Weltweit gab es 2015 rund 65,3 Millionen Flüchtlinge. Große Erwartungen richteten sich deswegen im Herbst 2016 auf den ersten Gipfel der Vereinten Nationen zu Flucht und Migration. In der Tat haben die Mitgliedstaaten sich mit ihrer "New Yorker Erklärung" nach der Konferenz zu einem besseren Schutz der Rechte von Flüchtlingen und Migranten sowie zu verstärkten Integrationsmaßnahmen bekannt. Länder, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen, sollen stärker unterstützt werden. Der damalige US-Präsident Barack Obama hatte nach der UN-Konferenz zu einem weiteren Gipfel geladen, bei der sich Staaten zu besseren finanziellen Leistungen für Flüchtlinge verpflichteten. Vieles blieb bei Absichtserklärungen, allerdings sollen in den nächsten zwei Jahren zwei Abkommen zu Flucht und Migration aufgrund der beiden Gipfel abgeschlossen werden.
Wo sind eigentlich die Rechte von Flüchtlingen und Migranten auf internationaler Ebene verankert? Wer als Flüchtling gilt und daher Schutz in einem anderen Staat benötigt, regelt immer noch die „Genfer Flüchtlingskonvention” (GFK) von 1951. Doch sie gilt nicht für alle Menschen, die geflüchtet sind: In der aktuellen Debatte wird oft übersehen, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge im eigenen Land oder in Nachbarländern bleibt, die zum Teil die GFK gar nicht oder nicht vollständig unterschrieben haben. Insgesamt befinden sich knapp 86 Prozent aller Flüchtlinge in Entwicklungsländern. Genau wie Binnenflüchtlinge werden auch Umweltflüchtlinge nicht durch die GFK geschützt, was immer wieder auf Kritik stößt, zumal die Genfer Flüchtlingskonvention von manchen Staaten sogar in Frage gestellt wird.
Beim Thema Arbeitsmigration ist die Rechtslage noch schwieriger: Die „UN-Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ besteht selbst 26 Jahre nach ihrer Verabschiedung praktisch nur auf dem Papier, weil die Aufnahmeländer sie nicht unterzeichnen.
Bestehende Gesetze und Regelungen greifen häufig nicht
Prof. Dr. KARL-HEINZ MEIER-BRAUN, der ehemalige Integrationsbeauftragte des Südwestrundfunks (SWR), ist Mitglied im "Rat für Migration" und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Landesverband Baden-Württemberg. Vor kurzem erschien sein Buch "Schwarzbuch Migration. Die dunkle Seite unserer Flüchtlingspolitik".
Wie kann die UN die Rechte von Flüchtlingen und Migranten durchsetzen? Um die Flüchtlinge kümmert sich der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) mit Sitz in Genf. Allerdings kämpft der UNHCR ständig mit personellen und finanziellen Problemen. Das liegt daran, dass das Flüchtlingshilfswerk nur zwei Prozent seiner Gelder aus dem UN-Budget erhält. Der Rest – mehr als eine Milliarde Dollar im Jahr – muss freiwillig von Geberländern geholt werden. In den Flüchtlingslagern rund um Syrien mussten beispielsweise schon in der Vergangenheit die Nahrungsmittelrationen gekürzt werden, weil nicht mehr genügend finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Der UNHCR hat auch keine Möglichkeiten, Verstöße beispielsweise gegen die GFK zu ahnden.
Seit 2006 gibt es außerdem einen Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Internationale Migration und Entwicklung, der sich für Flüchtlinge und Migranten einsetzt. Und 2015 wurden im Rahmen der UN die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beschlossen, die unter anderem den Schutz der Arbeitsrechte von Wanderarbeitnehmern oder die Förderung regulärer und sicherer Migration enthalten.
