Muslime
Die Geschichte des Islam in Deutschland reicht über ein Jahrhundert zurück. Die meisten der heute bestehenden Moscheegemeinden und Dachverbänden entstanden aber ab den 1970er Jahren. Damals kamen im Zuge der Anwerbung von "Gastarbeiter*innen" Muslim*innen aus der Türkei, Ex-Jugoslawien und dem Maghreb nach Deutschland. Wie viele Muslim*innen leben heute in Deutschland? Welchen Glaubensrichtungen gehören sie an? Zahlen und Fakten zum Thema finden Sie in dieser Rubrik.
Wie viele Muslime leben in Deutschland?
Die genaue Zahl der Muslim*innen lässt sich nur schwer bestimmen, da in Deutschland die Religionszugehörigkeit der Einwohner*innen nur in Ausnahmefällen erfasst wird. Eine Hochrechnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für 2019 kommt auf 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von 6,4 bis 6,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung von 83,17 Millionen Menschen.Quelle
2015 lebten der Hochrechnung zufolge zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Ihr Anteil ist somit in den letzten Jahren gestiegen. Hinzugekommen sind vor allem Personen aus arabischsprachigen Ländern, darunter viele Geflüchtete.Quelle
Der Studie zufolge leben 96,5 Prozent der Muslim*innen in Deutschland in den alten Bundesländern. Gerade die Menschen, die selbst oder deren Vorfahren durch Anwerbeabkommen nach Deutschland gekommen sind, leben meist in Westdeutschland. Die meisten Muslim*innen in Ostdeutschland sind nach Deutschland Geflüchtete.Quelle
In Umfragen schätzen viele Menschen die Zahl und den Bevölkerungsanteil der Muslim*innen an ihren Gesellschaften oft weitaus höher ein, als er tatsächlich ist. In Deutschland und Frankreich wird der Anteil der Muslim*innen an der Gesamtbevölkerung des eigenen Landes im Durchschnitt vier Mal höher eingeschätzt, als er in Wirklichkeit ist. In Polen und Ungarn wird der tatsächliche Anteil sogar um ein 70-faches überschätzt.Quelle
Wie aussagekräftig sind die Zahlen des BAMF?
Die Berechnung des BAMF stützt sich auf Ergebnisse der Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland"(MLD-Studie) von 2020, sowie auf den Mikrozensus von 2019:
- In der MLD-Studie wurden rund 5.000 Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern, sowie ca. 11.000 Haushaltsangehörige indirekt nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt.
- Dann wurde der Anteil derer, die sich als Muslim*innen bezeichnen, auf alle eingewanderten Menschen aus dem jeweiligen Land hochgerechnet. Grundlage dafür sind die Daten des Mikrozensus 2019.
- Für die Daten einiger Länder wurde auf das Ausländerzentralregister zurückgegriffen, welche daher Ungenauigkeiten aufweisen könnten. Die Studienautor*innen gehen aber nur von einer "minimalen Verzerrung" aus, da es sich um kleine Zahlen handele.
- Muslim*innen ohne Migrationshintergrund (z.B. Konvertit*innen) oder mit anderem Migrationshintergrund kommen in der Rechnung nicht vor.
Die Wissenschaftler*innen haben die Methode der Selbstbefragung gewählt, weil sie davon ausgehen, dass nicht alle Einwander*innen und ihre Nachkommen aus einem muslimisch geprägten Land auch tatsächlich selbst Muslim*innen sind. Beispielsweise bezeichnet sich nur die Hälfte der Menschen mit iranischem Migrationshintergrund als muslimisch. Über die Schwächen der statistischen Erfassung hat die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus 2013 eine Expertise für den MEDIENDIENST verfasst.Quelle
Steigt die Zahl der Muslim*innen in Deutschland?
In einer Studie aus dem Jahr 2017 hat das Pew Research Center errechnet, dass sich die Zahl der Muslim*innen in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf 6 bis 8,5 Millionen erhöhen könnte. Gründe dafür seien eine weitere Einwanderung und eine – im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen – etwas höhere Geburtenrate. Der Anteil der Muslim*innen an der deutschen Bevölkerung würde dann 8,7 bis 10,8 Prozent betragen. Expert*innen aus Deutschland halten diese Prognosen für realistisch. Das Pew Research Center geht auch davon aus, dass die Zahl der Muslim*innen in Europa in den kommenden Jahren zunehmen wird.Quelle
Konfessionen in Deutschland
Über 55 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gehören einer christlichen Kirche an (rund 45,7 Millionen Menschen). Circa 45 Prozent der Deutschen gehört anderen Konfessionen an oder ist konfessionslos. Bei einem Vergleich (siehe Grafik) muss jedoch beachtet werden, dass die Zahl der Mitglieder von Kirchen und Gemeinden mit der geschätzten Gesamtzahl von Muslim*innen in Deutschland ins Verhältnis gesetzt wird.Quelle
Wie viele Muslime leben in Europa?
In Europa leben laut Pew Research Center rund 25,77 Millionen Muslim*innen. Damit machen Menschen muslimischen Glaubens rund 4,9 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.Quelle
Im europäischen Vergleich steht Deutschland in absoluten Zahlen an zweiter Stelle. Hier leben 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim*innen (laut BAMF 2021) beziehungsweise 4,95 Millionen (laut Pew Research Center 2017). Nur in Frankreich leben laut Pew Research Center mit rund 5,7 Millionen mehr Muslim*innen als in Deutschland.Quelle
Was den prozentualen Anteil von Muslim*innen an der Bevölkerung betrifft, liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. Musliminnen und Muslime haben hier einen Bevölkerungsanteil von 6,3 bis 6,7 Prozent laut BAMF 2021 beziehungsweise 6,1 Prozent laut Pew Research Center 2017. Andere west- und nordeuropäische Einwanderungsländer wie Frankreich, Schweden, Belgien, die Niederlande und Österreich weisen einen höheren Anteil von Muslim*innen an der Gesamtbevölkerung auf als Deutschland.Quelle
Den größten Anteil von Muslim*innen an der Bevölkerung weisen traditionell muslimisch geprägte europäische Länder auf:
- Kosovo (über 90 Prozent laut Pew)
- Albanien (über 80 Prozent laut Pew, rund 59 Prozent laut Zensus 2011)
- Bosnien und Herzegowina (rund 51 Prozent laut Zensus 2013, 45 Prozent laut Pew)Quelle
Gefolgt werden sie von Ländern, die aus historischen Gründen große muslimische Minderheiten aufweisen:
- Mazedonien (39,3 Prozent laut Pew)
- Zypern (rund 25 Prozent laut Pew für die gesamte Insel)
- Montenegro (18,7 Prozent laut Pew)
- Bulgarien (10 Prozent laut Zensus 2011 bis 14 Prozent laut Pew)Quelle
Welchen Migrationshintergrund haben Muslime in Deutschland?
Eine Schätzung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zeigt, dass die Zusammensetzung der Muslime mit Migrationshintergrund in Deutschland vielfältiger geworden ist:
- Demnach hatten Ende 2019 rund 2,5 Millionen und damit weniger als die Hälfte (45,1 Prozent) der Muslim*innen in Deutschland ihre Wurzeln in der Türkei (Zum Vergleich: 2011 lag ihr Anteil noch bei 67,5 Prozent, 2015 bei 50,6 Prozent).
- Muslim*innen aus dem Nahen Osten stellen mit knapp 1.050.000 Personen mittlerweile die zweitgrößte Herkunftsgruppe (19,2 Prozent).
