Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 haben rund 480.000 Kinder von ausländischen Eltern bei der Geburt auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Weitere 50.000 Kinder der Jahrgänge 1990 bis 1999 fielen unter eine Übergangsregelung und wurden ebenfalls zu Mehrstaatern, die von der Optionspflicht betroffen sind. In den kommenden Jahren hätten sie nach und nach von deutschen Behörden angeschrieben und überprüft werden müssen.
Nach der Regierungsbildung Ende 2013 hieß es, die Große Koalition wolle die Optionspflicht abschaffen. Doch die rechtliche Umsetzung sorgte über Monate für Unstimmigkeiten. Der Satz mit Streitpotenzial steht auf Seite elf des Koalitionsvertrags: "Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, soll seinen deutschen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht unterliegen." Es stellte sich die Frage: Wie soll das "Aufgewachsensein" nachgewiesen werden?
Am 8. April hat das Bundeskabinett schließlich einen Gesetzentwurf zur doppelten Staatsangehörigkeit beschlossen, der nun zur parlamentarischen Abstimmung in den Bundestag wandert und dort noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Der Kompromiss zwischen CDU/CSU und SPD beinhaltet folgende Definition: In Deutschland aufgewachsen und von der Optionspflicht befreit ist, wer bei Vollendung seines 21. Lebensjahres
- mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt hat
- oder sechs Jahre lang eine Schule in Deutschland besucht hat,
- einen deutschen Schulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung hat.
Falls kein Antrag der betroffenen Person vorliegt, prüft die Behörde nach dem 21. Geburtstag die Voraussetzungen von Amts wegen. "Die Mehrheit wird in Zukunft überhaupt nicht mehr in Kontakt mit Behörden treten müssen", heißt es im Gesetzentwurf. Auch müsse nicht mehr jedes "ius-soli"-Kind angeschrieben werden. Denn liegen entsprechende Informationen aus dem Melderegister vor, muss die Behörde nichts weiter prüfen. Andernfalls muss der- oder diejenige das "Aufwachsen in Deutschland" anhand der genannten Kriterien nachweisen. Damit müssen die Behörden weiterhin einen Aufwand betreiben, um die Optionspflicht gegebenenfalls auszuschließen. Allerdings könnte dieser deutlich geringer ausfallen, als bislang angenommen.
2013 sind die ersten "Optionskinder" 23 Jahre alt geworden. Das ist das Alter, in dem die deutsche Staatsangehörigkeit nach der bisherigen Regelung automatisch verloren geht, wenn noch keine Entscheidung getroffen wurde. Laut Bundesinnenministerium haben sich im vergangenen Jahr 7.400 Optionspflichtige für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden und ihren ausländischen Pass aufgegeben. Etwa 130 haben sich für die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entschieden. Und weitere 500 haben die deutsche Staatsbürgerschaft verwirkt, weil sie sich nicht bei den zuständigen Behörden gemeldet haben.
Für diejenigen, die den deutschen Pass verloren haben, soll es nun eine Übergangsregelung geben: Die "ehemaligen Deutschen" können sich laut Bundesinnenministerium wieder einbürgern lassen.
Wie viele junge Deutsche nach der neuen Regelung weiterhin keine Mehrstaatigkeit bewilligt bekommen, ist bislang unklar. Sicher ist nur, dass es sich um einen sehr geringen Anteil der bisher Optionspflichtigen handelt. Einen Wohnsitz im Ausland haben derzeit laut Melderegister lediglich drei Prozent, so das Bundesinnenministerium.
Von Ferda Ataman, MDI
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