Es gibt keine zentrale Institution mit UN-Mandat für Migration
Aber es fehlt eine zentrale Institution mit einem UN-Mandat im Bereich Migration und Flucht. In New York ist man einen Schritt vorangekommen, indem die Internationale Organisation für Migration (IOM) als Agentur für Fragen von Migration und Flucht von den Vereinten Nationen als "angeschlossene Organisation" anerkannt wurde. Die IOM hat ihre Position in den letzten Jahren stärken und ihr Personal auf 9.500 Mitarbeiter fast vervierfachen können. Dadurch ist eine Konkurrenzsituation zum UNHCR entstanden. Im Gegensatz zum UN-Flüchtlingswerk ist die IOM der UN-Vollversammlung jedoch keine Rechenschaft schuldig und arbeitet als Dienstleister im Auftrag der einzelnen Mitgliedstaaten. Ihre "freiwilligen Rückführungsprogramme" und ihr zum Teil restriktives "Migrationsmanagement" stehen immer wieder in der Kritik.
Von den bis zu 50 Institutionen, die international im Migrationsbereich arbeiten, ist vor allem die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) als fester Bestandteil der Vereinten Nationen zu nennen, die sich nach eigener Aussage für „die Schaffung von menschenwürdiger Arbeit als eine zentrale Voraussetzung für die Armutsbekämpfung“ einsetzt. Es bleibt abzuwarten, wie sich insgesamt die Zuständigkeiten im nicht ganz übersichtlichen internationalen Migrationsbereich verschieben werden.
Nicht nur in der europäischen Migrationspolitik, sondern auch international hat Deutschland eine wichtige Rolle eingenommen. Mit Marokko hat es 2017 und 2018 den Vorsitz im Globalen Forum für Migration und Entwicklung (GFMD) inne, das 2007 gegründet wurde. In diesem Jahr steht die Arbeit unter dem Motto "Auf dem Weg zu einem globalen Gesellschaftsvertrag für Migration und Entwicklung." Dabei soll vor allem der Interessensausgleich im Rahmen regulärer und geordneter Migration zwischen Migranten und ihren Herkunfts-, Transit- und Zielländern behandelt werden. Ein Gipfel wird vom 28. bis 30. Juni auf Ministerebene in Berlin stattfinden. Allerdings haben die Beschlüsse des GFMD nur empfehlenden Charakter. Wie das federführende Auswärtige Amt mitteilt, soll auch die Zivilgesellschaft während des Gipfels Raum für einen offenen Dialog erhalten. Wünschenswert ist, die Migrantinnen und Migranten sowie ihre Organisationen bei diesem und folgenden Gipfeln mit einzubeziehen.
Deutschland ist wichtig für die internationale Migrationspolitik
Deutschland leistet auch einen wichtigen Beitrag, um die Datenlage im Bereich Migration und Flucht zu verbessern. Diese Zahlen sind für politische Entscheidungen, aber auch für das Stimmungsbild in der Bevölkerung von Bedeutung. Nach Angaben der IOM liefert nur eins von vier Ländern weltweit belastbare Zahlen. Deshalb wurde jetzt in Berlin von der IOM, mit Unterstützung der Bundesregierung, ein Datenerfassungssystem (Global Migration Data Analysis Center – GMDAC) eingerichtet.
Es bleibt abzuwarten, ob bis 2018 konkrete Abkommen folgen oder wieder vieles im Bereich der Absichtserklärungen bleibt. Chancen eines Neubeginns sind auf jeden Fall vorhanden. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die Nationalstaaten, die nach wie vor auf ihre Zuständigkeit in der Migrations- und Flüchtlingspolitik pochen, die Verantwortung für Lösungsansätze auf die Vereinten Nationen und ihre Institutionen schieben, sich ihrer Verantwortung aber entziehen. Um einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der sogenannten Migrationskrise leisten zu können, muss die internationale Völkergemeinschaft auf jeden Fall die Rolle der Vereinten Nationen stärken und den UNHCR besser ausstatten. Außerdem sollten Fluchtursachen auch entwicklungspolitisch angegangen werden. Hier wird sich die Bundesregierung klar positionieren müssen, wie die „Stiftung Wissenschaft und Politik" in einer aktuellen Studie fordert.
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