Afghanische Geflüchtete
Seit Jahrzehnten sind Millionen Afghan*innen wegen wiederholter bewaffneter Konflikte auf der Flucht. Die meisten von ihnen leben entweder als Binnenflüchtlinge in Afghanistan oder in den Nachbarländern Iran und Pakistan. Deutschland ist auf Platz drei der Aufnahmeländer. Seit die Taliban im August 2021 die Macht im Land ergriffen haben, mussten mehrere Tausend Afghan*innen ihre Wohnorte verlassen. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass aufgrund der eskalierenden humanitären Krise noch mehr Menschen bald aus dem Land flüchten werden. Wer sind afghanische Geflüchtete? Und wie leben sie in Deutschland?
Afghanische Geflüchtete weltweit
Aufgrund zahlreicher Konflikte mussten in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Millionen Afghan*innen ihre Wohnorte verlassen. Weltweit zählte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zum Jahresende 2022 rund 5,7 Millionen Flüchtlinge und Asylbewerber*innen und Schutzbedürftige aus Afghanistan. Afghan*innen bilden damit die drittgrößte Flüchtlingsgruppe der Welt – nach Syrer*innen und Ukrainer*innen.
Rund 90 Prozent der afghanischen Geflüchteten befinden sich in den beiden Nachbarländern Iran (rund 3,4 Millionen) und Pakistan (rund 1,7 Millionen). In Deutschland leben etwa 216.000 afghanische Geflüchtete und Asylbewerber*innen. Damit steht Deutschland an dritter Stelle der Aufnahmeländer.Quelle
Es ist unbekannt, wie viele Afghan*innen seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 genau geflohen sind. Der UNHCR schätzt, dass Ende 2022 im Land rund 3,25 Millionen "Binnenflüchtlinge" (Internally Displaced People) lebten. 2022 hat der UNHCR die Angaben zu afghanischen Geflüchtete in anderen Ländern stark angepasst, insbesondere hat die iranische Regierung die Zahl der afghanischen Bürger*innen im Land neu erfasst: Demnach leben im Iran rund 3,4 Millionen Flüchtlinge. 2021 waren es noch weniger als eine Million Menschen. Darüber hinaus leben im Land rund 1,1 Millionen Afghan*innen mit unterschiedlichen Aufenthaltsstatus – darunter 500.000 Undokumentierte.Quelle
Afghanische Geflüchtete in Deutschland
Schon seit mehr als 30 Jahren zählt Afghanistan zu den Ländern, aus denen Geflüchtete nach Deutschland kommen. Etwa 476.000 Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus Afghanistan leben in Deutschland (Stand: 31.12.2023). Etwa 375.000 Personen sind selber eingereist.Quelle
Die meisten von ihnen sind als Flüchtlinge gekommen. Zum Stichtag 31.12.2023 lebten in Deutschland rund 322.600 Schutzsuchende aus Afghanistan. Rund 252.000 von ihnen sind anerkannte Flüchtlinge. Afghan*innen bilden die zweitgrößte Gruppe von Geflüchteten in Deutschland nach Syrer*innen. Rund ein Drittel von ihnen sind minderjährig.Quelle
Es ist nicht möglich, genau zu sagen, wie viele afghanische Geflüchtete aufgrund der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 nach Deutschland gekommen sind, denn viele Afghan*innen lebten schon vor der Machtübernahme im Iran und Pakistan. Die Zahl der Asylerstanträge von afghanischen Staatsbürger*innen ist seit 2021 deutlich gestiegen.Quelle
Afghanische Ortskräfte und besonders schutzbedürftige Personen
Personen, die in Afghanistan als Ortskräfte für deutsche Behörden/Organisationen gearbeitet haben oder besonders gefährdet sind, haben seit August 2021 besondere "Aufnahmezusagen" nach §22 Aufenthaltsgesetz erhalten. Sie können nach Deutschland einreisen und müssen keinen Asylantrag stellen, sondern erhalten eine Aufenthaltserlaubnis zunächst für maximal drei Jahre.
25.100 ehemalige afghanische Ortskräfte, die für Institutionen der Bundesregierung tätig waren und ihre Familienangehörige sowie weitere über 19.900 besonders gefährdete Afghan*innen haben in den Monaten nach der Machtübernahme eine Aufnahmezusage erhalten. Bisher konnten 33.200 von ihnen nach Deutschland einreisen.Quelle
Im Oktober 2022 hat die Bundesregierung ein "Bundesaufnahmeprogramm" für besonders gefährdete Afghan*innen aktiviert. Das Programm wurde von März 2023 bis Ende Juni 2023 temporär ausgesetzt, um Hinweisen auf mögliche Missbrauchsversuche im Rahmen des Programms nachzugehen. Stand April 2024 wurde für 2.208 Personen eine positive Aufnahmeentscheidung im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms getroffen. Eingereist sind 399 Personen.Quelle
Wie viele Afghan*innen erhalten Schutz?
