Medien
Wie berichten Medien über Flucht und Migration? Welche Muster gibt es? Und wie steht es um die Vielfalt in Redaktionen? Ein Überblick.
Wie berichten Medien über Migration und Flucht?
Die Berichterstattung über Eingewanderte und Geflüchtete ist häufig verzerrt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Mainz und Stiftung Mercator aus dem Jahr 2021. Das Forschungsteam führte eine quantitative Analyse von insgesamt 5.822 Medienberichten in sechs Leitmedien zwischen 2016-2020 durch. Demnach betonen viele Medienberichte eher Kriminalität (13 Prozent) im Zusammenhang mit Flucht und Einwanderung, aber nur in drei Prozent Gewalt gegen Geflüchtete. Wenn es um die Folgen von Zuwanderung ging, haben Medien am häufigsten negative Konsequenzen für die Sicherheit der Bevölkerung aufgegriffen (57 Prozent). Hierbei gab es jedoch Unterschiede: In Berichten der BILD oder FAZ wurden negative Aspekte stärker betont als in der Süddeutschen Zeitung. Eine weitere Erkenntnis: Insgesamt nahm die Berichterstattung über Geflüchtete in dem untersuchten Zeitraum deutlich ab.Quelle
Zu ähnlichen Ergebnissen kam Medienforscher Thomas Hestermann in einer Expertise für den MEDIENDIENST aus dem Jahr 2020. Demnach handelten viele Berichte von Gewalttaten, Rechtsverstößen, den Kosten der Integration oder "Überfremdung". Einwanderung als Chance hingegen ist seltener Thema. Ausnahmen sind Beiträge zu den Themen Arbeitsmarkt und Sozialstaat.Quelle
Ein weiteres Ergebnis der Expertise: Zugewanderte und Geflüchtete kommen in der Berichterstattung kaum persönlich zu Wort, selbst dann nicht, wenn über sie berichtet wird. Das zeigen auch andere Studien.
Die Berichterstattung variiert aber je nach Medium und auch nach Land:
- Eine Studie der TU Dortmund (2020) untersuchte die Berichterstattung über Migration in 16 europäischen Staaten und den USA. Ein Ergebnis: Westeuropäische und links/liberal ausgerichtete Medien berichten mehr über Themen wie gesellschaftliches Engagement für Geflüchtete, osteuropäische und eher rechts/konservativ ausgerichtete Medien mehr über problematische Themen wie etwa Kriminalität.Quelle
- Einer Studie von 2019 zufolge wird in Ländern, die viele Migrant*innen aufnehmen, häufiger über Migration berichtet als in Ländern, aus denen vor allem Menschen abwandern. Zudem werde in Europa positiver über innereuropäische Migration berichtet als über außereuropäische.Quelle
"Der Islam" und Muslim*innen in den Medien
Studien zeigen, dass die Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen oft stereotyp und negativ ist. So zeichneten mehr als drei Viertel aller Berichte, die das Forschungsinstitut Media Tenor International 2016 in einer Langzeitstudie auswertete, ein negatives Bild von Muslim*innen und dem Islam. Ältere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Diese Ergebnisse heißen aber nicht, dass Medien pauschal islamfeindlich und vor allem nicht explizit negativ berichteten, so Tim Karis vom Centrum für Religionswissenschaften (CERES). Das Problem sei eher eine unterschwellige, wiederkehrende Themensetzung oder das Rückgreifen auf stereotype Islam-Bilder.Quelle
Weitere Studien haben ergeben:
- Insbesondere nach den Anschlägen vom 11. Septembers 2001 wurde der Islam in der Berichterstattung oft in Zusammenhang mit Terrorismus gebracht und als "Bedrohung" für die westliche Welt dargestellt.
- Seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 werden Geflüchtete und der Islam in deutschen Medien häufig thematisch miteinander verknüpft. Darüber hinaus werden muslimische Geflüchtete oft als kulturell "Andere" präsentiert, die einer "europäischen christlichen Kultur" gegenüberstünden. Das ist das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2018, die vergleicht, wie die "Flüchtlingskrise" in der deutschen und britischen Presse dargestellt wurde.
- Insbesondere männliche muslimische Migranten werden oft als eine unterschätzte Bedrohung für die deutsche Gesellschaft dargestellt, so das Ergebnis einer Untersuchung aus dem Jahr 2019. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Studie 2016: Muslim*innen werden in deutschen Zeitungen meist als problematische, andersartige, bedrohliche und homogene Gruppe dargestellt.
