Im Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes wird die Optionspflicht neu geregelt. Sie war einer der Kern- und Knackpunkte des Koalitionsvertrags in Sachen Integrationspolitik. Dort wurde festgeschrieben, dass sich Kinder ausländischer Eltern, die "in Deutschland geboren und aufgewachsen" sind, künftig nicht mehr zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern entscheiden müssen. Die rechtliche Umsetzung sorgte jedoch lange für Diskussionen zwischen Union und SPD.
Die Sozialdemokraten wollten die Optionspflicht gänzlich abschaffen. Nun wird sie zwar für all jene entfallen, die bei Vollendung ihres 21. Lebensjahres mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt, hier sechs Jahre eine Schule besucht oder einen Schul- oder Berufsabschluss erworben haben. Wer diese Kriterien nicht erfüllt, muss jedoch weiterhin einen Pass abgeben (oder eine Beibehaltungsgenehmigung beantragen).
Optionspflicht: Ein umstrittener Kompromiss
Der Anteil der Betroffenen, die nach der Neuregelung noch unter die Optionspflicht fallen, ist der Bundesregierung zufolge sehr gering. Umso verwunderlicher ist Rechtsexperten zufolge, dass diese eine bereits sehr komplexe rechtliche Lage durch zusätzliche Ausnahmen weiter verkompliziere. So kritisierte der österreichische Politologe und Experte für Bürgerschaftsrecht Rainer Bauböck im Interview mit dem Mediendienst die Vielzahl der Ausnahmen. Außerdem sei die Reform „europarechtlich nicht einwandfrei“. Denn die Optionspflicht zwinge de facto die Kinder, für mindestens acht Jahre in Deutschland zu bleiben, obwohl sie als Unionsbürger das Freizügigkeitsrecht genössen.
Diese Kritik teilt auch der Rechtswissenschaftler Andreas Zimmermann, der für die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) ein Rechtsgutachten über die Reform erstellt hat. Ihm zufolge ist sie nicht nur europa- sondern auch verfassungsrechtlich problematisch: Dass Kinder aus binationalen Ehen oder europäische Staatsbürger der Optionspflicht nicht unterliegen, stelle einen Verstoß gegen den besonderen Gleichheitssatz dar. Außerdem fehle eine klare Stellungnahme zu den Optionspflichtigen, die aufgrund des bestehenden Gesetzes bereits eine ihrer Staatsbürgerschaften aufgeben mussten oder verloren haben.
"Sichere Herkunftsstaaten"?
Ebenfalls umstritten ist der zweite Gesetzentwurf, den der Bundestag durchgewunken hat. Dabei geht es um die Erweiterung der Liste der "sicheren Herkunftsstaaten": Neben Ghana und Senegal soll diese bald auch Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien umfassen. Die Schutzquote für Flüchtlinge aus dem Westbalkan liege unter einem Prozent. Sollten die drei Staaten als "sicher" eingestuft werden, würde die Bearbeitung der Asylanträge schneller verlaufen, so die Argumentation von Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
Wie sicher aber sind die Balkanstaaten? Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bezeichnet die Einschätzung der Bundesregierung als "irreführend und verharmlosend". In allen drei Ländern würden Minderheiten – vor allem Roma – heftig diskriminiert. Die Organisation veröffentlichte ein Gutachten, das die prekären Lebensbedingungen der Roma-Familien in den Balkanstaaten schildert.
Zu einem ähnlichen Urteil kommt die Journalistin und Balkan-Expertin Selma Filipovic. In einem Gastbeitrag für den Mediendienst schreibt sie, dass in den drei Ländern massive Menschenrechtsverletzungen – vor allem gegen die Roma-Minderheit – stattfänden.
Die Bundesrats-Frage
Ob und wann die jetzt vom Bundestag beschlossene Änderung des Asylrechts umgesetzt wird, ist noch offen. Denn im Gegensatz zur Neuregelung der Optionspflicht ist sie im Bundesrat zustimmungspflichtig. Derzeit fehlt dort jedoch eine zustimmende Mehrheit für das Gesetz.
Von Fabio Ghelli
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