1. Führt Migration zu mehr Kriminalität?
Migration nach Deutschland hat die Kriminalität in den letzten 20 Jahren nicht erhöht: Die Zahl der Straftaten ging in der Tendenz zurück, gleichzeitig lebten immer mehr Ausländer*innen in Deutschland – die Zahl der Ausländer stieg seit 2005 um über 70 Prozent.
Insbesondere bis vor der Corona-Pandemie gingen Straf- und Gewalttaten in Deutschland insgesamt zurück. Zwischen 2005 und 2019 sank die Zahl der Straftaten um rund 16 Prozent, von 6,3 auf 5,3 Millionen. Die Zahl der Gewalttaten sank von rund 213.000 auf 181.000 – ein Rückgang um rund 15 Prozent. Im selben Zeitraum hat die Zahl der Ausländer in Deutschland um etwa 39 Prozent (von 7,3 auf 10,1 Millionen) zugenommen.Quelle
Nach der Corona-Pandemie gab es insgesamt wieder mehr Straf- und Gewalttaten. Die Straftaten lagen 2023 aber noch immer 10 Prozent unter dem Niveau von 2005, die Gewalttaten auf einem ähnlichen Niveau wie 2005. Zum Vergleich: Zwischen 2005 und 2023 stieg die ausländische Bevölkerung in Deutschland um 72 Prozent.Quelle
Der Anstieg der Straftaten nach der Corona-Pandemie liegt laut Bundesinnenministerium unter anderem am Wegfall der Corona-Beschränkungen, Folgen der wirtschaftlichen Belastung durch die Inflation sowie der Migration. 2022/2023 sind besonders viele Menschen nach Deutschland zugewandert, unter ihnen viele Geflüchtete, die im Schnitt eine höhere Kriminalitätsbelastung haben (mehr dazu hier).
Es ist allerdings nicht klar, wie sich das genau auf die Kriminalität ausgewirkt hat. In der langfristigen Statistik zeigt sich kein direkter Zusammenhang von Kriminalität und Zuwanderung. Gleichzeitig sind Ausländer und Migranten überdurchschnittlich in den Kriminalstatistiken vertreten und häufiger von Faktoren betroffen, die zu Kriminalität führen. Die Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Migration und Kriminalität sind jedoch nicht eindeutig. Mehrere ökonometrische Studien finden etwa keine Hinweise darauf, dass Migration zu mehr Kriminalität führt, finden aber Zusammenhänge bei gewissen Gruppen, etwa jungen Flüchtlingen, oder bestimmten Straftaten. Eine Übersicht dazu gibt es hier.Quelle
Für diesen vermeintlichen Widerspruch gibt es bisher nur vereinzelte Erklärungsansätze. Es könnte unter anderem daran liegen, dass Ausländer*innen häufiger bei der Polizei angezeigt werden, wie Studien zeigen. Ein weiterer Grund kann sein, dass unterschiedliche Migration – etwa Arbeits- oder Fluchtmigration – sehr unterschiedliche Auswirkungen haben kann und das schwer gemeinsam zu erfassen ist. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass die Kriminalität ohne Migration noch stärker gesunken wäre, das ist bisher wissenschaftlich nicht untersucht.Quelle