- Auch über muslimische Frauen gibt es gängige Stereotype: verschiedene Analysen zeigen, dass Musliminnen in den Medien als rückschrittlich oder kulturell fremd dargestellt werden.
Neben der inhaltlichen Berichterstattung spielt auch die Bildauswahl eine zentrale Rolle in der Darstellung des Islam und von Muslim*innen in den Medien:
- Wiederkehrende "Symbolbilder" in Artikeln über islamische Themen und Muslim*innen seien vollverschleierte Frauen, bewaffnete Islamist*innen oder anonyme Menschenmassen in Mekka, schreiben die Medienwissenschaftler*innen Sabrina Schmidt und Kai Hafez. Insbesondere das Kopftuch werde zu veranschaulichenden Zwecken eingesetzt. Anstatt die Vielfältigkeit muslimischen Lebens abzubilden, wirke diese Bildsprache anonymisierend, homogenisierend und entmenschlichend.
Verschiedene Online-Plattformen, der MEDIENDIENST INTEGRATION sowie Wissenschaftler*innen geben Anregungen für Medienschaffende, wie eine ausgewogene Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen aussehen könnte:
- Der Fotojournalist Julius Matuschik hat den Blog "Moin und Salam" ins Leben gerufen, um die Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland zu zeigen, als Gegenentwurf zu einer einseitigen Bildberichterstattung.
- Für eine ausgewogenere Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen bedarf es der Perspektive von Muslim*innen und Gemeinden. Der MEDIENDIENST hat zwei Info-Papiere zur muslimischen Zivilgesellschaft und zu islamischen Verbänden in Deutschland mit Hintergrundinformationen und Ansprechpartner*innen zusammengestellt.
- Weitere Hinweise finden sich in unserem Handbuch "Muslime in den Medien".
Wie berichten Medien über Rassismus?
Wie oft und in welchem Zusammenhang berichten Medien über Rassismus? Das untersuchte eine Studie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) des DeZIM-Instituts in mehr als 42.000 Artikel der SZ, FAZ und taz zwischen 1990 und 2021. Die Ergebnisse:
Mehr Berichterstattung: Die Zahl der Artikel, die sich in den drei Zeitungen mit Rassismus befassen, hat sich zwischen 1995 und 2020 mehr als verdreifacht – von jährlich rund 620 Berichten auf zuletzt über 2.140. Berichtet wird oft im Zusammenhang mit gewaltvollen Anschlägen (etwa in Hanau 2020, in Solingen 1993 und in Hoyerswerda 1991) oder mit größeren Protesten (den Black Lives Matter Protesten im Frühjahr 2021, den Pegida-Kundgebungen 2015 und Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen ab 2021).Quelle
Zwei Ereignisse 2010/2011 hätten ein grundlegenderes Bewusstsein und eine selbstkritische Reflektion für das Thema in den Redaktionen befördert, so die Autor*innen: Die Enttarnung des selbsternannten "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) sowie die Veröffentlichung von Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab".Quelle
Die untersuchten Medien berichten immer mehr über strukturelle Aspekte von Rassismus sowie verschiedene Erscheinungsformen, etwa antimuslimischen Rassismus. Auch hätten die SZ und die taz seit 2010 die Perpektive von Rassismus betroffener Personen stärker in den Fokus genommen.Quelle
Immer noch berichten der Studie zufolge Medien über Rassismus eher im Kontext von Rechtsextremismus und besonders gewaltsamer Anschläge. Dies würde dazu beitragen, Rassismus als Ausnahme und Randphänomen wahrzunehmen.Quelle
Wie oft nennen Medien die Herkunft von Tatverdächtigen?
Medien berichten weit häufiger über Gewalt-Delikte von Ausländer*innen, als es ihrem tatsächen Anteil in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik entspricht. Das zeigen mehrere Studien des Medienforschers Thomas Hestermann, die der MEDIENDIENST in Expertisen (2023, 2022 und 2019) veröffentlicht hat.
Die neusten Zahlen aus 2023 zeigen bei Gewalt-Delikten:
- In rund einem Drittel der Berichte wird die Herkunft des/der Tatverdächtigen genannt.
