Ausbildung
Junge Erwachsene mit Migrationshintergrund haben schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Woran liegt das? Und welche Erfahrungen machen Unternehmen, die Jugendliche aus Einwandererfamilien ausbilden? Wichtige Studien und Statistiken haben wir hier zusammengefasst:
Wie viele Auszubildende haben Migrationshintergrund?
2023 haben rund 479.900 Menschen in Deutschland einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Nach dem niedrigen Wert im Corona-Jahr 2020 ist die Zahl der Auszubildenden deutlich gestiegen, liegt aber noch etwas unter dem Vor-Corona-Niveau.Quelle
Wie viele der Auszubildenden einen Migrationshintergrund haben, wird nicht erfasst. Es gibt nur Zahlen zu den Bewerber*innen und "Neu-Auszubildenden". Die Zahlen beziehen sich nur auf Personen, die sich über die Bundesagentur für Arbeit für eine Ausbildung bewerben. Wie viele sich direkt bei Betrieben bewerben, ist nicht bekannt.Quelle
39 Prozent der Jugendlichen, die sich 2021 für eine Ausbildung beworben haben, hatten einen Migrationshintergrund. Aktuellere Zahlen gibt es bislang nicht, da das BA/BIBB die entsprechende Befragung nur alle drei Jahre durchführt. Neue Zahlen dazu werden 2025 veröffentlicht. Quelle
Insgesamt ist der Anteil an Bewerber*innen mit Migrationshintergrund unter allen Ausbildungsbewerber*innen in den vergangenen Jahren gestiegen: 2016 lag der Anteil noch bei 29 Prozent, 2021 waren es bereits 39 Prozent. Eine Untergruppe davon sind die Bewerber*innen "mit Fluchthintergrund": Ihr Anteil an allen Bewerber*innen lag 2021 bei 7 Prozent.
Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund finden keinen Ausbildungsplatz?
Noch nie zuvor gab es so wenige neue Auszubildende wie in den Corona-Jahren 2020 und 2021. Die Krise traf junge Menschen mit Migrationshintergrund besonders. Nur 29 Prozent der Bewerber*innen mit Migrationshintergrund fanden bis Ende 2021 einen Ausbildungsplatz, im Vergleich zu 43 Prozent bei Bewerber*innen ohne Migrationshintergrund. Gezählt wurde, in wie vielen Fällen eine Bewerbung über die Bundesagentur für Arbeit bis zum Jahresende erfolgreich war.Quellen
Auch wenn das Jahr 2021 durch die Corona-Wirtschaftskrise geprägt war: Die Erfolgsunterschiede zwischen jungen Bewerber*innen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen schon seit Jahren. Auch 2016 konnte nur etwa jede*r vierte Bewerber*in mit Migrationshintergrund eine Ausbildung beginnen (27 Prozent). Bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund waren es deutlich mehr (44 Prozent).Quelle
Schulabgänger*innen mit Migrationshintergrund haben schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Das gilt auch, wenn man Faktoren wie schulische Voraussetzungen, Herkunftsregion, Bewerbungsverhalten oder Wunschberufe außen vor lässt. Vor allem Jugendliche mit türkischer oder arabischer Herkunft finden seltener einen Ausbildungsplatz – oft auch lange nachdem sie die Schule beendet haben.Quelle
An sich gibt es genügend Ausbildungsplätze: 2023 blieben 35 Prozent aller angebotenen Ausbildungsplätze unbesetzt. Betriebe begründen dies mit fehlenden geeigneten Bewerbungen. Gründe dafür seien unattraktive Arbeitsbedingungen sowie das schlechte Image einiger Ausbildungsberufe.Quelle
Warum finden Jugendliche mit Migrationshintergrund seltener einer Ausbildung? Mehr zu den Gründen dafür und was Expert*innen sagen, > hier.
Die "Ausbildungsanfängerquote" besagt, wie viele Jugendliche in der Bevölkerung insgesamt irgendwann eine Ausbildung begonnen haben. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass das bei ausländischen Jugendlichen seltener der Falls ist. Bei deutschen Jugendlichen lag sie 2022 bei 53,5 Prozent. Bei Menschen mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft lag sie mit 31,3 Prozent deutlich niedriger.Quelle
Wie viele Ausländer machen eine Ausbildung?
