Afghanische Geflüchtete
Seit Jahrzehnten sind Millionen Afghan*innen wegen wiederholter bewaffneter Konflikte auf der Flucht. Die meisten von ihnen leben entweder als Binnenflüchtlinge in Afghanistan oder in den Nachbarländern Iran und Pakistan. Deutschland ist auf Platz drei der Aufnahmeländer. Seit die Taliban im August 2021 die Macht im Land ergriffen haben, mussten mehrere Tausend Afghan*innen ihre Wohnorte verlassen. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass aufgrund der eskalierenden humanitären Krise noch mehr Menschen bald aus dem Land flüchten werden. Wer sind afghanische Geflüchtete? Und wie leben sie in Deutschland?
Afghanische Geflüchtete weltweit
Aufgrund zahlreicher Konflikte mussten in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Millionen Afghan*innen ihre Wohnorte verlassen. Weltweit zählte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zum Stichtag 31. Dezember 2021 rund 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge und Asylbewerber*innen. Afghan*innen bilden damit die drittgrößte Flüchtlingsgruppe der Welt – nach Syrer*innen und Venezoelaner*innen. Die meisten von ihnen befinden sich in Pakistan (etwa 1,3 Millionen Menschen) und dem Iran (rund 780.000 Menschen). In Deutschland leben etwa 183.000 afghanische Geflüchtete und Asylbewerber*innen. Damit steht Deutschland an dritter Stelle der Aufnahmeländer.Quelle
Es ist unbekannt, wie viele Afghan*innen seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 geflohen sind. Der UNHCR schätzt, dass im Land rund 3,5 Millionen "Binnenflüchtlinge" (Internally Displaced People) leben – rund 823.000 von ihnen haben ihre Wohnorte seit Januar 2021 verlassen. Zwischen 270.000 und einer halben Million Afghan*innen sollen in den Iran geflüchtet sein. Diese Zahlen basieren auf Schätzungen der iranischen Regierung und des UNHCR. Offiziell dürfen keine afghanische Flüchtlinge in den Iran einreisen. Weitere 118.000 Personen sollen seit Januar 2021 nach Pakistan geflüchtet sein.Quelle
Afghanische Geflüchtete in Deutschland
Schon seit mehr als 30 Jahren zählt Afghanistan zu den Ländern, aus denen Geflüchtete nach Deutschland kommen.Quelle
Die Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 hat sich bis Ende 2022 nur bedingt auf die Zahl der Asylanträge in Deutschland ausgewirkt. Es ist nicht möglich festzustellen, wie viele der Personen, die zum ersten Mal einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, Afghanistan nach August 2021 verlassen haben.Quelle
Ortskräfte und besonders schutzbedürftiger Personen
Personen, die in Afghanistan als Ortskräfte für deutsche Behörden/Organisationen gearbeitet haben oder besonders gefährdet sind, haben seit August 2021 besondere "Aufnahmezusagen" nach §22 Aufenthaltsgesetz erhalten. Sie können nach Deutschland einreisen und müssen keinen Asylantrag stellen, sondern erhalten eine Aufenthaltserlaubnis zunächst für maximal drei Jahre. Bisher wurden rund 36.000 Aufnahmezusagen für ehemalige Ortskräfte und besonders gefährdete Personen (beide einschließlich Familienangehörige). Tatsächlich eingereist sind rund 25.000 "Ortskräfte" und besonders schutzbedürftige Flüchtlinge mit ihren Angehörigen (Stand September 2022). Die meisten Afghan*innen, die im Rahmen dieser Programme nach Deutschland einreisen, waren nach Pakistan geflüchtet.Quelle
Wie viele erhalten Schutz?
Zwischen August und November 2021 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Entscheidungen in den Asylverfahren von afghanischen Antragstellende vorübergehend eingestellt. Seit die Entscheidungsverfahren wieder aufgenommen wurden, beläuft sich die sogenannte bereinigte Schutzquote (ohne formelle Entscheidungen) auf rund 98 Prozent.