- In den Berichten, die die Herkunft nennen, werden Ausländer weit überproportional oft benannt: In Fernsehberichten in 83,9 Prozent und in Zeitungsberichten in 82 Prozent der Fälle, obwohl ihr tatsächlicher Anteil an Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik nur rund einem Dritttel entspricht.
- Deutsche Tatverdächtige werden hingegen unterproportional oft dargestellt: Ihr Anteil an Gewalt-Delikten beträgt in Fernsehberichten 16,1 Prozent, in Zeitungsberichten 18,0 Prozent – in der Polizeilichen Kriminalstatistik hingegen 68,5 Prozent.
Zur Expertise und Zahlen zur Herkunftsnennung hier (Studie 2023), hier (Studie 2022) und hier (Studie 2019). Zur Expert*innen-Diskussion über die Forschungsergebnisse hier.
Wann sollten Medien die Herkunft nennen, wann nicht?
Wann spielt die Herkunft von Tatverdächtigen eine Rolle? Wann nicht? In einer Expertise für den MEDIENDIENST zeigen die Kriminologen Tobias Singelnstein und Christian Walburg den aktuellen Forschungsstand zu dieser schwierigen Frage. Sie soll es Journalist*innen erleichtern, die Abwägung zu treffen.
Die vollständige Expertise finden Sie hier.
Ein kurzes How To finden Sie hier.
- Herkunft und Zuwanderungsgeschichte sind "nicht entscheidend" für Kriminalität, so die Forscher. Kriminalität ist Folge einer Vielzahl von Faktoren, insbesondere der Lebensumstände. Staatsbürgerschaft oder Migrationshintergrund können eine indirekte Rolle spielen. Ob das der Fall ist, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen.
- Journalist*innen sollten die Herkunft nur dann nennen, wenn die Herkunft zum Verständnis des Geschehens wichtig ist ("Erklärungswert") und das schwerer wiegt als die negativen Folgen der Nennung ("Stigmatisierungsgefahr").
- Ein Beispiel sind die Ausschreitungen in Stuttgart im Juni 2020. Die Mehrheit der ermittelten Tatverdächtigen dürfte in Deutschland aufgewachsen sein: Unter den 100 ermittelten Tatverdächtigen waren 66 Deutsche, darunter 49 Deutsche mit Migrationshintergrund (Quelle). Nach bisherigem Kenntnisstand war das nicht von zentraler Bedeutung für die Erklärung der Vorkommnisse, sagen die Forscher. Wenn Tatverdächtige in Deutschland aufgewachsen sind, gebe es oftmals keinen Grund, den Migrationshintergrund oder die Staatsbürgerschaft zu nennen.
- Ein weiteres Beispiel sind Partner*innentötungen, über die in Medien immer wieder sehr ausführlich berichtet wird. In solchen Verbrechen zeigen sich häufig Besitz- und Kontrollansprüche, die bei Einheimischen und Zugewanderten vorkommen. 2019 waren knapp zwei Drittel der ermittelten Tatverdächtigen in diesem Bereich Deutsche. Wenn im Einzelfall überholte Vorstellungen wie die "Verteidigung der Ehre der Familie" eine Rolle gespielt haben, kann dies dafür sprechen, dass Medien die Herkunft von Tatverdächtigen erwähnen und diese Bezüge erklären.Quelle
Regelung zur Herkunftsnennung im Pressekodex
Geregelt ist die Herkunftsnennung in Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Der Deutsche Presserat änderte sie 2017 mit einer umstrittenen Entscheidung. Zuvor sollte die Herkunft nur dann genannt werden, wenn es einen Zusammenhang zur Tat gab. Seit 2017 steht im Kodex, die Zugehörigkeit eines Verdächtigen oder Täters zu einer ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit sei nur dann zu nennen, wenn „ein begründetes öffentliches Interesse“ bestehe. Das sei etwa der Fall, wenn es sich um besonders schwere oder außergewöhnliche Straftaten wie Terrorismus handelt oder wenn Straftaten aus einer größeren Gruppe begangen wurde, in der viele ein gemeinsames Merkmal wie die Zugehörigkeit zu einer nationalen Gruppe teilen (Beispiel: Kölner Silvesternacht).
Expert*innen warnen davor, dass die Nennung der Herkunft eines Einzelnen zu einer Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsgruppen führen kann. Die Herkunft sollte daher nur dann genannt werden, wenn im Bericht erklärt wird, warum diese für die Tat relevant ist.
