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Leben ohne Papiere: Irreguläre Migranten

Menschen, die sich ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland befinden, werden als „irreguläre Migranten“, „undokumentierte Migranten“ oder „Sans-Papiers“, teilweise auch als „illegale Migranten“ bezeichnet. Da sie nicht registriert sind, gibt es verhältnismäßig wenig gesicherte Informationen über sie. Studien zeigen: Irreguläre Migrant*innen können die Rechte, die eigentlich jedem Menschen unabhängig vom Aufenthaltsstatus zustehen, in Deutschland de facto oft nicht geltend machen.

 

Was bedeutet „irreguläre" oder "illegale Migranten“ oder „Sans-Papiers“?

Es gibt unterschiedliche Bezeichnung für Menschen, die ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben:

  • Üblich ist die Bezeichnung "irreguläre Migranten", da die Personen über keinen regulären Aufenthaltsstatus in Deutschland verfügen.
  • Oft wird auch der französische Begriff "Sans-Papiers" verwendet, was "ohne Papiere" bedeutet. Diese Bezeichnung kann irreführend sein, da die Personen meist über andere Papiere verfügen – wie einen ausländischen Pass – nur eben nicht über einen Aufenthaltstitel, der in Deutschland gültig ist.
  • Der Begriff "illegale Migranten" wird häufig verwendet, steht aber in der Kritik: Er sei stigmatisierend und stelle irreguläre Migranten als Kriminelle dar.QuellePICUM (2017): "Warum nicht illegal?", Angenendt (2007): "Irreguläre Migration als internationales Problem", Seite 10.

In rechtlicher Hinsicht spricht man von "Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität". Das sind alle Drittstaatsangehörigen ohne Aufenthaltsberechtigung. Grundsätzlich muss in Deutschland jede Person ohne deutsche Staatsbürgerschaft einen gültigen Aufenthaltstitel haben – etwa ein Visum, eine EU Blue Card, eine Aufenthaltsgestattung für Asylsuchende oder eine Duldung.Quelle§ 95 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz

 

Wie viele irreguläre Migranten leben in Deutschland?

Es gibt keine gesicherten Angaben darüber, wie viele Menschen in Deutschland in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität leben.

Die Forscherin Dita Vogel ging in einer Schätzung im Jahre 2014 von einer Zahl zwischen 180.000 und 520.000 Personen in Deutschland aus, die in aufenthaltsrechtlicher Illegalität lebten. Diese Schätzung beruhte auf den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS).Quelle Vogel (2016): "Umfang und Entwicklung der Zahl der Papierlosen in Deutschland" 

Eine neuere Schätzung, die das Pew Research Center für Deutschland veröffentlicht hat, geht von über einer Million irregulären Migrant*innen aus. Diese Schätzung beruht aber auf einer falschen Methodik, weshalb sie vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DEZIM) ausdrücklich abgelehnt und widerlegt wurde. So inkludiert das Pew Research Center z.B. Asylsuchende in die Statistik der irregulären Migrant*innen, obwohl Asylsuchende in Deutschland eine Aufenthaltsgestattung bekommen und sich somit  gerade nicht irregulär im Land befinden.Quelle Hosner (2020): "One Million Irregular Migrants in Germany?" und PEW Research Center: "Europe's Unauthorized Immigrant Population", S.10.

Nicht zu verwechseln ist die Zahl der irregulären Migrant*innen mit der Zahl der "unerlaubt eingereisten Personen". Davon zählt das BAMF im Migrationsbericht 40.610 für 2019. Von ihnen leben jedoch viele nur zeitweise ohne Papiere: Sobald sie einen Asylantrag stellen, sind diese Personen nicht mehr irregulär, sondern erhalten eine Aufenthaltsgestattung für die Zeit des Asylverfahrens. Eingewanderte, die zunächst legal in Deutschland gelebt haben und über die Dauer ihrer Genehmigung hinaus geblieben sind (sog. Overstayer), zählt der Migrationsbericht nicht.QuelleBundesamt für Migration Flüchtlinge: "Migrationsbericht" 2019, S. 187 

Wie geraten Menschen in die aufenthaltsrechtliche Illegalität?

