Mit einer Reform des Staatsbürgerschaftsrechts will die Bundesregierung Einbürgerungen erleichtern. Dazu gehört, dass die für die Einbürgerung erforderliche Aufenthaltsdauer von derzeit acht auf fünf Jahre verkürzt werden soll. Außerdem soll die dopplete Staatsbürgerschaft künftig nicht nur bei einem bestimmten Personenkreis möglich sein. In den nächsten Wochen will das Kabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, doch einige Punkte sind in der Koalition noch umstritten. Indessen stapeln sich in den Einbürgerungsbehörden zehntausende Einbürgerungsanträge.
Wird das reformierte Einbürgerungsrecht mehr Menschen helfen, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen? Welche Hürden müssen Antragsteller*innen noch überwinden? Darüber haben Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis bei einem Online-Pressegespräch des MEDIENDIENSTES diskutiert.
Peter Schlotzer – Dozent für Staatsangehörigkeitsrecht und Einbürgerungsrecht und Beamter beim Regierungspräsidium Darmstadt
Die Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht werden dazu führen, dass viel mehr Menschen Anspruch auf den deutschen Pass haben. Zum einen wegen der Verkürzung der Aufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre. Eine große Rolle spielt außerdem, dass die Mehrstaatigkeit weiter geöffnet werden soll. Viele türkische Staatsangehörige haben bisher keinen deutschen Pass beantragt, weil sie ihre türkische Staatsbürgerschaft behalten wollten. Da ist mit einem großen Andrang zu rechen: Viele werden schnell den Antrag auf Einbürgerung stellen in der Befürchtung, dass das Gesetz auch wieder geändert werden kann. Ich rechne wegen der Änderungen bei der Mehrstaatigkeit auch mit mehr Anträgen von Menschen aus Russland, Pakistan, den USA und Serbien. Das größte praktische Problem wird sein, dass viele Behörden nicht so aufgestellt sind, dass sie das bewältigen können. Selbst wenn wir Stellen bewilligt bekommen, wird es schwer, Personal zu finden. Der Fachkräftemangel betrifft auch den öffentlichen Dienst.
Prof. Dr. Tarik Tabbara – Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR)
In den Einbürgerungsrichtlinien hieß es bis in die 1990er Jahre: „Die BRD ist kein Einwanderungsland. Sie strebt nicht an, die Anzahl der deutschen Staatsangehörigen gezielt durch Einbürgerung zu vermehren.“ Im Jahr 2000 hat die rot-grüne Bundesregierung die Tür ein Stück weit geöffnet. Doch inzwischen haben die Scharniere ordentlich Rost angesetzt, das Einbürgerungsrecht wurde durch Praxis und Gesetzgeber wieder verschärft. Mit der kommenden Reform brauchen wir ein klares Signal an Betroffene und Behörden, dass Einbürgerung erwünscht ist. Dafür ist ein Einbürgerungsrecht nötig, das leichter zu handhaben ist. Die Identität wird bereits für den Aufenthaltstitel geklärt, da müssen wir nicht alles noch einmal perfektionistisch prüfen. Deutschland könnte außerdem die Altersgrenze absenken, bis zu der ein Sprachtest für die Einbürgerung nötig ist. Kanada macht seit Jahren gute Erfahrungen damit, ab dem Alter von 55 Jahren auf einen Test zu verzichten. Auch bei der Lebensunterhaltssicherung sind unsere Prüfprozeduren zu aufwändig geworden.
Irem Gündüz – Koordinatorin der Einbürgerungslotsen der Stadt Bremen
Als Einbürgerungslotsen beraten wir Menschen auf dem Weg zum deutschen Pass. Wir prüfen, ob noch Dokumente fehlen, helfen beim Ausfüllen der Anträge und unterstützen bei Behördengängen. Ich selbst biete Beratungen auf Deutsch, Türkisch und Englisch an. Wir haben aber auch Lotsen, die Spanisch oder Arabisch sprechen. Wir sind unabhängig: Wer zu uns kommt, muss keine Angst haben, dass Informationen an Ämter weitergegeben werden. Wichtig ist außerdem, dass wir sagen können: Wir sind auch eingebürgert. Ich selbst bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe meine deutsche Staatsangehörigkeit aber erst vor sieben Jahren bekommen. Im Moment kommen wegen der geplanten Einbürgerungsreform mehr Menschen zu uns in die Beratung, die Frage der Mehrstaatigkeit taucht immer wieder auf.
Mazlum Yalcin – Einbürgerungslotse der Stadt Bremen
In der Praxis sind die Sprachnachweise manchmal ein schwieriges Thema. Auch wenn Menschen Analphabeten sind, wird von ihnen verlangt, dass sie auf Deutsch lesen und schreiben lernen, bevor sie sich einbürgern lassen. Das ist nicht realisierbar. Ich hatte auch schon ältere Personen in der Beratung, Ende 50, die alle Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, bis auf den B1-Deutschnachweis. Die sprechen gut Deutsch, können Behördengänge alleine machen, gehen zur Arbeit und kommen gut klar. Sie sagen mir, dass sie es in ihrem Alter nicht mehr schaffen, ein Sprachzertifikat zu erwerben.
Von Cordula Eubel
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