- An dritter Stelle folgen rund 1.046.000 Muslim*innen aus südosteuropäischen Herkunftsländern (19,2 Prozent).Quelle
Wie viele Sunniten, Schiiten, Aleviten gibt es in Deutschland?
Für die repräsentative Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland" (2021) wurden Muslim*innen auch danach gefragt, welcher islamischen Glaubensrichtung sie sich zurechnen. Demnach bezeichnen sich fast drei Viertel als sunnitische Muslim*innen. Rund 10 Prozent der Muslim*innen in Deutschland rechnen sich den Aleviten zu, rund 4 Prozent den Schiiten.Quelle
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppierungen sind mal mehr, mal weniger deutlich. Gruppen können sich beispielsweise überschneiden. So kann man einer Sufigemeinschaft angehören, die zugleich sunnitisch oder schiitisch ist.
Wie viele muslimische Frauen tragen ein Kopftuch?
Das Kopftuch ist in öffentlichen Debatten in Deutschland zu einem Symbol für den Islam geworden. Dabei trägt es nur eine Minderheit aller muslimischen Frauen in Deutschland, wie Studien zeigen:
- 30 Prozent der muslimischen Frauen in Deutschland tragen ein Kopftuch, eine überwiegende Mehrheit von 70 Prozent trägt kein Kopftuch. Zu diesem Ergebnis kam die Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland", die 2021 veröffentlicht wurde.Quelle
- Unter den befragten Musliminnen über 16 Jahren gaben in einer vertiefenden Umfrage 62 Prozent an, nie ein Kopftuch zu tragen. 34 Prozent gaben an, immer ein Kopftuch zu tragen. Vier Prozent antworteten, sie trügen es "manchmal" oder "meistens".Quelle
- Bei türkeistämmigen muslimischen Frauen tragen laut einer repräsentative Befragung der Universität Münster 2016 rund 31 Prozent ein Kopftuch.Quelle
Wovon hängt ab, ob sich Frauen für ein Kopftuch entscheiden?
- Persönlicher Glaube: Wichtigster Faktor, sich für das Kopftuch zu entscheiden, ist laut der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" von 2021 der persönliche Glaube. 88,6 Prozent der Frauen, die ein Kopftuch tragen, betrachteten dies als ihre religiöse Pflicht. Erwartungen von anderen wurden nur selten als Motiv genannt (4,4 bis 4,6 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich. Von den stark gläubigen Musliminnen tragen rund 61 Prozent immer ein Kopftuch, rund 6 Prozent meistens oder manchmal. Rund ein Drittel der stark Gläubigen trägt nie ein Kopftuch in der Öffentlichkeit.Quelle
- Alter und Migrationsgeschichte: Ältere Frauen tragen häufiger ein Kopftuch als jüngere Frauen und im Ausland geborene muslimische Frauen häufiger als muslimische Frauen, die in Deutschland geboren sind.Quelle
- Herkunftsland: Muslimische Frauen, die selbst oder deren Eltern aus Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie der Türkei stammen, tragen häufiger ein Kopftuch als Frauen, die familiäre Bezüge nach Südosteuropa haben.Quelle
- Konfession: Rund jede dritte sunnitische und schiitische Frau trägt ein Kopftuch. Bei der Minderheit der Ahmadiyya sind es über die Hälfte (58,9 Prozent). Im Alevitentum ist es eher unüblich ein Kopftuch zu tragen, lediglich rund fünf Prozent der befragten Alevitinnen gaben an, ein Kopftuch zu tragen.Quelle
Die Studie zeigt auch, warum sich Frauen gegen ein Kopftuch entscheiden: 77 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie das Kopftuch nicht als relevant für das Ausüben ihres Glaubens erachten. Als weitere Gründe haben Frauen, die manchmal oder nie ein Kopftuch tragen, die Angst vor Benachteiligung in der Schule, der Ausbildung oder am Arbeitsplatz genannt (35 Prozent). Befürchtungen vor Belästigung und Beschimpfungen wurden von 13 Prozent der Frauen als Grund gegen ein Kopftuch angegeben.Quelle
Neben dem Kopftuch oder Hijab gibt es andere Schleier und Gewänder im Islam: Die Burka ist ein weites Gewand, das Gesicht und Körper vollständig bedeckt. Zum Sehen gibt es ein feinmaschiges Gitter. Sie ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. Der arabische Niqab ist ein Gesichtsschleier, der mit einem langen Gewand und einem Kopftuch kombiniert wird. Er lässt einen kleinen Seeschlitz frei. Burkas und Niqabs werden häufig in Diskussionen um Verschleierungsverbote in Deutschland genannt. Der Tschador ist ein schwarzer bodenlanger Umhang, der vor allem im Iran getragen wird. Er umhüllt Kopf und Körper, das Gesicht ist frei. Der Chimar ist ein Schleier bis zur Taille, der in verschiedenen Farben getragen wird.Quelle
Kopftuchverbot
Im Staatsdienst:
Schulen
Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen für unzulässig erklärt, weil es dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit widerspreche. Alle Bundesländer bis auf Berlin lassen das Kopftuch für Lehrerinnen seither grundsätzlich zu. Nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens seien Einschränkungen erlaubt, urteilten die Richter*innen in Karlsruhe.Quelle
In mehreren Bundesländern unterrichten heute vereinzelt Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen.Quelle
In Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern gab es nie ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen und andere Beamtinnen. Andere Bundesländer haben seit 2015 ihre bis dahin geltenden Verbote für Lehrerinnen und andere Staatsbeamtinnen geändert oder legen bestehende Gesetze nun verfassungskonform aus.
Nur das Bundesland Berlin hält an seinem strikten Kopftuch-Verbot fest. Dem 2005 erlassenen "Neutralitätsgesetz" zufolge dürfen Lehrkräfte keine "sichtbaren religiösen und weltanschaulichen Symbole" wie das Kopftuch tragen. Dieses Verbot gilt auch für Beamtinnen und Beamte in der Rechtspflege, dem Justizvollzug und der Polizei. Es gilt aber nicht für den Religions- und Ethikunterricht sowie für private Schulen und Berufsschulen. Im August 2020 wurde dieses Verbot vom Bundesarbeitsgericht als "unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff" bezeichnet, der Entschädigungsanspruch der kopftuchtragenden Lehrerin wurde bestätigt. In Zukunft müsse der Schulfrieden konkret gefährdet sein, um ein Kopftuchverbot an Schulen durchsetzen zu können. Ein pauschales Verbot sei nicht rechtens.