Es gibt mehrere Gründe, wie Menschen in die aufenthaltsrechtliche Illegalität geraten:

  • Personen reisen mit einem gültigen Aufenthaltstitel – zum Beispiel einem Visum – ein, aber nach Ablauf des Aufenthaltstitels nicht wieder aus ("Overstayer").Quelle BAMF (2015): "Illegal aufhältige Drittstaatsangehörige in Deutschland", S. 28
  • Ein anderer Weg ist die "illegale Einreise": Menschen, die ohne Aufenthaltsberechtigung – wie etwa einem Touristenvisum, einer EU Blue Card oder einem Schutzstatus – nach Deutschland einreisen und nach der Einreise keinen Asylantrag stellen, befinden sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität. Allerdings ist zu beachten: Fast alle Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, gelten zunächst als "illegal eingereist". Sobald sie aber einen Asylantrag stellen, erhalten sie eine Aufenthaltsgestattung und sind somit regulär aufhältig.Quelle Bundesinnenministerium: "Aufenthaltsgestattung"
  • Wenn der Asylantrag von Asylsuchenden abgelehnt wird – also weder die Flüchtlingsanerkennung, noch Subsidiären Schutz oder ein Abschiebeverbot – sind sie vollziehbar ausreisepflichtig. Wenn sie ihren Ausreisetermin verstreichen lassen und sich der Abschiebung entziehen, befinden sie sich in die aufenthaltsrechtlicher Illegalität.Quelle § 95 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz
  • Eine Ausnahme vom letzten Punkt ist die Duldung: Die Duldung ist zwar kein Aufenthaltstitel, aber eine temporäre legale Bleibemöglichkeit. Personen, die eine Duldung besitzen, befinden sich somit nicht in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität. Nur, wenn Personen ihre Duldung nicht verlängern und auch keinen anderen Aufenthaltstitel haben, geraten sie in die aufenthaltsrechtliche Illegalität.Quelle MEDIENDIENST INTEGRATION: "Was bedeutet Duldung?"


Gesundheitsversorgung von irregulären Migrantinnen und Migranten

Irreguläre Migrant*innen sind in Deutschland von der Krankenversicherung ausgeschlossen. Grundsätzlich steht Menschen ohne Papiere zwar laut AsylbewerberleistungsgesetzAsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. §§ 4 und 6 eine Gesundheitsversorgung zu, sie können sie jedoch meist nicht in Anspruch nehmen. Denn für "Sans Papier" gilt eine Meldepflicht aller Behörden. Das heißt: Beantragt eine Person ohne legalen Aufenthaltsstatus beim Sozialamt eine medizinische Leistung, werden ihre Daten an die Ausländerbehörde weitergegeben. Viele Irreguläre vermeiden es deswegen, zum Arzt zu gehen.QuelleInformationsportal von Medibüros/Medinetzen: "Einschränkung im Zugang zum Gesundheitssystem durch behördliche Übermittlungspflichten für Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus"; Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität (2018): "Krank und ohne Papiere". Fallsammlung, S. 4.

Nur in Notfällen müssen sich irreguläre Migrant*innen nicht ans Sozialamt wenden. Das übernimmt das medizinische Personal beziehungsweise das Krankenhaus für sie. Dann unterliegt das Sozialamt dem verlängerten Geheimnisschutz. Das heißt, es darf die Daten nicht an die Ausländerbehörde weiterleiten. Doch auch hier gibt es Probleme, unter anderem da die Anforderungen für eine Kostenübernahme hoch sind. Manche Krankenhäuser behandeln Irreguläre deswegen auch in Notfällen nicht.QuelleBundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität (2018): "Krank und ohne Papiere". Fallsammlung, S. 5; Forderungspapier, S. 4; Katholisches Forum Leben in der Illegalität: "Forderung der Gewährleistung der Gesundheitsversorgung für Menschen in der aufenthaltsrechtli-chen Illegalität in Deutschland". Positionspapier, S. 5