Immer mehr Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit absolvieren eine Berufsausbildung in Deutschland: Ende 2023 waren es etwa 209.000 Personen, was rund 13 Prozent aller Auszubildenden entspricht. Während die Zahl deutscher Auszubildender seit Jahren zurückgeht, steigt die Zahl von ausländischen Auszubildenden.Quelle
Während der Corona-Pandemie stagnierte die Zahl ausländischer "Azubis". Seitdem steigt sie wieder deutlich an und wirkt so dem allgemeinen Ausbildungsrückgang in Deutschland entgegen, so die Bundesagentur für Arbeit. Ausbildung sei ein "wichtiger Hebel zur Fachkräftesicherung".Quelle
Deutliche Zuwächse an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen gab es im Vergleich zu 2022 bei Personen mit vietnamesischer (+1.900), marokkanischer (+1.000) und ukrainischer (+980) Staatsangehörigkeit. Mit 68.000 besetzten Ausbildungsplätzen werden Gesundheits- und Pflegeberufe aktuell von Azubis aus dem Ausland bevorzugt.Quelle
Weitere beliebte Wirtschaftszweige sind:
• Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kfz (30.500)
• Verarbeitendes Gewerbe (21.900)
• Baugewerbe (19.900)
• Gastgewerbe (18.800)Quelle
Rund 161.000 Auszubildende kamen 2023 aus Nicht-EU-Staaten ("Drittstaaten"). Ihr Anteil ist in den letzten Jahren gestiegen, sie machen inzwischen mehr als Dreiviertel aller ausländischen Auszubildenden aus. Etwa ein Viertel aller ausländischen Auszubildenden sind Geflüchtete.
Wie ist die Ausbildung von Ausländern rechtlich geregelt?
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den deutschen Ausbildungsmarkt für Ausländer*innen attraktiver zu gestalten und bürokratische Hürden abzubauen. Besitzen Anwärter*innen die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates (bzw. der Schweiz, Liechtensteins, Norwegens oder Islands), dürfen Sie ohne weiteres eine betriebliche Ausbildung in Deutschland beginnen.Quelle
Drittstaatsangehörige müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel Sprachkenntnisse, eine Zusage für einen Ausbildungsplatz und finanzielle Mittel für ein Leben in Deutschland. Seit 2021 haben sie mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Möglichkeit, in Deutschland einen Ausbildungsbetrieb vor Ort zu suchen.Quelle
Eine Ausbildungsduldung oder eine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung können ausreisepflichtige Ausländer*innen unter bestimmten Voraussetzungen erhalten.
Auch staatenlose Ausländer*innen dürfen eine Berufsausbildung beginnen, sofern sie sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, hierzu sind jedoch keine Zahlen bekannt.Quelle
Was ist die Duldung?
Mit einer Duldung gilt man als "ausreisepflichtig", darf aber vorübergehend in Deutschland bleiben, weil man nicht abgeschoben werden kann. Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel. Geduldete haben somit keinen gesicherten Aufenthalt, rein rechtlich können sie jederzeit abgeschoben werden. Menschen mit einer Ausbildungsduldung können für die dreijährige Ausbildung und im Anschluss zwei Jahre für eine Beschäftigung in Deutschland bleiben (3+2-Regelung, §60 d AufenthG). Mehr zum Thema Duldung.
Wichtige Quellen
"Make it in Germany"
Das Infoportal der Bundesregierung bietet alle Infos für Menschen aus dem Ausland über eine Ausbildung in Deutschland.
Übersicht mit den Regeln für Unternehmen, die Geflüchtete einstellen wollen, finden sich bei der DIHK-Initiative "Unternehmen integrieren Flüchtlinge", Link
Bundesagentur für Arbeit
In der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) finden sich quartalsweise aktualisierte Zahlen zu Auszubildenden mit ausländischer Staatsbürgerschaft.
BIBB - Bundesinstitut für Berufsbildung
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) bereitet jährlich detaillierte Zahlen und Hintergrundinfos zu ausländischen Auszubildenden im "Datensystem Auszubildende" (DAZUBI) auf.
Wie viele Flüchtlinge machen eine Ausbildung?
