In den Fußball-Bundesligen der Männer spielen zahlreiche Schwarze Spieler und People of Colour – allerdings häufig auf den Außenbahnen und im Angriff und nie im Tor. Das haben Forscher*innen des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) anhand von Aufstellungslisten der 1. und 2. Bundesliga herausgefunden. Die Pilotstudie, die im Juli erscheint, wurde im Rahmen des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) gefördert. Sie ist auch deshalb wichtig, weil es bisher kaum Forschungen zu diesem Thema gibt.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie?
- Schwarze Fußballprofis spielen oft als offensive Spieler auf den Außenbahnen. Dort ist ihr Anteil viel höher (37 Prozent) als im Durchschnitt aller Spielpositionen (rund 21 Prozent). Das ist eine Spielerposition, die besonders mit "Körperlichkeit, Aggressivität und Schnelligkeit" verbunden werde, so die Forscher*innen.
- Im Tor gibt es keinen Schwarzen Profi-Torwart in der ersten und zweiten Bundesliga.
- Auf anderen Positionen sind die Unterschiede weniger deutlich: Im Mittelfeld sind Schwarze Spieler leicht unterrepräsentiert. In der Außenverteidigung und im Sturm leicht überrepräsentiert. Schwarze Spieler seien insgesamt seltener auf Positionen zu finden, die mit "Zentralität, Spielaufbau, Spielführung, Spielüberblick oder Spielorganisation" verbunden werden.
- Die Forscher*innen sehen in diesen Ergebnissen "Muster von Racist Stacking", also von rassistischen Zuschreibungen, die auch im Sport eine Rolle spielen.
- Auf der Suche nach Gründen hat sich das Forschungs-Team die Strukturen der 36 Bundesligaklubs angeschaut, also zum Beispiel Trainer, Scouts und Manager. Das Ergebnis: Schwarze Menschen und andere People of Colour sind hier kaum vertreten. Rund 96 Prozent der Verantwortlichen, die in der Studie betrachtet wurden, sind weiß.
Sind rassistische Zuschreibungen der Grund?
Die Forscher*innen vermuten, dass diese Ungleichbesetzung von Spielpositionen auf, möglicherweise unbewusste und ungewollte, rassistische Zuschreibungspraktiken zurückzuführen ist: "Rassistische Vorstellungen über die körperliche Überlegenheit und die intellektuelle Unterlegenheit von Schwarzen Sportlern führen dazu, dass Schwarze Spieler vor allem auf körperbetonten Spielpositionen gesetzt werden", sagt Tina Nobis, Co-Autorin der Studie. Diese rassistischen Vorstellungen seien in der ganzen Gesellschaft verankert und hätten sich in die Strukturen des Sports eingeschrieben. Wissenschaftlich erforscht ist Stacking bislang vor allem für den US-amerikanischen Profi-Sport, zum Beispiel für die Frage, wer als Quarterback im American Football aufgestellt wird.Quelle
Die neue Studie zum deutschen Fußball sei wichtig, weil es dazu bislang kaum Forschungen gibt, sagt Ansgar Thiel, Sportwissenschaftler von der Uni Tübingen. Allerdings reiche es noch nicht aus, zu zählen, wie oft Schwarze Spieler und andere PoC auf welchen Positionen spielen, sagt der Forscher, der nicht an der Studie beteiligt war. Es seien weitergehende Untersuchungen nötig, um zu sagen, warum das so ist. Man müsse die Spieler nach ihren Erfahrungen befragen, und auch Fußball-Trainer und Talent-Scouts. Nur so könne man ausschließen, dass es sich bei den kleinen Fallzahlen etwa bei Torwarten um zufällige Phänomene handelt.
Was könnten andere Gründe sein?
Auch Trainer und Nachwuchstrainer seien inzwischen sensibilisiert für das Thema Rassismus, so Thiel. Er könne sich kaum vorstellen, dass da rassistische Muster bei der Besetzung unbemerkt blieben. Thiel vermutet, dass die Gründe gerade bei der Torhüter-Position komplexer sind. "Junge Fußballspieler entscheiden sich in Deutschland schon sehr früh für diese Position". Es wäre wichtig zu erforschen, wie das in Jugendmannschaften abläuft. "Es kann wichtig sein, ob es positive Rollenvorbilder gibt, welchen Einfluss die Eltern auf die jungen Spieler nehmen und ob es Moden gibt, sich für bestimmte Positionen zu entscheiden", so Thiel weiter.