Mehrere NGOs und Vereine setzen sich für die Abschaffung der Übermittlungspflicht ein. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Verein Ärzte der Welt argumentieren in einer Studie, dass die Übermittlungspflicht das internationale Menschenrechte auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung verletzt und verfassungswidrig sei. Aus Angst vor Abschiebungen können Menschen ohne Papiere ihr Grundrecht auf ein gesundheitliches Existenzminimum nicht wahrnehmen.QuelleGesellschaft für Freiheitsrechte; Ärzte der Welt (2021): „Ohne Angst zum Arzt – Das Recht auf Gesundheit von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland. Eine grund- und menschenrechtliche Bewertung der Übermittlungspflicht im Aufenthaltsgesetz“, S.6-7, S.15, Link.

Beratungsstellen und Initiativen

Karitative Einrichtungen wie der Malteser Hilfsdienst bieten medizinische Versorgung für irreguläre Migrant*innen und Menschen ohne Krankenversicherung an. Hier behandeln Ärzte unter Wahrung der Anonymität. Sogenannte Medibüros oder Medinetze helfen bei der Organisation von Operationen oder vermitteln Patient*innen an Ärzt*innen.QuelleInformationsportal von Medibüros/Medinetzen: "Einschränkung im Zugang zum Gesundheitssystem durch behördliche Übermittlungspflichten für Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus"

Menschenrechtsorganisationen fordern den sogenannten anonymen Krankenschein. Dabei werden Behandlungsscheine von einer unabhängigen medizinischen Stelle vergeben. In Berlin können Menschen ohne Papiere seit April 2020 solche Scheine bei einer Clearingstelle erhalten. Berlin ist damit das erste Bundesland, in dem Menschen ohne Papiere zu allen Hausärzt*innen gehen können. In Thüringen läuft derzeit ein Pilotprojekt, das von einem Verein betreut wird. In Niedersachsen wurde ein dreijähriges Pilotprojekt nicht verlängert.

Zahlen

Daten zu Menschen ohne Papiere sind schwer zu erhebenZu den Schwierigkeiten der Erfassung von Menschen ohne Papiere: Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 2015, S.152 . Das gilt auch für ihre gesundheitliche Situation. Es fehlen bundesweite Statistiken sowie Studien, die Ergebnisse einzelner lokaler Untersuchungen zusammentragen. Lokale Studien zeigen: Die subjektive Gesundheit sowie die Versorgungslage von Menschen ohne Papiere sind deutlich schlechter als im Bevölkerungsdurchschnitt. Zudem bestünden häufig Wissenslücken bei Krankenhäusern und Gesundheitsämtern, was die Versorgung von Menschen ohne Papiere erschwere.QuelleGesundheit/Illegalität (2018): "Krank und ohne Papiere". Fallsammlung; Kühne et al. "Subjective health of undocumented migrants in Germany" 2015, BMC Public Health, S.10, Maren Mylius "Die medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere in Deutschland" 2016

Situation Irregulärer Migrant*innen in der Corona-Pandemie

Ob Krankenkassen eine Behandlung von Irregulären bei einer COVID-19-Infektion übernehmen, ist unklar. Es gibt dazu keine offizielle Aussage von Behörden. Grundsätzlich müssen nicht versicherte Menschen in Notfällen behandelt werden. Das Medibüro Berlin schätzt, dass sich Irreguläre bei einem schweren Krankheitsverlauf medizinisch behandeln lassen können.

Anspruch auf Impfungen gegen eine Covid-19 Erkrankung haben alle, die in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort haben. Darin inbegriffen sind auch irreguläre Migrant*innen. Vereinzelt gibt es von zuständigen Gesundheitsämtern Zusicherungen, Impfungen für Menschen ohne Papiere anonymisiert und in den Impfzentren zu ermöglichen. Dabei können zum Beispiel Medinetze Bescheinigungen über den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland sowie etwa die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe ausstellen. Seit der Freigabe der Impfstoffe für Hausarztpraxen können sich Irreguläre außerdem bei Ärzt*innen, die mit den Medinetzen kooperieren, impfen lassen. In den Regionen, die den anonymen Krankenschein eingeführt haben, können Menschen ohne Papiere sich mit diesem bei einer beliebigen Hausarztpraxis gegen eine Covid-19 Erkrankung impfen lassen. Die Abrechnung der Impfkosten erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung.QuelleMedibüro Berlin (2020): Aktueller Hinweis, Bundestag (2021): „Drucksache 19/28338. Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 6. April 2021 eingegangenen Antworten der Bundesregierung“, S.99

