Das Ausländerzentralregister (AZR) geht davon aus, dass zum Stichtag 30. Juni 2018 rund 235.000 "Ausreisepflichtige" in Deutschland leben. Ungefähr die Hälfte von ihnen sollen abgelehnte Asylbewerber sein. Die andere Hälfte sind Studenten, Arbeitnehmer oder Touristen, deren Visum abgelaufen ist. Von den 235.000 "Ausreisepflichtigen" haben rund drei Viertel eine "Duldung" – das heißt: sie können derzeit nicht abgeschoben werden.
Was wir nicht wissen
Das AZR bezieht seine Daten zu "Ausreisepflichtigen" von den Ausländerbehörden. Diese können allerdings nur bedingt verfolgen, was mit den einzelnen Personen geschieht. Das bedeutet: Im AZR bleiben oftmals Menschen als "ausreisepflichtig" eingetragen, obwohl sie schon ausgereist sind beziehungsweise einen neuen Aufenthaltsstatus haben.
2010 mussten bei einer Prüfung der Zahlen etwa 45.000 Einträge im Ausländerzentralregister geändert werden, weil vermeintliche "Ausreisepflichtige" inziwschen einen Aufenthaltstitel hatten. Nach einer ähnlichen "Bereinigung" in Hessen 2017 wurde die Zahl der "Ausreisepflichtigen" um 37 Prozent nach unten korrigiert.
Experten schätzen, dass insbesondere die Daten über "unmittelbar Ausreisepflichtige" ungenau sind. Als "unmittelbar ausreisepflichtig" gelten Menschen, die über keine Duldung verfügen und jederzeit abgeschoben werden könnten. Die Bundesregierung rechnet mit ungefähr 60.000 von ihnen – rund die Hälfte sind abgelehnte Asylbewerber.
Wie viele abgelehnte Asylbewerber verlassen Deutschland?
Die Statistik erfasst zwei Kategorien von Ausreisen: Abschiebungen und "freiwillige" Ausreisen im Rahmen von geförderten Rückkehrprogrammen. Die Zahl der Menschen, die aus Deutschland abgeschoben wurden, ist seit drei Jahren fast unverändert: Sie lag jeweils zwischen 21.000 und 25.000 Menschen im Jahr. Dieser Trend hat sich auch im ersten Halbjahr 2018 bestätigt. Insgesamt wurden zwischen 2015 und Juni 2018 rund 70.000 Menschen abgeschoben – jedoch waren darunter nicht nur abgelehnte Asylbewerber.
Die Zahl der Menschen, die Deutschland im Rahmen des Förderprogramms REAG/GARP "freiwillig" verlassen haben, variierte hingegen sehr stark: 2016 ist sie auf mehr als 54.000 Menschen im Jahr gestiegen, ging aber in den vergangenen anderthalb Jahren wieder stark zurück (siehe Grafik). Neben dem REAG/GARP-Programm gibt es auch landeseigene Förderprogramme, es ist aber nicht möglich, genau zu sagen, wie viele Menschen diese Programme genutzt haben. Die Bundesländer erfassen die Zahlen nicht einheitlich.
Was wir nicht wissen
Unbekannt ist, wie viele abgelehnte Asylbewerber das Land auf eigene Faust verlassen haben. Wenn ausreisepflichtige Ausländer zur Ausreise aufgefordert werden, bekommen sie eine "Grenzübertrittsbescheinigung", die sie beim Verlassen des Landes vorzeigen sollen. Etwa 122.000 Personen mit einer "Grenzübertrittsbescheinigung" haben Deutschland seit 2016 verlassen. Nicht alle waren aber abgelehnte Asylbewerber. Zudem handelt es sich dabei fast ausschließlich um Menschen, die das Land per Luftweg verlassen und ihre Reisedokumente am Flughafen vorzeigen mussten. An den Landesgrenzen gibt es in der Regel keine Dokumentenkontrolle. Auch die Zahl von rund 190.000 abgelehnten Asylbewerbern, die nach den Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) zwischen 2015 und Juni 2018 ausgereist sein sollen, ist nicht besonders aussagekräftig. Im AZR gelten als "abgelehnte Asylbewerber" auch Menschen, deren Asylantrag vor mehreren Jahren abgelehnt wurde und die später einen neuen Aufenthaltsstatus bekommen haben.
Wie wird sich die Zahl der "Ausreisepflichtigen" entwickeln?
Viele Asylsuchende, die in Deutschland einen Antrag gestellt haben, wurden abgelehnt: Etwa ein Drittel der Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Zeitraum 2015 bis 2017 fielen negativ aus (rund 540.000 Ablehnungen). Hinzu kommen sogenannte formelle Entscheidungen (circa 288.000 Fälle), die in vielen Fällen sogenannte Dublin-Fälle betreffen – also Menschen, die in andere EU-Mitgliedstaaten überstellt werden müssen.
Was wir nicht wissen
Nicht jede Ablehnung im Asylverfahren führt zur Ausreise. Viele abgelehnte Asylbewerber haben gegen einen negativen Bescheid geklagt: Zwischen 2016 und dem ersten Quartal 2018 gab es mehr als eine halbe Million Klagen im Bereich Asyl, davon rund 70 Prozent gegen negative Asylbescheide. Solange das Gericht nicht endgültig über die Klage entschieden hat, darf ein Asylbewerber in der Regel nicht abgeschoben werden. Rund 367.000 Klagen sind noch anhängig (Stand: April 2018). Es ist unmöglich zu sagen, wie viele abgelehnte Asylbewerber am Ende auch ausreisepflichtig werden. 2017 entschieden die Gerichte in rund einem Viertel der Fälle zugunsten der Kläger. Auch "Dublin-Fälle" müssen Deutschland nicht unbedingt verlassen: Wenn sechs Monaten nach dem sogenannten Übernahmeersuchen keine Überstellung stattgefunden hat, ist Deutschland für das Asylverfahren zuständig.
Von Fabio Ghelli
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