2023 belief sich die sogenannte bereinigte Schutzquote (ohne formelle Entscheidungen) bei afghanischen Geflüchteten auf rund 99 Prozent.Quelle
Zum Stichtag 31.12.2023 hatten insgesamt rund 252.000 afghanische Geflüchtete Schutz in Deutschland erhalten. Die meisten von ihnen ein sogenanntes Abschiebungsverbot, weil im Herkunftsland "konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit" besteht. Sie bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr (unbegrenzt verlängerbar) und dürfen nur in Ausnahmefällen Ehepartner*innen oder Kinder nach Deutschland nachziehen lassen.Quelle
Viele afghanische Asylbewerber*innen mussten vor Gericht ziehen, um ihren Anspruch auf Schutz geltend zu machen. Wenn man "sonstige Verfahrenserledigungen" herausrechnet, haben Gerichte 2022 in 95 Prozent der Fälle zugunsten der Kläger*innen entschieden. Bei den Verfahren ging es darum, ob die Menschen Schutz erhalten oder darum, ob sie ihren Schutzstatus verbessern können.Quelle
Können afghanische Geflüchtete abgeschoben werden?
Nach Afghanistan wurden im August 2024 28 straffällige Personen abgeschoben. Das ist die erste Abschiebung seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 und erfolgte nach Medienangaben mit Unterstützung von Katar. Offiziell hat die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen zum Taliban-Regime. Die Sicherheitslage habe sich internationalen Beobachtern zufolge in den vergangenen Jahren in Teilen des Landes gebessert. Die Menschenrechtslage bleibt dennoch aufgrund des Wirtschaftskollapses und der fehlenden internationalen Hilfe verheerend. Besonders Frauen und Mädchen drohe wegen des repressiven Taliban-Regimes Gefahr für Leib und Leben. Mitarbeitern der ehemaligen Regierung sowie Ortskräften der internationalen Militärmissionen drohen Folter und Hinrichtungen – sowohl von den Taliban als auch von anderen bewaffneten Gruppen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rät explizit davon ab, Personen nach Afghanistan abzuschieben.Quelle
Vier deutsche Oberverwaltungsgerichte haben sich seit 2021 mit der Frage beschäftigt, ob die Bedingungen für ein Abschiebeverbot nach Afghanistan gegeben sind: Zwei entschieden sich dafür, zwei dagegen.Quelle
Deutschland war bis 2021 eines der wenigen europäischen Länder (zusammen mit den Niederlanden, Dänemark, Griechenland und Österreich), das bis zur Machtübernahme durch die Taliban auf Abschiebungen nach Afghanistan bestanden hat.
Etwa 1.000 Afghan*innen wurden seit 2016 direkt nach Afghanistan abgeschoben. Diese Abschiebungen fanden im Rahmen eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und der afghanischen Regierung statt. In der selben Zeit sind etwa 2.100 Afghan*innen im Rahmen des Förderprogramms REAG/GARP "freiwillig" zurück nach Afghanistan gegangen. Etwa 24.000 Afghan*innen in Deutschland gelten als "ausreisepflichtig". Das heißt, sie wurden aufgefordert, das Land zu verlassen.Quelle
Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus Afghanistan
Afghanische Geflüchtete in Deutschland sind überwiegend männlich, knapp ein Drittel von ihnen sind minderjährig.Quelle
Viele der jungen afghanischen Geflüchteten sind als "minderjährige unbegleitete Flüchtlinge" nach Deutschland gekommen. Ein Drittel aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die seit 2015 in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, kam nach Angaben des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) aus Afghanistan (Stand: 2020).Quelle
Laut einer Befragung aus dem Jahr 2016 war etwa ein Drittel der afghanischen Geflüchteten in Deutschland nie in der Schule, da sie schon lange auf der Flucht sind. Viele von ihnen können deshalb weder lesen noch schreiben. Einige weisen außerdem Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf, die ihre Laufbahn deutlich erschwert hat. Dennoch besuchen viele Afghan*innen deutsche Schulen: rund 44.300 allgemeinbildende Schulen, weitere 23.300 eine berufliche Schule (Schuljahr 2021/2022).Quelle
Wie viele Afghan*innen haben eine Arbeit?
Viele afghanische Geflüchtete haben inzwischen eine Arbeit. Zwar gilt ein Großteil von ihnen noch als "arbeitssuchend", etwa weil sie einen Sprachkurs besuchen und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter den afghanischen Flüchtlingen ist aber in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Mit rund 37 Prozent war die Beschäftigungsquote (inkl. geringfügig Beschäftigte) afghanischer Flüchtlinge im April 2023 etwas niedriger als der Durchschnittswert für die acht wichtigsten Asylherkunftsländern. Afghanische Geflüchtete, die fünf Jahre oder länger in Deutschland leben und eine Arbeit haben, verdienen im Schnitt etwas weniger als andere Geflüchtete. Quelle
Viele afghanische Geflüchtete in Deutschland haben in den letzten Jahren eine Ausbildung angefangen. Das liegt unter anderem daran, dass sie dadurch eine bessere Bleibeperspektive haben.Quelle