2013 sorgte eine Meldung des Deutschen Städtetags für Wirbel: Die Kommunen beklagten, dass sie mit einer wachsenden "Armutszuwanderung" alleingelassen würden. Die Debatte läuft seither weiter. Die Migration aus vergleichsweise armen Ländern im Süden und Osten Europas führt mitunter zur Sorge vor einer wachsenden Armut in deutschen Städten. Die Bundesregierung bestätigte kürzlich: Die europäische Binnenmigration stelle deutsche Kommunen vor Probleme bei der Gesundheitsversorgung, sowie auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt.
Anfang 2014 hat die Große Koalition einen Staatssekretärsausschuss eingesetzt, der Lösungen vorschlagen und Förderprogramme in Gang setzen soll. In einer sogenannten Unterrichtung hat die Bundesregierung den Zwischenbericht des Ausschusses zusammengefasst. Darin kündigt sie an, dass Kommunen mit besonders vielen Einwanderern aus EU-Staaten künftig stärker unterstützt werden. In den nächsten Jahren sollen mehr als 200 Millionen Euro bereitgestellt werden.
Was aber brauchen Kommunen und Städte, damit die Integration der Neueingewanderten vor Ort gelingt? Der Mediendienst Integration hat im April Journalisten und Experten zu einem Gespräch eingeladen, um diese Frage zu diskutieren.
"Im Vergleich zu anderen EU-Ländern kamen zu uns nur unterdurchschnittlich viele Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien, weil wir die volle Freizügigkeit erst später eingeführt haben. Die meisten, die gekommen sind, sind Studierende oder arbeiten als Saisonarbeiter und Fachkräfte, die wir dringend brauchen", sagte etwa Ulrich Maly, Präsident des Deutschen Städtetags. "Aber natürlich darf man die Augen vor den Problemen der Zuwanderung von Menschen aus prekären Schichten nicht verschließen. Einige Kommunen stellt das vor erhebliche Probleme." Insofern sei es zu begrüßen, dass finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.
"Die Frage wird sein, ob das Geld, das über EU-Fördertöpfe bereitgestellt werden soll, vor Ort auch zieladäquat eingesetzt werden kann", so Maly. Insgesamt brauche es einen Mix an Maßnahmen: In Städten und Kommunen müssten sich Zuständige für bessere Angebote zur Integration von Neuzuwanderern engagieren. Auch brauche es konkrete städtebaulichen Maßnahmen. "Wir müssen also in Menschen investieren und in Steine und Beton, um das Wohnumfeld zu verbessern."
Die Integrationsangebote sind sehr gefragt
Karin Weiss, Abteilungsleiterin im Integrationsministerium von Rheinland-Pfalz, warnte eindringlich vor einem Abdriften der Debatte: "Wir müssen aufhören, über die Roma zu reden und stattdessen problematische Strukturen hinterfragen", sagte Weiss. Beim Thema Scheinselbstständigkeit etwa müsse man sich fragen, wer die Anträge professionell ausfülle, mit denen Neueinwanderer in Behörden ankommen. Auch seien konkrete Maßnahmen für einzelne Gruppen wie Roma eher stigmatisierend, als hilfreich. "Ein Aktionsplan zur Integration von Roma hat zur Folge, dass Menschen sich als solche outen müssen", so Weiss.
Auch für Manfred Schmidt, den Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, kreist die Debatte zu sehr um das Schlagwort Armutsmigration. Dabei gebe es in Deutschland sehr unterschiedliche Einwanderergruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Der Chef des Bundesamts weist auf die zahlreichen bestehenden Angebote hin, wie etwa die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE), die 2013 rund 240.000 Personen erreicht habe. An den Integrationskursen des Bundesamts hätten in 2012 und 2013 rund 13.300 Menschen aus Rumänien und Bulgarien teilgenommen, sowie weitere 15.000 aus Südeuropa (Italien, Spanien, Griechenland).
Die Nachfrage nach Deutschkursen ist in den vergangenen Jahren dermaßen gestiegen, dass die Mittel für "berufsbezogenes Deutsch" aus dem Europäischen Sozialfonds bereits aufgebraucht sind, wie Medienberichten zu entnehmen war. Insgesamt werten die Experten die hohen Einwanderungsraten als positives Zeichen und plädieren für einen sachlichen Umgang mit schwierigen Begleiterscheinungen in einzelnen Städten – ohne ethnisierende Debatten. "In Rheinland-Pfalz haben wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Rumänen", sagt Karin Weiss, "ohne dass das zu besonderen Problemen führt".
Von Ferda Ataman, MDI
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