Deutschland, Schweden, Finnland und die EU haben im Oktober 2016 mehrere Rückübernahme-Abkommen mit der afghanischen Regierung unterschrieben. Seitdem ist die Zahl der Asylbewerber, die freiwillig oder durch Abschiebung zurückkehren, stark gestiegen. Allein aus Deutschland gab es 2016 nach Angaben des Bundesinnenministeriums 67 Abschiebungen und rund 3.300 "freiwillige" Ausreisen im Rahmen des REAG/GARP Programms. Zum Vergleich: 2015 wurden aus Deutschland neun Personen zwangsweise nach Afghanistan zurückgeführt, 309 sind "freiwillig" gegangen. Auch Schweden und Norwegen schieben deutlich mehr Afghanen ab: 2016 hat sich in beiden Ländern die Zahl der Rückführungen nahezu verfünffacht.
Doch die Sicherheitslage in Afghanistan wird immer prekärer, sagen internationale Organisationen. Im Dezember 2016 schrieb das UN-Flüchtlingswerk UNHCR in einem Bericht, dass sich die Situation im Laufe des Jahres „deutlich verschlechtert“ habe.
Dem Bericht zufolge bekämpfen sich derzeit mehrere „aufständische Kräfte“ gegenseitig – unter anderem die Taliban und die afghanischen Kämpfer des "Islamischen Staates". Dabei schrecken sie nicht vor großangelegten Angriffen zurück. Die Zahl der zivilen Opfer erreichte 2016 nach Angaben der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) einen neuen Höhepunkt: Fast 3.500 Todesopfer und rund 8.000 Verletzte. Eine Einteilung in sichere und unsichere Regionen lehnt der UNHCR ab.
Neue Spannungen durch Abschiebungspolitik
Die Abschiebungspolitik vieler Länder könnte die Situation weiter verschärfen. Das zeichnet sich bereits jetzt in Regionen wie Kabul ab. Viele zurückgekehrte Flüchtlinge und Binnenvertriebene sind dorthin gezogen – was zu steigenden Spannungen geführt hat, berichtet der UNHCR.
Neben abgelehnten Asylbewerberbern, die aus der EU zurückkehren, muss Afghanistan auch immer mehr afghanische Flüchtlinge aus Pakistan und dem Iran aufnehmen. Allein im Jahr 2016 sind aus diesen zwei Ländern laut Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) fast 700.000 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Nach steigenden sozialen Unruhen haben beide Länder den Druck auf die afghanischen Flüchtlinge erhöht, damit sie in die Heimat zurückkehren.
Thomas Ruttig, Ko-Direktor des "Afghanistan Analyst Networks", bemängelt zudem den Umgang mit abgeschobenen Afghanen: Obwohl sie von Vertretern der deutschen Botschaft und der IOM am Flughafen in Kabul in Empfang genommen werden, bekämen sie im Anschluss keine Unterstützung bei der Wiedereingliederung in das Land.
Von Fabio Ghelli
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