Afghanische Flüchtlinge
Seit Jahrzehnten sind Millionen Afghan*innen wegen wiederholter bewaffneter Konflikte auf der Flucht. Die meisten von ihnen leben entweder als Binnenflüchtlinge in Afghanistan oder in den Nachbarländern Iran und Pakistan. Deutschland ist auf Platz drei der Aufnahmeländer. Seit die Taliban im August 2021 die Macht im Land ergriffen haben, mussten mehrere Tausend Afghan*innen ihre Wohnorte verlassen. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass aufgrund der eskalierenden humanitären Krise bald noch mehr Menschen aus dem Land flüchten werden. Wer sind afghanische Geflüchtete? Und wie leben sie in Deutschland?
Afghanische Flüchtlinge in Deutschland
Schon seit mehr als 30 Jahren zählt Afghanistan zu den Ländern, aus denen Geflüchtete nach Deutschland kommen. Etwa 476.000 Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus Afghanistan leben in Deutschland (Stand: 31.12.2023). Etwa 375.000 Personen sind selbst eingereist.Quelle
Die meisten von ihnen sind als Flüchtlinge gekommen. Zum Stichtag 31.12.2023 lebten in Deutschland rund 322.600 Schutzsuchende aus Afghanistan. Rund 252.000 von ihnen sind anerkannte Flüchtlinge. Afghan*innen bilden die zweitgrößte Gruppe von Schutzsuchenden in Deutschland nach Syrer*innen. Afghanische Schutzsuchende sind überwiegend männlich und jung: Etwa ein Drittel von ihnen sind Frauen. Rund ein Drittel ist minderjährig. Quelle
Es ist nicht möglich, genau zu sagen, wie viele afghanische Geflüchtete aufgrund der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 nach Deutschland gekommen sind, denn viele Afghan*innen lebten schon vor der Machtübernahme im Iran und in Pakistan. Die Zahl der Asylerstanträge von afghanischen Staatsbürger*innen ist seit 2021 deutlich gestiegen.Quelle
Afghanische Ortskräfte und besonders schutzbedürftige Personen
Personen, die in Afghanistan als Ortskräfte für deutsche Behörden/Organisationen gearbeitet haben oder besonders gefährdet sind, haben seit August 2021 besondere "Aufnahmezusagen" nach §22 Aufenthaltsgesetz erhalten. Sie können nach Deutschland einreisen und müssen keinen Asylantrag stellen, sondern erhalten eine Aufenthaltserlaubnis zunächst für maximal drei Jahre.
25.100 ehemalige afghanische Ortskräfte, die für Institutionen der Bundesregierung tätig waren und ihre Familienangehörige sowie weitere über 19.900 besonders gefährdete Afghan*innen haben in den Monaten nach der Machtübernahme eine Aufnahmezusage erhalten. Bis April 2024 konnten 33.200 von ihnen nach Deutschland einreisen.Quelle
Im Oktober 2022 hat die Bundesregierung außerdem ein "Bundesaufnahmeprogramm" für besonders gefährdete Afghan*innen aktiviert. Das Programm wurde von März 2023 bis Ende Juni 2023 temporär ausgesetzt, um Hinweisen auf mögliche Missbrauchsversuche im Rahmen des Programms nachzugehen. Stand November 2024 wurde für 3.055 Personen eine positive Aufnahmeentscheidung im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms getroffen. Eingereist sind 734 Personen.Quelle
Wie viele Afghan*innen erhalten Schutz?
2023 belief sich die sogenannte bereinigte Schutzquote (ohne formelle Entscheidungen) bei afghanischen Geflüchteten auf rund 99 Prozent.Quelle
Zum Stichtag 31.12.2023 hatten insgesamt rund 252.000 afghanische Geflüchtete Schutz in Deutschland erhalten. Die meisten von ihnen ein sogenanntes Abschiebungsverbot, weil im Herkunftsland "konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit" besteht. Sie bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr (unbegrenzt verlängerbar) und dürfen nur in Ausnahmefällen Ehepartner*innen oder Kinder nach Deutschland nachziehen lassen.Quelle
Im Oktober 2024 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass aufgrund der diskriminierenden Maßnahmen, die das Taliban-Regime in Afghanistan gegen Frauen verhängt hat, afghanische Frauen im Land prinzipiell vor einer Verfolgungsgefahr stehen. Damit sind die Voraussetzungen des Flüchtlingsschutzes gegeben.
