Russland wird bis 2050 rund ein Drittel seiner Bevölkerung verlieren. In Europa um 25 Prozent, in Japan sogar um 40 Prozent. In den Vereinigten Staaten von Amerika dagegen wächst die Bevölkerung erheblich, ein Trend, auf den viele Industriestaaten neidisch blicken können. Dies liegt nicht zuletzt an der andauernden Zuwanderung, erklärt US-Botschafter Philipp Murphy bei einem Vortrag in der Berliner Humboldt-Universität. So werde die Altersgruppe zwischen 15 und 64 Jahren um 42 Prozent ansteigen und gleichzeitig die Einwohnerzahl der Vereinigten Staaten auf etwa 450 Millionen Menschen wachsen – von gegenwärtig knapp 300 Millionen.
Ein Umstand, der auch darauf zurückzuführen ist, dass die USA nach wie vor der Einwanderungsmagnet schlechthin sind auf diesem Globus. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden in den nächsten vierzig Jahren jedes Jahr etwa zwei Millionen Menschen ihre Heimat verlassen und ihr Glück in reicheren Ländern suchen. Und von diesen, so Murphy, wird mehr als die Hälfte in die USA zuwandern. Dabei stellen ausgebildete Einwanderer einen großen Anteil. Im Jahr 2000 zählte man nach einem Bericht der OECD 12,5 Millionen ausgebildete Zuwanderer, das waren laut Murphy mehr als in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Australien, Kanada und Japan zusammen.
Die Dominanz des weißen Mannes schwindet
Damit wird das traditionelle Einwanderungsland USA noch bunter, noch vielfältiger als es das ohnehin schon immer war. Der weiße Mann mit europäischen Wurzeln, das zeigen die Statistiken, wird bald in der Minderheit sein. Derzeit machen die Minderheiten, also sogenannte nicht-weiße Bevölkerungsgruppen, rund 30 Prozent aus, 2050 jedoch werden sie mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung stellen. Die meisten neuen Zuwanderer kommen aus Asien und Lateinamerika.
Das wird Auswirkungen in vielen Lebensbereichen haben, nicht zuletzt auch in der Politik, wie sich schon bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen gezeigt hat. Präsident Obama verdanke seine Wiederwahl diesem starken Wandel in der Bevölkerungsstruktur.
Insgesamt sieht US-Botschafter Murphey durch dieses Bevölkerungswachstum Grundlagen für zunehmendes Wirtschaftswachstum und Produktivität. Allerdings beschrieb er auch die Schattenseiten. Und die liegen vor allem im Bildungsbereich.
Was fehlt: Chancengleichheit im Bildungssystem
Hier sieht Murphy schwere Defizite, die vor allem die Kinder der bisherigen Minderheiten betreffen. Die Kluft bei den Bildungschancen zwischen weißen Studenten und den übrigen Bevölkerungsgruppen ist nach wie vor riesig. Nur zehn Prozent der Studieneinsteiger an ausgewählten Universitäten seien, so der Botschafter, schwarz, Latino oder gehörten zur indianischen Urbevölkerung. Weit stärker noch als in deutschen Schulen klaffen in den USA die Leistungen auseinander, gibt es dramatische Unterschiede zwischen den Schulen in den Ballungszentren und den meist reicheren, überwiegend weißen Vorstädten. Übrigens: Auch in Deutschland macht sich inzwischen der Trend zur sogenannten Segregation an deutschen Schulen zunehemden bemerkbar.
Die Vereinigten Staaten bleiben jedoch ein Land, das für seine Zukunft weiterhin auf Einwanderung setzt – mit allen Chancen und Herausforderungen.
6.12.2012
Werner Sonne ist Journalist und Vorsitzender im Fachbeirat des Mediendienst Integration. Er hat für die ARD acht Jahre aus Washington und den USA berichtet.
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