Eine Beschwerde des Lands Berlin gegen die Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht wurde im Januar 2023 nicht angenommen. Die Justizsenatorin kündigte an, das Gesetz zu ändern. Wie aus einer Anfrage der LINKEN an den Senat hervorgeht, hat das Land Berlin bisher Entschädigungen in Höhe von 22.170 Euro aufgrund des "Neutralitätsgesetzes" an abgelehnte Bewerberinnen gezahlt (Stand März 2023). Aus einem Rundschreiben der Bildungsverwaltung des Senats Ende März geht hervor, dass diese "von ihrer bisherigen wortgetreuen Anwenung des Neutralitätsgesetzes abrücken (wird)". Lehrerinnen wird somit das Tragen eines Kopftuchs nicht mehr pauschal verboten werden.Quelle
Pläne, auch Kindern an öffentlichen Schulen das Tragen eines Kopftuchs zu verbieten, hat die nordrhein-westfälische Landesregierung 2018 ins Spiel gebracht, aber dann ad acta gelegt. Wie viele Mädchen in Nordrhein-Westfalen ein Kopftuch tragen, ist ihr nicht bekannt.Quelle
Gerichte
Im Februar 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen im Gerichtssaal rechtmäßig ist. Geklagt hatte eine muslimische Rechtsreferendarin, weil sie wegen ihres Kopftuches unter anderem nicht mit auf der Richterbank sitzen durfte. In den meisten Bundesländern dürfen Richterinnen, Staatsanwältinnen, Referendarinnen oder Schöffinnen bei ihren Amtshandlungen im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen. Eine Schöffin hat dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingelegt.Quelle
In der Privatwirtschaft:
Private Arbeitgeber, die ihren Angestellten verbieten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, verstoßen gegen das Allgemeine Antidiskriminierungsgesetz. Gleiches gilt, wenn sie Bewerberinnen einen Ausbildungsplatz oder eine Stelle verwehren, weil sie ein Kopftuch tragen. Ein Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz aus sachlichen Gründen – etwa, wenn die Arbeit mit Maschinen durch das Tragen eines Kopftuchs zu gefährlich ist – ist aber zulässig.
Arbeitgeber*innen dürfen außerdem das Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten, wenn sie zugleich das sichtbare Tragen jedes anderen politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbieten. Der Wunsch des Arbeitgebenden, Neutralität am Arbeitsplatz zu wahren und entsprechend von ihren Beschäftigten ein neutrales Auftreten einzufordern, kann das Verbot rechtfertigen. Das gilt aber nur für Tätigkeiten, die im weiteren Sinne für das Unternehmen repräsentativ sind. Das wurde in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2017 klargestellt und in erneuten Urteilen 2021 und 2022 bestätigt. Arbeitgeber*innen müssen die Entscheidung individuell gut begründen – ein pauschales Kopftuchverbot ist nicht möglich.Quelle
In kirchlichen Einrichtungen:
Für kirchliche Einrichtungen gelten erhebliche Ausnahmen vom übrigen Arbeitsrecht. Sie dürfen ihren Mitarbeiterinnen deshalb ebenfalls das Tragen eines Kopftuchs untersagen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt 2014 entschieden.Quelle
"Der Islam" und Muslim*innen in den Medien
Studien zeigen, dass die Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen oft stereotyp und negativ ist. So zeichneten mehr als drei Viertel aller Berichte, die das Forschungsinstitut Media Tenor International 2016 in einer Langzeitstudie auswertete, ein negatives Bild von Muslim*innen und dem Islam. Ältere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Diese Ergebnisse heißen aber nicht, dass Medien pauschal islamfeindlich und vor allem nicht explizit negativ berichteten, so Tim Karis vom Centrum für Religionswissenschaften (CERES). Das Problem sei eher eine unterschwellige, wiederkehrende Themensetzung oder das Rückgreifen auf stereotype Islam-Bilder.Quelle
Weitere Studien haben ergeben:
- Insbesondere nach den Anschlägen vom 11. Septembers 2001 wurde der Islam in der Berichterstattung oft in Zusammenhang mit Terrorismus gebracht und als "Bedrohung" für die westliche Welt dargestellt.
- Seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 werden Geflüchtete und der Islam in deutschen Medien häufig thematisch miteinander verknüpft. Darüber hinaus werden muslimische Geflüchtete oft als kulturell "Andere" präsentiert, die einer "europäischen christlichen Kultur" gegenüberstünden. Das ist das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2018, die vergleicht, wie die "Flüchtlingskrise" in der deutschen und britischen Presse dargestellt wurde.
- Insbesondere männliche muslimische Migranten werden oft als eine unterschätzte Bedrohung für die deutsche Gesellschaft dargestellt, so das Ergebnis einer Untersuchung aus dem Jahr 2019. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Studie 2016: Muslim*innen werden in deutschen Zeitungen meist als problematische, andersartige, bedrohliche und homogene Gruppe dargestellt.
- Auch über muslimische Frauen gibt es gängige Stereotype: verschiedene Analysen zeigen, dass Musliminnen in den Medien als rückschrittlich oder kulturell fremd dargestellt werden.
Neben der inhaltlichen Berichterstattung spielt auch die Bildauswahl eine zentrale Rolle in der Darstellung des Islam und von Muslim*innen in den Medien:
- Wiederkehrende "Symbolbilder" in Artikeln über islamische Themen und Muslim*innen seien vollverschleierte Frauen, bewaffnete Islamist*innen oder anonyme Menschenmassen in Mekka, schreiben die Medienwissenschaftler*innen Sabrina Schmidt und Kai Hafez. Insbesondere das Kopftuch werde zu veranschaulichenden Zwecken eingesetzt. Anstatt die Vielfältigkeit muslimischen Lebens abzubilden, wirke diese Bildsprache anonymisierend, homogenisierend und entmenschlichend.
Verschiedene Online-Plattformen, der MEDIENDIENST INTEGRATION sowie Wissenschaftler*innen geben Anregungen für Medienschaffende, wie eine ausgewogene Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen aussehen könnte:
- Der Fotojournalist Julius Matuschik hat den Blog "Moin und Salam" ins Leben gerufen, um die Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland zu zeigen, als Gegenentwurf zu einer einseitigen Bildberichterstattung.
- Für eine ausgewogenere Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen bedarf es der Perspektive von Muslim*innen und Gemeinden. Der MEDIENDIENST hat zwei Info-Papiere zur muslimischen Zivilgesellschaft und zu islamischen Verbänden in Deutschland mit Hintergrundinformationen und Ansprechpartner*innen zusammengestellt.
- Weitere Hinweise finden sich in unserem Handbuch "Muslime in den Medien".
Die Deutsche Islam Konferenz
In der Deutschen Islam Konferenz (DIK) kamen erstmals staatliche Vertreter*innen mit verschiedenen islamischen Organisationen zusammen, um sich auf Bundesebene über eine gemeinsame Islampolitik zu verständigen. Das Gremium wurde 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen, um den Austausch zwischen dem deutschen Staat und Muslim*innen zu fördern. Die DIK fässt keine allgemein verbindlichen Beschlüsse, sondern spricht Empfehlungen aus und schlägt konkrete Maßnahmen vor. Sie tagte bisher in unterschiedlichen Formen und Besetzungen in vier Phasen – jeweils parallel zu den Legislaturperioden. Ob die DIK in der aktuellen Legislatur in ihrer bisherigen Form bestehen bleibt, sei noch unklar, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums Anfang Januar 2022.Quelle
Die letzte Phase startete im November 2018 mit einer öffentlichen Auftaktveranstaltung in Berlin. Auf muslimischer Seite waren zehn islamische Verbände sowie ausgewählte Einzelpersonen eingeladen. Anders als in den vorherigen Phasen gab es in der letzten Form der DIK keine festen Gremien und Mitgliedschaften mehr, wie Innnenminister Horst Seehofer vorab erklärte hatte. Dafür gab es anlassbezogene Veranstaltungen. Im Fokus standen dabei Fragen der Imam-Ausbildung sowie Förderprogramme für Moscheen.Quelle
Zum Start der letzten DIK-Phase hat die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus in einem Gastbeitrag für den MEDIENDIENST erklärt, was das Gremium in den vergangenen Jahren geleistet hat.
