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Europäische Asylpolitik und Grenzschutz

Mit der Freizügigkeit in Europa schwindet die Bedeutung der Grenzen von Nationalstaaten. Gleichzeitig spielen die Außengrenzen Europas eine immer größere Rolle – auch für Deutschland. Die Ankunft zahlreicher sogenannter "Mittelmeerflüchtlinge", die lebensbedrohliche Überfahrten wagen, steigert den Druck. Die EU reagiert mit immer strengeren Sicherheitsmaßnahmen und einer Reform ihres Migrationsrechts.

Wie viele Asylanträge werden in der EU gestellt?

Stand: Mar. 2025

2024

2024 wurden nach Angaben der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) rund eine Million Asylanträge in der Europäischen Union, Norwegen und der Schweiz gestellt (1.014.420). Das sind ca. 11 Prozent weniger Asylanträge als im Vorjahr. In dieser Rechnung sind Geflüchtete aus der Ukraine nicht enthalten, die in der Europäischen Union einen "vorübergehenden Schutz" erhalten haben.

Die meisten Antragsteller*innen (Erstanträge) kamen aus:

  • Syrien (rund 150.800 Erstanträge),
  • Afghanistan (87.400),
  • Venezuela (73.800),
  • der Türkei (55.700),
  • und Kolumbien (51.500).QuelleAsylagentur der Europäischen Union (EUAA) (2025): "Latest Asylum Trends 2024", abgerufen am 3.3.2025, eigene Berechnungen LINK

Die meisten AnträgeDie Zahl der Asylanträge nach Eurostat kann von den offiziellen Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abweichen. auf Asyl (Erstanträge) wurden 2024 in folgenden Ländern gestellt:

  1. Deutschland: rund 237.300 Anträge
  2. Spanien: 165.800
  3. Italien: 158.900
  4. Frankreich: 158.700
  5. Griechenland: 73.700.QuelleAsylagentur der Europäischen Union (EUAA) (2025): "Latest Asylum Trends 2024", abgerufen am 3.3.2025, eigene Berechnungen LINK

Im Verhältnis zur Bevölkerung wurden die meisten Asylanträge pro Tausend Einwohner*innen in folgenden Ländern gestellt:

  1. Zypern: 7,2 Asylbewerber*innen pro 1.000 Einwohner*innen
  2. Griechenland: 7
  3. Irland: 3,5
  4. Spanien: 3,4
  5. Belgien: 3,3
  6. Luxemburg: 3,2
  7. Schweiz: 3,1
  8. Deutschland: 2,8QuelleEUAA (2025), Latest Asylum Trends - Annual Analysis – Applications per capita, abgerufen am 3.3.2025 LINK

Die durchschnittliche Schutzquote in der Europäischen Union bei rund 42 Prozent (Gesamtschutzquote ohne Gerichtsentscheidungen). Die Schutzquoten für die Top-5 Herkunftsstaaten:

  • Syrien: 90 Prozent
  • Afghanistan: 63 Prozent
  • Venezuela: 3 Prozent
  • Kolumbien: 5 Prozent
  • Türkei: 17 Prozent

Rund 980.700 Asylanträge waren Ende 2024 noch in Bearbeitung.QuelleAsylagentur der Europäischen Union (EUAA) (2025): "Latest Asylum Trends 2024", abgerufen am 3.3.2025 LINK

2023

Im Gesamtjahr 2023 gab es rund 1,1 Millionen Asylanträge in der Europäischen Union. Die meisten Antragsteller*innen kamen aus: Syrien (rund 181.400 Asylbewerber*innen), Afghanistan (114.300), der Türkei (100.800), Venezuela (68.000) und Kolumbien (63.100).QuelleAsylagentur der Europäischen Union (EUAA) (2023): "Latest Asylum Trends 2023", LINK

Die meisten AnträgeDie Zahl der Asylanträge nach Eurostat kann von den offiziellen Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abweichen. auf Asyl (einschließlich Folgeanträge) wurden 2023 in folgenden Ländern gestellt: Deutschland (rund 334.100 Anträge), Frankreich: (167.000), Spanien (162.400), Italien (136.100), Österreich: 58.700

2023 lag die durchschnittliche Schutzquote in der Europäischen Union bei rund 43 Prozent (Gesamtschutzquote ohne Gerichtsentscheidungen).

Wie viele Geflüchtete kommen über das Mittelmeer?

Stand: Jan. 2025

2024

Rund 198.300 Menschen erreichten 2024 die Grenzen der Europäischen Union über das Mittelmeer (Stand: 31.12.2024). Das sind rund 27 Prozent weniger Ankünfte als im Vorjahreszeitraum.QuelleUNHCR, Europe Sea Arrivals (abgerufen am 7.1.2025), IOM auf Anfrage des MEDIENDIENSTES

  • Rund 66.500 Personen kamen nach Italien über die sogenannte zentrale Mittelmeer-Route, etwa 58 Prozent weniger als im Vorjahr. Sie kamen vor allem aus Bangladesch (21 Prozent), Syrien (19 Prozent) und Tunesien (12,1 Prozent). Weitere 238 Personen haben die Insel Malta erreicht.
  • Rund 63.400 Menschen erreichten Spanien über die westliche Mittelmeer-Route (rund 10 Prozent mehr als im Vorjahr). Von ihnen erreichten rund 46.500 Menschen die kanarischen Inseln. 475 Personen kamen über die Landesroute zu den Exklaven Ceuta und Melilla. Die Haupt-Herkunftsländer waren Mali (27 Prozent), Senegal (19 Prozent) Algerien und Marokko (jeweils 15 Prozent).
  • Rund 62.000 Personen erreichten Griechenland über die sogenannte östliche Mittelmeer-Route (etwa 54.500 über Seewege und 7.500 über Landeswege). Etwa 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Sie kamen vor allem aus Syrien (39 Prozent), Afghanistan (22 prozent) und Ägypten (12 Prozent). Weitere 6.100 Personen erreichten die Insel Zypern.QuelleUNHCR, Mediterranean Situation (abgerufen am 7.1.2025), IOM auf Anfrage des MEDIENDIENSTES

2023

Im Gesamtjahr 2023 erreichten 270.200 Menschen die die Europäischen Union über das Mittelmeer.

  • Zentrale Mittelmeer Route (Italien und Malta): etwa 157.700 Personen – vor allem aus Tunesien, Ägypten und Bangladesh.
  • Westliche Mittelmeer-Route: rund 57.500 Menschen – von ihnen 38.300 Personen über die Kanarischen Inseln.
  • Östliche Mittelmeer-Route: rund 41.600 Personen – aus Palästina, Afghanistan  und Somalia. Weitere 6.000 Personen erreichten die Insel Zypern.QuelleUNHCR, Mediterranean Situation (abgerufen am 03.02.2024), IOM auf Anfrage des MEDIENDIENSTES

Seenotrettung im Mittelmeer

Stand: Jan. 2025

Das Mittelmeer – insbesondere das Gebiet zwischen der libyschen und italienischen Küste – gilt nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) als eine der gefährlichsten Grenze der Welt: Viele Menschen kommen bei der Überfahrt ums Leben.QuelleIOM (2017): "New Study Concludes Europe’s Mediterranean Border Remains 'World’s Deadliest'"; IOM (2021): "Missing Migrants"

Wer für die Seenotrettung von Geflüchteten zuständig ist, hängt von der Region im Mittelmeer ab:

Im westlichen Mittelmeer kümmert sich vor allem die staatliche "Sociedad de Salvamento y Seguridad Marítima" aus Spanien um die Rettung von Geflüchteten. Dabei wird sie von der spanischen "Guardia Civil" unterstützt. Seit Februar 2019 arbeitet sie auch mit der marokkanischen Küstenwache zusammen. Laut Medienberichten werden Geflüchtete seitdem verstärkt in Marokko, Algerien und Mauretanien an Land gebracht. Daten zur Zahl der Personen, die von den jeweiligen Küstenwachen aufgegriffen wurden, sind nicht verfügbar.QuelleAlarmphone (2021): Shocking number of deaths, but also growing struggles on the ground

Im östlichen Mittelmeer sind Einheiten der griechischen und türkischen Küstenwache sowie die europäische Frontex-Operation "Poseidon" für die Seenotrettung zuständig. Von den rund 32.000 Menschen, die in den ersten fünf Monaten von 2024 die Seereise über die östliche Mittelmeer-Route unternommen haben, wurden etwa die Hälfte von der türkischen Küstenwache aufgegriffen und zurück in die Türkei gebracht. Seit dem EU-Türkei-Abkommen werden alle Geflüchtete, die von der türkischen Küstenwache aufgegriffen werden, zurück in die Türkei gebracht.QuelleAngaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) auf Anfrage des MEDIENDIENSTES

Im zentralen Mittelmeer wurden in den ersten fünf Monaten von 2024 etwa die Hälfte der Menschen, die die Überfahrt versuchen, von der libyschen und tunesischen Küstenwache aufgegriffen. Die libysche Küstenwache bringt die Schutzsuchenden wieder nach Libyen, wo sie wegen "illegaler Zuwanderung" inhaftiert werden. Zudem patrouillieren die italienische Küstenwache sowie vereinzelt Nichtregierungsorganisationen in diesem Gebiet.QuelleAngaben von IOM auf Anfrage des MEDIENDIENSTES; IOM (2023), Data annex to report "Maritime routes to Europe: Focus on the overseas route to the Canary Islands"; Deutsches Institut für Menschenrechte (2018): "Seenotrettung und Flüchtlingsschutz", S. 12

Seenotrettung als Pull-Faktor?

