Nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln diskutiert die Große Koalition über härtere Sanktionen für ausländische Straftäter. Zu den Forderungen gehört auch ein strikteres Vorgehen bei Ausweisungen und Abschiebungen. Die Begriffe stehen für unterschiedliche juristische Vorgänge, werden in der Debatte jedoch häufig synonym verwendet.
Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die „öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“. Eine Ausweisung darf aber nur dann erfolgen, wenn die Gründe für eine Ausreise die Gründe für einen Verbleib in Deutschland überwiegen. Darüber hinaus müssen „alle Umstände des Einzelfalles“ berücksichtigt werden (§ 53 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz).
Wenn ein Ausländer ausgewiesen wird, kann er entweder freiwillig ausreisen oder er wird von der Polizei außer Landes gebracht – im äußersten Fall mit Gewalt, man spricht dann von „Abschiebung“. Nicht jeder ausgewiesene Ausländer aber ist „unmittelbar ausreisepflichtig“. Grund dafür sind sogenannte Abschiebungsverbote, die in § 60 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geregelt sind. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn dem Täter bei einer Rückkehr ins Herkunftsland „eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit“ droht (§ 60 Abs. 7 AufenthG). Darüber hinaus kann eine Abschiebung ausgesetzt werden, wenn die "Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist". In diesem Fall erhält der Ausländer eine „Duldung“.
Ob ein Straftäter oder eine -täterin aber überhaupt ausgewiesen wird, ist eine komplexe juristische Entscheidung, bei der die Behörden zwei Aspekte gleichermaßen berücksichtigen müssen:
1. Was spricht für eine Ausweisung?
Hier ist in erster Linie die Art der Straftat und das dafür verhängte Strafmaß ausschlaggebend. Eine Haftstrafe von einem Jahr – zum Beispiel bei sexueller Nötigung – fällt „schwer“, eine Haftstrafe von über zwei Jahren – zum Beispiel bei Vergewaltigung – „besonders schwer“ ins Gewicht (§ 54 Abs. 1 und 2 AufenthG).
Für anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber gelten besondere Regelungen:
- Anerkannte Flüchtlinge dürfen nur ausgewiesen werden, wenn ihr Verhalten „eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“ (§ 53 Abs. 3 AufenthG) – unabhängig von der verhängten Strafe. Ein Beispiel dafür ist der Handel mit Drogen.
- Asylbewerber dürfen nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass ihr Asylverfahren abgeschlossen ist (§ 53 Abs. 4 AufenthG). Ausgenommen hiervon sind Asylbewerber, die eine „schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ darstellen (§ 53 Abs. 3 AufenthG) oder zu drei Jahren Haft verurteilt worden sind.
Weitere Gründe, die laut Gesetz für eine Ausweisung sprechen, sind insbesondere der Verdacht auf Terrorismus sowie der öffentliche Aufruf zu Gewalt (§ 54 Abs. 1 AufenthG).
2. Was spricht für einen Verbleib straffälliger Ausländer in Deutschland?
Das Aufenthaltsgesetz unterscheidet hier zwischen drei Gründen (§ 53 Abs. 2 AufenthG):
- Aufenthaltsdauer des Straftäters: Lebt der Täter bereits länger, zum Beispiel fünf Jahre, rechtmäßig in Deutschland, darf er nur unter strengeren Voraussetzungen ausgewiesen werden. Das heißt: Es muss genau geprüft werden, wie stark er in Deutschland verwurzelt ist, beziehungsweise wie schwach seine Bindung zum Herkunftsland geworden ist. Ausländer, die eine starke Bindung zu Deutschland aufweisen, bezeichnet man auch als „faktische Inländer“.
- Bindungen in Deutschland und im Herkunftsland: Welche persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen hat der Täter an Deutschland oder das Herkunftsland, wie zum Beispiel Familienangehörige, einen Arbeitsplatz, ein Studium oder einen Ausbildungsplatz? Auch Grundeigentum kann eine Rolle spielen.
- Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner: Ist ein Straftäter liiert oder hat Familienangehörige in Deutschland, die nicht ohne Weiteres ins Ausland folgen können oder wollen, kann das berücksichtigt werden.
Von Jennifer Pross
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