Mit dem Beginn des neuen Ausbildungsjahres hoffen viele junge "Geduldete", langfristig in Deutschland bleiben zu dürfen. Eine Gesetzesänderung von 2016 sichert ihnen zu, dass sie in der Zeit der Ausbildung nicht abgeschoben werden. Wer im Anschluss einen Job findet, darf weitere zwei Jahre bleiben.
2020 wurde die Regelung dann erweitert. Geduldete konnten nun auch mit kürzeren Helferausbildungen in "Mangelberufen" eine Ausbildungsduldung bekommen, zum Beispiel als Pflegehelfer. Auch wurde neu geregelt, wann die Ausländerbehörden in eigenem Ermessen Ausbildungsduldungen erteilen können.
Auf den ersten Blick scheinen die Gesetzesänderungen eine Erfolgsgeschichte ermöglicht zu haben: Machten Ende 2019 noch 3.600 "Geduldete" eine Ausbildung, waren es Ende Mai 2021 schon rund 8.000. Das geht aus Zahlen hervor, die das Bundesinnenministerium auf Anfrage des MEDIENDIENSTES mitteilte. Die große Mehrheit der Auszubildenden kommt aus Afghanistan (rund 2.000), außerdem aus Gambia, Irak, Iran und Guinea.
Hauptgrund ist die große Nachfrage bei Unternehmen
Die Neuregelung ist aber vermutlich nicht der Hauptgrund für den Anstieg: "Wir beobachten in unseren Beratungen seit Jahren einen wachsenden Bedarf der Unternehmen nach Auszubildenden – auch mit Duldung", berichtet Kerstin Becker, Referentin für Flüchtlingspolitik beim Paritätischen Gesamtverband. Außerdem seien vor der Neuregelung gar keine verlässlichen Zahlen erhoben worden. Ein Vergleich mit früher sei deshalb schwierig.
Der Anstieg bewegt sich außerdem auf niedrigem Niveau. Mehr als 220.000 Menschen leben mit einer Duldung in Deutschland, nur 8.000 verfügen über eine Ausbildungsduldung. De facto schaffen es immer noch sehr wenige Menschen, ihren Aufenthalt über eine Ausbildung zu sichern.Quelle
"Rechtssicherheit ist mit dem neuen Gesetz jedenfalls nicht erreicht worden", so Becker. Zwar sei die Ausweitung auf Helferberufe gut gewesen. Andererseits seien auch neue Hürden für Geduldete eingeführt worden, zum Beispiel eine dreimonatige Wartefrist bevor die Ausbildungsduldung beantragt werden kann. In dieser Zeit können angehende Auszubildende jederzeit abgeschoben werden.
Was ist die Duldung?
Mit einer Duldung gilt man als "ausreisepflichtig", darf aber vorübergehend in Deutschland bleiben, weil man nicht abgeschoben werden kann. Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel. Geduldete haben somit keinen gesicherten Aufenthalt, rein rechtlich können sie jederzeit abgeschoben werden. Menschen mit einer Ausbildungsduldung können für die Dauer ihrer Ausbildung und im Anschluss zwei Jahre für eine Beschäftigung in Deutschland bleiben (3+2-Regelung). Mehr...
"Durch die Neuregelung hat sich nichts geändert", sagt Ulla Kampers, Personalleiterin bei "Nordluft", einem niedersächsischen Betrieb für Wärme- und Lüftungstechnik, in dem ein Geduldeter aus Afghanistan ausgebildet wurde. Die Politik sende widersprüchliche Signale: "Einerseits soll die Ausbildungsduldung erleichtert werden. Andererseits erleben wir dieselben Hindernisse und Probleme in den Ausländerbehörden wie zuvor".
Sie berichtet davon, dass der Geduldete, der in ihrem Betrieb ausgebildet wurde, nur Duldungen für jeweils ein halbes Jahr bekam, obwohl er eigentlich Anspruch auf eine mehrjährige Duldung gehabt hätte. "Das verunsichert die Betriebe und auch die Auszubildenden", sagt sie.
Kampers ist im Netzwerk "Unternehmen integrieren Flüchtlinge" als Regionalbotschafterin engagiert. Dort hat sie viel Kontakt zu Unternehmen, in denen Geduldete ausgebildet werden. "Die jungen Auszubildenden sind sehr engagiert", berichtet die Personalleiterin. In einem Betrieb aus ihrem Netzwerk arbeitete ein Geduldeter aus Guinea, der jeden Morgen zwei Stunden unterwegs zur Arbeit war. Erst nach viel politischem Druck habe er eine Duldung für den Landkreis seines Betriebes bekommen – allerdings auch nur für jeweils ein halbes Jahr. "Wir haben großen Fachkräftemangel in der Metallbranche", so Kampers weiter, "und wir können es uns eigentlich nicht leisten, solche jungen, fleißigen Menschen abzuschieben".
Von Carsten Janke
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.