Viele afghanische Asylbewerber*innen mussten vor Gericht ziehen, um ihren Anspruch auf Schutz geltend zu machen. Wenn man "sonstige Verfahrenserledigungen" herausrechnet, haben Gerichte 2022 in 95 Prozent der Fälle zugunsten der Kläger*innen entschieden. Bei den Verfahren ging es darum, ob die Menschen Schutz erhalten oder darum, ob sie ihren Schutzstatus verbessern können.Quelle
Abschiebungen nach Afghanistan
Im August 2024 wurden 28 straffällige Personen nach Afghanistan abgeschoben. Das ist die erste Abschiebung seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 und erfolgte nach Medienangaben mit Unterstützung von Katar. Offiziell hat die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen zum Taliban-Regime. Die Sicherheitslage habe sich internationalen Beobachtern zufolge in den vergangenen Jahren in Teilen des Landes gebessert. Die Menschenrechtslage bleibt dennoch aufgrund des Wirtschaftskollapses und der fehlenden internationalen Hilfe verheerend. Besonders Frauen und Mädchen droht wegen des repressiven Taliban-Regimes Gefahr für Leib und Leben. Mitarbeitern der ehemaligen Regierung sowie Ortskräften der internationalen Militärmissionen drohen Folter und Hinrichtungen – sowohl von den Taliban als auch von anderen bewaffneten Gruppen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rät davon ab, Personen nach Afghanistan abzuschieben.Quelle
Vier deutsche Oberverwaltungsgerichte haben sich seit 2021 mit der Frage beschäftigt, ob die Bedingungen für ein Abschiebeverbot nach Afghanistan gegeben sind: Die Urteile der Gerichte fielen unterschiedlich aus.Quelle
Etwa 12.500 Afghan*innen sind ausreisepflichtige Geduldete (Stand: 31.12.2023). Weitere 26.000 Menschen haben keinen Aufenthaltstitel und keine Dudlung. Es ist deshalb nicht möglich zu sagen, ob sie sich noch in Deutschland befinden.Quelle
Abschiebungen vor 2021
Deutschland war bis 2021 eines der wenigen europäischen Länder (zusammen mit den Niederlanden, Dänemark, Griechenland und Österreich), das bis zur Machtübernahme durch die Taliban auf Abschiebungen nach Afghanistan bestanden hat.Quelle
Etwa 1.000 Afghan*innen wurden seit 2016 direkt nach Afghanistan abgeschoben. Diese Abschiebungen fanden im Rahmen eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und der afghanischen Regierung statt. In der selben Zeit sind etwa 2.100 Afghan*innen im Rahmen des Förderprogramms REAG/GARP "freiwillig" zurück nach Afghanistan gegangen.Quelle
Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus Afghanistan
Afghanische Geflüchtete in Deutschland sind überwiegend männlich, knapp ein Drittel von ihnen sind minderjährig.Quelle
Viele der jungen afghanischen Geflüchteten sind als "minderjährige unbegleitete Flüchtlinge" nach Deutschland gekommen. Ein Drittel aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die seit 2015 in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, kam nach Angaben des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) aus Afghanistan (Stand: 2020).Quelle
Laut einer Befragung aus dem Jahr 2016 war etwa ein Drittel der afghanischen Geflüchteten in Deutschland nie in der Schule, da sie schon lange auf der Flucht sind. Viele von ihnen können deshalb weder lesen noch schreiben. Einige weisen außerdem Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf, die ihre Laufbahn deutlich erschwert hat. Dennoch besuchen viele Afghan*innen deutsche Schulen: rund 54.900 allgemeinbildende Schulen, weitere 23.500 eine berufliche Schule (Schuljahr 2022/2023).Quelle
Afghanische Flüchtlinge am Arbeitsmarkt
Viele afghanische Geflüchtete haben inzwischen eine Arbeit. Zwar gilt ein Großteil von ihnen noch als "arbeitssuchend", etwa weil sie einen Sprachkurs besuchen und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter den afghanischen Flüchtlingen ist aber in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Mit rund 40 Prozent war die Beschäftigungsquote (inkl. geringfügig Beschäftigter) afghanischer Flüchtlinge im Juli 2024 etwas niedriger als der Durchschnittswert für die acht wichtigsten Asylherkunftsländer (45 Prozent). Afghanische Geflüchtete, die fünf Jahre oder länger in Deutschland leben und eine Arbeit haben, verdienen im Schnitt etwas weniger als andere Geflüchtete. Quelle
Viele afghanische Geflüchtete in Deutschland haben in den letzten Jahren eine Ausbildung angefangen. Das liegt unter anderem daran, dass sie dadurch eine bessere Bleibeperspektive haben.Quelle
Afghanische Flüchtlinge weltweit
Aufgrund zahlreicher Konflikte mussten in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Millionen Afghan*innen ihre Wohnorte verlassen. Weltweit zählte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zum Jahresende 2023 rund 6,4 Millionen Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Schutzbedürftige aus Afghanistan – inklusive Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen. Afghan*innen bilden damit die drittgrößte Flüchtlingsgruppe der Welt – nach Syrer*innen und Ukrainer*innen.
Rund 90 Prozent der afghanischen Geflüchteten befinden sich in den beiden Nachbarländern Iran (rund 3,8 Millionen) und Pakistan (rund 2 Millionen). In Deutschland leben etwa 300.000 afghanische Geflüchtete und Asylbewerber*innen. Damit steht Deutschland an dritter Stelle der Aufnahmeländer.Quelle
Es ist nicht bekannt, wie viele Afghan*innen seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 genau geflohen sind. Der UNHCR schätzt, dass Ende 2023 im Land rund 3,2 Millionen "Binnenflüchtlinge" (Internally Displaced People) lebten.Quelle