Ob Medien über die Nationalität von Tatverdächtigen berichten, kann auch davon abhängen, ob die Polizeibehörde in der jeweiligen Polizeimeldung die Nationalität erwähnt. Eine NDR-Recherche 2021 zeigte: Unter den Bundesländern gibt es keine einheitliche Linie, wie die Polizei mit der Nennung von Nationalitäten umgeht. Selbst innerhalb der Länder gibt es Unterschiede: Einige Polizeidienststellen nennen die Staatsangehörigkeit fast in jeder vierten Meldung, andere fast nie.Quelle
Mediennutzung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte
Menschen mit Migrationshintergrund nutzen überwiegend deutschsprachige Medien. Das zeigen mehrere Studien:
Dem repräsentativen Integrationsbarometer des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) 2020 zufolge informieren sich fast 90 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund ausschließlich oder überwiegend auf Deutsch über Politik. Nur jede zehnte Person mit Migrationshintergrund nutzt Medien ausschließlich oder vorwiegend in der Herkunftssprache.Quelle
Eine Befragung des WDR von unter 20- bis 40-Jährigen mit Einwanderungsgeschichte 2019 zeigte: ihre Mediennutzung entspricht derjenigen von Personen ohne Migrationshintergrund in derselben Altersgruppe. Medien aus den Herkunftsländern der Familie nutzten die Befragten eher als ergänzende Quelle und vor allem bei kontroversen Themen.Quelle
Aus Daten des SVR-Integrationsbarometers 2020 geht außerdem hervor, dass Menschen mit Migrationshintergrund großes Vertrauen in deutsche Medien haben. 67 Prozent der Befragten gaben in der Untersuchung an, deutschen Medien „eher" oder „voll und ganz" zu vertrauen. Nur jeder Zehnte vertraut deutschen Medien "gar nicht". Das Vertrauen in Medien aus den Herkunftsländern ist weit weniger ausgeprägt.Quelle
Medienangebote für Geflüchtete
Verschiedene Nachrichtenangebote richten sich direkt an Geflüchtete - zum Beispiel die Seite infomigrants, an der auch die Deutsche Welle beteiligt ist, oder das internationale Refugee Radio Network.
Medienangebote für ukrainische Geflüchtete
Zahlreiche Medienhäuser haben im Frühjahr 2022 Angebote entwickelt, die sich an ukrainische Geflüchtete richten – hier eine Übersicht.
Medienangebote für Geflüchtete auf Arabisch und Farsi
2015/16 wurden einige Medienangebote gegründet, die sich auf Arabisch oder Farsi an Geflüchtete richten – teilweise sind sie von geflüchteten Journalist*innen ins Leben gerufen worden.
Die Informationsplattformen Amal Berlin und Amal Hamburg, Amal Frankfurt senden auf Arabisch, Farsi und Ukrainisch. Die Zeitung und das online-Medium Abwab ist eigenen Angaben zufolge das erste arabisch-sprachige Format dieser Art in Deutschland. Abwab richtet sich an Geflüchtete aus Syrien, dem Irak und anderen arabisch-sprachigen Ländern.
Bei WDRforyou bietet der WDR Informationen, Dokumentationen, aber auch Unterhaltungsprogramm für Geflüchtete auf Deutsch, Arabisch und Persisch.
Diversität in Film und Fernsehen
Gesellschaftliche Diversität wird im deutschen Fernsehen nicht angemessen abgebildet – zu diesem Schluss kommt eine Studie 2021/2022 der MaLisa Stiftung und der Universität Rostock:
- Demnach stellten Menschen mit Migrationshintergrund 2020 lediglich elf Prozent aller Protagonist*innen im Fernsehen dar (im Vergleich zu 26 Prozent in der Bevölkerung).
