Ein Bericht über türkische Migranten und ihre Nachkommen in Deutschland? In den meisten Fällen wird er mit betenden Männern in einer Moschee oder mit Frauen bebildert, die auf dem Haupt ein Kopftuch und in den Händen Einkaufstüten tragen. Solche Bilder prägen die öffentliche Wahrnehmung einzelner Bevölkerungsgruppen. Dass nur eine Minderheit der hier lebenden Musliminnen ihre Haare verschleiert, wird im öffentlichen Diskurs aber im wahrsten Sinne des Wortes übersehen.
Auch eine Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung belegt: Es besteht eine "drastische Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und der tatsächlich empirisch nachweisbaren Zahl der Kopftuchtragenden". Nur 25 Prozent der hier lebenden Musliminnen der ersten Generation geben an, immer ein Kopftuch zu tragen. In der zweiten Generation sind es sogar nur noch rund 17 Prozent. Die Autorin Dr. Naika Foroutan schlussfolgert in ihrer Analyse allgemein: Das öffentliche Bild über Muslime in Deutschland ist stark geprägt von Klischees, die von der Wissenschaft regelmäßig widerlegt würden.
Studien belegen negative Wahrnehmung in den Medien
In jüngerer Zeit wurden weitere Untersuchungen veröffentlicht, die sich mit der Darstellung und Wahrnehmung von Migranten und Muslimen befassen. Prof. Dr. Margreth Lüneborg widmete in ihrem 2011 erschienenen Buch "Migrantinnen in den Medien" der muslimischen Frau ein ganzes Kapitel. In ihrer Analyse hält sie fest: Die mediale Darstellung von Musliminnen greife auf ein enges Repertoire der Rollenzuweisung zurück, dominiert von Bildern als "Opfer" und "Integrationsbedürftige". Die verschleierte Frau werde gar zur "Verkörperung religiöser und kultureller Fremdheit und Bedrohung"
Zuletzt bestätigte auch der zweite Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung eine große Skepsis gegenüber Muslimen: Zwar empfänden die meisten Befragten religiöse Vielfalt als bereichernd. Der Islam stelle jedoch eine Ausnahme dar: Jeder Zweite in Deutschland (51 Prozent) betrachte den Islam "eher als Bedrohung", in Ostdeutschland, wo besonders wenige Muslime leben, sind sogar 57 Prozent dieser Auffassung. Die Hälfte der Befragten lehne die Aussage ab, dass der Islam in die westliche Welt passt.
Die Autoren des Religionsmonitors erklären: "Die umfangreiche Medienberichterstattung mit ihren überwiegend negativen Konnotationen" habe relativ breitflächig Misstrauen gegenüber dem Islam geweckt. Ursache für dieses Ergebnis sei unter anderem die Verschränkung der Themen Terrorismus und Integration. Ähnlich argumentiert auch der Forschungsbereich des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in einer Anfang des Jahres erschienenen Studie: Medien bedienten verstärkt ein Bild vom Islam, das um Terrorismus und gescheiterte Integration kreise. Rund 71 Prozent der im Rahmen der Studie Befragten ohne und 74 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund empfanden das in den Medien vermittelte Bild von "Arabern" oder "Muslimen" als negativ.
Auch eine international vergleichende Studie der Vodafone Stiftung vom vergangenen Jahr stützt dieses Ergebnis: Rund 82 Prozent der Befragten in Deutschland waren der Meinung, Muslime würden in den Medien "stereotyp" dargestellt. Mehrheitlich (79 Prozent) erinnerten sie sich an Berichte über Muslime, die mit einem negativen Bild verknüpft waren. Beispiele waren die Sarazzin-Debatte, die Berichterstattung über den Arabischen Frühling und das Minarettverbot in der Schweiz. Sowohl Muslime (92 Prozent) als auch Nichtmuslime (80 Prozent) stimmten der Aussage zu, "Medien sollten mehr über Vorurteile gegen Muslime und Islam in Deutschland berichten".
Ein neues Bild von Muslimen schaffen
Einige Initiativen wollen neue Bilder in die Öffentlichkeit bringen, gängige Klischees hinterfragen und so das angeschlagene Image von Muslimen aufbessern:
- Das Projekt "jung muslimisch aktiv" (juma) zeigt seit Anfang August an 500 Orten in Berlin Plakate, die mit den Stereotypen spielen: So sieht man beispielsweise eine Businessfrau mit Kopftuch, die vor ihren männlichen Kollegen spricht oder einen Imam als Hertha-Fan, der mit anderen seine Mannschaft anfeuert.
- Die Junge Islam Konferenz (JIK) will politisch interessierte Jugendliche motivieren, die Debatten über Muslime mitzugestalten. Seit 2011 werden auf Bundes- und Länderebene Dialogforen etabliert, die Empfehlungen für die Politik erarbeiten und die Deutsche Islam Konferenz des Bundesinnenministeriums kritisch begleiten.
- Das Magazin zenith will dieses Jahr mit einem Foto-Wettbewerb erneut "realistische Alltagsbilder des muslimischen Lebens in Deutschland" finden und die gängigen Bilder kreativ hinterfragen. Die Gewinner-Fotos des vorangegangenen Wettbewerbs von 2011 zeigen bereits, wie es geht und bieten neue Perspektiven auf die "Kopftuch-Frau". Die Stiftung Mercator präsentiert diese und andere Bilder zum Thema in einer Ausstellung.
- Die Portraitserie Cover-Discover von Seren Başoğul zeigt sechs Frauen unterschiedlicher Herkunft mit Kopftuch. Auf eindrückliche Weise wird deutlich: Allein wie das Tuch gebunden wird, beeinflusst die Wahrnehmung von ein und derselben Person. Mit ihren Bildern von 2011 will Başoğul bestimmte Denkmuster einer Prüfung unterziehen und aufzeigen, "dass vieles komplexer ist, als es scheint".
Von Lea Hoffmann
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