Am 1. August beginnt offiziell das neue Ausbildungsjahr. Die gute Nachricht: Immer mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund bewerben sich um einen Ausbildungsplatz. 2018 lag ihr Anteil an allen Bewerberinnen und Bewerbern bei 36 Prozent. 2016 waren es noch 29 Prozent. Der Anstieg ist insbesondere auf junge Geflüchtete zurückzuführen, die sich für eine Ausbildung beworben haben.Quelle
Die schlechte Nachricht: Viele Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund finden keinen Ausbildungsplatz – auch, wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind. 2016 konnte nur etwa jeder vierte Bewerber mit Migrationshintergrund eine Ausbildung beginnen (29 Prozent). Bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund waren es deutlich mehr (47 Prozent). Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich daran kaum etwas geändert. Im Gegenteil ist der Unterschied seit 2004 sogar größer geworden.Quelle
Warum haben sie schlechtere Chancen?
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) führt das auf verschiedene Gründe zurück. Zum einen haben junge Menschen mit Migrationshintergrund oft schwierigere Ausgangsbedingungen und erreichen daher im Schnitt niedrigere Schulabschlüsse als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Das erschwert ihre Suche nach einem Ausbildungsplatz. Hinzu kommt, dass sich Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders häufig für Dienstleistungsberufe interessieren. Dort sind die Chancen auf Erfolg allerdings geringer als zum Beispiel in Handwerksberufen.Quelle
Doch auch Diskriminierung spielt eine Rolle. So deuten mehrere Erhebungen darauf hin, dass Menschen mit Migrationshintergrund bei Bewerbungen benachteiligt werden. Fachleute am BIBB etwa haben 2019 ermittelt: Selbst bei ähnlichen schulischen Leistungen und vergleichbaren Interessen haben Jugendliche mit Migrationshintergrund einen Nachteil bei der Bewerbung. Ähnliches zeigt eine Studie von 2014: Trotz gleicher Leistungen und Qualifikationen hatten Bewerberinnen und Bewerber mit türkischen Namen schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz als solche mit deutschen Namen. Seitens der Unternehmen scheint es also Vorbehalte zu geben. Ein Grund, den die Betriebe nennen: Sie befürchten, Auszubildende mit Migrationshintergrund könnten nicht ins "Team passen".Quellen
Was sagen Fachleute?
Dr. Mona Granato, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
Gute Erfahrungen mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund
"Seit Jahren werden Jugendliche mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Ausbildung strukturell benachteiligt, besonders diejenigen aus türkischen oder arabischen Familien. Sie bekommen seltener einen Ausbildungsplatz, auch bei gleichem Schulabschluss, gleichen individuellen Leistungen und gleicher sozialer Herkunft. Das ist paradox. Denn Unternehmen, die Auszubildende mit Migrationshintergrund einstellen, sind meist genauso zufrieden mit ihrer Arbeit wie bei Azubis ohne Migrationshintergrund. Und auch die Auszubildenden mit Migrationshintergrund sind genauso zufrieden mit ihrer betrieblichen Ausbildung wie diejenigen ohne einen Migrationshintergrund."
Klaus Kohlmeyer, Geschäftsführer des "Beruflichen Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten in Berlin" (BQN), Projektleiter "Berlin braucht dich"
Unternehmen müssen sich mehr öffnen
"Dass Jugendliche mit Migrationshintergrund schlechtere Chancen auf eine Ausbildung haben, liegt auch an den Bewerbungsverfahren. Ein Nadelöhr sind zum Beispiel die Online-Bewerbungstest. Bei solchen Tests haben Jugendliche mit Migrationshintergrund erfahrungsgemäß schlechtere Chancen. Besser wäre es, wenn sich Unternehmen persönlich von ihren Leistungen überzeugen würden – zum Beispiel beim Probearbeiten oder in einem vorgeschalteten Praktikum. Im Rahmen unseres Projekts "Berlin braucht dich" haben wir solche Praktika organisiert. In den vergangenen beiden Jahren haben so ein Drittel der Bewerberinnen und Bewerber einen Ausbildungsplatz erhalten. Viele von ihnen hatten es vorher vergeblich in einem herkömmlichen Bewerbungsverfahren versucht."
Wichtige Quellen
Datenreport zum Berufsbildungsbericht, Bundesinstitut für Berufsbildung (2019) / LINK
Diskussionspapier Heft 198, Bundesinstitut für Berufsbildung/Beicht, Walden (2019) / LINK
Fachbeitrag zur Entwicklung von 2004 bis 2016, Bundesinstitut für Berufsbildung/Beicht (2017) / LINK
Von Carsten Janke
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