Im Eiltempo haben Bundestag und Bundesrat in dieser Woche neue Asylrechtsreformen beschlossen. Nach monatelangen Beratungen wurde das Asylpaket II nun innerhalb von einer Woche verabschiedet. Unter anderem sollen damit Menschen, die nur geringe Chancen auf Asyl haben, schneller abgeschoben werden können.
Wer zum Beispiel aus einem "sicheren Herkunftsstaat" kommt, hat kaum Chancen darauf, dass sein Asylantrag Erfolg hat. Zu diesen Staaten wurden per Gesetz unter anderem die Westbalkan-Länder, Ghana und Senegal ernannt. Wer von dort kommt, soll in Zukunft in speziellen Unterkünften bleiben, bis über seinen Asylantrag entschieden ist. Im Gesetzentwurf werden diese Unterkünfte "besondere Aufnahmeeinrichtungen" genannt.
Innerhalb von einer Woche soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in diesen Einrichtungen über Asylanträge entscheiden. Nach spätestens drei Wochen soll die Entscheidung rechtskräftig sein. Wird der Asylantrag abgelehnt, sollen die Betroffenen Deutschland direkt wieder verlassen müssen. Bisher wurden auch Flüchtlinge mit geringen Anerkennungs-Chancen auf die Kommunen verteilt. Dieser Schritt soll nun entfallen.
Asylantrag soll unattraktiver werden
In den "besonderen Aufnahmeeinrichtungen" gilt eine verschärfte Residenzpflicht. Das heißt, Asylbewerber dürfen den Landkreis, in dem die Einrichtung liegt, nicht verlassen. Wer dagegen verstößt, riskiert, dass sein Asylantrag nicht weiter bearbeitet wird. Zudem zahlen seit dem Asylpaket I manche Bundesländer den Schutzsuchenden in solchen Einrichtungen kein Bargeld aus. Sie erhalten stattdessen Sachleistungen, zum Beispiel Einkaufsgutscheine.
Dadurch soll ein Asylantrag in Deutschland möglichst unattraktiv werden für Flüchtlinge mit geringen Bleibechancen. Mit diesem Ziel wurden die aktuellen Gesetzesänderungen schon Mitte letzten Jahres auf den Weg gebracht. Vor dem Hintergrund hoher Zuwanderungszahlen aus dem Kosovo einigten sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer damals auf neue Asylrechtsverschärfungen. Inzwischen sind die Zahlen der Kosovo-Flüchtlinge stark zurückgegangen.Quelle
Die ersten beiden Einrichtungen dieser Art wurden in Bayern eröffnet, und zwar in Manching und Bamberg. Dort wurde eine landeseigene Aufnahmeeinrichtung ergänzt um jeweils eine Außenstelle des BAMF und des Verwaltungsgerichts. So kann das komplette Asylverfahren an einem Ort stattfinden.
Drei bis fünf solcher Zentren sollen laut Planungen der Bundesregierung in Zukunft im ganzen Bundesgebiet aufgebaut werden. Hier sollen nicht nur Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" untergebracht werden, sondern auch solche, die einen Folgeantrag stellen oder mutmaßlich nicht genügend kooperieren – zum Beispiel weil sie ihre Personalpapiere vernichtet oder falsche Angaben im Asylverfahren gemacht haben könnten.
Welche Kritik gibt es?
Verbände und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Pro Asyl und die Diakonie kritisieren das Asylpaket II. Das bezieht sich vor allem auf folgende Punkte:
Kurze Fristen: Eine Woche soll das Asylverfahren maximal dauern. Danach höchstens zwei Wochen bis die Entscheidung rechtskräftig ist. Pro Asyl kritisiert: "Die Erfahrung aus der Arbeit der psychosozialen Zentren zeigt, dass traumatisierte Menschen viel mehr Zeit als eine Woche brauchen, um stabil genug für eine Anhörung zu sein."
Rechtsberatung: Eine effektive Rechtsberatung durch Asylanwälte ist verfassungsrechtlich vorgeschrieben, betont der Deutsche Anwaltverein. "An den vorgesehenen Orten (Manching, Bamberg) kann dies zum heutigen Zeitpunkt sicher nicht gewährleistet werden".
Residenzpflicht: Wenn Asylbewerber unerlaubt den Landkreis verlassen, in dem die Einrichtung liegt, kann das als Rücknahme ihres Asylantrags gewertet werden. Der Zugang zu rechtlicher Beratung und Dolmetschern würde dadurch unterlaufen, urteilt das Deutsche Institut für Menschenrechte.
Unterbringung: Der Diakonie zufolge seien die geplanten Gesetze "kontraproduktiv". Gute Standards bei der Unterbringung könnten so nicht hergestellt werden. Besonders bei den bestehenden Einrichtungen in Bayern seien die Defizite sichtbar: Zu viele Menschen seien dort einquartiert, auch schwangere Frauen und Säuglinge, kritisiert die bayerische Diakonie.
Einige Juristen sehen die Reformen jedoch im Einklang mit geltendem Recht: So sagte der Rechtswissenschaftler Daniel Thym bei einer Anhörung im Bundestag, die Änderungen seien "weniger dramatisch als viele denken". Die Schnellverfahren seien eine "Kann-Bestimmung". Eine Einzelfallprüfung sei weiterhin nicht ausgeschlossen.
Kritik übte hingegen die Juristin Astrid Wallrabenstein in einem Expertengespräch des MEDIENDIENSTES. Schon im ersten Asylpaket seien neue "sichere Herkunftsstaaten" festgelegt worden. Nun werde das auch noch mit einer Sonderbehandlung verknüpft. Die "Schnell-Abfertigungszentren" widersprächen dem Grundsatz der Gleichbehandlung, so Wallrabenstein.
Von Carsten Janke
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