Der „Corona-Schock“ hat Geflüchtete am Arbeitsmarkt härter getroffen als andere. Besonders im ersten Lockdown ab März 2020 wurden sie häufiger in Kurzarbeit geschickt und verloren schneller ihre Jobs. Nach dem Lockdown kamen sie aber zügiger wieder in Beschäftigung. Das zeigt ein neuer Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der bei einem Pressegespräch des MEDIENDIENSTES vorgestellt wurde. Dort waren sich die Fachleute einig: Die Corona-Pandemie könnte langfristig negative Folgen auf die Chancen Geflüchteter und Zuwanderer*innen auf dem Arbeitsmarkt haben.
Job-Zuwachs bei Geflüchteten stark abgebremst
Geflüchtete und Migrant*innen verloren vor allem im ersten Lockdown häufiger ihre Arbeit als andere Beschäftigte. Bei Menschen aus Asylherkunftsländern stieg die Arbeitslosigkeit bis Dezember 2020, gemessen am Vorjahresmonat, um 2,7 Prozent. Zum Vergleich: bei EU-Zuwanderer*innen waren es 2 Prozent, bei deutschen Staatsangehörigen 1 Prozent.
Viele Unternehmen mussten auf Kurzarbeit umstellen, um Entlassungen zu verhindern: Davon waren Beschäftigte mit Einwanderungs- oder Fluchtgeschichte häufiger betroffen als deutsche Arbeitnehmer*innen (25 % im Vergleich zu 16%). Das hat mehrere Gründe: Sie arbeiten häufiger in Leiharbeit oder in kleinen Unternehmen, die stärker von der Krise betroffen waren. Außerdem haben etwa Dreiviertel der Geflüchteten nur einen befristeten Arbeitsvertrag, der schnell mal nicht verlängert wird.Quelle
Es gibt aber einen Lichtblick: Viele konnten bis Ende des Jahres wieder eine Arbeit finden, sodass am Jahresende sogar etwas mehr Menschen aus Asylherkunftsländern einen Job hatten als zu Jahresbeginn. Der Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker, Mitautor des Berichts, warnt aber: Im Vergleich zu den Vorjahren wurde der Job-Zuwachs bei Geflüchteten stark abgebremst.
Steigende Beschäftigung bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit ist Brücker zufolge kein Paradox: „Die wesentliche Ursache für die höhere Arbeitslosigkeit ist, dass Arbeitsmarktprogramme unterbrochen worden sind. Das gilt insbesondere für Geflüchtete“. Darunter fallen Maßnahmen wie Sprach- und Integrationskurse, von denen viele ausgefallen sind. Wenn Geflüchtete nicht daran teilnehmen, werden sie als arbeitslos gezählt.
Der bisher erfolgreiche Integrationsprozess der letzten Jahre wurde durch die Pandemie weitgehend gestoppt, so Brücker. Wenn Sprach- und Integrationskurse für Geflüchtete wegfallen, könne das langfristig negative Folgen haben und die Chancen für Migrant*innen und Geflüchtete verringern, später einen Arbeitsplatz zu finden. Der Forscher hofft dennoch, dass sich die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt nach der Pandemie fortsetzt.
Mehr Informationsangebote gefordert
Bei vielen Geflüchteten kann die aktuelle Situation zu einem „bürokratischen Teufelskreis“ führen, sagt Mosjkan Ehrari von Handbook Germany, einem Informationsportal für Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Weil Ämter wegen Corona kürzere Öffnungszeiten haben und schlechter erreichbar sind, sei es zum Beispiel schwierig Aufenthaltspapiere zu erneuern. Die sind für den Erhalt des Arbeitsplatzes nötig. Andererseits ist die Aufenthaltserlaubnis daran gekoppelt, dass sie eine Arbeit haben.
Die Menschen stehen momentan "immer wieder vor verschlossenen Türen, bekommen keine Präsenztermine und müssen komplizierte bürokratische Formulare online ausfüllen“, so Ehrari. Viele seien dadurch verunsichert. Es brauche deshalb mehr Informationsangebote für Geflüchtete.
Angst vor Abschiebungen
„Für viele Geflüchtete ist der Verlust des Arbeitsplatzes mit besonderen Ängsten verbunden“, sagt Ehrari. Sie bekommt derzeit viele Anfragen von Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, darunter viele Geduldete. Wer geduldet sei, bekomme eine Arbeitserlaubnis meistens für eine ganz bestimmte Anstellung. „Im Falle eines Jobverlustes droht diesen Menschen die Abschiebung“.
Die Angst vor Abschiebungen beschäftigt auch viele Unternehmer*innen, die Geflüchtete einstellen möchten, sagt Gottfried Härle. In seiner Brauerei im Allgäu arbeiten derzeit fünf Geflüchtete. Wenn die Bleibeperspektive von Geflüchteten ungewiss ist, könne es Unternehmen daran hindern, sie einzustellen. Härle engagiert sich deshalb gemeinsam mit 150 anderen Unternehmen in der Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“. Mit dabei sind bekannte Firmen wie der Textilhersteller Trigema, Edeka oder der Outdoor-Ausrüster Vaude.
„Unser Ziel ist es, uns für einen Spurwechsel einzusetzen“, so Härle. Abgelehnte Asylsuchende sollen demnach einen sicheren Aufenthaltstitel bekommen, sofern sie in Deutschland arbeiten oder in Ausbildung sind. Die 2020 eingeführte Beschäftigungsduldung habe dabei keine Erleichterungen gebracht, sagt Härle. Sie soll eigentlich eine Möglichkeit zur langfristigen Bleibeperspektive eröffnen: Solange Zuwanderer*innen eine Beschäftigungsduldung haben, können sie nicht abgeschoben werden. Allerdings ist die Beschäftigungsduldung an viele Bedingungen geknüpft. Die komplizierten Voraussetzungen schrecken Unternehmen ab, Geflüchtete zu beschäftigen. Was Abschiebungen betrifft, habe die Corona-Krise laut Härle die Situation für Unternehmen und beschäftigte Geflüchtete kurzfristig etwas entspannt. Es habe kaum noch Abschiebungen gegeben, unter anderem weil kaum Flüge in Herkunftsländer gingen.
Von Caroline Schäfer
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