeführte Sachen wie Gepäck in Augenschein nehmen. In der Praxis greifen Beamt*innen oft auf äußerliche Merkmale wie die Haut- oder Haarfarbe zurück, um vermeintlich unerlaubte Einreisen festzustellen.Quelle
- Daneben erlauben §23 des Bundespolizeigesetzes und verschiedene Landespolizeigesetze, dass Polizeibeamt*innen Personen an "gefährlichen Orten" nach dem Ausweis fragen, ohne dass es einen konkreten Verdacht gegen sie gibt. Anwohner*innen und Passant*innen sind an diesen Orten besonders oft von Racial Profiling betroffen.Quelle
Todesfälle in polizeilichem Gewahrsam
Die Kampagne "Death in Custody" recherchiert seit 2019 Todesfälle von Schwarzen Menschen, People of Color und von Rassismus betroffenen Personen in Gewahrsam und aufgrund tödlicher Polizeigewalt in Deutschland seit 1990. Bisher sind 208 Todesfälle aufgelistet. Damit die Fälle gelistet werden, muss der staatliche Apparat ursächlich am Tod beteiligt gewesen sein: Entweder durch die räumlichen Bedingungen der Haft oder durch das physische Einwirken von Akteur*innen. Dazu zählt auch der Tod auf der unmittelbaren Flucht vor der Polizei. Bei der Dokumentation der Todesfälle handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Studie.Quelle
Die Kampagne geht davon aus, dass von Rassismus betroffene Menschen ein besonders hohes Risiko haben, in polizeilichem Gewahrsam ums Leben zu kommen. Als Gründe dafür gibt die Initiative unter anderem an: Schwarze Menschen und PoC seien aufgrund von Racial Profiling häufiger von Polizeimaßnahmen betroffen. Außerdem gebe es Straftaten, die nur Menschen ohne deutschen Pass begehen können (z.B. „illegale Einreise“) und Haftformen, die nur Menschen ohne deutschen Pass betreffen (Abschiebehaft).Quelle
Was tun gegen rassistische Polizeigewalt?
Forscher*innen empfehlen unabhängige Beschwerdestellen und eine Sensibilisierung der Polizei in der Aus- und Fortbildung. Mehr zu der Frage gibt es im MEDIENDIENST-Artikel.
Rassismus in der Corona-Zeit
Mehr Diskriminierungsfälle
Seit Beginn der Corona-Pandemie gab es deutlich mehr Fälle von Diskriminierung. Das zeigen Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: 2020 hatten sich die Anfragen für Beratungen im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt (von rund 3.600 auf mehr als 6.400). Im Jahr 2021 dürfte diese Zahl etwas niedriger liegen (Ende November 2021: 4.900), wie Medien berichteten.Quelle
Etwa jede vierte Anfrage bezog sich auf Diskriminierungen mit direktem Bezug zum Coronavirus (1.900). Häufig richteten sich die Diskriminierungen gegen Menschen mit einer Behinderung und Menschen, denen eine asiatische Herkunft zugeschrieben wurde. Die Betroffenen schilderten Fälle von rassistischem Verhalten, wie Hassbotschaften am Arbeitsplatz oder Terminabsagen beim Arzt wegen einer vermeintlich chinesischen Herkunft. In einigen Fällen kam es sogar zu körperlichen Angriffe auf der Straße.Quelle
Mehr Hinweise auf anti-asiatischen Rassismus
Die Corona-Pandemie habe die bestehende Ablehnung gegenüber als asiatisch wahrgenommenen Menschen neu ans Tageslicht gebracht - so das Ergebnis mehrerer Forscher*innen, die eine nicht repräsentative Bevölkerungsbefragung unter 4.500 Personen zum Thema durchgeführt haben. Ein Ergebnis der Studie: 15,2 Prozent der Befragten machen asiatisch gelesenen Menschen für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich (Teilgruppe von 803 Befragten). Die Studie wurde im Rahmen des Forschungsprojekts "Soziale Kohäsion in Krisenzeiten – Die Corona-Pandemie und anti-asiatischer Rassismus in Deutschland" durchgeführt.
In dem Projekt wurden zudem 703 Personen mit asiatischem Migrationshintergrund befragt. Diese Betroffenenbefragung macht deutlich: 49 Prozent der Befragten haben während der Corona-Pandemie anti-asiatische Diskriminierung erlebt.
Die meisten Angriffe fanden im öffentlichen Raum statt, zum Beispiel auf der Straße (62 Prozent) oder im Öffentlichen Nahverkehr (61 Prozent). Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, stellen aber die Sicht von hunderten Betroffenen dar.Quelle
Mehr Zahlen und Fakten zum Thema in unserem Factsheet (2020)
Anfeindungen auch in anderen Ländern
Auch international gab es mehr anti-asiatischen Rassismus und Hate Speech im Zuge der Corona-Pandemie. So berichten Menschenrechtsorganisationen von Anfeindungen und Übergriffen in den USA, Italien, Frankreich, Russland und weiteren Ländern. In den USA sammelte das Projekt "Stop AAPI Hate" bis Ende September 2021 rund 10.400 Hinweise auf rassistische Übergriffe gegen Menschen, denen eine Herkunft aus Asien oder den Pazifikstaaten zugeschrieben wurde.Quelle
> Unter dem Hashtag "#IchbinkeinVirus" berichten Betroffene über persönliche Erfahrungen mit diskriminierenden Übergriffen und Rassismus in Medienberichten.
