Für die neue Studienreihe haben sich 2013 drei verschiedene Institute zusammengetan: das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und TNS Infratest Sozialforschung. Die sogenannte "IAB-SOEP-Migrationsstichprobe" umfasst rund 5.000 Befragte, die seit 1995 nach Deutschland gekommen oder als Nachkommen von Einwanderern in den Arbeitsmarkt eingetreten sind. Drei Viertel der Befragten sind im Ausland geboren.
Der "einzigartige Datensatz" eröffne "neue Analysepotenziale für die Migrations- und Integrationsforschung und Politikberatung", heißt es in der Pressemitteilung, vor allem bei der Frage, wie Einwanderer und ihre Nachkommen in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Die Studie soll jährlich fortgesetzt werden, Entwicklungen aufzeigen und Effekte von politischen Entscheidungen messen. Die ersten Ergebnisse umfassen sehr unterschiedliche Themenbereiche:
Neue Migrationsmuster: Unsere Vorstellung von Migration ist überholt
In der Wissenschaft ist die Rede von "zirkulärer Migration": Viele Menschen kommen nicht mehr direkt aus ihrem Geburtsland nach Deutschland, um dauerhaft hier zu leben. Migration bedeutet heute immer öfter, dass jemand zum Arbeiten herkommt und dann in sein Heimatland zurückkehrt oder nach ein paar Jahren in ein anderes Land weiterzieht.
Laut IAB-SOEP-Migrationsstichprobe hat sich die Zahl der Zuwanderer, die bevor sie nach Deutschland kamen bereits in andere Länder migriert waren, in den letzten Jahren verdoppelt: Hatten von 2000 bis 2007 lediglich 20 Prozent "transnationale Migrationserfahrungen", ist ihr Anteil von 2008 bis 2013 auf 40 Prozent gestiegen. Zwar sei die "klassische Migrationsbiografie" mit einem dauerhaften Lebensmittelpunkt in Deutschland noch vorherrschend, doch gerade unter den Hochqualifizierten ist laut Befragung fast jeder Zweite (45 Prozent) unentschlossen, ob er oder sie in Deutschland bleiben will.
Gewinnversprechend: Gute Deutschkenntnisse und anerkannte Abschlüsse
Die Studie geht auch der Frage nach, inwiefern es Einwanderern gelingt, ihre Qualifikationen aus dem Ausland in Deutschland einzusetzen. Dafür seien drei Faktoren zentral:
- Deutschkenntnisse,
- Anerkennung der Abschlüsse
- und Diskriminierungserfahrungen.
Da die mitgebrachten beruflichen Kompetenzen meist nur dann genutzt werden können, wenn Migranten gut (genug) Deutsch sprechen, seien Sprachkenntnisse eine der "wichtigsten Humankapitalinvestitionen". Die Ergebnisse zeigen: Je besser Einwanderer die Landessprache beherrschen, desto öfter finden sie ihrer Ausbildung entsprechende Arbeit und erzielen höhere Löhne.
Doch lediglich 12 Prozent der Migranten konnten bei ihrem Zuzug bereits gut oder sehr gut Deutsch. Dabei zeigen Sprachkurse oder gute persönliche Netzwerke in Deutschland offenbar Wirkung: So gaben 58 Prozent der Befragten an, die Landessprache inzwischen gut oder sehr gut zu beherrschen – wobei ihr Anteil mit der Länge der in Deutschland verbrachten Jahre zunimmt.
Zum Zeitpunkt der Befragung verfügten 54 Prozent aller Teilnehmer über eine abgeschlossene Berufs- oder Hochschulbildung, 10 Prozent gingen zur Schule oder machten eine Ausbildung und 35 Prozent hatten keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Ergebnisse zeigen den Verfassern der Stichprobe zufolge, dass Migranten "stark in Bildung und Ausbildung investieren", denn: beim Zuzug nach Deutschland hatte die Mehrheit der Befragten (63 Prozent) keine abgeschlossene Berufsausbildung.
Einwanderer genau so zufrieden wie Deutsche ohne Migrationshintergrund
Jeder dritte Einwanderer, der im Ausland berufliche Abschlüsse erlangt hat, hat die Anerkennung der Qualifikationen in Deutschland beantragt. Bei der Hälfte haben die zuständigen Behörden eine Gleichwertigkeit anerkannt, bei einigen weiteren wurden sie teilweise anerkannt. Insgesamt verfügen somit jedoch lediglich 24 Prozent aller Einwanderer mit ausländischen Abschlüssen über eine (teilweise) Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen.
Ungeachtet dessen sind Menschen aus Einwandererfamilien insgesamt genauso zufrieden wie Deutsche ohne Migrationshintergrund. Ein Befund, zu dem auch frühere Untersuchungen kommen. Das Wohlbefinden hängt offenbar stark damit zusammen, in welchem Maß Einwanderer und ihre Nachkommen "soziale Kontakte zu Menschen ohne Migrationshintergrund unterhalten", sprich: am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilhaben.
Über die Hälfte der Befragten (52 Prozent) gibt allerdings an, in Deutschland Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe gemacht zu haben. Das trete seltener bei der Wohnungssuche oder etwa im Kontakt mit der Polizei auf, aber häufiger bei der Bewerbung um einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Jeder Zweite berichtete darüber hinaus von Diskriminierungserlebnissen im privaten Alltag.
Von Ferda Ataman
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