In den meisten Bundesländern fehlen konkrete Regelungen, um Menschen ohne Papiere Zugang zu Tests und Impfungen zu verschaffen. Das kann dazu führen, dass sich Menschen aus Angst vor der Übermittlung ihrer Daten haben nicht testen oder impfen lassen.QuelleMedinetz auf Anfrage des MEDIENDIENST 

International fordern etwa die WHO und das Bioethik Komitee des Europäischen Rates (Jan 2021), Menschen ohne Papiere zu impfen.QuelleWHO (2020): „WHO Sage Roadmap for Prioritizing Uses of Covid-19 Vaccines in the Context of Limited Supply.“, S.14,  Committee on Bioethics (2021): „Covid-19 and Vaccines. Ensuring Equitable Access to Vaccination During the Current and Future Pandemics.”, S.3.

Wo und wie arbeiten irreguläre Migranten?

Menschen, die sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität befinden, sind nicht behördlich registriert. Es gibt daher keine gesicherten repräsentativen Zahlen und Fakten dazu, wo und wie sie arbeiten. Fallstudien zeigen, dass irreguläre Migrant*innen häufig in den Bereichen Landwirtschaft, Baugewerbe, Fabrikarbeit, Gastronomie, Sexarbeit, Pflege und Hausarbeit arbeiten.Quelle Wilcke, Holger (2018): "Illegal und unsichtbar?", S. 149.

Ohne gültigen Aufenthaltstitel zu arbeiten ist in Deutschland verboten. Irreguläre Migrant*innen können daher nicht angemeldet arbeiten. Allerdings hat in Deutschland jede Person, die arbeitet, auch Anspruch auf den Arbeitslohn – unabhängig von der Aufenthaltsberechtigung. Für irreguläre Migrant*innen ist das Problem allerdings, dass sie diesen Anspruch de facto vor Gericht nur schwer geltend machen können. Denn wenn das Gericht von der fehlenden Aufenthaltsberechtigung erfährt, muss es diese Information gemäß §87 Aufenthaltsgesetz an die Ausländerbehörde weiterleiten.Quelle Norbert Cyrus, Markus Kip (2014): „Arbeitsrechte mobilisieren ohne Aufenthaltsstatus. Von faktischer Rechtlosigkeit zur Veränderung geltenden Rechts?“, S. 39f.; §87 Aufenthaltsgesetz.

Arbeitnehmer*innen, die sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität befinden, können dadurch  von ihren Arbeitgeber*innen abhängig werden: Diese können zum Beispiel drohen, die Behörden über die aufenthaltsrechtliche Illegalität zu informieren. Das kann Arbeitnehmer*innen davon abhalten, Ansprüche etwa auf Lohn, Urlaubszeiten oder Arbeitsschutzstandards geltend zu machen. Daher fordern Selbstorganisationen wie PICUM eine "Firewall": Wenn Gerichte die Daten nicht mehr an die Ausländerbehörde übermitteln müssten, könnten Irreguläre risikofrei ihre Lohnansprüche geltend machen.QuellePICUM (2020): „Data Protection and the Firewall: Advancing Safe Reporting for People in an Irregular Situation“, S.2.

In vielen Städten wurden unter dem Titel "Faire Integration" gewerkschaftliche Anlaufstellen eingerichtet, die auch Menschen ohne gesicherten Aufenthalt beraten. In Berlin bietet außerdem der Arbeitskreis Undokumentierte Arbeit Beratung an.

Wie wohnen irreguläre Migranten?

