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ZUR FOLGE
Folge 3: "Neuanfang"
Mit der Arbeitsmarktforscherin Yuliya Kosyakova (IAB)
Neuanfang im Schatten des Krieges. Seit der Ausweitung des russischen Angriffs auf die Ukraine sind mehr als 1 Million Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Sie stehen heute vor der Entscheidung: Neu anfangen oder nicht? Und auch die Asylpolitik könnte vor einem Neuanfang stehen. Wieso? Dazu sprechen wir mit der Arbeitsmarktforscherin Yuliya Kosyakova (IAB) in der dritten Folge unserer Podcasts.
In dieser Folge spricht Kosyakova darüber, welche Menschen in den letzten zwei Jahren aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind: Sie sind jung, gut ausgebildet und überwiegend Frauen. Viele kamen mit ihren Kindern nach Deutschland. Im Unterschied zu anderen Geflüchteten hatten es ukrainische Geflüchtete von Anfang an leichter: Sie bekamen schnell einen vorübergehenden Schutz zugesprochen und mussten nicht das klassische Asylverfahren durchlaufen oder in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Das alles waren gute Voraussetzungen für eine schnelle Integration.
ZUR DEBATTE
Zwei Jahre nach Kriegsbeginn, gibt es aktuell Kritik daran, dass die Integration zu langsam laufe. Nur jede*r vierte Ukrainer*in hat inzwischen einen Job. Etwa 300.000 haben einen Integrationskurs besucht oder sind aktuell noch dabei. Kosyakova erwidert: Die Geflüchteten kämen oft traumatisiert nach Deutschland, viele seien hier alleinerziehend und hätten Familie im Kriegsgebiet. All das erschwere es, sich auf Integrationsangebote einzulassen. Auch Kosyakova selbst hat Verwandte bei sich zuhause aufgenommen und hat diese Konflikte selbst miterlebt.
Dennoch sieht sie Fortschritte: Deutschland verfolge bei der Integration einen Sprache-zuerst-Ansatz. Das zahle sich langfristig aus. Zwar hätten andere Länder wie Dänemark oder die Niederlande schnellere Beschäftigungserfolge – nach dem Motto "Arbeit-zuerst". Aber auf lange Sicht hätten Geflüchtete, die zuerst die Sprache lernen, mehr Erfolg am Arbeitsmarkt. Und sie hätten bessere Aussichten auf einen Job, der ihrer Qualifikation entspricht. Und auch in einem weiteren Punkt könne man von aus den letzten Jahren etwas lernen: Wenn Geflüchtete früh die Möglichkeit bekommen, sich selbst eine Wohnung zu suchen, dann verbessert das ihre Chancen auf Integration – und entlastet die Kommunen bei der Unterbringung.
ZITATE
"Etwa 80 Prozent der ukrainischen erwachsenen Geflüchteten haben Hochschulabschlüsse mitgebracht. Die allermeisten waren vor dem Zuzug in der Ukraine erwerbstätig. Viele in der IT-Branche, häufig als Fachkräfte. Und es sind natürlich vor allem Frauen, also 80 Prozent der ukrainischen Geflüchteten."
"(...) Aber es bleiben Herausforderungen, wie etwa das Erlernen der Sprache und die Tatsache, dass es viel mehr Frauen sind, häufig alleinerziehende Frauen. All das kann Integration erschweren."
"Ich würde aber trennen zwischen humanitärer Aufnahme und der Zuwanderung von Arbeitskräften. Das sind zwei verschiedene Aspekte. Das eine ist eine humanitäre Verpflichtung. Wir nehmen diese Menschen nicht, weil wir sie für Arbeitsmarkt brauchen. Aber wenn die Menschen da sind und auch längerfristig hier bleiben, wohnen und arbeiten wollen, brauchen sie Unterstützung bei Spracherwerb und der Anerkennung von Abschlüssen. Dann sollen wir diese Menschen auch unterstützen, damit sie bereichernd für unseren Arbeitsmarkt sein können."
"Bislang wurden Geflüchtete über einen festen Schlüssel in Bundesländer und Kommunen verteilt. Häufig kamen sie so zuerst in strukturschwache Regionen. Sprich, es gab Wohnungen, aber es gab keine Arbeit. Und das verlangsamt auch die Arbeitsmarkt-Integration. [...] Bei den Ukraine-Geflüchteten haben wir die Vermutung, dass es die Integration erleichtert hat, dass sie nicht ins klassische Asylverfahren mussten und sich selbst eine Wohnung suchen konnten."
Der Podcast "Einwanderungsland" wird von der Robert Bosch Stiftung gefördert.
Weitere Infos:
- Mediendienst: Aktuelle Zahlen zur Lage der Ukraine-Geflüchteten, Dossier (2024), Link
- Repräsentative Studie des IAB, DIW, BIBB, BAMF (2024): Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland, Link
- Podcast "Einwanderungsland", alle Folgen, Link
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