An der ersten Phase der DIK nahmen die fünf großen islamischen Dachverbände sowie zehn ausgewählte Einzelpersonen teil. Schwerpunktthemen waren unter anderem Religion und Verfassung und das Islambild in den Medien. In der zweiten Phase kam die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) als säkuläre Migrantenorganisation zur DIK hinzu. Im Zentrum standen die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Extremismusprävention. Während der dritten Phase waren zehn islamische Verbände an der DIK beteiligt. Die Themen islamische Seelsorge und Wohlfahrtspflege standen im Vordergrund.Quelle
Die Arbeitsgruppen der DIK haben im Laufe der Jahre mehrere Studien in Auftrag gegeben. Dazu gehören zum Beispiel die Untersuchungen „Muslimisches Leben in Deutschland“ (2021, 2009), "Lebenswelten junger Muslime" (2011) oder „Islamisches Gemeindeleben in Deutschland“ (2012), "Soziale Dienstleistungen in Moscheegemeinden" (2015) und "Altenpflege für Muslime" (2017). Weitere Dokumente der DIK finden Sie hier.
In einem Zeitstrahl haben wir zentrale Ereignisse und Themen von 15 Jahren DIK zusammengefasst:
Staatsverträge zwischen Ländern und muslimischen Gemeinden
Was sind Staatsverträge?
In Deutschland haben die meisten islamischen Gemeinden nicht den rechtlichen Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) und sind nicht so oft in großen Dachverbänden organisiert. Bundesweit gibt es verschiedene Kooperationsmodelle zwischen Ländern und Gemeinden oder Verbänden, in denen Bereiche wie etwa Bestattung, Seelsorge, der Umgang mit Feiertagen oder auch staatliche Unterstützung geregelt werden. In Hamburg wurde 2012 der erste Staatsvertrag zwischen einem Bundesland und den muslimischen Gemeinden ausgehandelt.Quelle
Wo gibt es Staatsverträge?
- Hamburg hat 2012 als erstes Land mit den Verbänden DITIB, SCHURA Hamburg und VIKZ einen Vertrag ausgehandelt, der acht inhaltliche Punkte umfasst, die das Gemeindeleben betreffen.
- Bremen hat 2013 ebenfalls mit diesen Verbänden einen Staatsvertrag abgeschlossen mit teils inhaltlichen Überschneidungen.
- In Niedersachsen wurde 2013 ebenfalls mit einem ähnlichen Vorhaben begonnen. Hier waren die Vertragspartner auf religiöser Seite SCHURA Niedersachsen und DITIB. Die Verhandlungen wurden jedoch 2017 ausgesetzt und liegen seitdem auf Eis.
- Ähnliche Entwicklungen gab es in Rheinland-Pfalz. Hier wurde 2016 mit Verhandlungen zwischen Land, DITIB, SCHURA Rheinland-Pfalz, VIKZ und Ahmadiyya begonnen. Diese wurden im Sommer 2016 (nach dem Putschversuch in der Türkei) ausgesetzt. 2020 wurden dann zwischen den Verhandlungspartnern Zielvereinbarungen beschlossen, darunter eine Satzungsänderung bei DITIB. Erst nach einer Evaluation, die aktuell läuft, sollen die Verhandlungen fortgeführt werden.Quelle
Was steht im Hamburger Vertrag?
Der Vertrag aus Hamburg beinhaltet 13 Artikel. Geregelt werden Themen wie Feiertage, finanzielle Unterstützung beim Betrieb kultureller Einrichtungen, islamische Theologie, Religionsunterricht, Seelsorge, Rundfunk, Gemeindebauten sowie Bestattung:
Auch wenn durch den Vertrag bereits einiges erreicht wurde, gibt es auf beiden Seiten Kritikpunkte. So gab es von staatlicher Seite immer wieder Kritik am Vertragspartner SCHURA Hamburg, der auch das IZH angehörte. Das IZH ist dem Verfassungsschutz als Ableger des iranischen Regimes in Europa bekannt und sorgte wegen Aufrufen zur antisemitischen Al-Quds-Demo für Skandale. Seit November 2022 ist das IZH jedoch nicht mehr Mitglied bei SCHURA Hamburg.Quelle
Die Gemeindeseite sieht gerade bei den Artikeln 7-10 Handlungsbedarf:
- So wurden zwar Schritte getan, um möglichst umfassend Seelsorge im öffentlichen Bereich zu gewährleisten, jedoch fehlt es hier an Professionalisierung und Finanzierung.
- Die Einbindung der Gemeinden in das öffentliche Rundfunkwesen ist bis jetzt noch gar nicht vonstatten gekommen. Von den 58 Sitzen im Rundfunkrat des NDR ist keiner von einem Vertreter der muslimischen Vertragspartner besetzt.
- Auch beim Bau neuer Moscheen gab es im letzten Jahrzehnt keine Verbesserungen: Nach einer Untersuchung von 2013, in der bereits Platzmangel und fehlende Kooperation von staatlicher Seite kritisiert wurden, bestätigt der Ko-Autor der Studie Joachim Reinig, dass sich seitdem nichts grundlegend gebessert habe und auch ein städtischer Ansprechpartner für die Gemeinden fehle.
- Im Bestattungswesen ist durch den Vertrag zwar die Praxis institutionalisiert worden, Verstorbene nach islamischem Ritus bestatten zu können. Aber die Gemeinden können immer noch keine eigenen Friedhöfe betreiben, weil dafür der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nötig wäre.
Ausführliche Informationen zum Hamburger Staatsvertrag finden Sie auch in unserem Artikel: HIER
Antimuslimischer Rassismus
Was ist antimuslimischer Rassismus?
"Antimuslimischer Rassismus" steht für die pauschale Abwertung und Diskriminierung von Muslim*innen und Menschen, die als Muslim*innen wahrgenommen werden.
Verwandte Begriffe sind "Muslimfeindlichkeit, "Islamfeindlichkeit" oder "Islamophobie". Erklärungen und die Abgrenzung vom Begriff "Islamkritik" bietet ein Informationspapier des MEDIENDIENST.Quelle
Der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit hat 2023 in einem umfassenden Bericht antimuslimische Einstellungen in Deutschland und Diskriminierung in Bereichen wie Politik, Bildung, Kultur und Alltag analysiert. Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau 2020 hatte der damalige Innenminister Horst Seehofer das Gremium eingesetzt, dem neun Wissenschaftler*innen und Expert*innen angehörten. Anfang 2024 zog das Bundesinnenministerium die Veröffentlichung des Expertenkreises zurück, nachdem Publizist*innen gegen ihre Nennung in dem Bericht geklagt hatten. Der Bericht wurde im Juli 2024 mit leicht veränderten Passagen erneut veröffentlicht.Quelle
Antimuslimische Straftaten
Bis zum 30. September zählte die Polizei 898 islamfeindliche Straftaten für das Jahr 2024. Dazu gehören Körperverletzungen, Beleidigung, Sachbeschädigungen und Volksverhetzung.Quelle
2023 zählte die Polizei 1.464 islamfeindliche Straftaten. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen und hat sich mehr als verdoppelt (2022: 610 Straftaten, +140 Prozent). Rund 83 Prozent der Straftaten (1.211) waren politisch rechts motiviert. Stark zugenommen haben islamfeindliche Straftaten, die durch eine ausländische Ideologie motiviert waren (2023: 72, +620 Prozent).Quelle
Welche Statistiken gibt es neben den polizeilich erfassten Fällen?
