In viele Ausländerbehörden in Deutschland stapeln sich derzeit die Einbürgerungsanträge. Der MEDIENDIENST INTEGRATION hat in 23 der bevölkerungsstärksten Städte Deutschlands nachgefragt, wie stark die Belastung ist und welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um das Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen.
Einbürgerungen in Deutschland
Fast 20 Jahre lang ist die Zahl der Personen, die jährlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, relativ konstant geblieben – und das, obwohl immer mehr Ausländer*innen Anspruch auf den deutschen Pass hatten. Das liegt laut Expert*innen an den Bedingungen für Einbürgerungen sowie an Einschränkungen bei doppelter Staatsangehörigkeit.
Im Verhältnis zu 1998 (als das neue Staatsbürgerschaftsrecht eingeführt wurde) ist die Zahl der ausländischen Staatsbürger*innen in Deutschland um etwa 60 Prozent gestiegen – von sieben auf rund elf Millionen Menschen. Mehr als 40 Prozent von ihnen leben seit mehr als zehn Jahren in Deutschland, wie der Professor für öffentliches Recht Tarik Tabbara in einer Analyse für den MEDIENDIENST festgestellt hat.
Seit 2021 steigt die Zahl der Einbürgerungen. Grund dafür ist, dass viele Geflüchtete (insbesondere aus Syrien und dem Irak) inzwischen länger als acht Jahre in Deutschland leben und deshalb berechtigt sind, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen.
Bearbeitungsstau in den Ausländerbehörden
Die Zahl der Einbürgerungen steigt nicht überall gleichmäßig: In etwa der Hälfte der deutschen Städte, die der MEDIENDIENST angefragt hat, gab es deutlich mehr Einbürgerungen. In Braunschweig, Bremen, Dresden und Düsseldorf ist die Zahl der Einbürgerungen im Jahr 2022 um rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen – in Münster und Wuppertal um jeweils 40 beziehungsweise 56 Prozent. In Gelsenkirchen hat sie sich sogar verdoppelt.
In fast allen Städten kommen die meisten Neubürger*innen aus Syrien. In Bremen waren es etwa die Hälfte aller eingebürgerten Personen im Jahr 2022. Viele Neu-Eingebürgerte kommen auch aus dem Irak, der Türkei und dem Iran. Unter den EU-Staatsbürger*innen, die die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, kamen viele aus Polen und Rumänien.
Noch stärker als die Zahl der Einbürgerungen wächst die Zahl der Einbürgerungsanträge. In Köln und Dresden hat sich diese innerhalb von einem Jahr verdoppelt, in Bielefeld sogar verdreifacht.
Die vielen Einbürgerungsanträge kommen zu einer schwierigen Zeit für die deutschen Ausländerbehörden. Schon 2022 waren viele Behörden aufgrund der vielen Schutzsuchenden (besonders aus der Ukraine) überlastet.
Die Wartezeiten variieren sehr stark von Fall zu Fall, wie die Städte auf Anfrage des MEDIENDIENSTES bekannt gaben. Mehrere Städte (Augsburg, Braunschweig, Essen, Hamburg, München, Münster) geben eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von rund einem Jahr an. Andere wie etwa Aachen, Bremen, Karlsruhe und Stuttgart schätzen die durchschnittliche Bearbeitungszeit auf rund 1,5 Jahre. Chemnitz hat die längste Zeitspanne angegeben: zwischen sechs und 36 Monaten.
In allen Städten, die der MEDIENDIENST angefragt hat, stapeln sich mehrere Tausend Anträge – am meisten in Berlin (etwa 26.000 offene Anträge), Hamburg (rund 19.000) und München (etwa 10.000). Insgesamt sind in den 22 Städten, die Daten geliefert haben, mehr als 115.000 Anträge in Bearbeitung.
Welche Maßnahmen planen die Städte?
Alle Städte haben Maßnahmen für schnellere Einbürgerungen ergriffen – oder planen diese in der nahen Zukunft. Die überwiegende Mehrheit der Städte setzt dabei auf Digitalisierung, mehr Personal und bessere Informationsangebote.
Digitalisierung
In Bielefeld und München können Interessierte den Antrag bereits digital stellen. Weitere Städte wie Bonn, Braunschweig, Essen und Gelsenkirchen möchten auf digitale Antragstellung umstellen. In Wuppertal können Einbürgerungsanträge per E-Mail gestellt werden. Braunschweig und Chemnitz prüfen per E-Mail, ob die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt sind.
Personal
Viele Städte haben neue Stellen geschaffen, können diese aber nicht immer besetzen. Einige Städte wie Hannover haben deshalb die Anforderungen in Bezug auf Qualifikationen der Bewerber*innen reduziert. In Leipzig wurde Anfang 2023 ein eigenes Sachgebiet für Einbürgerung gegründet, das eine fortlaufende Prozessanalyse und -verbesserung ermöglicht. Auch der Berliner Senat plant im Landesamt für Einwanderung eine zentrale Zuständigkeit für Einbürgerungen mit 120 neuen Stellen.
Dank Personalaufstockung und Digitalisierung hat Düsseldorf zum Beispiel die Einbürgerungszahlen innerhalb der letzten Jahre verdoppelt: Im Jahr 2022 wurden rund 3.000 Personen eingebürgert. Vor Pandemiebeginn gab es durchschnittlich 1.500 Einbürgerungen pro Jahr.
Informationsangebote
Zur Vorbereitung der Anträge bieten einige Städte außerdem Informations- und Unterstützungsangebote an. In Hamburg, Bremen und Hannover gibt es seit mehreren Jahren sogenannte Einbürgerungslotsen, die ausländische Staatsbürger*innen, die sich einbürgern lassen wollen, im Verfahren begleiten und beraten. Ähnliche Programme gibt es inzwischen auch in Kleinstädten wie etwa Lohfelden in Hessen. Münster und Wuppertal organisieren Informationsveranstaltungen zur Einbürgerung und informieren zusätzlich auf ihren Webseiten. Es gibt auch Angebote zur persönlichen Einzelberatung, zum Beispiel in Münster und Leipzig. Dadurch könne die Bearbeitungszeit verkürzt werden, da sichergestellt werde, dass alle benötigten Dokumente eingereicht würden.
Von Sophie Thieme, Fabio Ghelli
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.