Aktuell befinden sich rund 50.000 Menschen aus den acht häufigsten "Asylherkunftsländern" in einer Ausbildung (Stand: September 2023). Während die Zahl der deutschen Auszubildenden stagnierte, wuchs sie besonders bei den ausländischen Auszubildenden. Ihre Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt (Ende 2023: insgesamt 212.000) und sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte.Quellen
Die häufigsten Herkunftsländer von Auszubildenden mit Fluchthintergrund sind:
- Syrien (21.200)
- Afghanistan (10.100)
- Irak (8.800)
Während der Corona-Pandemie ist ihre Zahl um rund 15 Prozent zurückgegangen (September 2020: 57.000). Der positive Trend der letzten Jahre wurde damit vorerst gestoppt. Die Statistik erfasst zwar nur die Herkunftsländer und nicht den Flüchtlingsstatus der Auszubildenden; dennoch deutete der starke Anstieg der letzten Jahre darauf hin, dass mehr Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen.Quellen
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) zählte 2022 rund 15.600 neue Ausbildungsverträge von Menschen aus Asylstaaten. Etwa Dreiviertel haben 2022 ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen (73 Prozent). Unter deutschen Auszubildenden liegt diese Quote deutlich höher (92 Prozent). Warum die Quote bei Flüchtlingen niedriger ausfällt, wird zur Zeit vom BIBB erforscht.Quelle
Wer darf eine Ausbildung machen?
Wann Flüchtlinge eine Ausbildung anfangen dürfen, hängt von ihrem Aufenthaltsstatus ab und ist ähnlich wie bei der Arbeitsaufnahme geregelt:
- Anerkannte Flüchtlinge dürfen ohne Einschränkung in Deutschland eine Ausbildung beginnen.
- Asylbewerberinnen und -bewerber können nach drei Monaten eine schulische Ausbildung beginnen. Das gilt jedoch nicht für Asylsuchende aus "sicheren Herkunftsländern": Sie dürfen während des gesamten Verfahrens weder eine Arbeit aufnehmen noch eine Ausbildung beginnen.
- Für Geduldete gilt: Seit dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes im August 2016 haben sie einen Anspruch darauf, für die Zeit einer dreijährigen Ausbildung in Deutschland zu bleiben. Finden sie nach erfolgreichem Abschluss Arbeit, die ihrer Qualifikation entspricht, können sie weitere zwei Jahre bleiben ("3+2-Regelung"). Die Bundesländer sind für die Umsetzung verantwortlich. Bewerber*innen aus "sicheren Herkunftsländern" dürfen auch mit einer Duldung unter Umständen keine Ausbildung beginnen und sind grundsätzlich von der 3+2-Regelung ausgenommen. Quellen
• Regelmäßige aktuelle Zahlen zum Thema bietet die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Publikation "Beschäftigte nach Staatsangehörigkeiten". Sie erscheint quartalsweise, immer mit etwa 6 Monaten Verzögerung.
• Viele Zahlen zu Auszubildenden mit Fluchthintergrund bietet das Bundesinstitut für Berufsbildung in dieser Tabelle (Bewerbungen, Verträge, etc., Tabellenblatt 2) (Download)
• Übersicht mit den Regeln für Unternehmen, die Geflüchtete einstellen wollen, finden sich bei der DIHK-Initiative "Unternehmen integrieren Flüchtlinge", Link
Welche Statistiken gibt es und was sagen sie aus?
Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit
Die Ausbildungsmarktstatistik erfasst alle Menschen, die sich über die Bundesagentur für Arbeit für eine Ausbildungsstelle bewerben. Sie erhält jedoch nur Angaben zur Staatsbürgerschaft der Bewerberinnen und Bewerber – nicht aber zum Migrationshintergrund.Quellen
BA/BIBB-Bewerberbefragung
Detailliertere Informationen bietet die "Bewerberbefragung" des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Alle zwei Jahre zieht das Institut dafür eine Stichprobe aller Ausbildungs-Bewerberinnen und -Bewerber. Am Ende des Vermittlungsjahres wird erhoben, wie erfolgreich sie bei der Ausbildungssuche waren. Bei dieser Befragung wird auch der Migrationshintergrund erfasst – wobei die Definition teilweise von der des Statistischen Bundesamtes abweicht. In der Stichprobe enthalten sind auch Geflüchtete, die sich um eine Ausbildung beworben haben. 2018 wurde diese Gruppe erstmals gesondert befragt, in der "BA/BIBB-Fluchtmigrationsstudie". Die Ergebnisse der Befragungen werden im Datenreport zum Berufsbildungsbericht veröffentlicht. Quelle
Mikrozensus
Auch aus dem Mikrozensus wurden bislang Zahlen zur Ausbildung abgeleitet – unter anderem die "Ausbildungsanfängerquote und die " "Ausbildungsabsolventenquote". Für die Jahre nach dem Flüchtlingssommer" 2015 sind diese Zahlen jedoch nur wenig aussagekräftig. Der Grund: Seit 2015 sind viele Geflüchtete nach Deutschland zugewandert, von denen nur wenige kurzfristig einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Das führte dazu, dass die "Ausbildungsabsolventenquote" deutlich gesunken ist. Die niedrigere Quote bedeutet aber nicht, dass sich die Bedingungen am Ausbildungsmarkt verschlechtert haben, sondern lediglich, dass sich die Altersgruppe anders zusammensetzt. Inzwischen ist der Effekt schwächer und die Quote wieder etwas aussagekräftiger Quelle
"Spurwechsel": Wie viel Geduldete machen eine Ausbildung?