Nicht alle antimuslimischen Vorfälle werden angezeigt oder von der Polizei als muslimfeindlich erkannt. Die Europäische Grundrechteagentur (FRA) stellte in einer Umfrage zwischen 2021 und 2022 fest, dass nur 12 Prozent der Betroffenen muslimfeindliche Vorfälle und Straftaten melden. Eine nicht-repräsentative Studie des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Claim zeigt: In Deutschland meldet die Mehrheit der Betroffenen Übergriffe nicht und nimmt keine Beratungsangebote in Anspruch (57 Prozent).Quelle
Claim führt daher jährlich eigene Zählungen durch. 2023 erfasste das Bündnis 1.926 strafbare und nicht strafbare Vorfälle. Dazu zählen Beleidigungen, Körperverletzungen oder Bedrohungen. Besonders betroffen sind muslimische Frauen, auch Angriffe von Erwachsenen auf Kinder wurden registriert. Die Zahlen haben sich im Vergleich zu 2022 mehr als verdoppelt, wobei damals nur Daten aus sieben Bundesländern einflossen. Claim geht sowohl bei den selbst erfassten als auch bei den offiziellen Zahlen von einem großen Dunkelfeld aus.Quelle
Antimuslimische Vorfälle und Straftaten nach dem 7. Oktober 2023
Es gibt unterschiedliche Zahlen zu antimuslimischen Vorfällen nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023:
- Rund 8.300 politisch motivierte Straftaten erfasste das Bundeskriminalamt (BKA) seit dem 7. Oktober im Zusammenhang mit dem Nahost-Krieg. Darunter sind etwas über 230 antimuslimische Straftaten (Stand: 25.09.2024). Es handelt sich vor allem um Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen.
- Insgesamt hat die Zahl der antimuslimischen Straftaten 2023 deutlich zugenommen; schon vor dem Angriff der Hamas waren die registrierten Straftaten angestiegen. Der MEDIENDIENST hat zur Entwicklung mit Fachleuten gesprochen.
- Das Netzwerk Claim im Oktober einen starken Anstieg von Meldungen und Beratungsanfragen. Zwischen 7.10. und 31.12.2024 zählte Claim 679 antimuslimische Vorfälle .
- In einer Chronologie zeigt ZEIT Online eine Auswahl antimuslimischer Vorfälle und Straftaten in Deutschland seit dem Überfall der Hamas auf Israel.Quelle
Angriffe auf Moscheen
Zu islamfeindlichen Straftaten gehören auch Angriffe auf Moscheen. Bis zum 30. September erfassten die Behörden 34 Straftaten gegen Moscheen für das Jahr 2024, darunter hauptsächlich Sachbeschädigungen und Volksverhetzung. Knapp 60 Prozent davon waren politisch rechts motiviert.Quelle
2023 zählte das Bundesinnenministerium 70 Angriffe auf Moscheen, ein Anstieg um rund 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (62). Die meisten der Taten waren Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen. 40 der Angriffe waren politisch rechts motiviert, 14 Taten durch eine ausländische Ideologie.Quelle
Die Organisation FAIR International dokumentiert Angriffe auf Moscheen auf der Webseite #brandeilig – und kommt dabei teils zu deutlich höheren Zahlen als das Bundesinnenministerium. 2022 hat die Organisation rund 70 Übergriffe erfasst (2021: 63, 2020: 148). Der islamische Dachverband DITIB erfasste 2022 in einer eigenen Erhebung 35 Angriffe auf Moscheen (2021: 44, 2020: 111).Quelle
Warum gibt es unterschiedliche Zahlen zu Moscheeangriffen?
Behörden, DITIB und #brandeilig verwenden unterschiedliche Definitionen von "Moscheen" und "Angriffen". Die Behörden haben eine enge Definition von "Moscheen" und zählen nur Straftaten. DITIB zählt auch Angriffe auf Gebetsräume in öffentlichen Einrichtungen (z.B. Flughäfen, Krankenhäuser und Universitäten) sowie Fälle, die nicht strafrechtlich relevant sind. #brandeilig zählt auch Angriffe gegen Einrichtungen, die von den Täter*innen als islamisch wahrgenommen werden, als Moscheeangriffe.Quelle
Antimuslimische Einstellungen
Mehrere repräsentative Untersuchungen zeigen: Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber Muslim*innen und "dem Islam" sind in Deutschland weit verbreitet.
- Aus dem repräsentativen „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung 2023 geht hervor: Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der nicht-muslimischen Bevölkerung denkt, dass Muslim*innen sich gegen die Freiheiten und Rechte der Menschen richten. 45 Prozent glauben, dass Muslim*innen zur Gewalt aufrufen. Der Aussage "Musliminnen und Muslime sind frauenfeindlich" stimmen sogar 65 Prozent zu. 74 Prozent sind der Meinung, dass Musliminnen und Muslime lieber unter sich bleiben. Seit zehn Jahren empfinden mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung in Umfragen den Islam als Bedrohung (2023: 52 Prozent).Quelle
- Mehr als jede*r Dritte (37,9 Prozent) stimmt der Aussage zu, sich "durch die vielen Muslime [...] wie ein Fremder im eigenen Land" zu fühlen. Das geht aus der repräsentativen Leipziger Autoritarismus Studie 2022 hervor. Zudem gibt mehr als ein Viertel (28,5 Prozent) der Befragten an, dass Muslim*innen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte. In den ostdeutschen Bundesländern meinen das laut einer weiteren Studie der Universität Leipzig 2023 sogar 47,4 Prozent.Quelle
- 51 Prozent der nicht-muslimischen Bevölkerung lehnen laut Religionsmonitor 2023 eine*n muslimische*n Bürgermeister*in in ihrer Stadt ab. Weitere Studien kommen mit einer anderen Methodik zu einer etwas geringeren Ablehnung. 58 Prozent gaben beim Religionsmonitor an, dass sie nicht in eine Gegend ziehen wollen, in der viele Muslim*innen wohnen.Quelle
- Wer Muslim*innen persönlich kennt, neigt eher dazu, eine positive Meinung über sie zu haben. Das geht aus einer 2018 veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center aus den USA hervor. Die "Kontakthypothese", wonach persönliche Kontakte gegen Vorurteile helfen, wird auch durch weitere Studien gestützt.Quelle
- Ist antimuslimischer Rassismus in Ostdeutschland verbreiteter als im Westen? Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Laut Leipziger Autoritarismus Studie finden in den neuen Bundesländern 47 Prozent, man sollte Muslim*innen die Zuwanderung nach Deutschland untersagen, gegenüber 24 Prozent in Westdeutschland. Der Religionsmonitor konnte jedoch keine signifikaten Unterschiede bei der Muslimfeindlichkeit feststellen. Eine Rolle bei der Einstellung gegenüber Muslim*innen spielt das Alter: Junge Menschen sehen Musliminnen und den Islam weniger negativ als Ältere.Quelle
Diskriminierungserfahrungen von Muslim*innen
In einer nicht-repräsentativen Umfrage von Claim gaben 2023 78 Prozent der Befragten an, dass sie von antimuslimischen Übergriffen und Diskriminierung betroffen sind. Die häufigste Diskriminierungsform ist, dass die Menschen für das Verhalten von anderen Muslim*innen mitverantwortlich gemacht werden, etwa für das Verhalten des türkischen Präsidenten Erdogan (56 Prozent). Die Mehrheit der Betroffenen meldet Übergriffe nicht und nimmt keine Beratungsangebote in Anspruch (57 Prozent).Quelle
Zwischen 2006 und 2022 haben sich 1.026 Personen an die Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, die sich wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit benachteiligt fühlten. 2022 und 2021 waren es jeweils rund 150 Personen (2022: 153, 2021: 154). Die meisten Betroffenen berichteten von Diskriminierungen im Bereich Arbeit. Darauf folgten Diskriminierungserfahrungen bei Dienstleistungen sowie im Bereich Bildung.Quelle