Immer wieder wird diskutiert, ob Seenotrettung als Pull-Faktor wirkt – also ob mehr Menschen die Überfahrt über das Mittelmeer wagen, weil sie wissen, dass es Rettungsaktionen gibt. Eine Studie des DeZIM-Instituts 2023 zeigt, dass das nicht der Fall ist: Seenotrettung habe keinen Effekt auf die Überfahrten im Mittelmeer. Die Forscher*innnen haben dafür zahlreiche Daten von 2011 bis 2020 ausgewertet. Andere Faktoren hätten hingegen einen Einfluss: etwa Konflikte, Naturkatastrophen oder Rohstoffpreise. Pushbacks, wie von der libyschen Küstenwache, senken die Anzahl an Überfahrten.QuelleDeZIM (2023), Search‑and‑rescue in the Central Mediterranean Route does not induce migration, S. 1, 3 und 4, LINK.

IM FOKUS: ZIVILE SEENOTRETTUNG AUF DER ZENTRALEN MITTELMEER-ROUTE

Bis zum Sommer 2018 waren im zentralen Mittelmeer vor allem zivile Organisationen sowie Schiffe der italienischen Küstenwache und der Europäischen Union für die Seenotrettung zuständig. Heute spielen sie bei Rettungsoperationen nur noch eine untergeordnete Rolle.QuelleItalienische Küstenwache (2019): "Attività SAR Immigrazione nel Mediterraneo Centrale"

Das hat folgende Gründe:

Seit Juni 2017 gibt es eine libysche "Search and Rescue"-Zone (SAR), für die allein die libysche Küstenwache zuständig ist. Das heißt: Sie koordiniert alle Seenotrettungsoperationen in diesem Gebiet und entscheidet, wer an Rettungsoperationen beteiligt ist. Seenotrettungs-Organisationen schließt die libysche Küstenwache von solchen Operationen aus.QuelleWissenschaftliche Dienste des Bundestags (2018): "Einrichtung von SAR-Zonen und Seenotrettungsleitstellen"; OHCHR (2018): "Desperate and Dangerous: Report on the human rights situation of migrants and refugees in Libya", S. 12

Die italienische Regierung lässt seit Juli 2018 nur vereinzelt Schiffe ziviler Seenotretter ans Land. Das hat zur Folge, dass die NGOs seitdem deutlich weniger Schiffbrüchige in Sicherheit bringen können. Auch die EU-Missionen "Themis" und "Sophia" sind kaum noch an Seenotrettungs-Operationen beteiligt. Die "Themis"-Schiffe patrouillieren seit 2018 in einem viel größeren Gebiet als zuvor – und halten sich deshalb nur noch selten im zentralen Mittelmeer auf. Die Mission "Sophia" ist seit März 2019 nur noch für die Überwachung des Luftraums und für die Ausbildung der libyschen Küstenwache zuständig.QuelleFrontex (2019), Operation Themis und Europäischer Rat, EUNAVFOR MED Operation SOPHIA: Mandat bis 30. September 2019 verlängert, 29.03.2019

Entwicklung der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer (2013-2020)

⇒
Infolge einer Reihe von tödlichen Schiffsunglücken im zentralen Mittelmeer startete die italienische Regierung im Oktober 2013 die Seenotrettungs- und Grenzschutz-Operation "Mare Nostrum", die in einem Jahr etwa 100.000 Geflüchtete rettete. Nach Abschluss von "Mare Nostrum" übernahm die europäische Operation "Triton" die Überwachung des Gebiets. Kritiker monierten: "Triton" verfüge nur über ein Drittel des Budgets von "Mare Nostrum" und sei qua Einsatzauftrag in erster Linie für die Grenzsicherung zuständig.

⇒ 2014 stieg die Zahl der Menschen, die bei der Überfahrt ihr Leben verloren, auf mehr als 3.000. Daraufhin beschlossen Hilfsorganisationen wie die "Migration Offshore Aid Station", "Sea Watch" und "Ärzte ohne Grenzen", eine private Seenothilfe im zentralen Mittelmeer zu organisieren.

⇒ 2015 wurde die europäische Operation EUNAVFOR MED gestartet, die später in "Sophia" umbenannt wurde. Hauptziele der Mission waren, Schleuser-Boote abzufangen und zu zerstören sowie die libysche Küstenwache zu trainieren.

⇒ 2016 stieg erneut die Zahl der Schiffsunglücke im zentralen Mittelmeer: Rund 4.500 Menschen starben auf der Überfahrt. Weitere Hilfsorganisationen statteten eigene Rettungsschiffe aus: "Save the Children", die niederländische Organisation "Boat Refugee Foundation", die spanische "Proactiva Open Arms" sowie die deutschen Organisationen "SOS Mediterranee", "Sea Eye" und "Jugend Rettet".

⇒ 2017 ging die Zahl der Toten im Mittelmeer zurück. Dass weniger Menschen starben, sei zum Großteil auf die Arbeit der NGOs zurückzuführen, sagte das Forschungsteam "Forensic OceanographyForensic Oceanography, "Blaming the Rescuers", 2017, Kapitel 3 "Increasing the Dangers of Crossing?"". Rettungsmannschaften der NGOs patrouillierten in der Regel viel näher an der libyschen Küste als die Schiffe der italienischen Küstenwache und der EU-Operationen "Sophia" und "Triton".QuelleEuropean Political Strategy Centre, Irregular Migration via the Central Mediterranean, Seite 4

Dennoch standen die NGOs seit dem Sommer 2017 in der Kritik: Wiederholt wurde ihnen vorgeworfen, mit Schleuserbanden zusammenarbeiten. Mehrere Staatsanwaltschaften in Italien und auf Malta haben in diesem Sinne gegen NGOs ermittelt. Sechs Schiffe wurden seitdem beschlagnahmt und zwei wurden gezwungen, im Hafen zu bleiben, weil ihnen die Flagge entzogen wurde. Bis jetzt hat sich kein Verdacht erhärtet.QuelleMDR, Nur ein Rettungsschiff im Mittelmeer, 15.5.2019

Im Zuge der folgenden Debatte führte die italienische Regierung im Juli 2017 einen Verhaltenskodex für NGOs ein, der die Aktivität der Organisationen unter strenge staatliche Kontrolle stellte. Gleichzeitig verstärkte die libysche Küstenwache mit Unterstützung der italienischen Marine die Kontrollen auf der zentralen Mittelmeer-Route. Dabei haben Hilfsorganisationen wiederholt ÜbergriffeMission Lifeline, Proactiva Open Arms, Sea Watch der libyschen Kräfte auf ihre Schiffe sowie auf Flüchtlingsboote gemeldet.

Mehrere NGOs haben daraufhin ihre Beteiligung an Rettungsoperationen im Mittelmeer reduziert.

Was sind Pushbacks?

Stand: May. 2022

Mit dem englischen Begriff "Pushbacks" werden rechtswidrige Zurückweisungen von Flüchtlingen bezeichnet – vor allem an den Außengrenzen der Europäischen Union.

Mehrere Mitgliedstaaten der EU führen an den Außengrenzen der EU solche "Pushbacks" durch. Entsprechende Berichte gibt es von den Grenzen zwischen Belarus und Polen, Belarus und Litauen sowie von der serbisch-ungarischen, bosnisch-kroatischen, nordmazedonische-griechischen, albanisch-griechischen, türkisch-griechischen Grenzen sowie auf hoher See vor den Küsten Griechenlands und Italiens.Quelle Karamanidou L. und Kasparek B. (2021) "Fundamental Rights, Accountability and Transparency in European Governance of Migration: The Case of the European Border and Coast Guard Agency FRONTEX

An vielen dieser Pushbacks sind laut InvestigativrecherchenSiehe unter anderem: Der Spiegel (2022), "Frontex in illegale Pushbacks von Hunderten Flüchtlingen involviert" (27.4.2022), Der Spiegel, "EU Border Officials Accused of Throwing Refugees into the Sea" (17.2.2022), Der Spiegel, "Torture Allegations Against Greek Border Guards" (2.2.2022) auch Einheiten der Grenzschutzagentur Frontex beteiligt, obwohl das laut der Frontex-VerordnungVerordnung (EG) Nr. 2019/1896, Einleitung, Punkt 103 verboten ist. Eine Untersuchungskommission des Europäischen Parlaments hat diese Vorwürfe untersucht, konnte jedoch keine abschließende Beweise für eine Beteiligung von Frontex an Pushbacks finden. Eine Übersicht über die Vorwürfe gegen Frontex und die darauffolgenden Untersuchungen finden sich in diesem MEDIENDIENST-Artikel.Quelle Der SPIEGEL (2022): "Frontex in illegale Pushbacks von Hunderten Flüchtlingen involviert", Europäisches Parlament (2021): Report on the fact-finding investigation on Frontex concerning alleged fundamental rights violations", MEDIENDIENS (2021): "Frontex: Schwere Vorwürfe, kaum Konsequenzen."

Sind Pushbacks illegal?