Zum Stichtag 31.12.2021 hatten insgesamt rund 167.000 afghanische Geflüchtete Schutz in Deutschland erhalten. Die meisten von ihnen haben ein sogenanntes Abschiebungsverbot erhalten, weil im Herkunftsland "konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit" besteht. Sie bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr (unbegrenzt verlängerbar) und dürfen nur in Ausnahmefällen Ehepartner*innen oder Kinder nach Deutschland nachziehen lassen.Quelle
Viele afghanische Asylbewerber*innen mussten vor Gericht ziehen, um ihren Anspruch auf Schutz geltend zu machen. Im ersten Halbjahr 2021 haben Gerichte in drei Viertel der Fälle, in denen es zu einem Urteil kam, zugunsten der Kläger*innen entschieden. Bei den Verfahren ging es darum, ob die Menschen Schutz erhalten oder darum, ob sie ihren Schutzstatus verbessern können.Quelle
Können afghanische Geflüchtete abgeschoben werden?
Abschiebungen nach Afghanistan sind seit August 2021 ausgesetzt. Deutschland ist eines der wenigen europäischen Länder (zusammen mit den Niederlanden, Dänemark, Griechenland und Österreich), das bis zur Machtübernahme durch die Taliban auf Abschiebungen nach Afghanistan bestanden hat.
Etwa 1.000 Afghan*innen wurden seit 2016 direkt nach Afghanistan abgeschoben. Diese Abschiebungen fanden im Rahmen eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und der afghanischen Regierung statt. In der selben Zeit sind etwa 2.100 Afghan*innen im Rahmen des Förderprogramms REAG/GARP "freiwillig" zurück nach Afghanistan gegangen. Etwa 30.300 Afghan*innen in Deutschland gelten als "ausreisepflichtig". Das heißt, sie wurden aufgefordert, das Land zu verlassen.Quelle
Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus Afghanistan
Afghanische Geflüchtete in Deutschland sind überwiegend männlich und im Durchschnitt jünger als andere Flüchtlingsgruppen: Etwa ein Drittel von ihnen ist minderjährig. Das könnte sich allerdings im Zuge der aktuellen Fluchtmigration aus Afghanistan ändern, denn viele Frauen und Familien haben das Land seit der Machtübernahme durch die Taliban verlassen.Quelle
Viele der jungen afghanischen Geflüchteten sind als "minderjährige unbegleitete Flüchtlinge" nach Deutschland gekommen. Ein Drittel aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die seit 2015 in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, kam nach Angaben des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) aus Afghanistan (Stand: 2020).Quelle
Laut einer Befragung aus dem Jahr 2016 war etwa ein Drittel der afghanischen Geflüchteten in Deutschland nie in der Schule, da sie schon lange auf der Flucht sind. Viele von ihnen können deshalb weder lesen noch schreiben. Einige weisen außerdem Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf, die ihre Laufbahn deutlich erschwert hat. Dennoch besuchen viele Afghan*innen deutsche Schulen: rund 40.700 allgemeinbildende Schulen, weitere 25.700 eine berufliche Schule (Schuljahr 2020/2021).Quelle
Wie viele Afghan*innen haben eine Arbeit?
Viele afghanische Geflüchtete haben inzwischen eine Arbeit. Zwar gilt ein Großteil von ihnen noch als "arbeitssuchend", etwa weil sie einen Sprachkurs besuchen und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter den afghanischen Flüchtlingen ist aber in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Mit rund 40 Prozent ist die Beschäftigungsquote afghanischer Flüchtlinge drei Prozentpunkte höher als bei den Beschäftigten aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern. Afghanische Geflüchtete, die fünf Jahre oder länger in Deutschland leben und eine Arbeit haben, verdienen jedoch im Schnitt etwas weniger als andere Geflüchtete. Quelle
Viele afghanische Geflüchtete in Deutschland haben in den letzten Jahren eine Ausbildung angefangen. Das liegt unter anderem daran, dass sie dadurch eine bessere Bleibeperspektive haben.Quelle