Geduldete gelten als "ausreisepflichtig", können aber nicht abgeschoben werden. Sie haben nur wenige Rechte und dürfen meist nicht arbeiten. Seit einigen Jahren haben sie aber die Möglichkeit, wegen einer Ausbildung vorläufig in Deutschland zu bleiben ("Spurwechsel").
Den "Spurwechsel" über eine Ausbildung versuchen inzwischen weniger Geduldete: Rund 3.400 Menschen verfügen über eine Ausbildungsduldung (Stand: Dezember 2023), so die Bundesregierung auf Anfrage der Linkspartei. Die Zahl geht seit Jahren zurück. Und rund 1.500 Menschen hatten Ende 2023 eine Beschäftigungsduldung (1.543). Zum Vergleich: Insgesamt leben rund 194.000 Menschen mit einer Duldung in Deutschland.Quelle
Der deutliche Rückgang liegt daran, dass viele Geduldete eher die neue Möglichkeit des "Chancenaufenthalt" nutzen. Weitere haben ihre Ausbildung bereits abgeschlossen: Rund 10.000 Geduldete haben eine Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete. Das bedeutet, sie haben solch eine Ausbildung hinter sich und nun einen vorläufigen Aufenthaltstitel.Quelle
Die Regelung: Seit 2016 dürfen Geduldete, die einen Ausbildungsplatz bekommen, für drei Jahre in Deutschland bleiben ("Ausbildungsduldung"). Finden sie nach erfolgreichem Abschluss eine Arbeit, die ihrer Qualifikation entspricht, können sie weitere zwei Jahre bleiben ("3+2-Regelung"). 2020 wurde die Regelung erweitert. Geduldete können nun auch mit einer Beschäftigung in Deutschland bleiben, sofern sie zahlreiche Voraussetzungen erfüllen ("Spurwechsel").Quelle
Was ist eine Duldung?
Mit einer Duldung gilt man als "ausreisepflichtig", kann aber nicht abgeschoben werden. Während dieser Zeit haben Geduldete kaum Rechte und dürfen meist nicht arbeiten, manchmal über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg. Wichtige Ausnahmen sind die Ausbildungsduldung, die Beschäftigungsduldung und seit Ende 2022 der Chancenaufenthalt. Mehr in unserem Dossier.
News Zum Thema: Ausbildung
Hamburg Zehn Jahre Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden
Als Hamburg 2012 einen Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden abschloss, war das Bundesland Vorreiter. Aus Sicht von Expert*innen war das ein wichtiger Schritt zu einer rechtlichen Integration des Islam in Deutschland.
Neues Ausbildungsjahr Für viele Geduldete die letzte Hoffnung
Mehr Geduldete als früher schaffen den Sprung in eine Ausbildung – das zeigen erste vorläufige Zahlen zum "Spurwechsel light". Der Optimismus bei Fachleuten und Unternehmen hält sich dennoch in Grenzen.
Ausbildung Warum Bewerbungen oft erfolglos bleiben
Immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund bewerben sich um eine Ausbildung – allerdings oft ohne Erfolg. Laut Fachleuten liegt das auch an Vorbehalten in den Unternehmen. Dabei sind Betriebe, die Auszubildende aus Einwandererfamilien einstellen, sehr zufrieden mit deren Arbeit.