Pushbacks sind grundsätzlich illegal. Zwar dürfen EU-Mitgliedstaaten ausländische Staatsbürger*innen daran hindern, unerlaubt ihre Grenzen zu überschreitenZum Beispiel: im deutschen Aufenthaltsgesetzt heißt es (§15 AufenthG): "Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen". Es gelten aber Einschränkungen, die von verschiedenen europäischen und internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte festgelegt wurden:

  • Verbot der Kollektivausweisung: Gruppen von ausländischen Staatsbürger*innen dürfen nicht kollektiv abgeschoben beziehungsweise zurückgewiesen werden – unabhängig davon, ob sie Flüchtlinge sind oder nicht. Das bestimmt die Europäische Menschenrechtskonvention (IV. Zusatzprotokoll, Artikel 4).
  • Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung: Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder zurückgewiesen werden, in dem ihm oder ihr Folter oder unmenschliche Behandlung droht. Das hat der Europäische Gerichtshof für MenschenrechteSiehe hierzu Prof. Dr. Harald Dörig (2006), Der Abschiebungsschutz für Ausländer nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (ThürVBl 2006, 217) 1989 von Artikel 3 der EMRK (Verbot der Folter) abgeleitet.
  • "Non-refoulement"-Gebot: Wenn eine Person als Flüchtling in die Europäische Union kommt, dürfen die Mitgliedstaaten sie in keinen Staat zurückweisen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von "Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischen Überzeugung" bedroht sein würden. Das bestimmt die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33), die alle EU-Mitgliedstaaten unterschrieben haben. Das nennt man Prinzip der Nicht-Zurückweisung (non-refoulment).
  • Selbst dann, wenn Geflüchtete über ein Land einreisen, in denen ihnen keine direkte Verfolgung droht, dürfen sie dorthin nicht ohne weiteres ab- oder zurückgeschoben werden. Denn als sogenannte sichere Drittstaaten gelten nur solche, die das non-refoulment-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention einhalten (Richtlinie 2013/32/EU, Artikel 38).
  • Alle Personen, die in der Europäischen Union Asyl beantragen möchten, haben zudem das Recht auf eine individuelle Prüfung ihres Asylantrags. Das bedeutet, dass bevor eine schutzsuchende Person ab- oder zurückgeschoben wird, eine Behörde ihren Asylgeusch prüfen muss (Richtlinie 2011/95/EU, Artikel 4).

Ob Pushbacks in allen Situationen illegal sind, ist umstritten. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hat dazu bislang zwei Grundsatzurteile getroffen:

  • 2012 urteile der EGMR, dass der italienische Pushback von Bootsflüchtlingen aus Libyen illegal war. Die italienische Küstenwache hatte das Boot auf das Meer Richtung Libyen zurückgedrängt. Die Flüchtlinge seien auf dem offenem Meer dem Tode schutzlos ausgeliefert, was ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK und gegen das Verbot der Kollektivausweisung (siehe oben) darstelle.
  • 2020 urteile der EGMR hingegen im Falle eines spanischen Pushbacks an der Grenze Melilla/Marokko, dass die Zurückweisung von zwei Männern rechtens war. Der Grund: Sie hätten absichtlich mit einer größeren Personengruppe und gewaltvoll die Grenze überquert, statt an regulären Grenzübergängen ihr Asylgesuch zu stellen. Sie konnten sich daher nicht auf ihren Anspruch auf eine individuelle Prüfung des Asylantrags berufen.

Zwar erhielt das Urteil aus 2020 in der Rechtswissenschaft auch Zustimmung, viele Jurist*innensiehe u.a. Matthias Lehnert: Pushbacks sind illegal und zwar immer, LINK; Pressemitteilung des ECCHR (2022): Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte duldet Massen-Pushbacks nach Griechenland, LINK kritisierten das jüngere Urteil aber. Insbesondere, dass das Urteil die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort falsch wiedergebe: So sei es faktisch für die Kläger*innen an dem Grenzübergang zu Spanien nicht möglich gewesen, einen Asylantrag zu stellen. Außerdem betonen einige Rechtswissenschaftler*innen, dass die meisten Schutzsuchenden – nämlich Bootsflüchtlinge – gar nicht die Möglichkeit haben, an einem regulären Grenzübergang einen Asylantrag zu stellen. Für sie finde die Argumentation der EGMR-Urteile daher keine Anwendung.Quelle Thym, Daniel (2021): "Menschenrechtliche Grenzen für Pushbacks – und der weitergehende Schutz nach EU-Sekundärrecht"; Lehnert, Matthias (2021): "Pushbacks sind illegal - und zwar immer", Schmalz, Dana (2021): "Die andere Rechtsstaatlichkeitskrise"

Wie viele Flüchtlinge sind im Mittelmeer gestorben?

Stand: Jan. 2025

Es ist nicht möglich, die genaue Zahl der Geflüchteten zu ermitteln, die auf der Überfahrt über das Mittelmeer ums Leben gekommen sind. Laut SchätzungenIOM (2025): "Missing Migrants" eigene Berechnung (Daten abgerufen am 7.1.2025) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) waren es 2024 rund 2.300 Personen. Die IOM hat in dieser Zeit rund 239.200 Versuche gezählt, das Mittelmeer zu überqueren. Das heißt: Von 100 Personen, die die Überfahrt versucht haben, ist eine gestorben. 2023 gab es 3.100 Todesfälle bei 341.000 versuchten Überfahrten.

Mehr als drei Viertel der Todesfälle ereigneten sich 2024 auf der zentralen Mittelmeer-Route (Italien und Malta). Die Dunkelziffer könnte aber viel höher sein. Hinzu kommen mehr als 1.000 Todesfälle auf der sogenannten westafrikanischen Route zu den Kanarischen Inseln – im Gesamtjahr 2023 waren es ebenfalls rund 1.000 Fälle. Die spanische NGO "Caminando Fronteras" hält diese Schätzung für deutlich zu gering: Auf Grundlage von Interviews mit Migrant*innen in der Region schätzt die Organisation, dass 2024 rund 10.000 Menschen auf der atlantischen Route gestorben sind.QuelleIOM (2025): "Missing Migrants",  eigene Berechnung (Daten abgerufen am 7.1.2025, Caminando Fronteras (2025) Report 2024 LINK

Noch schwieriger ist es festzustellen, wie viele Menschen auf dem Weg zu den Mittelmeer-Küsten gestorben sind. In Nordafrika wurden zwischen 2014 und 2023 etwa 6.600 Todesfälle gemeldet. Die IOM geht aber davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen könnten.Quelle IOM (2025): "Missing Migrants", North-Africa, Daten zu "Sahara Desert Crossing", eigene Berechnung; IOM (2017): "Fatal Journeys" Volume 3, 2017, S. 11

Wie viele Geflüchtete kommen über die Belarus-Route?

Stand: Oct. 2024

Seit 2021 versuchen vermehrt Migrant*innen mit Unterstützung der belarusischen Regierung, über Belarus in die EU zu kommen. Ab Mai 2021 kamen die meisten zunächst über Litauen, ab August 2021 fast nur noch über Polen (Chronologie siehe unten). Polens Grenzpolizei zählte in der ersten Jahreshälfte wieder mehr versuchte GrenzübertritteDiese Zahl lässt jedoch keinen direkten Rückschluss auf die Anzahl der Personen zu; viele Menschen versuchen mehrfach, die Grenze zu überqueren. aus Belarus.

Einige Personen, die über Belarus nach Polen kommen, reisen von dort aus weiter nach Deutschland; besonders viele von ihnen wurden von der Bundespolizei im Herbst 2021 und Sommer 2023 festgestelltHinweis: Diese Zahl ist nicht gleichbedeutend mit der tatsächlichen Anzahl der Personen, die über die Grenze kommen. Es handelt sich um die Zahl der Personen, die die Grenzpolizei aufhält. Der Belarus–Bezug wird bei der Personalienfeststellung ermittelt, etwa über entsprechende Dokumente.

Humanitäre Krise im polnisch–belarusischen Grenzgebiet

Seit August 2021Mehr zu den Hintergründen und Entwicklungen seit Mitte 2021 in der Chronik unten in diesem Dossier sowie hier: "Wer kommt über Belarus nach Deutschland?", Oktober 2021, LINK. herrscht im polnisch–belarusischen Grenzgebiet eine humanitäre Krise.

Zivilgesellschaftliche Organisationen und Medien in Polen gehen inzwischen von mindestens 50 Todesfällen auf polnischer Seite (Stand: Juli 2024) aus; hinzu kommen Todesfälle auf belarusischer Seite infolge von Pushbacks. Insgesamt gehen Vertreter*innen der zivilgesellschaftlichen Organisation Grupa Granica von bis zu 80 Todesfällen aus (Stand: Juli 2024).Quelle Angaben der Grupa Granica auf Anfrage des MEDIENDIENST INTEGRATION, 3. Juli 2024.

An der Lage hat auch der polnische Regierungswechsel nichts geändert: Seit Mitte Dezember 2023 bis Anfang Juni 2024 soll Polens Grenzschutz mehr als 7.000 Personen "an die belarusische Grenzlinie zurückgebracht" haben ("Pushbacks").QuelleGrupa Granica (2024) Bezug nehmend auf Anfrage beim Grenzschutz, Juni 2024; LINK zum Medienbericht.

Die Gewalt zwischen Grenzbeamten und Geflüchteten an der polnisch–belarusischen Grenze eskaliert dieses Jahr zunehmend: Im Mai kam ein polnischer Grenzbeamter durch einen Messerstich zu Tode; auch gab es Berichte über Schussverletzungen, die Grenzbeamte in Polen Geflüchteten zugefügt haben sollen. Die polnische Regierung richtete diesen Juni wieder eine mindestens 200m breite Sonderzone entlang der polnisch–belarusischen Grenze ein, die etwa Vertreter*innen von Medien und NGOs das Betreten erschwert.

