Die Gewalt in Afghanistan eskaliert, die Taliban haben die Macht an sich gerissen. Laut Schätzungen des UNHCR verlassen 20.000 bis 30.000 Menschen pro Woche Afghanistan über die Landesgrenzen.
Afghan*innen bilden die drittgrößte Flüchtlingsgruppe der Welt – nach Syrer*innen und Venezuelaner*innen. Viele von ihnen sind schon seit mehreren Generationen auf der Flucht: Seit mehr als hundert Jahren herrscht im zentralasiatischen Land immer wieder Krieg. Viele Afghan*innen werden deshalb schon als Flüchtlinge geboren.Quelle
1. In welchem Land leben die meisten afghanischen Flüchtlinge?
Die meisten leben nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR in den Nachbarländern Pakistan (etwa 1,4 Millionen Menschen) und Iran (780.000 Menschen). Die Zahl der unregistrierten afghanischen Flüchtlinge in den zwei Ländern sollte dennoch viel höher sein. Deutschland hat die drittgrößte Community der afghanischen Diaspora mit etwa 181.000 Personen.Quelle
2. Wie kommen afghanische Flüchtlinge nach Europa?
Die meisten haben Europa über die sogenannte östliche Mittelmeer-Route erreicht: Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR schätzt, dass zwischen 2015 und 2021 (Stand: Juni 2021) rund 300.000 Afghan*innen in Griechenland angekommen sind.Quelle
3. Wie viele suchen Schutz in Deutschland?
Schon seit mehr als 30 Jahren zählt Afghanistan zu den Ländern, aus denen Geflüchtete nach Deutschland kommen. Die Zahl der Anträge stieg 2016 rasant, fiel aber schnell wieder zurück.Quelle
4. Wie viele haben Schutz in Deutschland erhalten?
Rund 150.000. Von ihnen haben mehr als die Hälfte nur ein sogenanntes Abschiebungsverbot erhalten, weil im Herkunftsland "konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit" besteht. Sie bekommen ein Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr (unbegrenzt verlängerbar) und dürfen nur in Ausnahmefällen Ehepartner*innen oder Kinder nach Deutschland nachziehen lassen.Quelle
Viele afghanische Asylbewerber*innen mussten vor Gericht ziehen, um ihren Anspruch auf Schutz geltend zu machen. Im ersten Halbjahr 2021 haben die Gerichte in drei Viertel der Fälle, in denen es zu einem Urteil kam, zugunsten der Kläger*innen entschieden. Bei den Verfahren ging es darum, ob die Menschen Schutz erhalten oder darum, den Schutzstatus zu verbessern.Quelle
5. Wie geht das BAMF aktuell mit Asylanträgen von Afghan*innen um?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat Anträge von afghanischen Staatsangehörigen "rückpriorisiert". Das bedeutet, dass die Behörde derzeit nicht über Asylverfahren von Afghan*innen entscheidet. Angesichts der dramatisch verschärften Sicherheitslage wartet das BAMF einen neuen Lagebericht des Auswärtiges Amtes ab.Quelle
6. Wie viele Geflüchtete sind minderjährig?
Sie sind überwiegend männlich und im Durchnitt jünger als andere Flüchtlingsgruppen: Etwa ein Drittel von ihnen sind minderjährig.Quelle
Viele von ihnen sind als "minderjährige unbegleitete Flüchtlinge" nach Deutschland gekommen. Von allen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die seit 2015 in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, kamen nach Angaben des Bundesfachverbands Minderjährige Flüchtlinge (BUMF) ein Drittel aus Afghanistan.Quelle
7. Wie viele besuchen eine Schule?
Laut einer Befragung aus dem Jahr 2016 waren etwa ein Drittel von ihnen nie in der Schule, da sie schon lange auf der Flucht sind. Viele von ihnen können deshalb weder lesen noch schreiben. Einige weisen außerdem Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf, die ihre Laufbahn deutlich erschwert hat. Dennoch besuchen viele Afghan*innen deutsche Schulen: rund 39.000 Afghan*innen besuchen allgemeinbildende Schulen, weitere 28.700 eine berufliche Schule (Schuljahr 2019/2020).Quelle
8. Warum machen so viele Afghan*innen eine Ausbildung?
Viele afghanische Geflüchtete in Deutschland haben in den letzten Jahren eine Ausbildung angefangen. Das liegt unter anderem daran, dass sie dadurch eine bessere Bleibeperspektive haben.Quelle
9. Wie viele haben eine Arbeit gefunden?
Viele von ihnen haben inzwischen auch eine Arbeit. Zwar gilt ein Großteil von ihnen noch als "arbeitssuchend" (etwa, weil sie einen Sprachkurs besuchen und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen). Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter den afghanischen Flüchtlingen ist aber in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Im Vergleich zu anderen Flüchtlingsgruppen haben Afghan*innen eine besonders hohe Erfolgsquote auf dem Arbeitsmarkt.Quelle
10. Wie viele müssen Deutschland verlassen?
Etwa 29.000 Afghan*innen in Deutschland gelten als "ausreisepflichtig". Das heißt, sie wurden aufgefordert, das Land zu verlassen. Direkt nach Afghanistan wurden seit 2016 etwa 1.000 Afghan*innen agbeschoben. Diese Abschiebungen fanden im Rahmen eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und der afghanischen Regierung statt. In dieser Zeit sind etwa 2.100 Afghan*innen im Rahmen des Förderprogramms REAG/GARP "freiwillig" zurück nach Afghanistan gegangen. Nachdem das Bundesinnenministerium bis vor kurzem auf weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan drängte, folgte die Kehrtwende: Abschiebungen nach Afghanistan sind vorerst ausgesetzt.Quelle
Von Fabio Ghelli, Carsten Janke, Andrea Pürckhauer und Antonia Hafner
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