2. Warum sind Ausländer überproportional in der Polizeilichen Kriminalstatistik vertreten?
2023 registrierten die Behörden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) insgesamt rund 2,2 Millionen Tatverdächtige. 41,1 Prozent waren ausländische Tatverdächtige (923.269). Um die Zahlen von deutschen und ausländischen Tatverdächtigen zu vergleichen, müssen jedoch die „ausländerrechtlichen Verstöße“ herausgerechnet werden: Denn das sind Verstöße, die überhaupt nur von Ausländern, nicht aber von Deutschen begangen werden können, wie zum Beispiel die illegale Einreise. Die PKS gibt daher auch die Zahl der „Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße“ an: 2023 wurden demnach insgesamt 2.017.552 Tatverdächtige registriert – von ihnen waren 694.981 ausländische Tatverdächtige, das sind 34,4 Prozent. Dies umfasst allerdings alle ausländischen Tatverdächtigen, selbst wenn sie gar nicht in Deutschland leben, sondern etwa gezielt eingereist sind, um eine oder mehrere Straftaten zu begehen (genaue Zahlen dazu unten). Zum Vergleich: Der Anteil ausländischer Staatsbürger an der gesamten Wohnbevölkerung in Deutschland liegt bei rund 15 Prozent.Quelle
Die Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) bildet das „Hellfeld“ der Straftaten ab – also all diejenigen Straftaten, die polizeilich bekannt geworden worden sind. Da nicht alle kriminellen Handlungen aufgedeckt und registriert werden, gibt es zudem ein großes Dunkelfeld. Die PKS ist außerdem eine sogenannte Ausgangsstatistik: Das bedeutet, dass sie alle Straftaten enthält, die die Polizei bearbeitet hat. Wenn allerdings vor Gericht ein Freispruch erfolgt, wird dies nicht mehr in der PKS abgebildet.Quelle
Dass Ausländer in der Polizeilichen Kriminalstatistik überproportional vertreten sind, hat verschiedene Gründe:
Fehlende Vergleichbarkeit der Statistiken:
- Zum einen sind die Zahlen zur ausländischen Wohnbevölkerung und zu ausländischen Tatverdächtigen nicht statistisch vergleichbar: Unter Straftaten von Ausländern werden alle Straftaten von Ausländern erfasst – auch von solchen, die ihren Wohnsitz gar nicht in Deutschland haben. Dazu zählen zum Beispiel Touristen und Personen, die gezielt die Grenze nach Deutschland überqueren, um eine Straftat zu begehen. Daher ist die statistische Vergleichbarkeit der ausländischen Wohnbevölkerung mit den ausländischen Tatverdächtigen nicht gegeben. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik hatten im Jahr 2023 insgesamt 19,5 Prozent der ermittelten ausländischen Tatverdächtigen ihren Wohnsitz im Ausland, bei weiteren 7,5 Prozent ist der Wohnsitz unbekannt.Quelle
- Zum anderen geraten Ausländer schneller in die Statistik, weil sie eher angezeigt werden als Deutsche, wie Studien zeigen. Ein Beispiel in Bezug auf jugendliche Gewaltdelikte: Sind Opfer und Täter deutsch, wird in 6,6 Prozent der Fälle angezeigt, ist das Opfer deutsch und der Täter nichtdeutsch, wird in 12 Prozent die Polizei informiert.Quelle
- Möglicherweise geraten Ausländer zudem schneller in die Statistik, weil sie öfter polizeilich kontrolliert werden: Studien und Befragungen haben gezeigt, dass Angehörige von Minderheiten überdurchschnittlich oft von der Polizei kontrolliert werden.Quelle
Mehr Risikofaktoren für Kriminalität unter Zuwanderern:
- Demografische Zusammensetzung der Tatverdächtigen: Ein gewisser Teil der häufigeren Registrierung von Ausländern ist darauf zurückzuführen, dass diese Bevölkerungsgruppe anteilig mehr junge Männer aufweist als die deutsche Bevölkerung. Bei Männern im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter sind in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten die höchsten Kriminalitätsraten zu beobachten. Besonders bedeutsam ist dieser Umstand bei der Einordnung der Registrierungshäufigkeit von in den letzten Jahren zugezogenen Asylsuchenden, unter denen sich erheblich mehr Männer in einem "kriminologisch relevanten" Alter befanden als in der Gesamtbevölkerung.Quelle
- Die sozioökonomischen Lebensbedingungen und eigene Gewalterfahrungen erhöhen das Risiko, Straftaten zu begehen. Migrant*innen sind häufiger mit belastenden Lebensumständen konfrontiert als Nichtmigrant*innen. So ist beispielsweise das Armutsrisiko höher und die Möglichkeiten der Teilhabe – z.B. am Arbeitsmarkt –, geringer. Auch Gewalterfahrungen im Herkunftsland und auf der Flucht zählen zu den belastenden Faktoren. Eine umfassende Studie zu Gewaltkriminalität von Schülern und Schülerinnen zeigt: Unabhängig von der Herkunft beeinflussten vor allem der sozioökonomische Status, Bildung, Normen, eigenes Gewalterleben sowie delinquente Freundeskreise und gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen das Risiko für kriminelles Verhalten.Quelle
- Ortsspezifische Faktoren: Eine Studie des ifo-Instituts aus dem Februar 2025 zeigt, dass ausländische Staatsangehörige in Deutschland tendenziell an Orten wohnen, die ohnehin schon eine erhöhte Kriminalitätsdichte aufweisen. Dort zu wohnen erhöht für Einwohner – unabhängig von der Nationalität – das Risiko, straffällig zu werden. Gründe sind die Infrastruktur, wirtschaftlichen Lage, Polizeipräsenz und Bevölkerungsdichte. Dass Flüchtlinge häufig in wirtschaftlich schwache Städte mit hoher Arbeitslosigkeit ziehen, liegt laut einer neuen Studie des WZB daran, dass sie nur dort günstigen Wohnraum finden.Quelle