Seit Anfang 2023 bis Mitte Juni 2024 zählte Grupa Granica mehr als 3.000 Hilfsgesuche von Geflüchteten, die auf der polnischer Seite der Grenze in Not gerieten. Die hohe Zahl der Hilfsgesuche  zeigt: Viele Menschen kommen weiterhin über Belarus nach Polen. QuelleAngaben der Grupa Granica auf Anfrage des MEDIENDIENST INTEGRATION, 3. Juli 2024.

Chronologische Übersicht der ersten 12 Monate:

  • Frühjahr 2021, Einreisen vor allem nach Litauen: Im Mai 2021 kündigt der belarusische Präsident Lukashenko an, Migrant*innen nicht mehr an der Ausreise in die EU zu hindern. Das belarusische Militär bringt Migrant*innen gezielt an die EU-Grenze, vor allem zu Litauen. Im Frühsommer überqueren mehrere Tausend Personen die Grenze nach Litauen und Lettland. Ende Juli 2021 registriert der litauische Grenzschutz täglich über 100 unerlaubte Einreisen. Litauen beginnt im Juli mit dem Bau eines Grenzzauns und kündigt an, ab August Migrant*innen an der Einreise zu hindern.QuelleMediendienst (2021) "Geflüchtete werden als Bedrohung gesehen", August 2021. 
  • Sommer und Frühherbst 2021, Route wechselt Richtung Polen: Nachdem am 1. August noch knapp 300 unerlaubte Einreisen von Belarus nach Litauen festgestellt werden, wechselt die Route die Richtung. Seitdem bringt das belarusische Militär die Migrant*innen vor allem an die EU-Grenze zu Polen. Die polnische Regierung erklärt das gesamte, mehrere hundert Kilometer lange Grenzgebiet zu Belarus zur Sperrzone. Der polnische Grenzschutz versucht, Migrant*innen daran zu hindern, die Grenze zu überqueren oder führt PushbacksDas verstößt sowohl gegen die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33), als auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 3), da die Menschen so keinen Asylantrag stellen können. durch. Das belarusische Militär fängt die Menschen bei der Wiedereinreise ab und zwingt sie zurück zur Grenze. Viele Personen bleiben so im 'Niemandsland' im polnisch-belarusischen Grenzgebiet gefangen. Hilfsorganisationen wird der Zutritt zu den Geflüchteten verwehrt, erste Berichte über Todesfälle werden bekannt. Im Oktober 2021 steigt die Zahl der versuchten, unerlaubten Einreisen zeitweise auf über 700 pro Tag.QuelleOko.Press (2021) 'Kryzys na granicy z Białorusią. Rodziny uchodźców od tygodnia czekają na pomoc pod karabinami', August; Angaben des litauischen und polnischen Grenzschutzes, auf Anfrage des Mediendienst, Juli-Oktober 2021; TVN (2021) 'Ahmed zmarł we wrześniu niedaleko wsi Frącki. "Do tej pory nie mamy pojęcia, jaka była przyczyna śmierci"', Oktober. 
  • November und Dezember 2021, Zahl der Einreisen geht zurück: Im November 2021 kündigt die EU Sanktionen für Fluglinien an, die Migrant*innen nach Belarus einfliegen. Zuvor war die Zahl der Flüge aus verschiedenen Regionen im Nahen Osten nach Belarus, vor allem dem Nordirak, der Türkei oder Dubai nach Minsk immer weiter gestiegen. Belarus förderte gezielt Einreisen ins Land. Viele Kurd*innen im Nordirak, sowie Syrer*innen und Afghan*innen, die zuvor als Geflüchtete im Libanon waren, nutzen die Möglichkeit. Nachdem einige Flugrouten nach Minsk eingestellt wurden, geht die Zahl der Migrant*innen, die über die Route in die EU kommen, deutlich zurück.QuelleMediendienst (2021) "Wer kommt über Belarus nach Deutschland?", Oktober 2021
  • Juli 2022: Die polnische Grenzmauer zu Belarus wird offiziell fertiggestellt und gleichzeitig die Sperrzone auf 200 Meter im unmittelbaren Gebiet an der Grenze beschränkt.

Wie kommen die Migrant*innen nach Belarus?

Es gibt weiterhin Reisebüros, die in verschiedenen Ländern vermeintlich touristische Angebote nach Belarus bewerben, mehrere Anbieter in Dubaihier und hier, im Sommer 2022 beispielsweise im Sudan oder Ghana. Auch staatliche Reiseunternehmen aus Belarus bewarben touristische Angebote, wie Medien in Polen berichteten.QuelleOko.press (2021) 'Śmiertelna pułapka. Ludzie z Bliskiego Wschodu nie wiedzą, jaki koszmar czeka ich na granicy'; Outriders (2021) 'Wiza Donikad'. 

Einreise über Russland: Die meisten Flüge in Minsk kommen Stand Juni 2023 aus der Türkei oder Russland. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten seit Sommer 2022, dass immer mehr Migrant*innen, die über Belarus nach Polen kommen zuvor ein Studierenden-Visum in Russland hatten, darunter beispielsweise Menschen aus Ägypten, dem Jemen und der Demokratischen Republik Kongo. Ob es sich dabei um geflüchtete Studierende handelt, die sich bereits länger in Russland aufhalten, oder Menschen, die vor Kurzem über ein Studierenden-Visum eingereist sind, sei nicht klar.QuelleGrupa Granica, Juni 2023 sowie zuvor Juli 2022 auf Anfrage des Mediendienstes. Dazu gibt es auch vereinzelte Medienberichte. Mediendienst (2022) 'Ein Jahr humanitäre Krise an der Grenze zu Belarus', August 2022.

Asylverfahren in Drittstaaten

Stand: May. 2025

Können Asylverfahren in Drittstaaten bearbeitet werden?

Etliche deutsche und europäische Politiker*innen plädieren dafür, Asylverfahren künftig in Drittstaaten zu bearbeiten. Das soll verhindern, dass Geflüchtete in die Europäische Union kommen, um einen Asylantrag zu stellen – und möglicherweise längerfristig bleiben.

2024 hat das Bundesinnenministerium von Sachverständigen prüfen lassen, ob Asylverfahren in Drittstaaten rechtlich und praktisch möglich sind. Ihr FazitBundesinnenministerium, Prüfung zu Asylverfahren in Drittstaaten LINK:

  • Asylverfahren in Drittstaaten erfordern umfangreiche Rechtsänderungen im nationalen sowie im EU-Recht.
  • Bei Überstellungen in Drittstaaten müssen Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Asylsuchende vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geschützt werden (non-refoulement, s. Box).RechtsgrundlageEU-AsylverfVO 2024/1349, Artikel 59 Abs. 1 c LINK
  • Schutzsuchende müssen die Möglichkeit haben, im Drittstaat ein Schutzgesuch zu stellen. Zudem müssen sie die Möglichkeit haben, Argumente gegen die Überstellung vorzubringen.RechtsgrundlageSiehe u.a. EGMR, Ilias und Ahmed gegen Ungarn (47287/15), Rn. 134 LINK sowie u.a. EGMR, Khlaifia u.a. gegen Italien, (16483/12) Rn. 237-242 LINK
  • Die Betroffenen Personen müssen im Drittstaat ein Bleiberecht sowie Zugang zu ausreichenden Existenzmitteln haben (wirksamer Schutz).RechtsgrundlageEU-AsylverfVO 2024/1349, Artikel 57 LINK
  • Die Überstellung eines Asylsuchenden in ein Land, zu dem sie oder er keinen Bezug hat, ist nach aktuellem EU-Recht nicht möglich.RechtsgrundlageEU-AsylverfVO 2024/1349, Artikel 59 Abs. 5 LINK
  • Nur eine kleine Anzahl von Drittstaaten käme für das Modell Frage.

Das Gutachten bestätigt das Ergebnis früherer EvaluationenEuropäische Kommission (2018), The Legal and Practical feasibility of Disembarkation Options LINK.

Das non-refoulement-Prinzip

Ein Staat, der die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 3) unterschrieben hat, darf keine schutzsuchende Person in ein anderes Land überstellen, ohne zu prüfen, ob ihr eine Gefahr für Leib und Leben droht. Das gilt auch für Überstellungen in "sichere" Drittstaaten, wenn es die Gefahr gibt, dass die Person von dort unrechtmäßig in ihr Herkunftsland abgeschoben wird (sogenannte Kettenabschiebung). Mehr dazu hier.

Welche Modelle gibt es? (bitte klicken)

1. Das Albanien-Modell

Im November 2023 haben die italienische und albanische Regierung ein KooperationsabkommenProtocollo tra il Governo della Repubblica italiana e il Consiglio dei Ministri della Repubblica di Albania per il rafforzamento della collaborazione in materia migratoria (2023) LINK im Bereich Migration unterzeichnet. Demzufolge sollten Geflüchtete aus "sicheren Herkunftsstaaten", die in internationalen Gewässern vor der italienischen Küste aufgegriffen werden, nach Albanien gebracht werden. Hier sollten sie im Aufnahmezentrum Shengjin ein Screening- und Registrierungsverfahren durchgehen. Im Anschluss hätten sie die Möglichkeit gehabt, einen Asylantrag zu stellen. Ausgenommen waren den Plänen zufolge Frauen, Kinder und besonders schutzbedürftige Personen.

Asylbewerber*innen, denen Schutz gewährt wird, sollten nach Ende des Asylverfahrens (oder nach maximal 18 Monaten) zurück nach Italien gebracht werden. Abgelehnte Asylbewerber*innen sollten in einer weiteren Eirichtung festgehalten und von dort abgeschoben beziehungsweise nach Italien gebracht werden – in der Zuständigkeit der italienischen Behörden. Die Aufnahmeeinrichtungen sollten bis zu 3.000 Personen aufnehmen können.QuelleSiehe Daniela Fassini, "Accordo Italia-Albania: ecco come funziona", in "Avvenire" (24.1.2024) LINK 

Kann das funktionieren?