> Auf der Website "Stop AAPI Hate" werden Zahlen und Berichte zu Übergriffen in den USA gesammelt und ausgewertet.
Was ist die Antirassismus-Konvention der UN?
Die Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen ist die erste völkerrechtlich bindende Erklärung gegen Rassismus. Sie wurde 1965 beschlossen und 1969 von Deutschland ratifiziert. Alle vier Jahre muss die Bundesregierung einen Bericht abgeben, in dem sie über die Umsetzung des Abkommens informiert. Der letzte Bericht wurde im April 2020 beim zuständigen UN-Fachausschuss eingereicht, der den Bericht nun prüft. Stellt der Ausschuss fest, dass Deutschland das Abkommen nicht hinreichend umsetzt, kann er Handlungsempfehlungen formulieren. Im letzten Prüfverfahren 2015 hatte der Ausschuss betont, dass es bei der Bekämpfung von Rassismus in Deutschland großen Handlungsbedarf gebe.Quelle
In Deutschland gibt es die Möglichkeit, ein Individualbeschwerdeverfahren einzuleiten. Das heißt: Einzelpersonen oder Personengruppen können sich an den UN-Antirassismusausschuss wenden, wenn sie sich durch den deutschen Staat in ihren Rechten verletzt sehen. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn "der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft wurde".Quelle
Die erste Beschwerde dieser Art endete mit einer Rüge an Deutschland: 2010 hatte die Berliner Staatsanwaltschaft eine Klage gegen den früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin wegen Volksverhetzung und Beleidigung abgelehnt. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg wandte sich daraufhin an den UN-Antirassismusausschuss. Dieser stellte 2013 fest, dass die Berliner Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Sarrazin zu schnell eingestellt und damit gegen die UN-Antirassismuskonvention verstoßen habe.Quelle
Was ist die Antirassismus-Kommission des Europarats?
Die Antirassismus-Kommission des Europarats (ECRI) ist ein Gremium, das zur Bekämpfung des Rassismus in Europa beitragen soll. Die Kommission arbeitet eng mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen und veröffentlicht regelmäßig Länderberichte, in denen sie Lücken der Rassismus-Bekämpfung aufzeigt und Empfehlungen gibt.
Der letzte Bericht zu Deutschland ist im März 2020 erschienen. Darin heißt es, Deutschland habe zwar "gute Praktiken entwickelt", um Rassismus zu begegnen. Es gebe aber "Themen, die Anlass zur Sorge bereiten". So sei das Mandat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zu eng gefasst, um Betroffene von Rassismus wirksam zu unterstützen. An Schulen fühlten sich Lehrkräfte nicht hinreichend auf den Unterricht in diversen Klassen vorbereitet. Und bei der Polizei gebe es zu wenig Bewusstsein für das Problem des Racial Profiling. Die Kommission schlägt unter anderem vor:
- Das Mandat der ADS sollte ausgeweitet werden. Dazu gehöre auch, der ADS zu ermöglichen, Betroffenen von Rassismus und Diskriminierung Rechtsbeistand zu leisten und sie vor Institutionen, Entscheidungsorganen und Gerichten zu vertreten.
- Die Bundesländer sollten Lehrkräfte in der Aus- und Fortbildung besser darauf vorbereiten, in multikulturellen Klassen zu unterrichten und bei Fällen von Diskriminierung einzugreifen.
- Die Polizei sollte eine Studie zu Racial Profiling in Auftrag geben und Maßnahmen ergreifen, die rassistischen Polizeikontrollen vorbeugen.Quelle
News Zum Thema: Rassismus
Antiosteuropäischer Rassismus “Häufig prekär beschäftigt und überqualifiziert“
Gerade auf dem Arbeitsmarkt erfahren Menschen aus dem östlichen Europa oft Benachteiligungen. Viele Daten gibt es zum Thema nicht, doch wird immer mehr über antiosteuropäischen Rassismus diskutiert. Ein Gespräch mit der Soziologin Aleksandra Lewicki, was darunter zu verstehen ist und welche Erkenntnisse es gibt.
Forschungsstand Antislawischer und antiosteuropäischer Rassismus
Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus dem östlichen Europa erleben in Deutschland vielfach Diskriminierung. Es gibt aber kaum Forschung zum Thema. Die Historiker Hans-Christian Petersen und Jannis Panagiotidis geben einen ersten Überblick in einer MEDIENDIENST-Expertise.
Rassismus in der Polizei "Von dieser Minderheit geht eine enorme Gefahr aus"
Was tun Bund und Länder gegen Rassismus und Antisemitismus in der Polizei? Welche Maßnahmen ergreift die Politik und welche wären notwendig? Bei einem Pressegespräch des MEDIENDIENST Integration fordern Experten mehr Studien zu Rassismus in der Polizei.