Muslim*innen sind häufig von Mehrfachdiskriminierungen betroffen. Das heißt, dass sie sowohl wegen ihrer Religion als auch etwa ihrer Herkunft, Hautfarbe oder ihres Geschlechts diskriminiert werden. Zahlen zur Diskriminierung von Muslim*innen findet man hauptsächlich in Studien zur Diskriminierung von Migrant*innen oder Menschen mit Migrationshintergrund, die auch die Religionszugehörigkeit erfassen.Quelle
- Besonders häufig erleben Muslim*innen Diskriminierung bei der Arbeitssuche. Laut einer Studie des WZB Berlin 2018 bekommen Muslim*innen deutlich weniger positive Rückmeldungen auf ihre Bewerbungen als andere Bewerber*innen. Eine Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) von 2016 zeigte, dass besonders Frauen mit einem türkisch klingenden Namen benachteiligt werden, die ein Kopftuch tragen. Auch andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.Quelle
- Laut einer Umfrage (durchgeführt 2022, veröffentlicht 2024) der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) erlebte rund die Hälfte der muslimischen Personen (47%) in der EU rassistische Diskriminierung in den letzten fünf Jahren. Das sind deutlich mehr als bei der Befragung 2016. In Deutschland ist der Wert mit 68% besonders hoch. EU-weit haben rund 40 Prozent der Befragten Muslim*innen Diskriminierung bei der Arbeitssuche erlebt. Jeweils 35 Prozent haben Diskriminierung auf dem Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche erlebt. Nur 6 Prozent der Befragten, die angaben, Diskriminierung erlebt zu haben, meldeten den Vorfall.Quelle
- Die zweite Generation muslimischer Zuwanderer*innen berichtet häufiger von Diskriminierung als die erste Generation: Während sich in der ersten Zuwanderungsgeneration 15 Prozent aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert fühlen, sind es in der Nachfolgegeneration 22 Prozent. Dies geht aus einer Studie der FRA von 2018 hervor. Unterschiede in der Wahrnehmung von Diskriminierung können laut einer Studie aus dem Jahr 2017 darauf zurückgeführt werden, dass die Angehörigen der zweiten Generation einen stärkeren Gleichheitsanspruch entwickelt haben und stärker für Diskriminierung sensibilisiert sind.Quelle
Beratungsstellen für Betroffene
Es gibt kaum Beratungsstellen, die sich direkt an Betroffene von antimuslimischem Rassismus und Islamfeindlichkeit richten. Das geht aus einer 2021 veröffentlichten Kurzstudie der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit CLAIM hervor. Die Studienautor*innen fordern mehr spezialisierte Beratungsangebote.Quelle
Antimuslimische Stereotype in den Medien
Studien zeigen, dass die Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen oft stereotyp und negativ ist. "Der Islam" taucht häufig in Zusammenhang mit Terrorismus als Bedrohung auf. Muslim*innen werden oft als rückschrittlich, fremd oder bedrohlich dargestellt.
>> Zahlen und Fakten dazu finden Sie in unserer Rubrik "Der Islam" und Muslim*innen in den Medien.
Moscheen in Deutschland
Wie viele Moscheen gibt es in Deutschland?
Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 gibt es etwa 2.350 islamische Gebetsräume und Moscheen in Deutschland. Andere Schätzungen gehen von bis zu 2.750 Moscheen und Gebetsräumen aus. Dabei werden manchmal nur Moscheen und Gebetsräume gezählt, in denen Freitagspredigten gehalten werden, und manchmal auch alevitische Gemeinden mitgezählt, die ihre Gottesdienste („Cem“) in als „Cem-Evi“ bezeichneten Gemeindehäusern abhalten.Quelle
Die meisten islamischen Gemeinden in Deutschland betreiben ihre Gebetsräume in ehemaligen Fabriken, Wohnhäusern und Ladengeschäften. Diese Einrichtungen werden häufig als Hinterhofmoscheen bezeichnet. Darüber hinaus sind in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten viele neue Moscheebauten entstanden, die mit Minarett oft schon von außen als solche erkennbar sind.Quelle
Der Stil vieler dieser Moscheebauten lehnt sich an Bautraditionen aus den Herkunftsländern der Gemeindemitglieder an. Daneben entstanden aber auch einige innovative Moscheebauten, die sich in einer modernen Architektur um möglichst große Transparenz und Offenheit bemühen – so zum Beispiel das 2005 eröffnete „Islamische Forum“ im bayrischen Ort Penzberg mit einer Glasfassade und einem kunstvoll aus Stahlplatten gefertigten Minarett oder die DITIB-Zentralmoschee in Köln, die hauptsächlich vom Kirchenarchitekten Paul Böhm entworfen wurde.
Andere Moscheen lehnen sich an ortsübliche Baustile an – etwa die Moschee im schleswig-holsteinischen Rendsburg, die aus gelbem und weißem Backstein besteht und damit Elemente norddeutscher Backsteinarchitektur aufnimmt. Zudem gibt es immer mehr "Öko-Moscheen", die Photovoltaik-Anlagen auf ihrem Dach montiert haben, um eigenen Strom zu erzeugen. In Norderstedt errichtet eine türkisch-islamische Gemeinde derzeit eine Moschee mit zwei 21 Meter hohen Minaretten, die als kleine Windkraftanlagen dienen sollen.Quelle
Finanzierung von Moscheen in Deutschland
Islamische Organisationen erklären in der Regel, dass sie sich primär durch Mitgliedsbeiträge und Spenden von Moscheebesuchern finanzieren. Hinzu kommen Einkünfte durch Vermietungen und Dienstleistungen oder Erlöse aus dem Verkauf in vereinseigenen Läden, die zur Moschee gehören. Große islamische Dachverbände wie die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) erzielen durch die Organisation von Pilgerreisen oder durch ihre Buch- und Zeitschriftenverlage zusätzliche Einnahmen. Islamische Organisationen sind mehrheitlich als gemeinnützige Vereine eingetragen und deshalb verpflichtet, ihre Buchhaltung regelmäßig vorzulegen.Quelle
Finanzierung aus dem Ausland
Die Frage, ob und wie viel Geld aus dem Ausland an deutsche Moscheegemeinden fließt, sorgt immer wieder für Diskussionen. Verlässliche Zahlen dazu gibt es aber nicht. Bekannt ist, dass einzelne Moscheebauten in Deutschland durch größere Spenden aus dem Ausland ermöglicht wurden. So wurde die für ihre moderne Architektur bekannte Moschee im bayrischen Penzberg vom Emir des Golfstaats Schardscha bezahlt. Manche Moscheevorstände werben im Ausland, etwa am arabischen Golf, um größere Summen, um laufende Ausgaben oder Großprojekte wie einen Moscheebau finanzieren zu können. Aus einmaligen Spenden lassen sich jedoch noch keine generellen Rückschlüsse auf eine Einflussnahme aus dem Ausland ziehen, sagen Fachleute.Quelle
Es gibt aber auch indirekte Formen der Finanzierung aus dem Ausland. So zahlt beispielsweise die türkische Religionsbehörde Diyanet die Gehälter der Imame, die in den fast 1.000 DITIB-Moscheen in Deutschland predigen. Nahezu alle Gemeinden des türkisch-islamischen Dachverbands DITIB sowie einiger anderer Verbände nehmen die Dienste dieser Imame, die aus der Türkei entsandt und bezahlt werden, in Anspruch.Quelle
Viele Moscheegemeinden greifen auf eine dieser Formen der Unterstützung aus dem Ausland zurück, um ihre Imame und Seelsorger oder ihre Moscheebauten und ihren Koranunterricht zu finanzieren. Viele soziale Aufgaben wie Jugend- und Seniorenarbeit, Beratungstätigkeit und Flüchtlingshilfe werden von ehrenamtlichen Helfern übernommen.Quelle
Anders als Kirchen oder jüdische Gemeinden, werden Moscheegemeinden dabei bisher nicht finanziell vom Staat unterstützt.Quelle
Was spricht gegen eine "Moschee-Steuer"?