Die Aufnahmeeinrichtung in Shengjin stand seit der Eröffnung im August 2024 fast durchgehend leer. Etwa 60 Personen (vor allem aus Bangladesh und Ägypten), die bei der Überfahrt im zentralen Mittelmeer aufgegriffen wurden, wurden von italienischen Schiffen nach Albanien überführt. Sie wurden allerdings nach kurzem Aufenthalt zurück nach Italien gebracht: Italienische Gerichte haben die Überstellungen suspendiert – wegen Unstimmigkeiten bei der Feststellung der "sicheren Herkunftsstaaten" Die Gerichte haben das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Inzwischen hat die italienische Regierung bestimmt, dass die Einrichtung ab April 2025 ausreisepflichtige Ausländer*innen aufnehmen wird, die abgeschoben werden sollen. Derartige "Return Hubs" sind auch von der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgesehen.QuelleConsiglio Italiano dei Rifugiati (2024) Protocollo Italia-Albania – Che cosa sta succedendo (27.11.2024) LINK, Associazione per gli Studi Giuridici sull'Immigrazione (2024) La nuova “lista dei paesi sicuri” e lo svuotamento del diritto di asilo LINK, Melting Pot Europa (2025), Albania, tutti liberi per la terza volta: riportate in Italia le 43 persone migranti LINK, ANSA (2025) Hearing begins at the EU Court on migrant centres in Albania LINK, Corriere della Sera (2025), "Decreto Albania in linea con l'Ue". Il "via libera" di Bruxelles a Roma (31.3.2025) LINK

Wer ist zuständig? In einer StellungnahmeUNHCR (2023), Transfer arrangements of asylum seekers and refugees must respect international refugee law, 7.11.2023 LINK hat der UNHCR betont, dass laut Genfer Flüchtlingskonvention der erste Staat, in dem Flüchtlinge ankommen, dafür sorgen muss, dass sie nicht in eine Gefahrsituation abgeschoben werden (Refoulement). Da Albanien die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat, können Flüchtlinge dorthin gebracht werden – aber nur, wenn sie nicht davor in italienischen Gewässern waren.

Werden Asylbewerber*innen inhaftiert? Im Abkommen steht, dass die italienischen Behörden dafür sorgen müssen, dass die Schutzsuchenden in den Aufnahmeerinrichtungen bleiben (Artikel 6). Eine Inhaftierung von Asylbewerber*innen ist jedoch laut EU-Asylrecht nur in besonderen FällenSiehe Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU, Artikel 8 LINK möglich.

Haben Asylbewerber*innen Zugang zu Rechtsberatung? Das EU-Recht sieht vor, dass alle Asylbewerber*innen Anspruch auf Rechtsbehelf und Rechtsberatung haben, wenn sie gegen einen Asylbescheid klagen möchten (Asylverfahrensrichtlinie, Artikel 39). Inwiefern sie dieses Recht in Albanien ausüben können, ist fraglich.

2. Das Transitstaat-Modell

Asylverfahren in sogenannten Transitstaaten finden schon seit mehreren Jahren mit Unterstützung des UN-Flüchtlingshilfswerks oder der Internationalen Organisation für Migration statt – etwa in Jordanien. Der UNHCR identifiziert besonders schutzbedürftige Personen vor Ort, die dann im Rahmen von "Resettlement"-Programmen etwa nach Europa, Australien oder Nordamerika verteilt werden.

Kann das funktionieren?

Ja. Das "Resettlement"-System funktioniert allerdings nur eingeschränkt: Gebraucht wurden 2021 mehr als 1,4 Millionen "Resettlement"-Plätze. Tatsächlich verteilt wurden nach UNHCR-Angaben etwa 63.000 Personen (jüngste Erfassung). Auch gibt es derzeit wenige Staaten, in denen derartige Verfahren möglich sind. So wurden zum Beispiel 2011 im tunesischen Flüchtlingslager ChouchaDourgnon et al. (2014) Refugees in and out North Africa: a study of the Choucha refugee camp in Tunisia LINK mehrere Zehntausend Geflüchtete aus dem Bürgerkireg in Libyen aufgenommen – mit dem Ziel, sie nach Europa, Australien und Nordamerika zu verteilen. Das Camp wurde nach nur zwei Jahren aufgrund zahlreicher Probleme in der Verwaltung geschlossenUNHCR (2013), UNHCR closes camp in south Tunisia, moves services to urban areas LINK

3. Das Ruanda-Modell

Im April 2022 unterzeichnete die britische Regierung ein AbkommenHouse of Commons (2022), The UK-Rwanda Migration and Economic Development Partnership LINK mit Ruanda. Dieses sah vor, dass Schutzsuchende, die irregulär Großbritannien erreichen, ins ostafrikanische Land überstellt werden, um dort ihren Asylantrag zu stellen. Im Fall eines positiven Bescheids sollten die Flüchtlinge in Ruanda bleiben. Bei negativem Bescheid sollten sie in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Nach Angaben der britischen Regierung hätte Ruanda zunächst rund 200 Schutzsuchende pro Jahr aufnehmen können.

Kann das funktionieren?

Der britische "Supreme Court" hat das Abkommen im November 2023 für rechtswidrig erklärt, weil es gegen etliche internationale Abkommen verstößt – unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 33) und die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 3).

Darüber hinaus hat das Gericht Bedenken über den Schutz der Menschenrechte in Ruanda erhoben. Auch der UNHCR kritisierteUNHCR (2023) UNHCR Analysis of the Legality and Appropriateness of the Transfer of Asylum-Seekers under the UK-Rwanda arrangement, Juni 2023, Seite 4 ff LINK das Abkommen, weil Schutzsuchende dadurch nicht ausreichend vor der Gefahr eines "Refoulement" geschützt wären. Die britische und ruandische Regierungen haben im Dezember 2023 ein neues AbkommenUK-Gov (2023) UK-Rwanda treaty: provision of an asylum partnership (5.12.2023) LINK abgeschlossen. Im Januar 2024 hat das britische Unterhaus ein Gesetz gebilligt, nach dem Ruanda als sichrer Drittstaat eingestuft werden soll. Die Regierung von Premierminister Keir Starmer hat den Plan im Juli 2024 gestopptTagesschau (2025), Starmer stoppt Plan für Abschiebungen nach Ruanda (6.7.2024) LINK.

Sollten Mitgliedstaaten der Europäischen Union entscheiden, das Ruanda-Modell anzuwenden, gäbe es für sie eine weitere Hürde: Schutzsuchende können laut EU-RechtAsylverfahrensrichtlinie, Artikel 37 LINK nur dann in sichere Drittstaaten überstellt werden, wenn sie eine "Verbindung" zu diesen Staaten haben. Was genau "Verbindung" bedeutet, ist unklar: Für einige EU-Mitgliedstaaten reicht es, wenn eine Person durch das Land gereist ist. Der Europäische Gerichtshof hat diese Auslegung 2020 jedoch abgelehntRechtssache C‑564/18 LINK.

Was ist das EU-Türkei-Abkommen?

Stand: Jan. 2020

Am 18. März 2016 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) auf ein Abkommen mit der Türkei. Es soll verhindern, dass Geflüchtete "illegal" in die EU einreisen. Das Abkommen trat am 20. März 2016 in Kraft. Aus Sicht der EU ist eines der wichtigsten Ziele in Erfüllung gegangen: Die Flüchtlingszahlen sind deutlich zurückgegangen. Das Abkommen stößt jedoch vielfach auf Kritik.

Was wurde beschlossen?

  • Um "irreguläre" Einreisen in die EU zu verhindern, soll die Türkei ihre Grenzkontrollen verschärfen und stärker gegen Schlepper vorgehen.
  • Flüchtlinge, die über die Türkei nach Griechenland eingereist sind und keinen Anspruch auf Asyl haben, sollen in die Türkei zurückgeführt werden.
  • Für jeden Syrer, der in die Türkei zurückgeschickt wird, soll ein anderer Syrer legal in die EU einreisen dürfen ("Eins-zu-eins-Mechanismus").
  • Bis Ende 2017 hat die EU der Türkei drei Milliarden Euro zugesagt, um Geflüchtete im Land besser versorgen zu können. Im Juni 2018 wurden weitere drei Milliarden Euro bis Ende 2019 bereitgestellt. 
  • Die EU hat der Türkei in Aussicht gestellt, die Verhandlungen zum EU-Beitritt zu beschleunigen und die Visumpflicht für türkische Bürger abzuschaffen.QuelleErklärung EU-Türkei vom 18. März 2016; Rat der EU: Pressemitteilung vom 29.06.2018.

Wie ist die Bilanz?

