Nach einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gründen Menschen, die nicht in Deutschland geboren sind, mindestens genauso häufig Unternehmen wie Einheimische. Die Autoren betonen: Migranten haben ihre Heimat verlassen, um an einem anderen Ort eine neue Existenz aufzubauen. Schon das zeige ihren Mut, sich einem Risiko zu stellen und ihr Durchsetzungsvermögen – zwei wichtige Eigenschaften, die man braucht, um ein Unternehmen zu gründen.
Laut Mikrozensus 2012 gibt es in Deutschland 760.000 Unternehmer mit Migrationshintergrund. Davon waren 683.000 Migranten, also nicht in Deutschland geboren. In wissenschaftlichen Studien stand diese Gruppe bislang eher nicht im Fokus. Untersucht wurde vor allem der positive Einfluss von Migranten als Arbeitnehmer. Die neue IAB-Studie will nun ihre Stärken als Unternehmensgründer sichtbar machen.
Mit ihren Ideen und Innovationen trügen Migranten dazu bei, dass sich die deutsche Wirtschaft strukturell wandelt und internationalisiert, schreiben die Autoren. Unternehmensgründungen hätten generell einen sehr positiven Einfluss: sie stimulierten den Wettbewerb, erhöhten die Produktivität und schafften, wenn sie erfolgreich sind, dauerhaft Arbeitsplätze.
Dabei sind Unternehmensgründungen für Migranten mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden. Bürger, die nicht aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) kommen, benötigen zunächst eine Aufenthaltserlaubnis. Für Bürger aus dem EWR gilt zwar die Gewerbefreiheit, doch auch hier gibt es Einschränkungen, vor allem für Handwerksberufe und freie Berufe. Haben Einwanderer ihre Qualifikationen nicht in Deutschland erlangt, gebe es oft Schwierigkeiten bei der Anerkennung. Mit dem Anerkennungsgesetz von April 2012 sollte das zwar geändert werden, die Auswirkungen der Regelung sind jedoch nicht in die vorliegende Studie eingegangen. Sie beruht auf den Daten des Global Entrepreneurship Monitors (GEM). Die Auswertungen für Deutschland basieren auf knapp 15.000 Interviews in den Jahren 2010 bis 2012.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
Migranten gründeten in den letzten dreieinhalb Jahren mit fünf Prozent genauso häufig Unternehmen wie Nicht-Eingewanderte. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Herkunftsländer:
- Menschen, die aus "wirtschaftlich hochentwickelten Ländern" zuwandern, gründen mit drei Prozent häufiger eigene Unternehmen als nicht-Migranten. Zuwanderer aus den nördlichen und westlichen Anrainerstaaten innerhalb der EU werden sogar zu vier Prozent häufiger Gründer.
- Migranten aus Staaten mit einem "geringeren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau", aus „krisengeschüttelten EU-Ländern" wie Irland, Spanien, Griechenland und Italien oder aus osteuropäischen EU-Ländern, machen sich genau so häufig wie in Deutschland geborene Unternehmer selbständig.
- Unabhängig davon, ob sie in Deutschland geboren wurden oder nicht, gilt: Männer gründen zu 3 Prozent häufiger als Frauen ein Unternehmen, Jüngere öfter als Ältere und Personen mit Hochschulabschluss werden eher Unternehmensgründer als Personen ohne diesen Bildungsgrad.
Unternehmensgründungen als Potenzial
Die Gründe liegen laut den Forschern vor allem in bestimmten Bedingungen und Einstellungen von Menschen, die nach Deutschland gezogen sind: so sehen diese in der Selbständigkeit deutlich häufiger gute Karrierechancen als in Deutschland Geborene. Das könne daran liegen, dass es für sie schwieriger sei, als Arbeitnehmer einen Job zu finden. Oft erhielten sie zudem einen niedrigeren Lohn als in Deutschland geborene Arbeitnehmer. Wichtiger Faktor bei Unternehmensgründungen seien laut der Studie auch Rollenvorbilder: Zuwanderer hätten häufiger Idole als Menschen, die in Deutschland geboren sind.
Die Autoren der Studie betonen das Potenzial, das Migranten für die deutsche Wirtschaft bilden. Einwanderer, besonders aus Ost- und Südosteuropa, werden in der aktuellen Debatte um Armutsmigration oft als Nutznießer des deutschen Sozialsystems dargestellt. Diesen Behauptungen wird mit der Studie erneut der Wind aus den Segeln genommen: Die oft hochqualifizierten Menschen, die nach Deutschland kommen, bringen ihr Fachwissen nicht nur als Arbeitnehmer mit, sondern geben der Wirtschaft als Selbständige genauso oft wie Einheimische neuen innovativen Schwung.
Von Sabine Netz
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