- Schwarze Menschen sowie People of Colour spielen nur fünf Prozent aller Hauptrollen in TV-Programmen (im Vergleich zu geschätzten 10 Prozent in der Bevölkerung.Quelle
- Frauen mit Migrationshintergrund kommen etwas häufiger vor: 14 Prozent der Protagonistinnen im deutschen TV (im Vergleich zu etwa 26 Prozent in der weiblichen Bevölkerung).Quelle
Die Universum Film AG (Ufa) hat Zahlen zu Diversität bei Haupt- und Nebenrollen eigener Filmproduktionen erhoben. Der Untersuchung nach waren People of Colour in nur 7,6 Prozent der Ufa-Produktionen vertreten. Somit waren sie, verglichen mit ihrem geschätzten, gesellschaftlichen Anteil (etwa 10 Prozent), unterrepräsentiert.Quelle
Die erste umfassende Erhebung zu Diskriminierung in Film und Fernsehen hat die Organisation Citizens for Europe 2021 veröffentlicht. Dafür hat sie Fragebögen von rund 5.500 Filmschaffenden ausgewertet. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Mehr als drei Viertel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass bestimmte Gruppen in Filmen klischeehaft dargestellt werden. Das gelte insbesondere für Menschen aus arabischen und asiatischen Ländern, Muslim*innen, Sinti*zze und Rom*nja, Schwarze Menschen und Menschen mit niedrigem sozialen Status.
- Die Befragten sagten, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte selten als Hauptfigur gecastet werden. Häufig bekämen sie Rollen als Freund*in oder Assistent*in der Hauptfigur.
Laut der Studie gibt es in der Filmbranche ein strukturelles Problem mit Diskriminierung:
- Die Hälfte der Befragten, die Angaben zu Diskriminierungserfahrungen gemacht haben (3.200 Befragte), gab an, in den letzten zwei Jahren am Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein, 5 Prozent sogar "oft" bis "fast immer".
- 13 Prozent der Befragten, die Angaben zu den Gründen der Diskriminierung gemacht haben (800 Betroffene), gaben an, rassistisch diskriminiert worden zu sein. Am häufigsten wurden Erfahrungen mit Sexismus und Altersdiskriminierung genannt.
- Diskriminierung schlägt sich auch in der Bezahlung und in den Rahmenbedingungen der Arbeit nieder: Die Befragten BPoC sind seltener fest angestellt und verdienen insgesamt weniger als weiße Filmschaffende.
Migrantische "Rollen" in TV-Nachrichten
Die Neuen Deutschen Medienmacher*innen untersuchten im Zusammenhang der Bundestagswahl 2021 die Rolle von migrantisch wahrgenommenen Personen in deutschen TV-Nachrichtensendungen. Demnach kommen sie vergleichsweise selten zu Wort. Besonders selten wurden sie als Expert*innen (neun Prozent) oder Politiker*innen (drei Prozent) befragt. Thematisch äußerten sie sich vor allem zu Migration und Flucht (dazu stellen sie jeweils 42 Prozent und 27 Prozent der Gesprächspartner*innen). Aber kaum, wenn es um Wirtschaft (vier Prozent) oder Arbeitsmarkt-Themen ging (zwei Prozent).
Diversität in Redaktionen und Rundfunkräten
In Redaktionen in Deutschland sind Menschen mit Migrationshintergrund deutlich unterrepräsentiert. Es gibt aber nur wenige aktuelle Erhebungen zum Thema.
Gerade einmal sechs Prozent der Chefredakteur*innen haben eine Einwanderungsgeschichte – und die kommen alle aus Nachbarstaaten Deutschlands oder der EU. Das zeigt eine Befragung von Chefredakteur*innen der 126 reichweitenstärksten deutschen Medien aus dem Jahr 2020.Quelle
Ältere Erhebungen zum Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Redaktionen zeigen:
- Nicht mehr als vier bis fünf Prozent der Journalist*innen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund – davon geht eine nicht-repräsentative Studie von 2016 aus.Quelle
- Einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2009 zufolge hatte nur ein Prozent der Journalist*innen deutscher Tageszeitungen einen Migrationshintergrund.Quelle
- Eine Umfrage 2007/2008 ergab, dass der Anteil ausländischer Staatsbürger*innen in deutschen Medien deutlich unter fünf Prozent liegt.Quelle