Die EU-Kommission veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Zahlen zur Umsetzung des Abkommens. Aus den aktuellen Berichtensiehe EU-Kommission (2019): "Progress report on the Implementation of the European Agenda on Migration", S. 3; EU-Kommission (2019): "Operational Implementation of the EU-Turkey Statement", Stand 12.03.2019; EU-Kommission (2018): "EU-Turkey Statement – Two years on", S. 1 ff. und weiteren QuellenDeutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/8028, S. 5; Internationale Organisation für Migration (2019): Missing Migrants Project (Zugriff am 15.03.2019). geht hervor (Stand: März 2019):

  • Einreisen in die EU: Die Zahl der Flüchtlinge, die irregulär aus der Türkei nach Griechenland einreisen, ist deutlich gesunken. Im Jahr 2018 kamen durchschnittlich rund 92 Geflüchtete pro Tag auf den griechischen Inseln an. Im Oktober 2015 waren es über 6.000 Geflüchtete pro Tag. Laut Experten liegt der Rückgang nicht allein am Abkommen mit der Türkei, sondern auch an der Schließung der sogenannten Balkanroute. Zudem wüssten viele Flüchtlinge, wie prekär die Situation auf den griechischen Inseln ist, und blieben deshalb in der Türkei.
  • Rückführungen in die Türkei: Seit Inkrafttreten des Abkommens wurden 2.437 Flüchtlinge aus Griechenland in die Türkei zurückgebracht. Auf den griechischen Inseln halten sich aktuell rund 12.000 Geflüchtete auf.
  • Aufnahme von Syrern in die EU: Im Rahmen des "Eins-zu-eins-Austauschs" haben die EU-Mitgliedstaaten etwa 20.300 syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufgenommen.
  • Finanzhilfen für die Türkei: Die erste Tranche betrug drei Milliarden Euro, im Juni 2018 wurde eine weitere Tranche genehmigt, bevor die erste aufgebraucht war. Zwei Milliarden Euro kommen davon aus dem EU-Haushalt, eine Milliarde Euro übernehmen die Mitgliedsstaaten.
  • Die Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei sowie zu den Visaerleichterungen für türkische Bürger sind nur schleppend vorangekommen. Grund dafür sind auch die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei.
  • Todesopfer und Vermisste: Die Zahl der Todesopfer und Vermissten in der Ägäis ist seit dem Inkrafttreten des Abkommens gesunken. 2015 sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) noch 803 Menschen gestorben oder gelten als vermisst, 2017 waren es 62 Menschen, 2018 174.QuelleEU-Kommission (2019): "Progress report on the Implementation of the European Agenda on Migration", S. 3; EU-Kommission (2019): "Operational Implementation of the EU-Turkey Statement", Stand 12.03.2019; Deutscher Bundestag (2019): Drucksache 19/8028, S. 5; Internationale Organisation für Migration: Missing Migrants Project (Zugriff am 15.03.2019); EU-Kommission (2018): "EU-Turkey Statement – Two years on", S. 1 ff. Rat der EU: Pressemitteilung vom 29.06.2018.

Was wird kritisiert?

Wissenschaftlersiehe Artikel des MEDIENDIENSTES vom 23. März 2017 und Menschenrechtsorganisationensiehe Pro Asyl: Pressemitteilung vom 17. März 2017; Human Rights Watch: Pressemitteilung vom 16. März 2017 kritisieren das Abkommen:

  • Die EU habe mit dem "Deal" die Verantwortung für Flüchtlinge ausgelagert und sich in Abhängigkeit des umstrittenen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan (AKP) begeben.QuellePro Asyl: Pressemitteilung vom 16. März 2017; Amnesty International: Pressemitteilung vom 12. Dezember 2016
  • Die türkische Republik habe weltweit zwar die meisten Flüchtlinge aufgenommen, viele von ihnen hätten jedoch einen unsicheren Rechtsstatus und lebten in prekären Verhältnissen.QuelleInterview vom MEDIENDIENST mit der türkischen Menschenrechtsexpertin Cavidan Soykan, 10. Juni 2016

Zudem habe das Abkommen dazu geführt, dass sich die Lage der Flüchtlinge deutlich verschlechtert habe:

  • Auf den griechischen Inseln seien mehrere Tausend Flüchtlinge gestrandet, ohne Zugang zu fairen Asylverfahren.
  • Die Unterkünfte auf den Inseln seien massiv überbelegt, sodass Geflüchtete unter teils katastrophalen Bedingungen dort leben müssten.
  • Schutzsuchende, die in die Türkei zurückgeführt wurden, seien dort nicht sicher, sondern würden inhaftiert und zum Teil in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Zivilgesellschaftliche Initiativen und das UN-Flüchtlingshilfswerk in der Türkei hätten kaum Zugang zu den Geflüchteten.QuellePro Asyl: Pressemitteilung vom 17. März 2017; Human Rights Watch: Pressemitteilung vom 16. März 2017; Tagesspiegel: Interview mit Sabine Hess vom 1. März 2017; Human Rights Watch (2017): "A Blueprint for Despair – Human Rights Impact of the EU-Turkey-Deal"; Deutsches Institut für Menschenrechte: Stellungnahme vom 20. Juni 2016

Angesichts der prekären Umstände fordern viele Experten, den umstrittenen "EU-Türkei-Deal" aufzugeben. Welche Alternativen es zum Abkommen gäbe, haben Migrationsforscher in einem Artikel des MEDIENDIENSTES erklärt.

Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Stand: Mar. 2025

Im April 2024 wurde eine umfassende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vom EU-Parlament verabschiedet. Die Rechtsvorschriften sollen ab 2026 von den Mitgliedstaaten angewandt werden. Die wichtigsten Bausteine der Reform sind:

  • Screeningverordnung
  • Asylverfahrensverordnung
  • Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung
  • Krisen- und "force majeure" Verordnung

Im März 2025 hat die Europäische Kommission zudem einen Vorschlag für eine Verordnung präsentiert, die die gemeinsame EU-Rückführungspoltik neu regeln soll.

Screeningverordnung

Personen, die die Außengrenzen der Europäischen Union irregulär überschreiten, müssen zunächst ein "Screening"-Verfahren durchlaufen (Artikel 1). Dabei werden ihre Fingerabdrücke abgenommen und ihre Identität, Gesundheitszustand sowie potentielle Sicherheitsrisiken festgestellt. Das Verfahren soll in der Nähe der Grenzen stattfinden und maximal sieben Tage dauern. Die einreisenden Personen können für die Zeit des Verfahrens festgehalten werden (Artikel 6). Nach dem Screening werden die einreisenden Personen entweder in das Asyl- oder Rückführungsverfahren verwiesen. Die zuständigen Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass das Verfahren im Sinne der internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte stattfindet (monitoring mechanism – Artikel 10).

Weitere Informationen >>> LINK. Zum Text der Screening Verordnung – Stand 3.4.2024: LINK

Asylverfahrensverordnung

Diese neue Verordnung verändert grundsätzlich den Zugang zum Asylsystem für Personen, die Schutz in der EU suchen.

Grenzverfahren: Schnellverfahren für Personen aus bestimmten Herkunftsländern

  • Bei Schutzsuchenden, die die EU-Außengrenzen betreten, an den EU-Außengrenzen festgenommen werden oder im Meer gerettet werden, wird künftig geprüft, ob ihr Asylgesuch im sogenannten Grenzverfahren (Artikel 43-45) bearbeitet werden muss.
  • "Grenzverfahren" finden unter der sogenannten "Fiktion der Nicht-Einreise" statt (Artikel 43, Abs. 2). Es wird also rechtlich angenommen, dass sich die schutzsuchende Person noch nicht auf EU-Boden befände – obwohl das physisch der Fall ist.
  • "Grenzverfahren" bedeutet in der Praxis, dass ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird (Artikel 43). Die Betroffenen haben in solchen Verfahren nur einen eingeschränkten Zugang zu Rechtsmitteln gegen ablehnende Asylbescheide.
  • Die Grenzverfahren sind vor allem für Personen vorgesehen, die aus Ländern kommen, die eine "Schutzquote" von 20 Prozent oder weniger aufweisen. Aber auch Personen, die keine Dokumente vorweisen können oder die bei der ersten Anhörung widersprüchliche Aussagen gemacht haben, müssen das Grenzverfahren durchlaufen (Artikel 43).
  • Staaten, die für die Durchführung der Grenzverfahren zuständig sind, sollen dafür sorgen, dass Schutzsuchende nicht das Grenzgebiet verlassen, solange sie im Verfahren sind (Artikel 54). Das heißt, sie können die Schutzsuchenden unter haftähnlichen Bedingungen festhalten.
  • Dafür sind insgesamt 30.000 Plätze in Einrichtungen an den EU-Grenzen vorgesehen (Artikel 46).
  • Grenzverfahren dürfen maximal 12 Wochen dauern (Artikel 51).

Zulässigkeitsprüfungen

  • In sogenannten Zulässigkeitsprüfungen (Artikel 38) können die Asylbehörden prüfen, ob der Schutzsuchende aus einem Land eingereist ist, in dem er Asyl hätte beantragen können (first country of asylum – "erstes Asyl-Land") – oder aus einem "sicheren Drittstaat" (safe third country).
  • Als "erstes Asyl-Land" und "sicherer Drittstaat" werden Staaten bezeichnet (Artikel 57), in denen angenommen wird, dass den Schutzsuchenden keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung drohen. Auch dürfen sie von dort nicht in lebensgefährliche Situationen abgeschoben werden (refoulment). Die Staaten müssen Menschenrechte beachten und den Asylbewerber*innen etwa Zugang zu Gesundheitsversorgung und Lebensunterhalt gewähren. Die Bezeichnung "sicherer Drittstaat" kann sich zudem auch nur auf eine oder mehrere Regionen eines Staates beziehen, es muss also nicht der gesamte Staat sicher sein. Auch soll es genügen, dass der Staat für bestimmte Personengruppen sicher ist.
  • Wenn das Asylgesuch für unzulässig erklärt wird, muss die/der Asylbewerber*in die EU verlassen und wird in den „sicheren Drittstaat“ abgeschoben.

