Die strukturelle Integration schreitet voran – und das in allen Bundesländern. Zu diesem Schluss kommen die Verfasser des zweiten Berichts zum Integrationsmonitoring der Länder, der vor einem Jahr erschien. In den Medien erhielt der arbeitsintensive Bericht bislang keinerlei Aufmerksamkeit. „Dabei macht er deutlich, dass es in den Kernbereichen des gesellschaftlichen Lebens klare Fortschritte gibt“, sagt Bernhard Santel, einer der Verfasser und Referatsleiter im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen. "Der Indikatorenbericht ist ein Beleg gegen die weit verbreitete Meinung, Integration sei gescheitert."
Messung anhand von Indikatoren
Das Integrationsmonitoring basiert vor allem auf Statistiken. Von den bisherigen Versuchen, den Stand der Integration im Einwanderungsland Deutschland zu messen, unterscheidet es sich dadurch, dass es von allen Bundesländern getragen wird. „Früher haben die einzelnen Länderregierungen sehr unterschiedliche Daten zum Thema Integration veröffentlicht. Das lag vor allem daran, dass es keine einheitliche Datengrundlage gab“, erklärt Santel.
Als Grundlage für den Bericht dient eine Liste von 40 Indikatoren, auf die sich die Innenminister nach langer Diskussion geeinigt haben. Diese umfassen verschiedene Bereiche wie Demographie, Sprache, Bildung, Wohnen, Arbeiten, Gesundheit, Kriminalität oder politische Teilhabe.
Schlussfolgerungen und Ursachenanalysen für die zum Teil überraschenden Ergebnisse liefert der Indikatorenbericht allerdings nicht. Die Verfasser erklären, sie hätten diesen Schritt bewusst offengelassen. Es obliege den einzelnen Länderregierungen, aus den bestehenden Daten eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.
Jung, gut ausgebildet und erwerbstätig
„Vor allem in den Bereichen Arbeit und Bildung sind die Fortschritte beachtlich“, sagt Santel. Besonders in den neuen Bundesländern ging die Zahl der Erwerbslosen mit Migrationshintergrund in den letzten zwei Jahren stark zurück. Gleichzeitig stieg die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund, die eine Hochschulreife haben. Inzwischen liegt deren Anteil mit 25,3 Prozent sogar etwas höher als bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund (25,1). Auch beim Anteil der Akademiker gibt es kaum Unterschiede: 2011 hatten 10,6 Prozent der Bevölkerung mit und 10,7 Prozent der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund einen Hochschulabschluss.
Dies hängt Santel zufolge in erster Linie mit der neuen Einwanderung aus Osteuropa zusammen. Nicht nur aus Polen und Russland, sondern auch aus Rumänien und Bulgarien kamen im Laufe des vergangenen Jahrzehnts immer mehr Menschen mit einem hohen Bildungsniveau nach Deutschland. Viele von ihnen ließen sich in den neuen Bundesländern nieder. So erzielten Menschen mit Migrationshintergrund in Thüringen die besten Ergebnisse bei Sprachprüfungen sowie die höchste Anzahl von Gymnasiasten und Studienabsolventen.
Der Arbeitsmarkt hinkt hinterher
„Die Tatsache, dass immer weniger Schüler mit Migrationshintergrund zur Hauptschule gehen, dafür immer mehr zur Gesamtschule oder auf das Gymnasium, deutet darauf hin, dass es bald noch mehr hochqualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt geben wird“, sagt der Mitverfasser der Studie.
In der Berufswelt sind die Auswirkungen dieser Fortschritte allerdings noch nicht angekommen. So liegt der Anteil von Arbeitslosen unter Menschen mit Migrationshintergrund in allen Bundesländern um etwa zehn Prozent höher als im Rest der Bevölkerung. „Trotz guter Qualifikation haben viele Menschen mit Migrationshintergrund immer noch große Probleme, eine bildungsadäquate Beschäftigung zu finden.“
Zur Frage der politischen Teilhabe hält das Integrationsmonitoring folgende Zahlen bereit: 2011 hatten rund 9 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland einen Migrationshintergrund. Erhebliche Unterschiede gibt es zwischen Ost und West und einzelnen Bundesländern. So lag der Anteil von Migranten und ihren Nachkommen unter den Wahlberechtigten in den neuen Bundesländern bei nur 1,7 Prozent. Die höchsten Werte wiesen Bremen mit 13,4 und Baden-Württemberg mit 13 Prozent auf. Von den Abgeordneten in den Landesparlamenten hatten 2011 durchschnittlich 3,3 Prozent einen Migrationshintergrund. Ihr Anteil ist damit leichten gestiegen (2009: 2 Prozent).
Politische Teilhabe müsste weiter gehen als bisher
Detailliertere Angaben zur politischen Beteiligung von Migranten und ihren Nachfahren finden sich in einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Einer der Befunde: Trotz erheblicher Fortschritte in der wirtschafltichen und gesellschaftlichen Integration bleibe die politische Inklusion auf der Strecke. Vor allem das traditionell vom Abstammungsprinzip geprägte deutsche Staatsbürgerschaftsrecht sei hier eine Hürde. Die Autoren der Studie plädieren deshalb für eine neue Diskussion über das Kommunalwahlrecht für Ausländer.
Wie die Studie zeigt, schneiden die Bundesländer in puncto aktive Partizipation sehr unterschiedlich ab: Während die Repräsentationsquote der Landtagsabgeordneten mit Migrationshintergrund in den Stadtstaaten zwischen rund 42 (Berlin) und 30 Prozent (Hamburg) liegt, ist diese besonders in Bayern (2,9) und im Saarland (0) auffällig niedrig.
Weitere Hintergrundinformationen, Zahlen und Fakten finden Sie in der Rubrik Bundesländer.
Von Fabio Ghelli
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