Es gibt verschiedene Gründe für die mangelnde Diversität: In den Redaktionen fehlen oft konkrete Maßnahmen, um mehr Vielfalt durchzusetzen. Zudem stehen Journalist*innen mit Migrationsgeschichte vor vielen Hürden, sagen Fachleute. Oftmals müssten sie sich im Job noch mehr beweisen als Kolleg*innen ohne Einwanderungsgeschichte.Quelle
Diversität in Rundfunkräten
Die Neuen Deutschen Medienmacher*innen untersuchten, inwieweit die bundesweit 12 Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Sender die Diversität der Bevölkerung abbilden. Rundfunkräte sollen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und Meinungen repräsentieren und überwachen, ob die Öffentlich-Rechtlichen ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen. Die Studie belegt: Eingewanderte und ihre Nachkommen, Black and People of Colour (BPoC) und staatlich anerkannte Minderheiten sind deutlich unterrepräsentiert - zusammen haben sie jeweils nur 13 der 542 Plätze. Sinti*zze und Rom*nja sind lediglich im SWR-Rundfunkrat mit einem Mitglied vertreten.Quelle
Diversität in Hollywood-Filmen und -Serien
In Hollywood-Filmen geht es diverser zu als hierzulande – angetrieben durch Online-Streaming-Dienste, die größeren Wert auf Diversität in ihren Produktionen legen. Aktuelle Zahlen zeigen:
- Zwei von zehn Hauptdarsteller*innen in US-Spielfilmen waren 2022 People of Colour. Bei Streamingfilmen lag die Zahl mit drei von zehn etwas höher. Damit waren sie aber immer noch seltener vertreten als in der US-Bevölkerung (30 zu 43 Prozent).Quelle
- Im Vergleich zu 2021 ist das ein leichter Rückgang, da waren es vier von zehn Hauptdarsteller*innen; somit waren sie annähernd so häufig vertreten wie in der Bevölkerung.
- Rund zwei von zehn Regisseur*inne waren People of Colour, 2021 war es etwa jede*r dritte.Quelle
Online-Dienste scheinen mit mehr Vielfalt im Film erfolgreicher zu sein: Die höchsten Zuschauerquoten erhielten laut dem Bericht, von 2023 Streaming-Produktionen mit mindestens 25 Prozent Darsteller*innen aus Minderheiten. Filme mit weniger Darsteller*innen aus Minderheiten hatten auch weniger Zuschauer*innen. Der Bericht wird von Netflix und Disney gefördert.
Verbesserung in Serien
Die Diversität in Serien hat über die Jahre zugenommen. Im Bericht der UCLA werden Fernsehserien aus der Saison 2021-22 analysiert, unterteilt nach TV, Kabelfernsehen und digitales Fernsehen. Dabei zeigt sich:
- Seit dem Beginn der Beobachtung (2013) ist in allen Kategorien die Anzahl an Akteur*innen aus Minderheiten gestiegen. Allerdings sind sie unter den Autor*innen im Verhältnis zur Bevölkerung deutlich seltener: Im TV sind es 23,2 Prozent, im Digital-TV 25,5 Prozent und im Kabel-TV 29,5 (bei 43,1 Prozent in der Bevölkerung).Quelle
- In den Hauptrollen ist die Repräsentation von Minderheiten besser: 32,6 Prozent im klassischen TV und 35,9 Prozent im Digital-TV. Im Kabel-TV sind es 43,2 Prozent – und entspricht damit dem Anteil in der Bevölkerung.Quelle
Nur selten Regisseur*innen
Hinter der Kamera herrscht deutlich weniger Vielfalt. Regisseur*innen aus Minderheiten sind in "Top-Filmen" selten vertreten. Das ist das Ergebnis einer Studie der USC Annenberg. Sie untersuchte Regisseur*innen von 1.769 Filmen von 2007 bis 2023:
- In diesem Zeitraum haben 107 Frauen in Filmen Regie geführt. 25 von ihnen waren Frauen aus Minderheiten (1,4 Prozent).
- Zum Vergleich: Im selben Zeitrahmen haben 1.409 Weiße Männer Regie geführt (80 Prozent) – und 253 Männer aus Minderheiten (14 Prozent).
Geschlechter-Unterschiede werden auch in der Studie "The Celluloid Ceiling" deutlich, die Rollen von Frauen bei den umsatzstärksten US-amerikanischen Filmen 2023 untersuchte:
- Frauen stellten rund ein Viertel der Mitarbeitenden in den Berufsgruppen Regie, Drehbuch, (exekutive) Produktion, Kamera und Redaktion bei den 250 umsatzstärksten Filmen.
- In den "Blockbustern" spielen sie kaum eine Rolle: 94 Prozent der 250 umsatzstärksten Filmen hatten keine Kamerafrau, 83 Prozent keine Direktorin, 74 Prozent keine Autorin und 72 Prozent keine Redakteurin.Quelle