Weitere Informationen >>> LINK. Zum Text der Asylverfahrensverordnung – Stand 3.4.2024 >>> LINK

Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung

Die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung schafft die Voraussetzungen für eine Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der Europäischen Union. Dadurch wird zum Teil die Dublin-III-Verordnung ersetzt.

Die Zuständigkeit für Asylbewerber*innen bleibt prinzipiell bei den Staaten, in denen sie zuerst einreisen (s. oben). Wenn diese jedoch unter erhöhtem "Migrationsdruck" (migration pressure) stehen, können sie die anderen Mitgliedstaaten um Hilfe bitten (Artikel 10).

Jedes Jahr soll die Europäische Kommission einen Bericht erstellen, auf dessen Grundlage ein "Solidaritätspaket" (solidarity pool) mit verfügbaren Kapazitäten, nötigen finanziellen Mitteln und einem Verteilungsschlüssel erarbeitet wird (Artikel 12). Die Mitgliedstaaten sollen jährlich mindestens 30.000 Schutzsuchende verteilen und 600 Millionen Euro für Aufnahmemaßnahmen zur Verfügung stellen (Artikel 12). Die Mitgliedstaaten sichern eine bestimmte Zahl an Plätzen (pledge) für die Verteilung zu. Staaten, die keine Schutzsuchenden aufnehmen wollen, können sich finanziell an dem "Solidaritätspaket" beteiligen oder eigene Mittel und Personal zur Verfügung stellen.

Weitere Informationen >>> LINK. Zum Text der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung – Stand 3.4.2024 >>> LINK

Krisenverordnung

In Krisensituationen sollen einzelne EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ein Notfall-Asylsystem zu aktivieren (Artikel 1). Das kann geschehen wenn:

  • die Zahl der Schutzsuchende, die in einen Mitgliedstaat einreisen, außergewöhnlich steigt,
  • ein Drittstaat Fluchtmigration "instrumentalisiert", um einen EU-Mitgliedstaat zu destabilisieren.

Um die "Krisenverordnung" zu aktivieren benötigen die betroffenen Mitgliedstaaten einen Beschluss des Europäischen Rats.

Wird die "Krisenverordnung" aktiviert, gelten unter anderem folgende Sonderregeln:

  • Ankommende Schutzsuchende werden im Eilverfahren registriert und ihre Anträge bearbeitet (Artikel 10),
  • Sie können bis 18 Wochen im "Grenzverfahren" (s. oben) und somit in haftähnlichen Bedingungen bleiben (Artikel 11),
  • Abgelehnte Asylbewerber*innen können im Eilverfahren abgeschoben werden.

Betroffene Mitgliedstaaten können von anderen EU-Ländern "Solidaritätsbeiträge" anfordern: Asylbewerber*innen und anerkannte Flüchtlinge können auf andere Mitgliedstaaten umverteilt werden (Artikel 4). Alternativ dazu können die anderen Mitgliedstaaten Unterstützung bei der Bearbeitung der Asylanträge beziehungsweise finanzielle Unterstützung anbieten. Die Sonderbedingungen unter der "Krisensituation" dauern drei Monaten und können einmal um weitere drei Monate verlängert werden (Artikel 5).

Weitere Informationen >>> LINK. Zum Text der Krisen- und "force majeure" Verordnung – Stand 3.4.2024 LINK

Gemeinsames Europäisches Rückkehrsystem

Im März 2025 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Rückkehrsystems vorgestellt, um Abschiebungen zu erleichtern. Dazu gehören:

  • Die aktuell geltende EU-Rückführungsrichtlinie soll durch eine Verordnung ersetzt werden.
  • "Rückkehrentscheidungen" (return decisions) eines Staats zu einer Person sollen von allen anderen Mitgliedstaaten mitgetragen werden (Artikel 9).
  • Eine Rückkehr kann mit einem Verbot der Wiedereinreise bis zu 15 Jahren verbunden werden (Artikel 10). Derzeit sind das in der Regel fünf Jahre.
  • Ausreisepflichtige Personen müssen mit den Behörden bei der Beschaffung von Unterlagen und sonstigen Informationen zum Zweck der Identitätsfeststellung kooperieren. Wenn sie das nicht tun, können sie durch Leistungskürzungen oder Entzug der Arbeitserlaubnis sanktioniert werden (Artikel 21,22).
  • Ausreisepflichtige Personen, bei denen eine erhöhte Fluchtgefahr vermutet wird oder die mit den zuständigen Behörden nicht ausreichend kooperieren beziehungsweise aus dem für sie zuständige Land ausreisen, sollen in Haft genommen werden können. Die Inhaftierung kann bis 24 Monaten dauern – aktuell sind das 18 Monate (Artikel 29-32).
  • Die Kommission will außerdem die Möglichkeit prüfen, ausreisepflichtige Personen in Zentren außerhalb der EU (Return Hubs) festzuhalten und von dort aus abzuschieben.

Zum Verordnung-Vorschlag der Kommission LINK

Weitere Reformen

  • Neue Eurodac Verordnung: regelt die Erfassung von persönlichen und biometrischen Daten von Asylsuchenden und den Datenaustausch zwischen verschiedenen EU-Datenbanken.
  • Anerkennungsverordnung: soll die Kriterien für die Vergabe von einzelnen Schutzformen in der gesamten EU harmonisieren; schränkt den Fortzug von Personen ein, die bereits in einem EU-Mitgliedstaat Schutz bekommen haben.
  • Flüchtlingsaufnahme-Richtlinie: soll die Kriterien für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Bereichen Unterkunft, Schulbildung und Gesundheitsversorgung harmonisieren; Asylbewerber*innen sollen künftig EU-weit die Möglichkeit haben, spätestens sechs Monate nach Antragstellung eine Arbeit aufzunehmen.
  • Resettlement Framework: schafft zum ersten Mal einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen für die Aufnahme von Schutzsuchenden aus Drittstaaten (Resettlement).

Geschichte des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Das Grundkonzept eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) wurde 1999 im sogenannten Tampere Programm definiert und 2004 durch das sogenannte Haager Programm bestätigt. Ziel war es, europaweit einheitliche Standards für die Asylverfahren und die möglichen Rechtsstatus für Geflüchtete zu etablieren.

Im Juni 2013 verabschiedete das Europäische Parlament die neuen Vorschriften, die 2015 von allen Mitgliedstaaten übernommen wurden. Den Kern bilden zwei Verordnungen und mehrere Richtlinien, unter anderem:

  • Die Dublin III - Verordnung regelt die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und die Möglichkeit der Inhaftierung von Flüchtlingen.
  • Die EURODAC-Verordnung regelt den Aufbau eines Fingerabdruck-Systems zur Kontrolle der Umsetzung der Dublin-Verordnungen.
  • Die Qualifikations-Richtlinie regelt, wer als Flüchtling gilt.
  • Die Aufnahme-Richtlinie regelt, wie die Aufnahme und Behandlung von Asylsuchenden zu erfolgen hat.
  • Die Asylverfahrens-Richtlinie regelt die Grundlagen der Asylverfahren.

Was ist FRONTEX?

Stand: May. 2022

Frontex ist die europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache. Ursprünglich als Koordinierungsstelle für die Grenzpolizeien der EU-Mitgliedstaaten gedacht, hat die Agentur zunehmend operative FunktionenFrontex (2021), Hauptaufgaben übernommen. Dazu gehören unter anderem:

  • Schiffe, Flugzeuge, Ausrüstung und Personal zur Überwachung der EU-Außengrenzen bereitstellen,
  • Grenzpolizist*innen aus allen Mitgliedstaaten trainieren und bei gemeinsamen Operationen koordinieren,
  • Grenz- und Küstenwachebeamte sowie Ausrüstung in EU-Mitgliedstaaten für Soforteinsätze senden,
  • EU-Mitgliedstaaten bei Abschiebungen unterstützen,
  • Grenzpolizeien in Drittstaaten unterstützen.

Bis 2027 soll die Agentur weiter ausgebaut werdenEuropäischer Rat (2019), Europäische Grenz- und Küstenwache: Rat bestätigt Einigung über stärkeres Mandat: Es soll eine ständige Reserve mit 10.000 Einsatzkräften entstehen. Frontex soll außerdem die EU-Mitgliedstaaten stärker bei Abschiebungen und Drittstaaten beim "Grenzenmanagement" unterstützen.

 

Vorwürfe gegen Frontex

Schon seit mehreren Jahren steht Frontex in der KritikDeutsches Institut für Menschenrechte (2007), Grenzschutz und Menschenrechte wegen vermeintlicher Menschenrechtsverletzungen bei Grenzoperationen. Die Agentur soll Grenzpolizist*innen der Mitgliedstaaten bei gewaltsamen Festnahmen und Zurückweisungen unterstützt haben. In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Fälle an den Grenzen dokumentiert – vor allem von Medien und NGOs:

  • Frontex-Einheiten sollen die griechische Küstenwache dabei unterstützt haben, Bootsflüchtlinge in türkische Gewässer zurückzuschieben,
  • Frontex soll die Koordinaten von Geflüchteten in Seenot an die sogenannte libysche Küstenwache vermittelt haben, um ihre Festnahme zu ermöglichen,
  • Frontex-Einheiten sollen an verschiedenen Grenzübergängen anwesend gewesen sein, an denen gewaltsame Zurückschiebungen stattgefunden haben (s. Karte).

Der schwerste Vorwurf gegen Frontex ist, dass die Agentur an unrechtmäßigen Zurückweisungen (Pushbacks) beteiligt gewesen sein soll – siehe hierzu: Was sind Pushbacks?.

