Die Pressekonferenz startete mit einer Erklärung: Die Überschrift der gleich vorgstellten Studie sei irreführend, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoğuz. Denn: "Untersucht wird die Situation aller Menschen in unserem Land, die eine familiäre Einwanderungsgeschichte haben. In dieser Gruppe sind Ausländer mittlerweile in der Minderheit: Es gibt mehr Deutsche mit Migrationshintergrund." Deswegen wolle sie den Titel ändern. Doch der Titel "Bericht der Beauftragten der Bundesregierung zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland" ist im Aufenthaltsgesetz (§ 94) festgeschrieben. Zur Umbenennung sei eine Gesetzesänderung notwendig, die sie in einer der kommenden Novellen des Gesetzes vorschlagen werde, so die Integrationsbeauftragte.Quelle
Neben Befunden zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund enthält der Bericht jedoch nach wie vor auch Daten, die sich auf Ausländer beziehen, denn in einigen Bereichen wird weiterhin nur nach Deutschen und Ausländern unterschieden.
Wo besteht besonderer Handlungsbedarf?
Besonders die Befunde zur sozialen Lage von Menschen aus Einwandererfamilien sind ernüchternd. Aus dem Mikrozensus 2012 geht hervor:
- Die Armutsgefährdungsquote von Migranten und ihren Nachkommen ist mit knapp 27 Prozent mehr als doppelt so hoch wie die der Menschen ohne Migrationshintergrund.
- Besonders alarmierend ist, dass Bildungserfolge sich nicht unbedingt auf die Armutsgefährdungsquote auswirken: sie bleibt bei Personen mit Migrationshintergrund selbst dann hoch (20,1 Prozent), wenn sie Abitur haben.
- Sie liegt damit sogar deutlich höher als bei Hauptschulabsolventen ohne Migrationshintergrund (14,9 Prozent).Quelle
Ein guter Bildungsabschluss ist also offenbar kein Garant für gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wodurch diese deutlichen Diskrepanzen zustande kommen, müsse noch genauer untersucht werden, so Özoğuz.
Hinzu kommt, dass es bei den Schulabschlüssen ohnehin nach wie vor große Unterschiede zwischen Ausländern und Deutschen gibt. Eine Erklärung: Der Bildungserfolg sei immer noch zu stark an die soziale Herkunft geknüpft, so die Integrationsbeauftragte.
So verließen 2012 rund 11,6 Prozent der ausländischen Schüler die Schule ohne einen Hauptschulabschluss. Bei den deutschen Schülern traf dies lediglich auf 5,4 Prozent zu. Während 44,3 Prozent aller deutschen Schüler die allgemeine Hochschulreife erlangen, gelingt dies nur 16,2 Prozent der ausländischen Schüler.Quelle
Auch auf dem Ausbildungsmarkt würden Bewerber mit Einwanderungsgeschichte stark benachteiligt. So habe eine Studie des SVR gezeigt, dass Bewerber mit türkisch klingendem Namen trotz gleicher Qualifikation deutlich seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.
Einer Bewerberbefragung zufolge haben bis Anfang 2013 rund 44 Prozent der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund einen Ausbildungsplatz bekommen, während dies nur 29 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund gelungen sei.Quelle
Die Frage, wie man die Chancen junger Menschen mit Einwanderungsbezügen am Ausbildungsmarkt verbessern kann, soll im Mittelpunkt des diesjährigen Integrationsgipfels am 1. Dezember stehen. Zudem gab Özoğuz bekannt, dass man an einer Umfrage arbeite, die in allen Ministerien durchgeführt werden und Aufschluss darüber geben soll, wie hoch der Anteil der Mitarbeiter mit Migrationshintergrund in den eigenen Reihen ist.
Um welche Schwerpunkte wird es in Zukunft gehen?
Im Jahr 2015 wolle sie den Schwerpunkt auf das Thema Gesundheit legen, so Özoğuz. Auch hier sei noch lange keine gleichberechtigte Teilhabe erreicht. Darüber hinaus dürfte das Thema Flucht und Asyl weiterhin im Mittelpunkt der politischen Debatten stehen. Wurden 2013 rund 127.000 Asylanträge gestellt, rechnet man 2014 mit insgesamt 200.000 Ersuchen. Fast jeder dritte Asylantrag im EU-Raum werde in Deutschland gestellt. Das "Gemeinsame Europäische Asylsystem" bleibe dabei eher ein theoretische Konstrukt, so Özoğuz. Es sei dringend notwendig, darüber zu sprechen, wie man ein solidarisches und gerechtes System gestalten könne.
Auf die Frage, ob das Amt der Integrationsbeauftragten bald überflüssig sei, entgegnete Özoğuz: Zwar gebe es in Deutschland inzwischen einen Konsens, dass wir ein Einwanderungsland sind, doch nun müssten wir auch zu einer Einwanderungsgesellschaft werden. "Ich glaube, es ist wichtig, diesen Prozess weiterhin mit einer Stelle zu begleiten, die das als Querschnittsaufgabe verfolgt, koordiniert und Handlungsempfehlungen gibt." Dafür brauche es weiterhin Zahlen und Fakten, um zu sehen, wo es gut läuft und wo es Nachbesserungsbedarf gibt.
Von Rana Göroğlu
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