Die Wohnsituation von irregulären Migrant*innen wurde bisher nur wenig erforscht. Eine qualitative Studie von 2017 zeigt, dass Irreguläre vom deutschen Wohnungsmarkt ausgeschlossen werden: Wegen der allgemeinen Meldepflicht und häufig angeforderte Einkommensnachweisen können sie nicht eigenständig eine Wohnung anmieten. Stattdessen kommen sie häufig bei Bekannten oder Verwandten unter oder diese übernehmen die Hauptmiete.Quelle Hollstein (2017): "Illegale Migration und transnationale Lebensbewältigung" S.47 und 244.

Die Studie zeigt auch: Die Hilfe von Bekannten oder Verwandten ist oft nur eine Übergangslösung. Häufig landen Irreguläre in Wohnungen, die Eigentümer*innen bewusst an Irreguläre vermieten, um hohe Mieten verlangen zu können. Diese Unterkünfte werden zum Teil tage-, wochen- oder monatsweise vermietet und bieten wenig Privatsphäre. Einen Mietvertrag gibt es meistens nicht. Die Mieter*innen haben daher keine Sicherheit und können sich nicht wehren, wenn z.B. die Mieten erhöht werden oder die Zustände in den Wohnungen schlecht sind.Quelle Hollstein (2017): "Illegale Migration und transnationale Lebensbewältigung" S.46

Wie leben Kinder in aufenthaltsrechtlicher Illegalität?

Es gibt keine umfassenden Studien dazu, wie viele Kinder in aufenthaltsrechtlicher Illegalität leben. Fallstudien und Beratungsstellen weisen darauf hin, dass es zwei Hauptprobleme gibt: Kinder in aufenthaltsrechtlicher Illegalität haben oftmals keine Geburtsurkunde und sie können nicht eine Kita oder Schule besuchen.

Geburtsurkunde

Wenn irreguläre Migrant*innen ein Kind bekommen, ist auch das Kind zunächst undokumentiert. Zwar hat jedes Kind – unabhängig vom Aufenthaltsstatus – ein Recht darauf, registriert zu werden und eine Geburtsurkunde zu erhalten. Praktisch gibt es für die Eltern aber eine große Hürde: Wenn sie eine Geburtsurkunde beim Standesamt beantragen, gibt es die Gefahr, dass das Standesamt die aufenthaltsrechtliche Illegalität der Eltern an die Ausländerbehörde meldet. Das kann zu einer Abschiebung führen. Eltern beantragen deshalb oft keine Geburtsurkunde. Sollten die Eltern zu einem späteren Zeitpunkt abgeschoben werden, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie die Verwandtschaft nicht beweisen können und somit von ihrem Kind getrennt werden. Außerdem kann die fehlende Geburtsurkunde zu Problemen bei der Beantragung von Dokumenten oder bei Anmeldungen z.B. zur Kita oder Schule führen. Quelle Caritas (2017): "Aufenthaltsrechtliche Illegalität", S. 56

Zugang zu Kita und Schule

Jedes Kind hat das Recht auf Schulbildung, unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status. De facto gibt es aber nach wie vor Hürden: Zwar müssen Kitas und Schulen der Ausländerbehörde nicht melden, wenn ein Kind, das in aufenthaltsrechtlicher Illegalität lebt, bei ihnen angemeldet wird. In der Praxis kann es aber geschehen, dass Lehrer*innen oder Direktor*innen in Kita und Schule aufenthaltsrechtliche Daten der Eltern erfragen und an die Behörden übermitteln.Quelle Art. 28 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, Art. 17 der Europäischen Sozialcharta, Art. 2 des 1. Protokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention; Funck/Karakaşoğlu/Vogel (2015): "Es darf nicht an Papieren scheitern"

Wie kommen Menschen aus der Irregularität?