Immer wieder wird die Idee einer „Moschee-Steuer" ins Gespräch gebracht. Auf muslimischer Seite stießen solche Vorschläge bislang aber eher auf Skepsis. Manche argumentieren, eine zentral erhobene Steuer widerspreche sowohl dem muslimischen Selbstverständnis als auch der gegenwärtigen Organisationsform des Islams in Deutschland. Moscheegemeinden, die sich vom Druck zentralistisch geführter Dachverbände lösen wollen, fürchten außerdem Gängelung und Missmanagement durch die Zentralen, sollten diese über die Verwendung einer solchen „Moscheesteuer“ verfügen. Aber auch die großen islamischen Organisationen zeigen bisher wenig Interesse an einer „Moschee-Steuer“. Das gilt selbst für die der Ahmadiyya-Gemeinde, die etwa in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist und damit beanspruchen könnte, dass der Staat für sie ihre Mitgliedsbeiträge über eine Steuer einzieht.Quelle
Imamausbildung in Deutschland
Die meisten Imame werden im Ausland ausgebildet
In Deutschland arbeiten schätzungsweise 2.000 bis zu 2.500 Imame. Einer Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge wurden rund 90 Prozent der Imame im Ausland ausgebildet. Die türkische Religionsbehörde Diyanet entsendet etwa Imame im Rotationssystem nach Deutschland.Quelle
Alle Informationen zur Imamausbildung finden Sie in unserem Factsheet: >>> zum Download
Das steht immer wieder in der Kritik. Fachleute befürchten, dass andere Staaten dadurch Einfluss auf deutsche Moscheegemeinden oder Verbände nehmen könnten. Zudem sei zu bedenken, dass einige Imame ausschließlich in ihrer Muttersprache predigen und nur schlecht mit deutschsprachigen Moscheebesucher*innen, insbesondere jüngeren Muslim*innen, kommunizieren können.Quelle
Welche Ausbildungsprogramme gibt es in Deutschland?
Mehrere islamische Dachverbände bilden in Deutschland eigenes religiöses Personal aus, unterrichtet wird größtenteils in anderen Sprachen. Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) etwa bietet ein vierjähriges Ausbildungsprogramm in Köln an, unterrichtet wird in arabischer und türkischer Sprache. Eine Übersicht zu den Ausbildungsangeboten der islamischen Gemeinden bietet die Deutsche Islam Konferenz (DIK) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).Quelle
Anfang 2020 eröffnete die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib) ein eigenes Kolleg zur Ausbildung von Imamen in Dahlem (Eifel). Absolvent*innen eines islamisch-theologischen Studiums können hier eine zweijährige, praktische Ausbildung machen, die sie auf die Gemeindearbeit vorbereitet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) begrüßte das Programm.Quelle
Im Juni 2021 startet die erste verbandsübergreifende, deutschsprachige Imamausbildung am "Islamkolleg Deutschland" in Osnabrück. Das Kolleg ist Teil eines Modellprojekts der Universität Osnabrück in Kooperation mit mehreren islamischen Organisationen. Neben Gemeindepädagogik und Seelsorge sollen hier auch Soziale Arbeit und Politische Bildung Teil der Ausbildung sein. Voraussetzung ist ein Bachelorabschluss in Islamischer Theologie oder einem verwandten Studienfach. In einer ersten Phase finanzieren das Land Niedersachsen sowie das Bundesinnenministerium das Projekt. Das sehen einige größere islamische Verbände, die nicht am Projekt beteiligt sind, kritisch. Sie befürchten, dass dort eine Art "Staatsislam" vermittelt wird.Quelle
Was macht ein Imam?
Imame leiten die Pflichtgebete und das Freitagsgebet in islamischen Gemeinden an. Weitere Aufgaben sind die praktische Gemeindearbeit wie Seelsorge oder religiöser Unterricht. Ein Imam ist kein geweihter Amtsträger wie etwa ein Priester. In kleineren Gemeinden übernehmen oft Freiwillige die Aufgaben. In größeren Gemeinden arbeitet meistens ein professioneller Imam, der eine Ausbildung absolviert hat und fest angestellt ist.
Wer kann Imam werden?
Welche Voraussetzung man als Imam braucht, bestimmen in Deutschland die Gemeinden, zum Beispiel ein abgeschlossenes Studium der islamischen Theologie und eine praktische Ausbildung. Die Ausbildung zum Imam ist aber nicht zwingend eine akademische, sie unterscheidet sich je nach Land und Ausbildungsprogramm.
Gibt es Imaminnen?
Frauen können als Imamin arbeiten, es gibt jedoch wenige praktizierende Imaminnen in Deutschland. Die Ditib etwa beschäftigt Imaminnen, sie predigen jedoch nicht und sind eher auf die Gemeindearbeit mit Frauen fokussiert. In einigen wenigen liberalen Gemeinden leiten auch Frauen die Gebete an, in Deutschland etwa Seyran Ateş. Es handelt sich aber um Ausnahmen.Quelle
Islam an Schulen und Universitäten
Islamischer Religionsunterricht in Deutschland
In elf Bundesländer gibt es an öffentlichen Schulen einen islamischen Religionsunterricht beziehungsweise islamische Religionskunde. Das geht aus einer Recherche des MEDIENDIENSTES 2023 hervor. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle:
- In Berlin wird islamischer Religionsunterricht in alleiniger Verantwortung eines islamischen Landesverbands erteilt. Religionsunterricht ist in Berlin weder ordentliches Unterrichtsfach, noch verpflichtend.
- In Niedersachsen gibt es islamischen Religionsunterricht als reguläres Angebot. Organisiert wird die Zusammenarbeit zwischen Staat und religiösen Gemeinden durch ein Beiratsmodell.
