Was sind Flüchtlinge und Asylbewerber?
Flüchtlinge sind Menschen, die vor Kriegen fliehen oder ihre Heimat aus anderen Notlagen heraus verlassen müssen und in einem anderen Land Schutz und Zuflucht suchen. Asylbewerber sind Menschen, die in Deutschland einen Antrag auf Gewährung eines Asylstatus stellen. Insgesamt lebten Ende 2014 rund 630.000 Flüchtlinge in Deutschland. Ende April 2015 lag die Zahl der noch nicht entschiedenen Anträge bei 209.700. In keinem anderen Land der EU gibt es mehr unerledigte Anträge als in Deutschland. In der Bundesrepublik warten so viele Flüchtlinge auf eine Entscheidung in ihrem Asylverfahren wie in den fünf anderen wichtigsten Aufnahmeländern der EU zusammen. Im Durchschnitt dauerte ein Asylverfahren im Frühjahr 2015 etwa sieben Monate. (...)
Wie verläuft das Asylverfahren?
(...) Wenn ein Flüchtling Deutschland erreicht, meldet er sich bei den Behörden, oder die Polizei, die ihn aufgegriffen hat, überstellt ihn den Behörden. Zunächst werden die Flüchtlinge in Landeserstaufnahmestellen der Bundesländer untergebracht, an die die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angeschlossen sind. Dort findet eine Anhörung statt, und die Asylbewerber stellen ihren Antrag. Die Fingerabdrücke der Bewerber werden mit europäischen Datenbanken abgeglichen, um zu verhindern, dass mehrere Anträge in verschiedenen Ländern gestellt werden. Wenn der Flüchtling bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt hat, kann er dorthin «rücküberstellt» werden. Sogenannte Entscheider des BAMF beurteilen nach einer Anhörung, ob Asyl gewährt oder der Antragsteller in sein Heimatland ausgewiesen wird. Während des Asylverfahrens erhalten Flüchtlinge eine Aufenthaltsgestattung, die sie berechtigt in Deutschland zu leben und unter bestimmten Bedingungen zu arbeiten. (...)

PROF. DR. KARL-HEINZ MEIER-BRAUN, Mitglied im "Rat für Migration", langjähriger Redaktionsleiter und Integrationsbeauftragter des Südwestrundfunks (SWR), ist Honorarprofessor an der Universität Tübingen. Demnächst erscheinen die dritten aktualisierten Auflagen seines Sammelbandes "Deutschland Einwanderungsland" sowie seines Taschenbuches "Einwanderung und Asyl. Die 101 wichtigsten Fragen."
Welche Aufgaben hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)?
Mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahre 2005 erhielt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusätzliche Aufgaben. Bis dahin hieß es Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Mit der neuen Funktion wurden dem Amt die Aufgabe Integration (Integrationskurse, Integrationsprogramme, Integrationsberichte) übertragen. Das Nürnberger Amt ist dem Bundesinnenministerium zugeordnet und nimmt u.a. Aufgaben in den Bereichen Rückkehrförderung, Migrationsberatung für erwachsene Migranten oder jüdische Zuwanderer wahr. Das Bundesamt betreibt eigene Forschungen im Migrationsbereich und hat bundesweit 2.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Zahl fast verdoppelt werden soll. Das BAMF ist für das Asylverfahren zuständig, weshalb die Hälfte seiner Mitarbeiter in diesem Bereich eingesetzt wird. Sogenannte Entscheider in den Außenstellen prüfen die Anträge und entscheiden darüber, ob Flüchtlinge anerkannt werden. Allein was die finanzielle und personelle Ausstattung angeht, nimmt das Amt als Kompetenzzentrum für Migration und Integration eine zentrale Rolle in Deutschland ein. (...)
Was wäre Deutschland ohne Ausländer?
Deutschland hätte schlagartig über acht Millionen Menschen weniger, wenn es keine Ausländer im Lande geben würde. Falls alle mit Migrationshintergrund das Land verlassen würden, fehlten 16,5 Millionen Einwohner. Man müsste plötzlich auf 50 Milliarden Euro an Steuereinnahmen im Jahr verzichten. Viele Branchen wie in der Gastronomie oder in der Automobilwirtschaft würden zusammenbrechen, das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 8 Prozent sinken. Arbeitsmigranten waren und sind unentbehrlich für Deutschland. So hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen festgestellt, dass die Zuwanderung in der Vergangenheit in wirtschaftlicher und gerade auch in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht positiv zu bewerten ist und einen erheblichen Gewinn für die deutsche Volkswirtschaft darstellt. Ohne ausländische Beschäftigte wären ganze Wirtschaftsbereiche nicht mehr funktionsfähig. So sind fast 50 Prozent aller in Krankenhäusern Beschäftigten, also Ärzte, Pflegekräfte und Hilfspersonal, Ausländer. (...)
Hatte Goethe türkische Vorfahren?
Dass Johann Wolfgang von Goethe türkische Vorfahren hatte, war bekannt. Dass diese Wurzeln jedoch nach Baden-Württemberg zurückreichen, weniger. Das hat jedenfalls der Brackenheimer Dekan Werner-Ulrich Deetjen herausgefunden. Laut dem promovierten Kirchenhistoriker gehen Goethes Vorfahren auf Sadok Selim zurück, der gegen Ende des 13. Jahrhunderts bei Kämpfen mit Kreuzfahrern im Heiligen Land in die Gefangenschaft des Deutschritterordens geriet. Er kehrte mit den Ordensrittern in deren Heimat nach Brackenheim bei Heilbronn zurück. Der ehemalige türkische Hauptmann passte sich rasch der neuen Umgebung an, ließ sich taufen und heiratete Rebekka Dobler aus Brackenheim. Seitenlinien dieser Familie lassen sich bis heute in Hessen und in Franken nachweisen. Sie haben – so Deetjen – zahlreiche Männer von Rang hervorgebracht, unter ihnen den Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe.
Zusammengestellt von Jennifer Pross
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.