Durch eine sogenannte Regularisierung können irreguläre Migrant*innen einen Aufenthaltstitel erhalten. In Deutschland gibt es keine Regularisierungsprogramme. Am ehesten kommen Menschen zunächst über eine Duldung aus der Irregularität. QuelleCharlotte Fiala (neue Caritas) (2015): "Regularisierung - die bisher vernachlässigte Option"

In manchen EU-Staaten gibt es offizielle Programme zur Regularisierung, andere sehen die Regularisierung einzelner Personen vor. Zwei Beispiele:QuelleAlbert Kraler u.a. (ICMPD) (2014): “Final Report. Feasibility Study on the Labour Market Trajectories of Regularised Immigrants within the European Union (REGANE I)”, S. 47, 58; Kate Brick (mpi) (2011): “Regularizations in the European Union: The Contentious Policy Tool”, S. 1; Leïla Bodeux und Shannon Pfohman (Caritas Europa) (2021): “Policy Paper. Demystifying the regularization of undocumented migrants”

Spanien: Dort erhielten etwa im Jahr 2005 fast 500.000 irreguläre Migrant*innen eine Aufenthaltsberechtigung. Anschließend wurde gesetzlich verankert, dass irreguläre Migrant*innen eine Regularisierung beantragen können. Grundlage hierfür ist die "Verwurzelung" (span. araigo) in Spanien. Irreguläre Migrant*innen können eine Arbeits- und Aufenthaltsberechtigung erlangen, wenn sie nachweisen können, dass

  • sie sich seit drei Jahren durchgängig in Spanien aufgehalten haben,
  • sie einen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben, der mindestens ein Jahr gültig ist und
  • sie sozial in die spanische Gesellschaft eingegliedert sind oder sich Familienmitglieder legal in Spanien aufhalten.QuelleKevin Fredy Hinterberger (A&W Blog) (2017) „Die ‚Bekämpfung‘ undokumentierter Beschäftigung: Spaniens Regularisierungen als Vorbild?; Kevin Hinterberger (2020) „Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten. Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich“, S. 257f.; ICMPD (2007) „REGINE Regularisations in Europe. Study on practices in the area of regularisation of illegally staying third-country nationals in the Member States of the EU”, S.83-93;

Portugal: Während der Corona-Pandemie hat die portugiesische Regierung zwei Dekrete, das erste am 27. März 2020, das zweite am 8. November 2020, zur Regularisierung erlassen. Um die prekäre Situation irregulärer Migrant*innen in der Pandemie zu verbessern und ihnen einen Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen, wurden insgesamt 376.700 irreguläre Migrant*innen vorübergehend regularisiert.QuelleEuropean Website on Integration(2021): Portugal: „More than 356 000 immigrants provisionally legalised during COVID-19 pandemic“; Jose Leitao (FES) (2020): Regularisations in times of COVID-19;

Kritiker*innen sagen, dass solche Programme zu einem "Pull-Effekt" führen, also irreguläre Migrant*innen anziehen. Migrationsforscher*innen verweisen jedoch darauf, dass ein Pull-Effekt nicht nachgewiesen werden kann. Zudem hätten Regularisierungen einen positiven Effekt sowohl auf die Situation der Migrant*innen als auch auf das Sozialsystem des Aufnahmelands. Die Europäische Kommission spricht sich nicht für Regularisierungen aus. Irreguläre Migration solle verringert werden, insbesondere durch Rückführungen, so die Kommission. Vor Kurzem sagte sie aber über ein Programm in Italien: Regularisierung kann in bestimmten Fällen eine “angemessene politische Antwort” sein.QuelleAlbert Kraler (2019) Regularization of Irregular Migrants and Social Policies: Comparative Perspectives; PICUM (2007): "NGO Round Table Report on Civil Society Strategies to Promote the Use of Regularisation Programmes for Irregular Migrants in Europe", S. 7, 10 QuelleClaudia Finotelli und Joaquín Arango (2010): Regularisation of unauthorised immigrants in Italy and Spain: determinants and effects, S. 502, 508f. und generell im Text Leïla Bodeux und Shannon Pfohman (Caritas Europa) (2021): "Policy Paper. Demystifying the regularization of undocumented migrants", S. 2, 14; EU-Kommission (2017) "Empfehlung für ein gemeinsames 'Rückkehr-Handbuch', das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist", S. 141; EU-Kommission (2019): "FITNESS CHECK on EU Legislation on legal migration", S. 38f.

 

 

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