- In Hessen wird ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetz Art. 7 Absatz 3 in Kooperation mit islamischen Verbänden angeboten. Die Lehrpläne werden dabei von den Religionsgemeinschaften und staatlichen Stellen gemeinsam entwickelt. Hessen beendete die Zusammenarbeit mit Ditib wegen fehlender Unabhängigkeit vom türkischen Staat zum Schuljahr 2020/21. Nachdem der Verband erfolgreich dagegen klagte, findet seit 2022/23 wieder von Ditib verantworteter Unterricht statt. Als Alternative führte die hessische Regierung im Schuljahr 2019/20 das Fach "Islamunterricht" in staatlicher Verantwortung ab der siebten Klasse probeweise ein.Quelle
- Rheinland-Pfalz und das Saarland erproben islamischen Religionsunterricht in Modellprojekten. Islamische Verbände oder lokale Moscheegemeinden werden dabei auf unterschiedliche Weise einbezogen. In Rheinland-Pfalz gibt es drei lokale Partner. Das Land hat erst kürzlich (Frühjahr 2023) wieder die Verhandlungen mit vier größeren islamischen Gemeinden über einen Staatsvertrag aufgenommen. Dieser könnte die Basis für eine flächendeckende Einführung sein. Im Saarland gibt es sechs Kooperationspartner, teilweise sind dies größere Verbände, teils lokale Akteure. Der Unterricht findet hier lediglich an vier Grundschulen statt.Quelle
- In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird islamischer Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit islamischen Partnern angeboten. Nordrhein-Westfalen hat dafür im Mai 2021 eine ständige Kommission eingerichtet, in der sechs islamische Verbände vertreten sind. In Baden-Württemberg wurde 2019 unter dem Dach des Landes eine Stiftung gegründet. Hier sind auch islamische Gemeinden vertreten, zugleich muss der Staat bei drei der fünf Kommissionsmitglieder und der Besetzung der Schiedskommission zustimmen.Quelle
- In Bayern, Schleswig-Holstein und seit 2021 auch in Hessen wird das Fach "Islamkunde" in staatlicher Verantwortung angeboten. Bayern hat das Fach seit 2009 als Modellprojekt erprobt. Seit dem Schuljahr 2021/2022 wird es als Wahlpflichtfach angeboten. Hessen hat seinen Schulversuch 2023 um drei Jahre verlängert. Islamische Gemeinden kritisieren diese Praxis.Quelle
- In Bremen wird Religionsunterricht generell als Religionskunde, also staatlich erteilt. Das Bremer Modell ist konfessionsübergreifend.
- In Hamburg gibt es den "Religionsunterricht für alle" (RUfa). Der RUfa ein weltanschaulicher Unterricht. Verschiedene religiöse Gemeinden und Gemeinschaften verantworten diesen gemeinsam. Die Kooperation zwischen Staat und muslimischen Gemeinden basiert hier auf einem Staatsvertrag. Zum Schuljahr 2023/24 wird dieser flächendeckend eingeführt.Quelle
Zur vollständigen Recherche mit mehr Informationen über die einzelnen Modelle hier (PDF).
In fünf Bundesländern gibt es keinen islamischen Religionsunterricht.
- In den fünf östlichen Bundesländern Thüringen, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gibt es kein Angebot für muslimische Schüler*innen. Als Alternative zum christlichen Religionsunterricht stehen dort Fächer wie Ethik, Lebenskunde oder Philosophie zur Auswahl.
Wie viele Schüler*innen nehmen am islamischen Religionsunterricht teil?
Im Schuljahr 2022/23 nehmen bundesweit knapp 70.000 Schüler*innen an über 900 Schulen am islamischen Religionsunterricht teil. Im Schuljahr 2015/16 waren es nach einer Auswertung der Kultusministerkonferenz noch rund 42.000 Schüler*innen gewesen.
Die Nachfrage nach islamischem Religionsunterricht ist damit bei weitem nicht gedeckt: Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) kam bereits 2011 zu dem Ergebnis, dass etwa 580.000 Schüler*innen im Alter von 6 bis 18 Jahren einen islamischen Religionsunterricht besuchen würden. Stand 2023 sind über eine Million Schüler*innen in Deutschland muslimischen Glaubens.Quelle
Islamische Theologie an Universitäten
Wo wird islamische Theologie gelehrt?
Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Islamkonferenz wurden mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ab 2011 fünf Standorte für islamische Theologie eingerichtet. Nach positiver Evaluierung durch das BMBF wurde beschlossen, das Projekt weiter zu finanzieren, es kamen zwei weitere Standorte hinzu.Quelle
Aktuell haben sich ca. 2.500 Studierende in Bachelor- und Master- sowie in Lehramts-Studiengängen eingeschrieben. An diesen Standorten werden unter anderem Lehrer*innen für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet, aber auch Sozialarbeiter*innen und Theolog*innen für die Arbeit in Moscheen und islamischen Organisationen.Quelle
Für die sieben Standorte an staatlichen Hochschulen und die „Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft“ stellt das Bundesforschungsministerium nach eigenen Angaben von 2011 bis 2024 insgesamt rund 52,5 Millionen Euro zur Verfügung.Quelle
Wer studiert islamische Theologie?
Laut einer Befragung der AIWG unter Absolvent*innen des Studienfachs Islamische Theologie haben rund ein Drittel auf Lehramt studiert. Auffällig ist laut den Autor*innen, dass im Vergleich zu anderen Studierenden nur wenige aus einer akademischen Familie kommen: Bei islamischer Theologie sind es 15 Prozent, durchschnittlich hingegen 54,4 Prozent. 89 Prozent fühlen sich dem Islam zugehörig, jedoch nur rund 20 Prozent einer bestimmten Gemeinde. Nach Abschluss des Studiums gingen rund 44 Prozent der Absolvent*innen in den pädagogischen Bereich, rund 26 Prozent in die Soziale Arbeit und etwa 15 Prozent in die Wissenschaft. Nur rund 13 Prozent sind in der Gemeindearbeit und rund sieben Prozent in der Seelsorge tätig.Quelle
Vernetzung
Zur Vernetzung von Wissenschaftler*innen wurde 2015 am Zentrum für islamische Theologie (ZIT) in Münster die "Deutsche Gesellschaft für islamisch-theologische Studien" (DEGITS) gegründet. Sie ist der erste akademische Fachverband für islamische Theologie in Deutschland. An der Goethe-Universität Frankfurt am Main wurde zudem seit 2017 mit Bundesmitteln und Hilfe der Stiftung Mercator eine "Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft" (AIWG) eingerichtet. Sie soll die Standorte der islamischen Theologie miteinander vernetzen, gemeinsame Forschungsprojekte fördern und den Transfer in die Gesellschaft verstärken.Quelle
Die meisten Zentren für Islamische Theologie arbeiten mit sogenannten konfessorischen Beiräten zusammen, in denen Vetreter islamischer Religionsgemeinschaften sitzen. Mit ihnen stimmen sie die Besetzung von Lehrstühlen oder die Erstellung von Studien- und Prüfungsordnungen ab. Die Besetzung dieser Beiräte war an mehreren Standorten umstritten.Quelle
News Zum Thema: Islam und Muslime
Islamischer Religionsunterricht "Es besteht ein massiver Ausbaubedarf"
Knapp 70.000 Schüler*innen besuchen islamischen Religionsunterricht in Deutschland. Das zeigt eine neue Recherche des MEDIENDIENST. Manche Bundesländer bauen das Angebot aus, jedoch können noch immer nur wenige muslimische Schüler*innen an Religionsunterricht teilnehmen.
Hamburg Zehn Jahre Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden
Als Hamburg 2012 einen Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden abschloss, war das Bundesland Vorreiter. Aus Sicht von Expert*innen war das ein wichtiger Schritt zu einer rechtlichen Integration des Islam in Deutschland.
Deutsche Islam Konferenz Die wichtigsten Ereignisse und Themen
Noch ist unklar, ob die Deutsche Islam Konferenz (DIK) bestehen bleibt. Was hat sie in den letzten Jahren erreicht? Welche Themen standen im Vordergrund? Eine Zeitleiste des MEDIENDIENSTES zeigt zentrale Ereignisse seit Beginn der DIK.