3. Wie hoch ist die Kriminalität unter Flüchtlingen?
2023 lag die Zahl der "Zuwanderer", die einer Straftat verdächtigt wurden, bei 178.581 Personen. Die Zahl aller Zuwanderer in Deutschland lag zum Stichtag 31.12.2023 bei rund 3,26 Millionen. Somit wurden rund 5 Prozent mindestens einmal straffällig. Hierbei ist zu beachten, dass zu den Zuwanderern auch solche Personen zählen, die ihren Wohnsitz nicht in Deutschland haben und gezielt zur Begehung einer Straftat einreisen.Quelle
Demografische Aspekte
Ein gewisser Teil der häufigeren Registrierung von Ausländern ist darauf zurückzuführen, dass diese Bevölkerungsgruppe anteilig mehr junge Männer aufweist als die deutsche Bevölkerung: Über die Hälfte der tatverdächtigen Zuwanderer sind unter 30 Jahre alt und über drei Viertel männlich. Bei Männern im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter sind in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten die höchsten Kriminalitätsraten zu beobachten. Besonders bedeutsam ist dieser Umstand bei der Einordnung der Registrierungshäufigkeit von in den letzten Jahren zugezogenen Asylsuchenden, unter denen sich mehr Männer in einem "kriminologisch relevanten" Alter befanden als in der Gesamtbevölkerung. Weitere Gründe für die vergleichsweise hohe Kriminalitätsrate finden Sie im vorigen Abschnitt hier.Quelle
Einzelne Nationalitäten über- oder unterrepräsentiert
Der Anteil von Ukrainern an den tatverdächtigen Zuwanderern ist unterproportional, der Anteil an Personen aus Algerien, Marokko, Tunesien, Georgien und Moldawien überproportional. Der vergleichsweise geringe Anteil von Ukrainern könnte zum einen an der demografischen Zusammensetzung der Ukrainer in Deutschland liegen: 63 Prozent der erwachsenen Flüchtlinge aus der Ukraine sind Frauen. Für die nordafrikanischen Staaten hat eine Untersuchung 2019 ergeben, dass überproportional viele junge Männer unter den Asylsuchenden sind.
Neben Alter und Geschlecht ist laut kriminologischer Forschung vor allem die sozioökonomische Lage entscheidend für die Frage, ob eine Person kriminell wird oder nicht. So dürfen etwa Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland sofort arbeiten. Personen aus sogenannten "Sicheren Herkunftsstaaten" wie Moldawien und Georgien dürfen nicht arbeiten. Eine Studie hat den Zusammenhang zwischen Aufenthaltsstatus und Kriminalität untersucht: Demnach sind die Kriminalitätsraten von Menschen, die einen unsicheren Aufenthalt haben (Aufenthaltsgestattung und Duldung) deutlich höher als die Kriminalitätsraten von Menschen mit sicherem Aufenthalt (Aufenthaltserlaubnis und Niederlassungserlaubnis). Auch hier lässt sich ein Verbindung zu den Nationalitäten ziehen: Alle Ukrainer bekommen automatisch ein Bleiberecht, Personen aus Marokko, Tunesien, Georgien und Moldawien durchlaufen nur selten erfolgreich ein Asylverfahren.Quelle
Gewalttaten in Flüchtlingsunterkünften und zwischen Flüchtlingen
Eine Studie von 2018 hat die Opfer aufgeklärter Fälle von Gewaltkriminalität mit tatverdächtigen Flüchtlingen untersucht. Darin zeigt sich: Die Gewalttaten der Flüchtlinge haben sich ganz überwiegend unter Personen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit abgespielt. So waren unter den 45 Tötungsdelikten 4 deutsche Opfer, 19 Flüchtlinge als Opfer und 22 anderweitige nichtdeutsche Opfer. Quelle
Einige Bundesländer veröffentlichen in Polizeilichen Kriminalstatistiken den Tatort Asylbewerberunterkunft. Eine Studie aus 2020 hat diese Zahlen untersucht. Demnach zeigte etwa die Polizeistatistik für Bayern für das Jahr 2018, dass die meisten Straftaten von „Zuwanderern“ innerhalb der Unterkunft begangen wurden, und dass in der "Tatörtlichkeit Unterkunft" die größte Anzahl an zugewanderten Opfern erfasst wurde. Ein ähnliches Bild gab es für Hessen.Quelle
Als Gründe für die Kriminalität in Flüchtlingsunterkünften vermuten Forscher: die beengten Wohnverhältnisse in Flüchtlingsunterkünften, Spannungen zwischen einzelnen Gruppen und die schwierigen Lebensbedingungen, wenn die Flüchtlinge über Monate hinweg, teils mit wachsender Frustration, darauf warten, ob und mit welchem Ergebnis über ihren Aufenthalt in Deutschland entschieden worden ist. Quelle
