Ein Mann im Rollstuhl wird auf der Straße beleidigt. Eine Muslimin erhält keine Einladung zum Vorstellungsgespräch, obwohl sie für die Stelle qualifiziert ist. Solche Fälle von Diskriminierung ereignen sich in Deutschland täglich – über das genaue Ausmaß war aber bislang zu wenig bekannt. Deshalb hat die "Antidiskriminierungsstelle des Bundes" (ADS) eine breit angelegte Umfrage durchgeführt. An der Studie beteiligt waren das "Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung" (BIM) und das "Bielefelder Institut für Sozialforschung und Kommunikation" (SOKO). Rund 1.000 Menschen wurden befragt.
Die repräsentative Umfrage zeigt: Rund ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland erlebte in den letzten zwei Jahren Diskriminierung – etwa wegen des Geschlechts, der Religion oder der ethnischen Herkunft. Bei Menschen mit Migrationshintergrund liegt der Anteil deutlich höher, wie das BIM dem MEDIENDIENST auf Anfrage mitteilte. Hier berichtete etwas mehr als die Hälfte der Befragten, diskriminiert worden zu sein.
Am häufigsten fühlten sich Menschen in Deutschland wegen ihres Alters benachteiligt. Etwa jeder Sechste berichtete von dieser Art der Diskriminierung. Fast jeder Zehnte gab an, wegen der Herkunft oder aus rassistischen Gründen diskriminiert worden zu sein. Bei Menschen aus Einwandererfamilien war es etwa jeder Vierte, der sich aus diesem Grund benachteiligt fühlte (23 Prozent).
Laut Antidiskriminierungsstelle kommt es bei vielen Betroffenen zu "Mehrfachdiskriminierungen", also zu einer Benachteiligung aufgrund mehrerer Merkmale. Ein Beispiel: Eine junge Frau wird nicht eingestellt, weil der Arbeitgeber befürchtet, sie könne bald schwanger werden. Die Diskriminierung betrifft hier sowohl das Alter als auch das Geschlecht. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Benachteiligung kommt in allen Lebensbereichen vor, besonders häufig jedoch im Arbeitsleben. Rund die Hälfte der Betroffenen gab an, in diesem Kontext benachteiligt worden zu sein.
Rassistische Diskriminierung findet häufig in der Öffentlichkeit statt
Ein zweiter Teil der Umfrage ging mehr ins Detail: In einem Fragebogen konnten Menschen ab 14 Jahren bis zu zwei Diskriminierungserfahrungen ausführlich beschreiben. Mehr als 18.000 Menschen nahmen daran teil. Dieser Teil ist jedoch nicht repräsentativ, denn: Die Fragebögen wurden von Verbänden und Initiativen gestreut, das Forscherteam hatte daher keinen Einfluss auf die Auswahl der Befragten.
Dennoch gibt die Umfrage Hinweise darauf, welche Art von Diskriminierung wo erlebt wird. So kommt etwa Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen der Herkunft vergleichsweise häufig in der Öffentlichkeit vor – 23 Prozent der Fälle ereigneten sich auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Junge Männer berichteten oft davon, in Diskotheken aufgrund ihres Aussehens abgewiesen zu werden, so die Studie.
Die Umfrage zeigt auch, welche Auswirkungen Diskriminierungen auf die Betroffenen haben: Fast jeder Zweite gab an, dass ihn die Erinnerung an die erlebte Benachteiligung belaste. Rund 40 Prozent sagten, sie seien durch die Erfahrungen misstrauischer geworden. Sechs Prozent gaben an, gegen die Diskriminierung geklagt zu haben.
Von Jennifer Pross
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