Menschen mit Einwanderungsgeschichte kommen in Medien kaum zu Wort - selbst dann nicht, wenn über sie berichtet wird. In nur 12,3 Prozent der TV- und Zeitungsberichte über Eingewanderte kommen die Betroffenen im O-Ton vor. Zu diesem Ergebnis kommt Thomas Hestermann von der Hochschule Macromedia in einer Expertise für den MEDIENDIENST. Er hat für die Studie die acht reichweitenstärksten Fernsehsender sowie die auflagenstärksten überregionalen Tageszeitungen untersucht.
Die Studie können Sie hier herunterladen.
Unter den untersuchten überregionalen Zeitungen lassen die BILD (6,9 Prozent) und die Süddeutsche Zeitung (9,2 Prozent) Menschen mit Einwanderungsgeschichte besonders selten zu Wort kommen, die taz (22,7 Prozent) und die Welt (20,6 Prozent) am häufigsten. Auch eine starke Lobby haben Menschen mit Einwanderungsgeschichte in den Medien nicht: Pro Asyl etwa kommt nur in 1,2 Prozent der Berichte über das Thema zu Wort, die christliche Kirche und ihre Hilfswerke fast nie (0,2 Prozent).
Jeder vierte Beitrag handelt von einer Gewalttat
Mehr als 25 Prozent der untersuchten Fernseh- und Zeitungsberichte über Menschen mit Einwanderungsgeschichte handeln von Gewalttaten. In nur 2,9 Prozent der Berichte geht es darum, dass sie selber Opfer von Gewalt werden. In einer Studie für den MEDIENDIENST im November 2019 hatte Thomas Hestermann festgestellt, dass die Berichterstattung das Thema Ausländerkriminalität extrem verzerrt: Ausländische Tatverdächtige wurden in Fernsehberichten 19 Mal so häufig erwähnt, wie es ihrem statistischen Anteil entspricht, in Zeitungsberichten sogar 32 Mal so häufig.Quelle
Risiken von Einwanderung stehen im Vordergrund
Auch abseits der Berichte über Gewalttaten stellen die Leitmedien die Risiken von Einwanderung in den Vordergrund: 36,4 Prozent der übrigen Berichte behandeln vor allem Rechtsverstöße, Kosten und "Überfremdung". Berichte über Chancen von Einwanderung gibt es deutlich seltener (15,1 Prozent). Zwischen den einzelnen Medien gibt es deutliche Unterschiede: Die Bild fokussiert besonders auf die Risiken, ähnlich die untersuchten Fernsehsendungen. Die taz und die Welt stellen jeweils ungefähr gleich häufig Chancen und Risiken in den Mittelpunkt, die Welt betont am häufigsten die Chancen der Einwanderung (37,5 Prozent).
Zur Studie: Für die Studie wurden die Hauptnachrichten und Boulevardmagazine der acht reichweitenstärksten Fernsehsender sowie der überregionale Teil der Bundesausgaben der auflagenstarken überregionalen Zeitungen (Bild, Süddeutsche Zeitung, FAZ, Welt, taz) über vier Kalenderwochen im Januar, Februar, März und April 2019 gesichtet. Filterkriterium war entweder eine explizite ausländische Zuordnung (z.B. "Türkin" oder "Kind arabischer Eltern") oder die Nennung eines nur für Nichtdeutsche möglichen Status (z.B. Bürgerkriegsflüchtling, Asylbewerberin) in den jeweiligen Beiträgen.
Von Donata Hasselmann
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