4. Berichten Medien öfter über Straftaten von Ausländern als von Deutschen?
Medien berichten weit häufiger über Gewalt-Delikte von Ausländern, als es ihrem tatsächen Anteil in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik entspricht. Das zeigen mehrere Studien des Medienforschers Thomas Hestermann (2023, 2022 und 2019).
Die neusten Zahlen aus 2023 zeigen bei Gewalt-Delikten:
- In rund einem Drittel der Berichte wird die Herkunft des/der Tatverdächtigen genannt.
- In den Berichten, die die Herkunft nennen, werden Ausländer weit überproportional oft benannt: In Fernsehberichten in 84,2 Prozent und in Zeitungsberichten in 82 Prozent der Fälle, obwohl ihr tatsächlicher Anteil an Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik nur rund einem Drittel entspricht.
- Deutsche Tatverdächtige werden hingegen unterproportional oft dargestellt: Ihr Anteil an Gewalt-Delikten beträgt in Fernsehberichten, die die Herkunft benennen, 15,8 Prozent, in Zeitungsberichten 18,0 Prozent – in der Polizeilichen Kriminalstatistik hingegen 66,7 Prozent.
Auch Polizei nennt Ausländer öfter als Deutsche
Einige Medien übernehmen die Herkunftsnennung der Tatverdächtigen dann, wenn sie auch in der jeweiligen Pressemeldung der Polizei genannt ist. Eine journalistische Analyse hat allerdings am Beispiel der brandenburgischen Polizei gezeigt, dass auch die Polizei Ausländer öfter als Tatverdächtige benennt, als es ihrem tatsächlichen Anteil an der Kriminalstatistik entspricht. Die beiden Statistiken sind nicht direkt miteinander vergleichbar, da die PKS die Anzahl aller ausländischen Tatverdächtigen enthält, während die genaue Anzahl der Beschuldigten nicht in jeder Polizeimeldung bekannt ist. Die Anteile liegen aber so weit auseinander, dass von einer überproportionalen Nennung ausländischer Staatsbürger ausgegangen werden kann.Quelle
Quelle: David /Übermedien (2024): Wie die Polizei mithilfe von Medien die Realität verzerrt, Link
Mediale Verzerrung bei Anschlägen und Terror
Bislang gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu der Frage, ob deutsche Medien bei Anschlägen eher berichten, wenn der oder die Tatverdächtige Ausländer ist, als wenn er oder sie Deutsch ist. Eine journalistische Recherche hat allerdings am Beispiel der Anschläge von München und Mannheim gezeigt, dass Medien doppelt so oft über den Anschlag in München, bei dem der Tatverdächtige ein Ausländer war, berichtet haben. In beiden Fällen fuhr der Attentäter mit einem Auto absichtlich in eine Menschenmenge und tötete jeweils zwei Menschen. Im Falle von München handelte es sich um einen afghanischen Asylsuchenden, der nach aktuellem Erkenntnisstand eine islamistische Motivation gehabt haben könnte. Im Falle von Mannheim um einen Deutschen, der nach aktuellem Erkenntnisstand Kontakte ins rechtsextreme Milieu hatte.Quelle
Von Donata Hasselmann und Andrea Pürckhauer, Grafiken: Carsten Wolf
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