Und warum gibt es keinen Schwarzen Torhüter?
In bisherigen Reaktionen auf die Studie wurde argumentiert, es gebe keine Schwarzen Torhüter, weil man in Deutschland besonderen Wert auf die Torwartausbildung lege. Deshalb müsse man keine Spieler aus dem Ausland verpflichten. Das sei aber unlogisch, so die Forscher*innen in ihrem Bericht, denn es gebe auch viele Schwarze Sportler, die in Deutschland aufgewachsen sind. "Auch sie müssten von der Ausbildung profitiert haben, wenn sie die selben Chancen auf die Torwart-Position gehabt hätten", so Tina Nobis.
Gibt es "Racist Stacking" in anderen Ländern?
Besonders intensiv wurde das Thema im US-Sport für die Sportarten Baseball, Basketball und American Football untersucht. Aber auch in anderen Ländern gibt es Forschungen zum Thema und Hinweise auf Racist Stacking in anderen Sportarten wie Rugby, Eishockey oder Cricket. Für den englischen Fußball konnten Forscher zeigen, dass junge Spieler mit asiatischer Migrationsgeschichte es schwerer haben, in den Profifußball einzusteigen. Sie erleben schon früh Vorurteile in Fußballvereinen, werden von Talentscouts eher "übersehen" und sie haben wenige positive Rollenvorbilder. Der britische Fußballverband hat daraufhin spezielle Weiterbildungen für Trainer eingeführt. Auch Fußballkommentare im Fernsehen können rassistische Zuschreibungen transportieren, wie Studien für die Berichterstattung in verschiedenen Ländern zeigen.Quellen
Wo gibt es darüber hinaus Diskriminierung?
Türkeistämmige Spieler hätten es zum Beispiel lange schwer gehabt, für die deutsche Nationalmannschaft ausgewählt zu werden, so Thiel. Aber da habe sich viel geändert. Auch die Junioren-Nationalmannschaften seien inzwischen diverser geworden und zwar auf allen Spieler-Positionen. Trotzdem erlebten einige Spieler im Berufsalltag Rassismus, wie der jüngste Skandal um Äußerungen des Torwart-Trainers Jens Lehmann gezeigt habe.
Die neue Studie zeigt auch, wie wenig Schwarze und People of Color es in den besonders einflussreichen Positionen der 36 Erst- und Zweitligaklubs der Bundesliga gibt, also zum Beispiel bei Trainern, Scouts und Managern. Die Forscher*innen sprechen von einer "gläsernen Decke". 96 Prozent der in der Studie betrachteten Verantwortlichen in den Fußballklubs seien demnach weiß. 99 Prozent sind Männer. Schwarze Menschen, People of Colour und Frauen seien hier noch viel zu selten.
Zur Methode:
Die DeZIM-Forscher*innen haben die 967 Spieler der ersten und zweiten Bundesliga (Saison 2020/2021) gezählt und anhand von Fotos nach "rassifizierten Gruppen" eingeteilt. Insgesamt zählten sie rund 70 Prozent "weiße" Spieler (672 Spieler), rund 20 Prozent Schwarze Spieler (199 Spieler) und rund 10 Prozent "weitere People of Colour" (96 Spieler). In strittigen Fällen wurden die Spieler in keiner Kategorie gezählt. Für die Ergänzungsstudie wurden relevante Posten in Fußballklubs erhoben (dazu gehörten zum Beispiel Trainer, Scouts, Vorstände und das Management). Insgesamt wurden 400 Verantwortliche in den Fußballklubs gezählt und anhand von Fotos kategorisiert. Auch hier wurden in strittigen Fällen oder wenn kein Bild vorlag, die Personen keiner Kategorie zugeordnet. Die Studie soll Ende Juli 2021 erscheinen.
Von Carsten Janke
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