Der Bundestag hat dem Gesetzentwurf zugestimmt, mit dem Algerien, Tunesien und Marokko zu "sicheren Herkunftsländern" erklärt werden sollen. Jetzt muss der Bundesrat entscheiden. Mit dem Gesetz sollen Asylverfahren beschleunigt und Asylbewerber nach einem negativen Bescheid schneller in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Kritiker verweisen jedoch auf Menschenrechtsverletzungen in den drei Ländern. Mängel gebe es etwa bei der Versammlungsfreiheit, zudem seien Homosexuelle und andere Gruppen verfolgt.
Bis vor kurzem wirkte es sich vor allem auf das Asylverfahren aus, wenn ein Land als "sicher" eingestuft wurde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht in diesen Fällen von der "Regelvermutung" aus, dass keine Verfolgung vorliegt. Mit den beiden sogenannten Asylpaketen, die im Oktober 2015 und März 2016 in Kraft getreten sind, wurden jedoch weitere Verschärfungen eingeführt.
Was bedeutet es konkret für Asylbewerber, wenn ihre Herkunftsländer als "sicher" eingestuft werden? Die aktuelle Rechtslage im Detail:
Weniger Bewegungsfreiheit
- Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" müssen in Aufnahmeeinrichtungen wohnen bleiben, solange über ihren Antrag noch nicht entschieden wurde. Wird der Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, gilt die Residenz- und Wohnpflicht bis zur Ausreise aus Deutschland. Auch können sie ohne Genehmigung den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen. Bei anderen Asylbewerbern endet die Residenzpflicht nach maximal sechs Monaten.Grundlage
- Die Antragsteller können zudem in speziellen "Aufnahmeeinrichtungen" untergebracht werden. Die Entscheidung darüber obliegt den Bundesländern in Absprache mit dem BAMF. Der Freistaat Bayern betreibt in Bamberg und Manching zwei Einrichtungen für Antragsteller aus sicheren Herkunftsländern.Grundlage
Arbeitsverbot
- Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten", die ihren Antrag nach dem 31. August 2015 gestellt haben, dürfen außerdem keiner Arbeit nachgehen. Selbst wenn sie nach einem negativen Asylbescheid eine Duldung bekommen, gilt das Beschäftigungsverbot weiter. Andere Asylbewerber können unter Umständen nach drei Monaten arbeiten.Grundlage
Kürzere Klagefristen
- Im Fall von "sicheren Herkunftsländern" werden Asylanträge in der Regel als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt, es sei denn, der Antragsteller kann beweisen, dass ihm in der Heimat Verfolgung droht.Grundlage
- Wurde ein Antrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt, hat ein Betroffener nur eine Woche Zeit, um Deutschland zu verlassen. Bei anderen abgelehnten Asylbewerbern beträgt die Ausreisefrist 30 Tage.Grundlage
- Wenn der Antragsteller gegen den Beschluss klagen will, hat er dafür nur eine Woche Zeit und nicht – wie bei anderen Asylbewerbern – zwei Wochen.Grundlage
Einreiseverbot
- Gegen einen Asylbewerber aus einem "sicheren Herkunftsland", dessen Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde, kann ein Aufenthalts- und Einreiseverbot verhängt werden – auch wenn er das Land selbständig verlässt. Bei der ersten Anordnung gilt die Wiedereinreisesperre für bis zu einem Jahr, bei weiteren Einreiseversuchen maximal drei Jahre.Grundlage
Was sind die rechtlichen Grundlagen?
Der rechtliche Begriff "sicherer Herkunftsstaat" ist im EU-Recht verankert: Die Asylverfahrensrichtlinie bestimmt, dass Mitgliedstaaten einzelne Länder als "sicher" einstufen können, wenn dies von internationalen Informationsquellen wie dem UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) und dem Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) bestätigt wird.
Mit der Ausnahme von Italien und Schweden führen alle Mitgliedstaaten eine Liste von "sicheren Herkunftsstaaten". Anträge von Asylbewerbern aus diesen Staaten werden im Eilverfahren bearbeitet und in der Regel abgelehnt.
In Deutschland ist das Prinzip der "sicheren Herkunftsstaaten" im Grundgesetz verankert und im Asylgesetz konkretisiert. Demnach soll die Bundesregierung unter anderem alle zwei Jahre die Sicherheitslage in den "sicheren Herkunftsstaaten" prüfen und die Liste gegebenenfalls anpassen.
Von Fabio Ghelli
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