Was denkt die Bevölkerung über das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft? Der SVR führt dazu alle zwei Jahre eine repräsentative Befragung durch. Das "Integrationsbarometer 2018" zeigt: Die Stimmung ist überwiegend positiv. Bei der Vorstellung der Untersuchung in Berlin sagte der SVR-Vorsitzende Thomas Bauer: "Die Ergebnisse, die auf den meist ganz unspektakulären Alltagserfahrungen beruhen, setzen einen Kontrapunkt zum medialen Diskurs, der oft eher die negativen Erfahrungen oder Fälle in den Mittelpunkt rückt."
Interessant ist: Menschen, die persönlich kaum Kontakt zu Einwanderern haben, stehen dem Integrationsgeschehen deutlich pessimistischer gegenüber als diejenigen, die häufig mit kultureller Vielfalt in Berührung kommen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, betonte bei der Vorstellung der Studie: "Der direkte Kontakt, bei der Arbeit, mit Nachbarn oder im Verein, ist maßgeblich für positive Einstellungen." Das erklärt auch, weshalb Befragte in Ostdeutschland das "Integrationsklima" tendenziell schlechter bewerten als die in Westdeutschland: Im Osten kämen Menschen seltener mit Migranten und ihren Nachkommen in Kontakt, so der SVR. Unterschiede zeigen sich auch mit Blick auf das Geschlecht. So sind Männer skeptischer als Frauen, was das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft betrifft.
Was denkt die Bevölkerung über Geflüchtete?
Der SVR wollte von den Befragten außerdem wissen, was sie über Flüchtlinge denken. Auch hier fällt das Ergebnis größtenteils positiv aus:
- Die Mehrheit ist der Auffassung, dass Geflüchtete Deutschland kulturell und wirtschaftlich bereichern werden. Von den Befragten ohne Migrationshintergrund stimmten sogar über 70 Prozent dieser Aussage zu (siehe Grafik).
- Nur eine Minderheit aller Befragten findet, dass Flüchtlinge "eine Bedrohung für den Wohlstand in Deutschland" darstellen.
- Sollte Deutschland weiterhin Schutzsuchende aufnehmen – auch wenn es das einzige Land in der EU wäre? In fast allen Herkunftsgruppen ist die Mehrheit dafür, bei den Befragten ohne Migrationshintergrund etwa 60 Prozent. Nur (Spät)Aussiedler sprechen sich mehrheitlich dagegen aus (siehe Grafik).
- Dennoch sind viele dafür, den Flüchtlingszuzug durch eine "Obergrenze" zu beschränken: Von den Befragten ohne Migrationshintergrund etwa 57 Prozent, bei (Spät)Aussiedlern rund 67 Prozent. Nur Türkeistämmige sind mehrheitlich gegen eine "Obergrenze" (rund 53 Prozent).
Erhöhen Flüchtlinge die Kriminalität in Deutschland? In dieser Frage scheint die Bevölkerung gespalten. In fast allen Gruppen stimmt etwa die Hälfte der Befragten dafür und die Hälfte dagegen – außer bei (Spät)Aussiedlern: Von ihnen denken rund 69 Prozent, dass Geflüchtete zu mehr Kriminalität führen.
Laut SVR ist es üblich, dass anfängliche Befürchtungen gegenüber Migration "schrittweise abgebaut" werden. Die Forscher vermuten deshalb, "dass sich das Bild der Flüchtlinge künftig noch verbessern und damit auch die Akzeptanz steigen wird".
Wie ist die Haltung zur "Kopftuch-Frage"?
Sollten muslimische Lehrerinnen bei der Arbeit ein Kopftuch tragen dürfen? Diese Frage sorgt in Deutschland immer wieder für heftige Debatten. Das "Integrationsbarometer" zeigt: Ob sich Menschen dafür aussprechen, hängt maßgeblich davon ab, welcher Religion sie angehören.
Von den türkeistämmigen Befragten, die laut SVR zu 85 Prozent Muslime sind, sind etwa drei Viertel dafür, Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs zu erlauben. Christliche Befragte mit Migrationshintergrund hingegen lehnen das mehrheitlich ab. Gleiches gilt für die Befragten ohne Migrationshintergrund. Frauen, die selbst Kopftuch tragen, sind fast ausnahmslos dafür, dass Lehrerinnen im Unterricht ein Kopftuch tragen dürfen.
Für das "Integrationsbarometer 2018" hat der SVR von Juli 2017 bis Januar 2018 bundesweit 9.298 Personen interviewt. Von den Befragten hatten 2.720 keinen Migrationshintergrund, 1.532 kamen aus einem anderen EU-Land, 1.479 waren Türkeistämmige, 1.438 (Spät)Aussiedler und 1.760 hatten einen Migrationshintergrund aus der "übrigen Welt". Zudem wurden 369 Flüchtlinge befragt, die seit 2014 nach Deutschland eingereist sind.
Von Jennifer Pross
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