Nachdem die Flüchtlingszahlen in Europa ihren Höhepunkt erreicht hatten, verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2016 die "New Yorker Erklärung". Darin erklärten sich die Mitgliedstaaten bereit, enger zu kooperieren, um Migration zu steuern und die Rechte von Migranten und Flüchtlingen zu schützen.
Aus der Erklärung gingen zwei "Globale Pakte" hervor, die in Kürze angenommen werden sollen: der Migrationspakt und der Flüchtlingspakt. Der Migrationspakt beschäftigt sich vor allem mit der Bekämpfung der irregulärer Migration und der Schaffung von regulären Wanderungswegen. Im Flüchtlingspakt haben sich die UN-Mitgliedstaaten auf vier Ziele geeinigt:
- Flüchtlinge weltweit besser verteilen und somit den Druck auf bestimmte Aufnahmeländer mindern,
- Flüchtlingen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, etwa durch Zugang zum Arbeitsmarkt
- die Umsiedlung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in sichere Staate (Resettlement),
- Bedingungen für eine sichere und menschenwürdige Rückkehr schaffen.
Der Flüchtlingspakt sei der erste Versuch, globale Lösungen für ein Problem zu finden, das keineswegs neu sei, sagte UNHCR-Sprecher Martin Rentsch bei einem Pressegespräch des MEDIENDIENSTES: "Europa ist erst vor Kurzem mit einer erheblichen Fluchtsituation konfrontiert gewesen. Das hat dazu beigetragen, dass auch westliche Staaten Flucht und Vertreibung wieder verstärkt als globale und gemeinsame Herausforderung erkannt haben. Weltweit sind Flüchtlinge aber seit Langem eine Herausforderung für die Staaten des sogenannten Globalen Südens, wie etwa Libanon, Uganda oder Jordanien."
Knappe Ressourcen, schlechte Lebensbedingungen
Wie sich die Lage in Krisengebieten entwickeln werde, sei nur schwer vorherzusehen. Es sei allerdings möglich, Fluchtsituationen durch eine bessere internationale Kooperation effizienter und humaner zu regeln, sagte Rentsch. Den rechtlichen Rahmen dafür bieten bereits mehrere internationale Abkommen wie etwa die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. Neue rechtlich bindende Vereinbarungen seien deshalb nicht nötig. Vielmehr solle der Pakt eine Blaupause für die internationale Kooperation in der Flüchtlingshilfe werden, so Rentsch.
Der Migrationsforscher Marcus Engler hingegen ist skeptisch, ob ein Flüchtlingspakt ausreicht. "Der globale Flüchtlingsschutz ist sehr fragil." Internationale Organisationen wie etwa das UN-Flüchtlingshilfswerk seien chronisch unterfinanziert. Zudem fahren mehrere Länder ihre Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge zurück, so Engler. Als Beispiel nannte er Resettlement-Programme, mit denen besonders schutzbedürftige Menschen in sichere Länder umgesiedelt werden können. In diesem Jahr hätten bis Ende Oktober nur rund 46.000 Menschen von solchen Programmen profitiert. Laut UNHCR steht dem ein Bedarf von ungefähr 1,2 Millionen Resettlement-Plätzen weltweit gegenüber.
Zwar würde die Zahl der von europäischen Staaten über solche Programme aufgenommenen Flüchtlinge langsam steigen. Dennoch gibt es seit 2017 global gesehen einen deutlichen Rückgang der Resettlement-Kapazitäten. Der Grund: Die USA haben unter Präsident Donald Trump ihr Kontingent deutlich reduziert. Damit wird die ohnehin gewaltige Lücke zwischen dem, was benötigt wird, und dem, was die westlichen Länder diesbezüglich leisten, noch größer.
"Flüchtlinge sind für uns keine Belastung"
Länder, die in der Vergangenheit viele Flüchtlinge aufgenommen haben, erhoffen sich durch den Flüchtlingspakt Verbesserungen. So auch Uganda. Über eine Million Schutzsuchende leben dort – vor allem Kriegsflüchtlinge aus dem Sudan. "Uganda wird sehr oft als positives Beispiel für gelungene Flüchtlingsintegration genannt. Das macht uns stolz", sagte der Ugander Botschaftsrat Fred Moses Mukhooli. Das liege vor allem daran, dass Flüchtlinge dort die Möglichkeit haben, sich frei im Land zu bewegen und einen Job zu suchen. In bestimmten Fällen weist ihnen der Staat auch ein Stück Land zu.
"Weil sie arbeiten können, werden Flüchtlinge in Uganda tendenziell nicht als Belastung angesehen", so Mukhooli. Außerdem sei die internationale Flüchtlingshilfe zu einem wichtigen Entwicklungsfaktor geworden, denn mit diesen Mitteln können auch nötige Infrastrukturen gebaut werden. Das kann aber auch zum Problem werden, wie ein aktueller UN-Bericht zeigt: Laut einem soll es im Land mehrere Betrugsfälle mit Mitteln der Flüchtlingshilfe gegeben haben.
Für Uganda und andere Aufnahmeländer im Globalen Süden könnte der Flüchtlingspakt eine große Hilfe sein, sagte Mukhooli: Nicht nur würde die Flüchtlingshilfe besser koordiniert und verteilt werden. Es würden auch Möglichkeiten geschaffen, um den Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu erleichtern – etwa durch Förderprogramme.
Die Kritik bleibt weitgehend aus
Anders als im Fall des UN-Migrationspakts gab es bislang nur vereinzelt Kritik an dem Flüchtlingspakt. Einen Grund dafür sieht Oliviero Angeli, Koordinator des "Mercator Forum Migration und Demokratie" (MIDEM), darin, dass rechtspopulistische Parteien den Pakt bislang weitgehend ignoriert haben: "Für Rechtspopulisten sind die meisten Menschen, die als Asylsuchende nach Europa gelangen, gar keine Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten. Deshalb konzentriert sich ihre Kritik bis jetzt fast ausschließlich auf den Migrationspakt."
Ein weiterer Grund könnte sein, dass die USA, die die Kritik am Migrationspakt angestoßen haben, in Bezug auf den Flüchtlingspakt versöhnlichere Töne angeschlagen haben. Und die österreichische Regierung, die sich in Europa als einer der stärksten Kritiker des Migrationspakts profiliert hatte, kündigte an, dass sie den Flüchtlingspakt unterstützen werde.
Von Fabio Ghelli
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.