Vertriebene, "Gastarbeiter", Flüchtlinge – immer wieder waren Einwanderer Thema politischer Debatten. Und immer wieder sagten Politiker in Schlüsselpositionen, dass Deutschland mit ihnen überfordert sei. Viele drückten dabei auch ihre Ablehnung gegenüber Migranten aus. Mit ihren Äußerungen prägten Politiker die Migrations- und Integrationsdebatten ihrer Zeit.
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), Mai 1946, auf einer CDU-Veranstaltung: "Das Flüchtlingsproblem ist eines der schrecklichsten Kapitel in der modernen Geschichte unserer Zeit. Ich glaube nicht, dass jemals zuvor zehn, vielleicht sind es zwölf Millionen Menschen, man weiß es gar nicht, so von Haus und Hof und Heim vertrieben worden sind und jetzt hineingepresst werden in ein Land, das hungert, zum Teil zerstört und das überbevölkert ist."
12,5 Millionen Deutschstämmige flohen zwischen 1945 und 1950 aus Ost- und Südosteuropa nach Deutschland. In allen alliierten Besatzungszonen mangelte es an Wohnraum. Deutsche und alliierte Behörden wiesen Einheimische an, vertriebene Familien aufzunehmen – Spannungen und Konflikte blieben nicht aus. Historiker sagen, dass das „Wirtschaftswunder“ der 1950er Jahre ohne die Flüchtlinge und Vertriebenen nicht möglich gewesen wäre. Und dass ihre Integration ohne den Wirtschaftsaufschwung viel schwieriger gewesen wäre.
Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), Januar 1973, Regierungserklärung: "Es ist notwendig geworden, dass wir sehr sorgsam überlegen, wo die Aufnahmefähigkeit unserer Gesellschaft erschöpft ist und wo soziale Vernunft und Verantwortung Halt gebieten."
Ab 1955 schloss die Bundesrepublik mit Italien, Spanien, der Türkei und anderen Ländern Anwerbeabkommen, um den steigenden Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Zwischen 1961 und 1973 wuchs die Zahl der Ausländer in Deutschland von 550.000 auf 2,6 Millionen. Man ging davon aus, dass die sogenannten Gastarbeiter bald wieder zurückgehen würden. Viele von ihnen entschieden sich jedoch zu bleiben und begannen, ihre Familien nachzuholen. Es gab keine Programme, um die Integration und Teilhabechancen für Migranten zu fördern. Die weltweite Ölkrise war schließlich der Anlass, im November 1973 bis auf Widerruf den "Anwerbestopp" zu beschließen.
Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU), Mai 1983, im Bundestag: "Ein konfliktfreies Zusammenleben wird nur möglich sein, wenn die Zahl der Ausländer bei uns begrenzt und langfristig vermindert wird, was vor allem die großen Volksgruppen betrifft."
Seit dem "Anwerbestopp" wurden keine neuen "Gastarbeiter" rekrutiert. Aber der "Anwerbestopp" führte auch dazu, dass die meisten Gastarbeiter sich entschieden, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Wenn sie zurückgingen, hatten sie schließlich keine Chance mehr, erneut als Arbeitsmigranten nach Deutschland zu kommen. Also holten viele ihre Familien nach. Hinzu kamen seit Ende der 1970er Jahre immer mehr Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragten. Familiennachzug und Asylrecht waren de facto die einzigen Möglichkeiten, nach Deutschland zu kommen. Bundesinnenminister Zimmermann machte sich für eine restriktive Ausländerpolitik stark, die Rückkehrprämien vorsah und zugleich das Alter für nachziehende Kinder auf maximal sechs Jahre beschränken sollte.
Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), Oktober 1992, Rede auf dem CDU-Parteitag: "Die Grenze der Belastbarkeit ist überschritten. Die Situation hat sich dramatisch zugespitzt. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, stehen wir vor der Gefahr einer tiefgehenden Vertrauenskrise gegenüber unserem demokratischen Staat, ja – ich sage es mit Bedacht –, eines Staatsnotstandes."
Seit Ende der 1980er Jahre waren die Asylbewerberzahlen in der Bundesrepublik gestiegen. Nach dem Mauerfall erreichten sie einen Höchststand: 1992 beantragten 438.191 Menschen Asyl, fast drei Viertel von ihnen stammten aus Ost- und Südosteuropa. Es folgte eine stark polarisierte Asyldebatte, die begleitet wurde von Gewalt gegen Einwanderer und Asylbewerber. 1993 wurde schließlich der sogenannte Asylkompromiss vom Parlament verabschiedet.
Damaliger SPD-Bundesvorsitzender Oskar Lafontaine, 1996, Interview im "Spiegel": "Zudem muss die von der Union geförderte Aussiedlerzuwanderung gestoppt werden. In den vergangenen Jahren sind über eine Million Aussiedler als Erwerbspersonen zugewandert. Bei über vier Millionen Arbeitslosen ist das unverantwortlich!"
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion stieg die Zahl der Deutschstämmigen, die nach Deutschland einwanderten. Sie hatten zuvor in Ost-, Südosteuropa und Asien gelebt. Rund 1,7 Millionen (Spät-)Aussiedler wanderten zwischen 1990 und 1996 ein. Im Gegensatz zu anderen Einwanderern erhielten sie automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft und damit Zugang zu denselben Bürgerrechten wie Einheimische.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, Dezember 2013, Pressemitteilung: "Europa darf uns nicht dabei behindern, wenn wir Armutszuwanderung national regeln wollen."
Seit dem 1. Januar 2014 können Rumänen und Bulgaren wie andere EU-Bürger im Rahmen der Freizügigkeit nach Deutschland einwandern. Zuvor hatte Deutschland von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Freizügigkeit für Bulgarien und Rumänien nach ihrem EU-Beitritt sieben Jahre lang einzuschränken. Der Jahreswechsel 2013/14 war geprägt von einer Diskussion über einen möglichen "Sozialtourismus" und "Armutszuwanderung". Die Befürchtungen haben sich nicht bestätigt. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verlief die Arbeitsmarktintegration von Bulgaren und Rumänen 2014 positiv.
Horst Seehofer (CSU), Bayerischer Ministerpräsident, Juli 2015, Rede im Bayerischen Landtag: "Wir kommen angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit, Belastungsfähigkeit. Das gilt für alle Ebenen, trotz aller Anstrengungen."
2015 haben rund 480.000 Schutzsuchende einen Asylantrag gestellt. Damit gab es erstmals mehr Asylanträge als beim bisherigen Höchststand 1992. Die meisten Asylbewerber sind vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen.
Vergleicht man Merkels "Wir schaffen das" mit den Aussagen ihrer Amtsvorgänger und anderer Politiker wird deutlich: Merkel bezieht nicht Stellung für oder gegen Einwanderung. Vielmehr drückt sie Zuversicht aus, dass Deutschland die Aufnahme von vielen Flüchtlingen meistern wird. Das reicht offenbar, um heftige politische Diskussionen auszulösen.
Von Jenny Lindner
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