Migranten und Geflüchtete, die Deutschland verlassen müssen, werden zur Ausreise aufgefordert. Verlassen sie das Land nicht "freiwillig", droht ihnen die Abschiebung. 2017 entschieden sich die meisten für die freiwillige Rückkehr. Zudem reisten mehr abgelehnte Asylbewerber aus, als im gleichen Zeitraum "ausreisepflichtig" geworden sind.
Dennoch fordern Politiker immer wieder, es müsse mehr Abschiebungen geben. So kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kürzlich an, mit einem sogenannten Masterplan ausreisepflichtige Migranten "konsequenter abschieben" zu wollen.
Experten hingegen plädieren dafür, mehr in die "freiwillige Rückkehr" zu investieren. Bei einem Pressegespräch des MEDIENDIENSTES in München sagte Jan Schneider vom "Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration": "Die freiwillige Rückkehr birgt gegenüber der Abschiebung eine Reihe von Vorteilen – für alle Seiten." Für den Staat sei sie mit weniger Kosten verbunden. Den betroffenen Migranten würden besondere Härten erspart. Und in den Kommunen bleibe der soziale Frieden gewahrt. Denn Abschiebungen führten vielerorts zu massiven Protesten.
In einer Studie hat Schneider die Rückkehrpolitik von Bund, Ländern und Kommunen untersucht. Sein Fazit: Bei der Förderung der freiwilligen Ausreise gibt es erheblich Luft nach oben. Viele Programme setzten auf finanzielle Hilfen, um Rückkehrern beispielsweise die Reise zu finanzieren. Das reiche jedoch nicht aus: "Ausreisepflichtige Migranten brauchen eine Rückkehrberatung und müssen detaillierte Informationen erhalten, die sie auch verstehen", so Schneider.
Stephan Dünnwald vom "Bayerischen Flüchtlingsrat" kritisierte, dass die "freiwillige Rückkehr" in der Praxis nicht wirklich freiwillig sei. "Freiwilligkeit setzt voraus, dass Migranten selbst darüber entscheiden können, ob und wann sie ausreisen möchten." Ausreisepflichtige hätten keine Wahl, sondern könnten sich lediglich gegen das größere Übel einer Abschiebung entscheiden. Die "freiwillige Rückkehr" sei daher lediglich die "Soft-Variante der Abschiebung".
Zurück im Herkunftsland seien viele Migranten auf sich allein gestellt, so Dünnwald: "Sie kommen mit leeren Händen zurück, sind finanziell von ihren Familien abhängig und gelten als Versager, weil sie es in Europa nicht geschafft haben."
Rückkehrer brauchen realistische Perspektiven
Dass Menschen überhaupt ihre Heimat verlassen, liege daran, dass sie in ihren Herkunftsländern keine Zukunft für sich sehen, erklärte Ahmed Bugri. Er ist Vorsitzender der "Foundation for Shelter and Support to Migrants" auf Malta und hat zehn Jahre eine der größten Flüchtlingsunterkünfte der Insel geleitet. Rückkehrprogramme müssten Migranten in die Lage versetzen, sich eine Zukunft aufzubauen – also einen Beruf zu erlernen, Geld zu verdienen und auch sozial Fuß zu fassen. Zudem müssten die Programme zirkuläre Migration ermöglichen – also die Option, zwischen Herkunfts- und Zielland zu "pendeln".
Ohne solche Perspektiven seien Rückkehrprogramme zum Scheitern verurteilt, mahnte Bugri: "Rückkehrer, die sich in derselben Situation wiederfinden wie vor der Migration, werden versuchen, auf irregulärem Weg wieder nach Europa zu kommen." Oder aber sie seien so frustriert und verzweifelt, dass sie sich radikalen Gruppen anschließen.
In öffentlichen Debatten heißt es oft, Rückführungen würden daran scheitern, dass die Herkunftsländer von Migranten ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen wollen. Laut Bugri sind die Industriestaaten hierfür mit verantwortlich: "Die EU trägt mit ihrer Handelspolitik dazu bei, dass Menschen in Afrika lokale Produkte nicht mehr verkaufen können. Das steigert die Armut und treibt Menschen in die Flucht." Solange sich daran nichts ändere, sei es wenig verwunderlich, dass sich afrikanische Staaten bei der Rückkehrpolitik querstellten, so Bugri.
Von Jennifer Pross
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