Sein Werdegang beeindruckt und schafft ein Vorbild: mit 12 Jahren kam Gerald Asamoah nach Deutschland. Im ersten Fußballverein meldet sich der Teenager alleine an und sammelt Geld von Verwandten für den Mitgliedsbeitrag. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. 1999, mit 21 Jahren, spielt er schon in der 1. Bundesliga. Ein Jahr später läuft er – kurz nach seiner Einbürgerung – erstmals für Deutschland auf. Als er gleich im ersten Länderspiel ein Tor erzielt und die Zuschauer ihn frenetisch feiern, fühlt er sich in seiner neuen Heimat voll und ganz akzeptiert.
Doch Asamoah berichtet auch von anderen Erfahrungen: In einem Spiel um den Aufstieg in die 2. Liga im Jahr 1997 beschimpften Cottbusser Fans Asamoah als "Neger", mimten Affengeräusche nach und warfen Bananen. „Direkt nach dem Abpfiff liefen Cottbusser Fans auf das Feld und schlugen mich“. Seine Mitspieler schwiegen über den Vorfall. Nicht nur Zuschauer, auch Gegenspieler haben Asamoah wegen seiner Hautfarbe immer wieder beleidigt, schreibt er in seinem Buch, das Anfang 2013 erschien. Dabei mache es keinen Unterschied, ob er in unteren oder in der 1. Liga spielt.
Nachdem er als Unterstützter der Kampagne "Du bist Deutschland" zu sehen war, veröffentlicht der rechtsextreme Schutzbund Deutschland Plakate und Aufkleber mit seinem Foto und der Aufschrift: „Nein, Gerald, Du bist nicht Deutschland! Du bist BRD!“. Kurz nach der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland erlebt er ein böses Erwachen aus dem Sommermärchen: In Rostock beleidigten ihn Zuschauer mit Affenlauten und rassistischen Sprechchören. Von seinen Nationalmannschaftskollegen fühlt er sich alleingelassen.
Zu hohe Erwartungen an Integration durch Sport
Gerald Asamoah hat lange daran geglaubt, dass Sport integriert: „Fußball und Spiel sind eine Art von Kommunikation, bei der egal ist, ob man Deutsch oder Englisch oder Twi spricht. Die Unterschiede verschwinden, wenn der Ball in das Tor soll“. Die Hoffnungen in den Sport sind groß. Sportverbände setzen verstärkt auf Programme wie „Integration durch Sport“, „Mehr Migrantinnen in den Sport“ oder „spin“.
Doch Sport wirkt nicht automatisch verbindend, wie Asamoah persönlich erlebt. Der Soziologe Michael Mutz erklärt: „Die hohen Erwartungen an eine Integration durch Sport, die sich sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit erkennen lassen, und die von den Sportverbänden gerne aufgegriffen werden, erscheinen in Anbetracht der empirischen Befunde deutlich überzogen.“
Auch die Sportwissenschaftlerin Christa Kleindienst-Cachay geht von keiner „automatischen“ Integrationswirkung durch den Sport aus: „Es sind auch regelrechte Desintegrationsprozesse durch Sport möglich: So kann der Sport zum Beispiel die Erfahrung der ‚Fremdheit‘ verstärken, etwa durch unterschiedliche Körperptechniken oder durch die Ethnisierung von Konflikten.“ Für die Betroffenen eine prägende Erfahrung.
Solche negativen Erfahrungen mussten neben Gerald Asamoah auch andere bekannte Fußballer aus Einwandererfamilien machen. Michael Horeni erzählt in seinem Buch „Die Brüder Boateng“ von den Ausgrenzungserfahrungen der deutschen Nationalspieler Jérôme und Kevin-Prince Boateng. Jimmy Hartwig, Sohn eines schwarzen US-Soldaten, spielte bereits Ende der 1970er Jahre in der Bundesliga. In seiner 2010 erschienenen Autobiografie berichtet er von der glamourösen Seite des Erfolgs, aber auch davon, wie er sein Geld verlor, an Krebs erkrankte und sich als Fremder in dieser Gesellschaft fühlte.
Bei Gerald Asamoah hat sich bis heute – trotz negativer Erfahrungen – nichts an seiner Identifikation mit dem Land geändert. Vor allem verbindet ihn viel mit dem Ruhrgebiet und Schalke: „Viel Arbeit, viel Schweiß und gute Kumpels sind auch für mich Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein.“
Chaban Salih ist Sport- und Kommunikationswissenschaftler. 2012 hat er seine Promotion an der Sporthochschule Köln abgeschlossen, zum Thema "Die Kommunikation bei Mega-Events. Eine vergleichende Untersuchung der Fußball-WM und Hadsch-Pilgerfahrt."
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