Die Beteiligung an illegalen Pushbacks ist nur einer von mehreren Vorwürfen, die in den vergangenen Monaten gegen Frontex erhoben wurden. So hat der Europäische Rechnungshof Rechnungshof (2021), Von Frontex geleistete Unterstützung bei der Verwaltung der Außengrenzen:
bislang nicht wirksam genug, Seite 4
festgestellt, dass die Agentur die Mitgliedstaaten nicht im vorgesehenen Maße bei der Grenzüberwachung unterstützt. Noch schwerwiegender sind aber die Vorwürfe der EU-Behörde für Betrugsbekämpfung (Olaf): Laut MedienberichtenDer Spiegel 5.2.2021, Scandals Plunge Europe's Border Agency into Turmoil geht es unter anderem um Fälle von Belästigung und Betrug innerhalb der Agentur.

In einem im Juli 2021 erschienenen BerichtEuropean Parliament (2021), Report on the fact-finding investigation on Frontex concerning alleged fundamental rights violations, Seite 6 der Kontrollgruppe über die Aktivitäten von Frontex des Europäischen Parlaments heißt es, die Agentur hätte vertrauenswürdige Berichte von internationalen Organisationen über Menschenrechtsverletzungen an den EU-Grenzen systematisch ignoriert.

Wer prüft die Aktivitäten von Frontex?

Die Aktivitäten von Frontex werden von verschiedenen Instanzen beaufsichtigt.

  • An erster Stelle steht der Verwaltungsrat. Dieser besteht aus Vertreter*innen der Grenzbehörden der Schengen-StaatenDeutschland, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn plus Großbritannien und Irland und Vertreter*innen der Europäischen Kommission.
  • Für die Wahrung der Grundrechte ist das "Consultative Forum" zuständig. Dazu gehören Vertreter*innen von 13 internationalen Institutionen und Menschenrechts-OrganisationenAmnesty International, Churches' Commission for Migrants in Europe (CCME), der Europarat (CoE), das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), die Internationale Kommission der Juristen (ICJ), die Internationale Organization für Migration (IOM), der Jesuiten Flüchtlingsdienst (JRS Europe), der Hohe Kommissar für Menschenrechte der UN, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), das OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights, das Rote Kreuz, Save the Children und das UN-Flüchtlingswerk UNHCR. In seinem jüngsten BerichtFrontex Consultative Forum (2020) Seventh Annual Report, Seite 24 aus dem Jahr 2020 hat das "Consultative Forum" die Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen als äußerst besorgniserregend bezeichnet.
  • Hinzu kommt der Menschenrechtsbeauftragte, dessen Aufgabe ist, Grenzschutzoperationen zu bewerten, Operationgebiete zu besuchen und Berichte von Menschenrechtsverletzungen zu prüfen.
  • Im März 2021 hat das Europäische Parlament zudem eine 14-köpfige Kontrollgruppe einberufen mit dem Auftrag, die Vorwürfe gegen Frontex zu prüfen. Die Kontrollgruppe hat im Juli 2021 einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Frontex explizit vorwirft, Berichte über Menschenrechtsverletzungen bewusst ignoriert zu haben.

Migrationspolitik EU-Afrika

Stand: Nov. 2020

Die EU und einzelne europäische Staaten haben in der Vergangenheit mehrere umstrittene Abkommen mit afrikanischen Staaten geschlossen, um Migrationsbewegungen zu reduzieren. Spanien begann schon in den 1990er Jahren seine Migrationskontrolle nach Westafrika zu verschieben. 1998 legte die österreichische Präsidentschaft dem Europäischen Parlament ein "Strategiepapier zur EU-Migrations- und Asylpolitik" vor, in dem es unter anderem darum ging, Drittstaaten in das europäische Grenzsystem miteinzubeziehen.

Die spanische Regierung schloss 2005 im Rahmen des "Plan África" mehrere Abkommen mit westafrikanischen Staaten, unter anderem Marokko, Mauretanien, Mali und Senegal. Dabei ging es darum, irreguläre Einwanderer zurückzuführen und Migrationsrouten enger zu überwachen – auch mithilfe des spanischen Militärs. Im Gegenzug bekamen die afrikanischen Staaten mehr Entwicklungshilfe. Nach einem ähnlichen Muster ging die italienische Regierung 2008 ein „Freundschaftsabkommen“ mit dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi ein.

Die Flüchtlingszahlen gingen zurück – doch gleichzeitig dokumentierten spanische und italienische Menschenrechtsorganisationen sowohl in Mauretanien als auch in Libyen willkürliche Inhaftierungen, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem bildeten diese Abkommen die Blaupause für zukünftige Vereinbarungen zwischen europäischen und afrikanischen Staaten.

Innerhalb von fast 20 Jahren gab es zahlreiche Gipfel und Prozesse, in denen – neben wirtschaftlicher Kooperation und Entwicklungshilfe – Migrationskontrolle eine zentrale Rolle spielte:

Wichtigste Ereignisse in der EU-Afrika-Migrationspolitik

• 2000 – Abkommen von Cotonou

2000 beschloss die EU gemeinsam mit 79 afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten im „Abkommen von Cotonou“ die erste supranationale Vereinbarung zur Migrationskontrolle. Die Vertragspartner sicherten sich die gegenseitige Rücknahme von irregulären Migranten zu.Quelle"Abkommen von Cotonou", Seite 8

• 2006 – Rabat-Prozess


Seit 2006 beteiligten sich 23 westafrikanische Staaten sowie weitere zentral- und nordafrikanische Staaten an dem „Rabat-Prozess“, der durch die EU initiiert wurde. Sie verfolgten das Ziel, irreguläre Migration vor allem aus Westafrika zu bekämpfen. Der „Rabat-Prozess“ leitete die stärkere Grenzkontrolle zwischen afrikanischen Staaten ein. Die Binnenmigration innerhalb Afrikas sollte so reduziert werden. Im Rahmen des Prozesses hat sich die EU zudem dazu verpflichtet, legale Migration zu fördern und die Synergie zwischen Migration und Entwicklung zu stärken.QuelleBroschüre Rabat-Prozess

• 2007 – Gemeinsame Strategie Afrika-EU


Die „Gemeinsame Strategie Afrika-EU“ wurde 2007 zwischen den 55 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union und den Mitgliedstaaten der EU vereinbart. Beide Staatengemeinschaften beschlossen die „Bekämpfung illegaler Migration“ und entschieden, bei der Grenzkontrolle und Rücknahme von Migranten zu kooperieren.QuelleAfrika-EU Strategiepapier, Seite 15.

• 2012 – Kooperation EU-Niger

Im Rahmen der zivilen Mission EUCAP Sahel-Niger haben der Europäische Rat und die nigrinische Regierung 2012 vereinbart, gemeinsame Maßnahmen zur „Verhinderung der irregulären Einwanderung und Bekämpfung damit verbundener Kriminalität“ einzuführen. Der westafrikanische Staat gilt als einer der wichtigsten Umschlagplätze für irreguläre Migration südlich der Sahara.

• 2014 – Karthoum-Prozess


Im Khartoum-Prozess fokussierte die EU die Zusammenarbeit mit elf ostafrikanischen Herkunfts- und Transitländern im Horn von AfrikaÄthiopien, Djibouti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan, Süd Sudan und Uganda sowie Libyen, Ägypten und Tunesien. Die Verhandlungspartner verständigten sich zur Zusammenarbeit beim „Grenzmanagement“ und begründeten dies  mit dem Ziel, „Menschenhandel und Schleuser einzudämmen“.QuelleEuropäische Kommission, Europäischer Nothilfefond für Afrika

• 2015 – Valletta-Aktionsplan


Anders als von der EU erwartet, wurden nicht mehr ausreisepflichtige afrikanische Migranten zurückgeführt. Deshalb versuchte die Europäische Union, ihre vergangenen Vereinbarungen im Valetta-Prozess von 2015 zusammenzubringen. An ihm beteiligten sich die Regierungschefs von 66 LändernListe der Teilnehmer aus Afrika und Europa sowie die Vorsitzenden zahlreicher internationaler Organisationen. Die EU-Politiker strebten danach, „Laissez-Passers“-Papiere – selbstausgestellte Abschiebepapiere – einzuführen. Sie scheiterten jedoch mit ihrem Vorhaben.QuelleValletta-Aktionsplan   

• 2015 – EU-Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika

Im Rahmen des Valletta-Aktionsplans hat die EU einen Nothilfe-Treuhandfonds eingerichtet, der das Ziel hat, Fluchtursachen in den Herkunftsstaaten zu bekämpfen und irreguläre Migration zu unterbinden. Der Fonds hat bislang 177 Projekte in Ost-, Nord- und Westafrika (Sahel) finanziert und verfügt über ein Budget von 3,4 Milliarden Euro (Stand: März 2018).QuelleEU-Emergency Trustfund for Africa, Factsheet 26.2.2018 und Bundestagsdrucksache 18/13640

• 2017 – Gipfeltreffen der Europäischen und Afrikanischen Union in Abidjan

Im Rahmen der "Gemeinsamen Strategie Afrika-EU" (siehe oben) haben die Mitglieder der Europäischen und Afrikanischen Union in der ivorischen Hauptstadt vereinbart, eine gemeinsame Arbeitsgruppe "Migration" einzurichten. Dabei geht es in erster Linie um die Bekämpfung der irregulären Migration – insbesondere von und nach Libyen.

Zur Rubrik "Was ist die Dublin-Verordnung?"

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